Eiswege - Bärbel Danneberg - E-Book

Eiswege E-Book

Bärbel Danneberg

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  • Herausgeber: Promedia
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2012
Beschreibung

Der Tod ist eine Zumutung für die Lebenden. Eine noch größere Zumutung ist es, wenn ein geliebter Mensch sich selbst das Leben nimmt. Bärbel Danneberg beschreibt in ihrem Buch "Eiswege" die sechs Tage zwischen der tödlichen Diagnose und dem Freitod ihres Mannes Julius Mende und die Monate danach. Bärbel Dannebergs Text ist ein sehr persönlicher, der Menschen mit ähnlichem Schicksal nach der wahrscheinlich schrecklichsten Todeserfahrung zurück ins Leben helfen soll. Er ist voll mit Erinnerungen an den Toten, mit eigenen Gedanken zum Thema Sterben und Zitaten aus anderen Büchern zum Thema Tod und Selbsttötung.

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Seitenzahl: 234

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Bärbel Danneberg Eiswege

© 2012 Promedia Druck- und Verlagsgesellschaft m.b.H., Wien Lektorat: Karin Ballauf Umschlaggestaltung: Stefan Kraft Cover-Zeichnung: Tatjana Danneberg Totentanz-Bilder: Herwig Zens Buchgestaltung: Jo Schedlbauer

ISBN: 978-3-85371-801-8 (ISBN der gedruckten Ausgabe: 978-3-85371-346-4)

Fordern Sie einen Gesamtprospekt des Verlages an: Promedia Verlag Wickenburggasse 5/12

Bärbel Danneberg: 1943 in Berlin-West geboren. Erlernte und ausgeübte Berufe: Maßschneiderin, diplomierte Krankenschwester, Gastwirtin, ab 1974 Journalistin in Wien, seit 2003 in Pension.

Langjährige journalistische Mitarbeit in der „Volksstimme“ und Chefredakteurin der „stimme der frau“. Mithe­rausgeberin diverser Bücher, Beiträge in Zeitschriften und Sammelbänden. Zuletzt erschien ihr Buch „Alter Vogel, flieg! – Tagebuch einer pflegenden Tochter“ (Promedia Verlag), in dem sie die vierjährige häusliche Pflege ihrer demenzkranken Mutter beschreibt. Das Buch war auch Anregung für „Mehr als ich kann – ein Film über den Pflegealltag im Verborgenen“ von Herbert Link.

Tatjana Danneberg: 1990 in Korneuburg bei Wien geboren, nach der Matura Aufenthalt in England, Architekturstudium an der Technischen Universität Wien, Studentin an der Akademie für bildende Künste Wien.

Herwig Zens: 1943 in Himberg bei Wien geboren, Studium an der Akademie der bildenden Künste in Wien, Besuch der „Schule des Sehens“ bei Oskar Kokoschka in Salzburg, Diplom der Malerei bei Professor Elsner. Seine bekanntesten Projekte sind u. a. der „Basler Totentanz“, die „Goya-Projektion“ und der Bildzyklus zu Hugo Distlers „Totentanz op.12“. Vielfach mit Preisen ausgezeichnet.

Vorwort

Das vorliegende Buch ist nach dem Freitod meines Mannes Julius Mende entstanden. Er war tödlich krank und legte sich vor einen Zug. Zwischen der Diagnose und seinem Tod lagen sechs Tage.

Kann man den Tod, dieses absurde Ereignis, in Worte fassen? Kann man den Suizid, diese radikale Unordnung, beschreiben? „… weil es vom Sein zum Nichtsein keine Brücke gibt, sind wir so hilflos im Nachdenken über den Tod“, sagt Jean Améry in seinem Buch „Hand an sich legen – Diskurs über den Freitod“. Mein hilfloses Nachdenken habe ich versucht, in Worte zu fassen. Um mich nicht ganz im Nebel des nicht verstehbaren radikalen Endes zu verlieren, habe ich mich schreibend eng am Geschehen entlang bewegt. In drei Teilen schildere ich die sechs Tage vor dem Tod meines Mannes, den Zeitraum unmittelbar danach und schließlich mein nachfolgendes Überleben.

Fünf Jahre hat es gedauert, dieses Todes-Tal zu durchschreiten. Wie überlebt man den Tod? Und wie bewahrt man die Liebe? Es ist mir ein Anliegen, ein gesellschaftlich verdrängtes Thema öffentlich zu machen, dafür eine Sprache zu finden, die aus der Einsamkeit und Verzweiflung führen kann und aufzuzeigen, dass es eine „Kunst des Überlebens“ oder ein „Leben nach dem Tod“ nicht unbedingt im religiösen Sinn geben kann.

Der Tod bringt mich noch einmal um. Mit diesem Gedanken habe ich so manches Mal verzweifelt den Laptop zugeklappt, während ich an diesem Buch über den Tod meines Mannes gearbeitet habe. Es war eher ein Zufall, dass ich mich schreibend an das Thema herangewagt habe. Hannes Hofbauer, der Verleger, fragte mich, was ich denn gerade so schreibe. Über den Tod, sagte ich. Das will ich haben, sagte er. Dafür bin ich ihm sehr dankbar. Also schrieb ich „nicht nur für mich“, sondern im Wissen, etwas so Intimes wie den Tod öffentlich zu machen. „Weil die Zukunft nicht ohne Vergangenheit bestehen kann, hat er sich auf diesem Weg in unser weiteres Leben und Arbeiten eingeschlichen. Ob er das wollte oder nicht ...“, sagte Hannes Hofbauer in seiner Rede bei der Verabschiedung meines Mannes. Heute, fünf Jahre später, haben sich seine Worte mit diesem Buch bestätigt.

Ich hatte in vielen Gesprächen erfahren, wie einsam Überlebende nach dem Verlust eines geliebten Menschen sind, wie unvorstellbar ein Weiterleben nach dem Suizid des vertrautesten Nächsten ist. Ich habe aber auch erlebt, was ein Leben nach dem Tod möglich machen kann. Das Unsichtbare sichtbar machen und vom tödlichen Schweigen einer überlebensgierigen Gesellschaft zu befreien, die den Tod als schnell zu entsorgenden Störfall im Getriebe der unerbittlichen Unversehrtheit betrachtet, ist mir ein Anliegen. Ich habe meine persönlichen Erfahrungen mit Zitaten anderer Autorinnen und Autoren verknüpft, die zu dem Thema Tod, insbesondere zum Suizid, gearbeitet haben, um sichtbar zu machen, wie sehr die „arrogante Fortschrittsideologie“ (Jean Ziegler) „das abendländische Kollektivbewusstsein durcheinander gebracht“ hat.

Mein 2008 im Promedia-Verlag erschienenes Buch „Alter Vogel, flieg! – Tagebuch einer pflegenden Tochter“ – mittlerweile in zweiter Auflage, mit einem Preis der Volkshilfe Österreich ausgezeichnet und noch immer gefragt für Veranstaltungen und Seminare – beschreibt die vierjