Eisdiamanten Trilogie Band 3 - Stefan Prebil - E-Book

Eisdiamanten Trilogie Band 3 E-Book

Stefan Prebil

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Beschreibung

Das Finale der Trilogie, die von den Abenteuern eines Aussteigers erzählt, von leidenschaftlicher Liebe, unsäglicher Gier und internationaler Geldwäscherei. Nach der abenteuerlichen Flucht aus dem von Vulkanausbrüchen heimgesuchten Island hat Samuel Frei mit seinen Tauchkumpanen beschlossen, die gefundenen Rohdiamanten an ein internationales Syndikat zu verkaufen. Aus dem anfänglich äußerst lukrativ erscheinenden Geschäft entwickelt sich eine nicht enden wollende Bedrohung für die Taucher und ihre Familien. Frustriert reisen alle aus der Schweiz in ihre Heimat. Sam bleibt allein zurück und muss um seine Liebe bangen. Das Ringen um Reichtum und die verbleibenden Diamanten gefährdet Interessen auf höchster Ebene und gerät außer Kontrolle. Die Verbindungen des Diamantensyndikats zu Steuerfluchtenthüllungen beginnen den Geheimdienst zu interessieren.

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EPUB
MOBI

Seitenzahl: 214

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Stefan Prebil arbeitet und schreibt in seiner Alphütte hoch über dem Brienzersee.

Nach einer Karriere im Top-Management rund um den Globus besteht seine Tätigkeit heute aus Beratung von Firmen im Technologiebereich, Coachings und dem Schreiben von Romanen.

Seine Erzählungen handeln von persönlichen Beziehungen, außergewöhnlichen Biografien, im Kontext mit gesellschaftlichen Entwicklungen und dem rasanten technologischen Fortschritt.

Stefan Prebil

EISDIAMANTEN

BAND III

NICHTS BLEIBT VERBORGEN,

ALLES WIRD ANS LICHT KOMMEN

© 2020 Stefan Prebil

 

Umschlag, Illustration:

Stefan Prebil

Cover Bild:

Photopia

Verlag & Druck:

tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg

ISBN

 

Paperback

978-3-347-03031-2

Hardcover

978-3-347-03032-9

e-Book

978-3-347-03033-6

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Alle in diesem Buch geschilderten Handlungen und Personen sind frei erfunden.

Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen wären zufällig und nicht beabsichtigt.

Inhaltsverzeichnis

Eins

Zwei

Drei

Vier

Fünf

Sechs

Sieben

Acht

Neun

Zehn

Elf

Zwölf

Dreizehn

Vierzehn

Fünfzehn

Eins.

Sam blinzelt und nur sehr langsam wacht er auf. Er hat intensiv geträumt, sich hin und her gewälzt, ist oft halb aufgewacht und hat sich bemüht, den Erinnerungen, die aus der Tiefe seines Unterbewusstseins aufstiegen, zu entkommen. Doch jedes Mal, wenn er wieder eingeschlafen ist, lief der Film weiter, als wenn er zuvor nur die Pausentaste gedrückt hätte.

Mühsam versucht er sich aufzusetzen, doch sein Körper gehorcht ihm nur widerwillig. Es fühlt sich an, als wäre er gestern Nacht von einem Traktor überfahren worden. Die leichte Dekompressionskrankheit bei der sich durch den zu raschen Aufstieg aus der Tiefe Stickstoffblasen in seinem Gewebe gebildet hatten, wirkte wie ein böser Muskelkater, den er mit einer Flasche Whisky hat vertreiben wollen. Dabei hat er nur warm geduscht, nur Wasser getrunken und ist danach sofort eingeschlafen.

Ächzend setzt er sich auf die Bettkante, reibt sich die Glatze und bemüht sich, die verklebten Augen freizubekommen, um klar sehen zu können. Doch das Licht schmerzt wie ein Krampf und er schließt die Augen wieder.

Sofort tauchen wieder, wie im Blitzlicht, die Erlebnisse der letzten Monate auf: Wie er mit dem schweren Rollkoffer als frisch angeheuerter Tauchguide aus dem Flughafen stapft und sich nach den öden Managerjahren endlich wieder lebendig fühlt.

Bilder von verdreckten Duschen aus V18, der WG der Guides, und von gemeinsamem Lachen bei den Barbecues in der Mitternachtssonne leuchten auf.

Dann das wunderschöne Lächeln von Marie. Ihre samtweiche Haut, und wie er verschwitzte Strähnen aus ihrem Gesicht streicht, nachdem sie sich leidenschaftlich geliebt haben. Er sieht ihren warmen Blick, Ihre Augen strahlen und am liebsten würde er für immer bei diesem Bild, dass sich tief und gestochen scharf in seinen Geist eingebrannt hat, verweilen.

Sam fühlt, wie sich seine Schultern ein wenig senken und sein Atem ruhiger wird. Kurz blinzelt er, doch noch immer schmerzt ihn das Licht in den Augen und er schließt ergeben wieder seine Lider. Unbarmherzig, wie während der letzten Nacht, blättert sein Geist weiter in dem in seinen Erinnerungen gespeicherten Fotoalbum.

Bilder der Erdbeben an der Silfra tauchen auf. Von ihrer verzweifelten Flucht vor dem Lahar, der Schlammlawine, die sich ins Tal wälzte, nachdem die Lava unter dem Gletscher das Eis explosionsartig hatte schmelzen lassen.

Er sieht, wie Chuck mit ihnen, den wenigen Überlebenden, in wilder Fahrt mit dem Jeep den Hügel hochjagt und sie von oben zusehen mussten, wie der Lahar in die Bucht von Reykjavik donnerte und darauf ein Tsunami die Stadt brutal zertrümmerte.

Sein Atem geht stoßweise, keuchend. Sein Körper kann nicht zwischen der Erinnerung und der Wirklichkeit unterscheiden.

Er sieht, wie sie sich die milchigen Steine in die Taschen stopfen, welche Jace in einer Spalte entdeckt hat. Als Bilder von Simi auftauchen, probiert er krampfhaft zu schlucken, doch sein Mund ist so trocken, dass es sich anfühlt, als müsste er versuchen, einen Bissen trockenes Brot ohne zu kauen herunterzuwürgen. Simi hängt an dem rutschenden Jeep, hält sich mit einer Hand an Chuck fest, der ihn hochzuziehen versucht, und in der anderen hält er den sagenhaft großen Rohdiamanten, den er nicht loslassen kann. In der nächsten Sekunde hört Sam in seinem Kopf den unmenschlichen Schrei seines Bruders Barbu, als Simi mit dem Jeep in die Tiefe stürzt.

Tränen rinnen über Sams Gesicht. Er weint lautlos und die Spannung löst sich. Er kann schlucken und mit einem zitternden Atemzug atmet er tief ein. Dann lässt er die Luft geräuschvoll durch die Nase entweichen. Er zwingt sich die Augen zu öffnen.

Langsam richtet er sich mit seinen schmerzenden Gliedern vom Bett auf und greift seine Schlabberhosen. Doch sofort beginnt sich alles zu drehen und er lässt sich wieder auf das Bett fallen.

Er liegt ergeben da und schüttelt lächelnd den Kopf. Er wird es langsam angehen müssen.

Auch mit offenen Augen geben seine Erinnerungen keine Ruhe. Es scheint, er muss es wieder und wieder erleben, um Ruhe in seine Gedanken zu bringen.

Sie waren diesem Inferno entkommen und gemeinsam mit einem gekaperten Kleinflugzeug über die Färöer Inseln heil in die Schweiz gekommen. Die gefundenen Steine waren tatsächlich Rohdiamanten, wie Jace es behauptet hatte.

Auf einen Schlag sind sie so reich geworden, dass alle ihre Träume möglich wurden, und doch war damit der Horror nicht im mindesten zu Ende gewesen. Ganz im Gegenteil. Die Nachricht hatte begonnen ihre Zukunft zu bedrohen.

Das wurde Sam klar, als John, der Cousin von Jace, der in London als Gemmologe arbeitet, ihnen erklärte, dass er ein Syndikat gefunden habe und so die auf dem freien Markt kaum verkäuflichen Steine für die hübsche Summe von zehn Millionen verkaufen könne. Damit begannen ganz andere Schwierigkeiten. Leise breiteten sich Gier, Größenwahn, Misstrauen und Streit unter ihnen aus.

Was sie damals für eine schlaue Idee hielten – Arik, dem Kopf des Syndikats, nur einen Teil der Steine zu übergeben, weil der sie mit einem «Trinkgeld» von zehn Millionen Schweizer Franken abspeisen wollte, und den Rest der Steine in der Tiefe des Brienzersees zu verstecken – erwies sich später als schwere Last.

Sie sind sich einig gewesen, Marie, Barbu, Piet, Chuck und er. Emma und Jace waren sowieso schon vorher mit ihrem Geld nach Hause gereist. Emma ist schwanger und die beiden haben im Sinn, sich ein Leben und eine Familie aufbauen. Sie hatten genug erlebt, waren mit ihrem Anteil zufrieden und wollten endlich zur Ruhe kommen. Sie wären sicher einverstanden gewesen.

Gestern sollten diese restlichen Steine endgültig aus der Welt geschaffen werden. Kein Streit mehr unter ihnen, keine Bedrohungen mehr durch das Syndikat – Ruhe und Frieden soll endlich wieder einkehren in ihre Leben.

Der Fund der Rohdiamanten hatte wie Schimmel alles in ihnen überwuchert und zum Faulen gebracht: ihre Überzeugungen, das Vertrauen und die Zufriedenheit mit ihrem Leben und den Perspektiven.

Chuck hat sich vor der Übergabe mit einem der beiden großen Diamanten abgesetzt, wohl weil er dachte, damit ein besseres Geschäft zu machen. Und er? Er hat den Zweiten unter seiner Buddha-Skulptur versteckt – ohne den anderen etwas davon zu erzählen! Warum bloß hat er das getan und den Schlamassel damit noch vergrößert?

Vor ein paar Tagen tauchte dann Chuck wieder auf, als er begriffen hatte, dass man den größten je gefundenen Rohdiamanten nicht einfach in einem Juweliergeschäft in Geld umwandeln kann. Er wollte seinen Anteil haben, doch das Geld war schon verteilt und Piet, Jace und Emma waren mit ihrem Teil außerdem schon nach Hause gereist.

Der Plan war, wieder zum Versteck im See zu tauchen, Chucks Stein gegen einen Anteil von kleinen, leichter verkäuflichen Steinen zu tauschen und den Rest endgültig im See zu versenken, um das Misstrauen, die Gier und die nicht enden wollende Odyssee zu beenden. Schließlich hatten sie alle das Inferno der Vulkanausbrüche auf Island überstanden und waren mit ihrem Anteil an den zehn Millionen so reich geworden, dass für jeden nach seinen Wünschen ein tolles Leben möglich war.

Doch – den Rest zu versenken war nur sein Plan gewesen. Der offizielle war, nur den großen gegen kleinere Steine auszutauschen und den Rest wieder in dem kalten, dunklen Versteck, dreißig Meter unter der Wasseroberfläche in einer Wand im See verborgen zu halten, bis man sie irgendwann holen und zu Geld machen könne.

Sein eigener Plan ist gründlich schiefgelaufen. Als er die Nylontasche, mit Steinen beschwert, über die Kante in unerreichbare Tiefe stoßen wollte, ging Chuck auf ihn los. Er hatte nicht nur zum Ziel die Tasche zu retten. Nein – er hat beabsichtigt, ihn aus dem Weg zu schaffen, wollte ihn umbringen. Dann ist die Tasche mit den Diamanten doch über die Kante gerutscht und Chuck ist hinter ihr her in der Tiefe verschwunden. Als er selbst mit einem Notaufstieg knapp und mit viel zu viel Stickstoff im Blut an der Oberfläche auftauchte, lag Chuck bereits sterbend bei Marie und Barbu im Boot. Er hatte bei seinem Notaufstieg eine Embolie erlitten und ist daran gestorben.

Was für ein Horror! Zu allem Unglück tauchte auch noch die Seepolizei auf und sie mussten Chucks Leiche versenken, um nicht auch noch in Ermittlungen zu geraten. Dabei fand Barbu in der Hosentasche seines Tauchanzugs den großen Stein, den Chuck vorgegeben hatte zurückzulegen. Chuck hatte also auch einen eigenen Plan gehabt. Wütend warf er den Stein in den See.

Die Polizei brachte Chuck in die Klinik in Interlaken und kaufte Sam die Story von spektakulären Unterwasseraufnahmen für ein Tauchmagazin ab.

Was für eine schreckliche Bilanz seines Alleingangs! Chuck ist tot und er hat eine Dekompressionskrankheit erlitten. Überall in seinem Gewebe sind noch Blasen von Stickstoff durch den zu schnellen Aufstieg. Deshalb fühlt er sich jetzt noch so zerschlagen.

Wenigstens haben Marie und Barbu ihm die Geschichte eines Unfalls geglaubt und er musste nicht auch noch beichten, dass sein Plan zu diesem Desaster geführt hat, sinniert Sam auf der Bettkante.

Er probiert aufzustehen, doch sofort wird ihm wieder schwarz vor Augen und er setzt sich hin. Vielleicht hätte er doch die Nacht in der Klinik verbringen sollen? Doch er wollte nur nach Hause und hat das Formular unterschrieben, um die Ärzte von der Verantwortung zu entlasten.

Endlich zu Hause angekommen, half ihm Marie sich auszuziehen, und bevor er noch etwas sagen konnte, war er auch schon regelrecht weggetreten. Kompletter Blackout. Doch an das, was zuvor geschehen war, kann er sich gut erinnern.

Marie, die zu ihm in die Klinik gekommen war, hatte sich große Sorgen um ihn gemacht, weil er nach Hause wollte. Unter Tränen hatte sie versucht, ihm seine Befürchtungen auszureden: Die Ärzte hätten doch Schweigepflicht und würden keinesfalls die Polizei involvieren. Und selbst wenn, würde er tot oder schwerbehindert doch nichts von den Diamanten haben. Er aber, wollte um jeden Preis eine Untersuchung über den Tauchunfall vermeiden. Fragen darüber, warum er dort getaucht sei. Noch dazu alleine. Das ist doch ein Risiko, welches man nicht eingeht. Und so weiter und so weiter. Am Schluss würden vielleicht noch Polizeitaucher auf den Plan gebracht. Chuck liegt zwar sehr tief auf dem Seegrund, weit außerhalb der Reichweite von Gerätetauchern – aber man weiß nie, ob er nicht doch gefunden würde.

Doch er hatte auch die Fürsorge und die Angst um ihn genossen. Er hatte sich dadurch geliebt und wichtig für Marie gefühlt und die Befürchtung bevorstehender Ermittlungen eigentlich fast verdrängt. Fast hatte er der Verlegung zugestimmt, denn Marie hatte im Grunde recht. Seine Symptome waren deutlich. Es kribbelte in seinen Händen und Füßen, obwohl sie gut durchblutet und rosig waren. Es konnte nur bedeuten, dass kleine Bläschen auf die Nerven drückten oder sogar in seinem Rückenmark Blockaden bildeten. Doch als Marie dann entnervt seine Sachen packte, konnte er schlecht seine Meinung wieder ändern. Auf dem Weg nach Hause war er dann mehrmals eingeschlafen. Es fühlte sich eher wie Ohnmachtsanfälle an, aber wenn ihn Marie schüttelte, behauptete er jeweils, er sei nur eingenickt.

Sam zwingt sich, die Gedanken und Bilder an die letzte Nacht, die sich immer noch versuchen in sein Bewusstsein zu drängen, zu verscheuchen. Es gilt jetzt vorwärts zu blicken – die Vergangenheit kann er nicht mehr ändern.

Die Steine sind sie nun los und wenn er den, welcher er unter dem Buddha versteckt hält, auch noch Arik übergibt, wird der hoffentlich Ruhe geben. Er will ihm auch erzählen, wo der Rest liegt. Soll er doch Spezialgerät auftreiben, wenn er sie unbedingt bergen will.

Wichtig ist nur, dass sie endlich wieder ihre Ruhe haben! Dass er Marie in seinem Leben behalten darf.

Zuerst einmal muss er jetzt auf die Beine kommen!

An der Bettkante hockend beugt und streckt er Arme und Beine, um zu sehen, ob noch alles funktioniert. Er kann keine größeren Schmerzen oder Taubheitsgefühle ausfindig machen. Es scheint, er hat Glück gehabt. Obwohl er natürlich weiß, dass die Symptome bis achtundvierzig Stunden danach immer noch auftreten können. Er schaut auf die Uhr. Fast elf Uhr vormittags. Er muss zehn Stunden geschlafen haben. Der Tauchgang ist demnach mehr als zwölf Stunden her. Die Faustregel besagt, wenn bis zwölf Stunden nach dem Auftauchen keine Lähmungen oder sonstigen Symptome auftreten, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es glimpflich ausgehen wird.

Er streckt sich und tastet mit dem Arm nach Marie. Erst jetzt bemerkt er, dass sie nicht wie sonst wie eine Katze zusammengerollt hinter ihm liegt. Das Bett ist leer. Sie ist wahrscheinlich längst aufgestanden. Sicher hatte er im Tiefschlaf auch geschnarcht wie ein Bär. Doch als er das Kissen betrachtet, dämmert ihm, dass er in dieser Nacht alleine in dem Bett geschlafen hat. Die Seite von Marie sieht unbenutzt aus.

Mühsam kommt Sam auf die Beine, zieht seine schlabbrigen Jogginghosen an, tappt in die Küche, reibt sich den nackten Bauch und mit der anderen Hand die Glatze.

«Guten Morgen», brummt er zu Barbu, der an der Küchenbar hockt, und gähnt mit offenem Mund.

«Ja – habe ich», bekennt Barbu wortkarg und fragt mit einem Kopfnicken zu der Espresso Maschine, ob er gerne einen Kaffee möchte.

Sam nickt dankbar und holt sich eine Tüte Orangensaft aus dem Kühlschrank. Er setzt die Tüte an den Mund und trinkt sie mit gierigen Schlucken leer.

«Ahh – schon besser! Und – wo ist sie denn hin, meine Hübsche?»

«Ich weiß nicht, aber sie ist vor etwa zwei Stunden mit zwei Taschen und ihren sieben Sachen aus dem Haus.»

Verdattert schaut Sam ihn an. Die Kaffeetasse in der Hand bleibt ihm auf halbem Weg zum Mund stehen. Dann wandert sein Blick über die Küchentheke.

Er schnappt sein Handy und wählt Maries Nummer. Es tutet und gleich darauf geht die Mailbox ran. Sie hat entweder keinen Empfang oder – was wahrscheinlicher ist – ihr Handy ist ausgeschaltet. Konsterniert schaut er sein Handy an. Was ist geschehen? Wo ist sie hin?

«Ich glaube, Marie ist einfach alles zu viel geworden. Was ich gut verstehen kann. Mir geht es genauso», hört er Barbu brummeln und spürt seine Hand auf der Schulter. In seinem Kopf wirbeln die Gedanken. Sie konnte ihn doch nicht einfach so verlassen haben? Das würde sie nie tun. Wahrscheinlich braucht sie nur Ruhe und Abstand. Das kann er ja verstehen. Ihm selbst ging in den letzten Tagen auch immer wieder der Gedanke durch den Kopf, einfach abzuhauen von all dem Schlamassel. Sich einfach auszuklinken, zur Ruhe zu kommen und wieder klar denken zu können.

«Sie wird sich sicher bald melden und mir erzählen, wohin sie will. Sie kann doch nicht einfach so ohne eine Erklärung, ohne Abschied verschwinden.»

Barbu wiegt zur Antwort nur den Kopf.

«Und du? Was hast du vor?», fragt ihn Sam und fokussiert seine Gedanken, wie er das in seinem Managerleben bei Hiobsbotschaften immer getan hat. Meist hat es geholfen, die Emotionen zu verdrängen, und das ist auch jetzt bitter nötig. Das Gefühl, Marie verloren zu haben, drängt sich wie Todesangst in sein Bewusstsein. Er bekommt weiche Knie und hat das Gefühl sich gleich übergeben zu müssen. Es fühlt sich an, wie auf einem schmalen Balken hoch über einem Abgrund zu stehen. Nichts in seinem Leben hat je eine solche Wirkung auf ihn gehabt wie das Verlassenwerden. Das hatte nichts Rationales mehr an sich, war nicht einfach eine tiefe Traurigkeit oder Wut, die er dann jeweils fühlte, sondern blanke Todesangst. Natürlich ist er wie die meisten Menschen mehrmals in seinem Leben verlassen worden, hat auch gelernt, dass es immer irgendwie weitergeht und manchmal danach sogar viel besser als zuvor, dass er wieder jemanden kennenlernen und sich dann wieder geborgen fühlen kann, doch diese Erfahrungen scheinen den Effekt, den das "Verlassen werden" auf ihn hatte, nicht zu mildern – ganz im Gegenteil. Es ist bei jedem Mal schlimmer geworden. Er zwingt sich zu fokussieren, um nicht in den Gefühlen zu versinken, und muss sich an der Frühstücksbar abstützen, um nicht wie ein angeschlagener Boxer in die Knie zu sinken.

Barbu deutet mit seinem Blick ins Wohnzimmer, wo auf einem Sessel seine gepackte Tasche liegt.

«Sam, ich kann nicht mehr. Ich habe genug erlebt für die nächsten hundert Jahre. Es ist auch mir zu viel geworden. Das Drama um die Steine, um Reichtum und der ganze Ärger, den wir damit hatten. Ich habe die Schnauze gestrichen voll», bezieht Barbu mit ruhiger Stimme Stellung auf Sams fragenden Blick.

Natürlich kann Sam verstehen, was Barbu meint, und ahnt auch, was in Marie vorgehen muss, aber warum musste er daran schuld sein? Er trottet mit seiner Tasse ins Wohnzimmer und lässt sich in den freien Sessel fallen.

«Die Ratten verlassen das sinkende Schiff», brummt er und als Barbu nicht darauf eingeht: «Ich fühle mich alleingelassen. Alle hauen ab, zu ihren Familien, zu den Liebsten, und ich Idiot bleib hier alleine sitzen.»

Die alte Krankheit, die Angst vor der Einsamkeit kriecht in ihm hoch. Das hat er seit Jahren nicht mehr empfunden, hat geglaubt, er sei über diese Erbschaft seiner Kindheit hinweggekommen. Aber jetzt war dieses Gefühl von Vernichtung wieder da, als wäre es nie richtig überwunden gewesen. Es legt sich um seine Kehle, zieht an seinen Eingeweiden und lässt seine Beine schwach werden.

«Wie kommst du darauf? Du bist gar nicht schuld. An was auch? Ich verlasse dich auch nicht. Ich muss nur nach Hause zu meiner Familie. Das Geld werde ich verstecken und nur soviel brauchen, wie ich unbedingt zum Leben benötige. Ich will meinen Frieden wieder, auch wenn ich dazu wieder arm sein muss – kannst du das verstehen? Wir bleiben Freunde», erklärt ihm Barbu und betrachtet stirnrunzelnd das Häufchen Elend vor sich auf dem Sessel.

«Ich wünschte, ich hätte auch eine Familie, zu der ich mich verziehen könnte. Oder zumindest eine Freundin, eine Partnerin. Aber das scheine ich nicht mehr zu haben. Und glaub mir – ich würde auch mein Geld und alles geben, um mich einmal im Leben geborgen zu fühlen.», erwidert Sam weinerlich und badet ausgiebig in seinem Selbstmitleid.

«Marie kommt ganz sicher zurück. Sie hat mich noch beim Abschied gebeten, gut nach dir zu schauen. Warum wohl? Weil sie dich liebt, mein Freund.»

Barbu spürt den großen Schmerz von Sam, seine Angst und den Abgrund, in den er offenbar gerade zu blicken scheint.

«Hoffen wir es… Wann gehst du?», brabbelt Sam, aus dem Fenster blickend und irgendwo auf dem See nach Halt suchend.

«Eigentlich jetzt, aber ich kann auch erst am Nachmittag fahren und dann den Bus am nächsten Morgen nehmen…»

«Nein, nein – auf keinen Fall. Dann musst du meinetwegen in Zürich übernachten. Es ist O.K., Barbu», erklärt Sam mit fester Stimme und schaut ihn klar an. Er erhebt sich und umarmt seinen Tauchkumpanen.

So stehen sie für lange Sekunden und sehen sich in die feuchten Augen. Auch Barbu scheint mit sich zu kämpfen, um nicht einfach loszuheulen.

Seine Jugend in Rumänien war rau, es gab viele schwere Momente und Schicksalsschläge in der Familie. Todesfälle, die man hätte verhindern können, hätte man Geld gehabt oder zumindest einen Job, um einen Kredit zu bekommen. Er hat nie etwas anderes erlebt als Mangel, und jetzt? Ist es jetzt der Überfluss, der die schweren Momente bringt? Chuck ist gestorben, gerade weil Geld da war, nicht weil es daran mangelte. Sein Bruder starb, weil er den Reichtum, der ein friedliches und tolles Leben verspricht, schon in den Händen gehalten hat und nicht mehr loslassen konnte.

Verrückt und noch brutaler als Leiden aus Mangel, geht Barbu durch den Kopf. Und dann der Mann vor ihm, der ihn mit tiefer Angst in den Augen ansieht, der gerade wieder knapp dem Tod entronnen ist und sich nicht darüber freuen kann, weil die Einsamkeit, die man mit keinem Geld der Welt wirklich bezwingen kann, ihn aufzufressen droht und er sie mehr fürchtet als den Tod.

Sam drückt Barbu fest an sich und stößt ihn dann freundlich von sich weg, räuspert sich, um nicht in Sentimentalität zu verfallen. «Geh mein Freund und melde dich bitte, wenn du angekommen bist», raunt er mit heiserer Stimme und nickt dazu.

Barbu nimmt seine Tasche vom Sessel und holt Luft, aber Sam schüttelt den Kopf. Es ist alles gesagt und selbst wenn Barbu hierbleiben würde, wäre er einsam. Sein Herz schreit nach Marie, nicht nach Gesellschaft eines Freundes.

Dann geht Barbu wortlos, ohne sich nochmals umzudrehen, aus der Tür. Die Tür fällt ins Schloss und es ist totenstill in Sams Haus.

In seinem Haus herumtigernd probiert Sam zur Ruhe zu kommen. Es ist zwar erst Mittag, aber er hat sich einen schönen Single Malt eingeschenkt und nippt an dem Glas. Das darf nicht zur Gewohnheit werden. Er kennt die Folgen, wenn er seine Einsamkeit mit Alkohol zu besänftigen versucht. Es hat nie wirklich geklappt und wurde, wenn er danach nüchtern war, nur noch schlimmer. Aber jetzt – einen zur Feier des Tages, wie er sich zynisch lächelnd selbst erklärte, als er das Glas eingeschenkt hatte, jetzt darf er, nein muss er, sich einen genehmigen.

Als er seinem Lieblingssessel eingekuschelt, mit Blick auf den See, an dem Glas nippt, fährt es ihm wie ein Blitz durch den Kopf: Der Stein! Er muss sofort nachschauen, ob er noch da ist.

Der große Rohdiamant. Warum sollte er nicht mehr da sein?

Schließlich hat er niemandem davon erzählt. Den anderen der großen Steine hat Barbu in den See geschleudert, als er ihn in Chucks Beintasche gefunden hatte. Letztlich war es diese Tatsache, welche Sam entlastet hat. Den leisen Verdacht, er könnte etwas getan haben, was zu Chucks Tod geführt hat, hat er ganz deutlich in Maries und Barbus Augen lesen können, auch wie er verflogen ist, als der große Stein bei Chuck zum Vorschein kam.

Der einzige verbliebene Große liegt unter dem Buddha versteckt, auch wenn alle denken, er sei mit der Nylontasche auf den Grund des Sees gesunken. Davon sollen Marie und die anderen nie etwas erfahren. Der Stein muss weg – zu Arik – erst dann kann er alles andere regeln.

In seinen Wandersandalen geht Sam über den Kiesweg in seinen dürftigen Garten. Der steinerne Buddha ruht wie eh und je auf seinem Sockel. Keine Pflanzen sind umgeknickt, auch Kies um ihn herum ist nicht aufgewühlt, aber er muss Gewissheit haben. Angestrengt umfasst er die schwere Steinfigur und muss sein ganzes Gewicht einsetzen, um sie seitlich zu verschieben. Knirschend bewegt sich der Buddha und gibt einen Spalt zu dem hohlen Sockel unter ihm frei. Sam fast hinein, tastet. Nichts. Vielleicht ist die Tüte weiter hinten? Aber wie könnte das geschehen sein? Er hat beim Verstecken den Buddha nur gerade so weit bewegt, dass die Tüte durch die Spalte passte. Sie müsste genau unter der winzigen Öffnung liegen. Sam geht hastig zur Garage, um eine Taschenlampe zu holen. Zurück leuchtet er damit in die Öffnung. Da ist nichts. Definitiv nichts. Der Stein ist weg!

In Sams Kopf herrscht ein Brausen und ein Lärm, wie wenn tausend Stimmen mit ihm sprechen würden, Erklärungsversuche machen, wütende Kommentare abgeben. Er taumelt zurück zum Haus, schenkt sich das Glas randvoll ein und setzt sich mit dem Single Malt auf die Terrasse. Er muss jetzt ganz genau nachdenken.

Als er den Stein versteckt hat, waren nur Emma und Marie im Haus. Jace und Piet waren beim Tauchen im Neuenburger See. Es waren also nur die beiden Frauen im Haus, und sie haben es vielleicht mitbekommen. Aber beiden traute er nicht zu, den Stein einfach zu stehlen. Doch sie hätten natürlich auch ihre Beobachtung jemandem erzählen können. Im Grunde kommt jeder und jede infrage.

Aber was heißt hier stehlen? Er selbst hat ja den Stein, statt ihn in der Tasche im See zu verstecken, unter den Buddha geschmuggelt und niemandem etwas davon erzählt. Ist nicht er derjenige, der ihn zuerst gestohlen hat? Warum soll sich der oder die sich dafür im Unrecht fühlen, ihn jetzt einfach weggenommen zu haben?

Sam hat keine Antwort darauf, aber die Sache einfach auf sich beruhen lassen kann er auch nicht. Dabei geht es ihm nicht einmal um den Wert des Steins. Man kann ihn sowieso nicht als Ganzes verkaufen, wie schon Chuck gemerkt hatte. Auch wenn er die Anderen durch das heimliche Verstecken des Steins faktisch betrogen hat, muss er nun aufspüren, wer zum Teufel nun ihn betrogen hat. Was steckt dahinter? Und wie hat überhaupt jemand etwas von dem Versteck bemerkt? Der Garten ist nur vom See her oder aus der Luft einsehbar. Außer natürlich ist man direkt im Garten. Aber das wäre ihm aufgefallen. Er stand mit Blick zum Eingang des Gartens, als er an dem Buddha hantierte.

Vom See her oder aus der Luft? Hatten Arik und seine Leute etwas damit zu tun? Vielleicht lässt Arik sie überwachen und es sind irgendwo Kameras installiert oder jemand beobachtet das Haus mit einem Fernglas. Zutrauen würde er ihm so was. Aber wie sollten sie den Stein holen, es war doch immer jemand im Haus? Oder nicht? Er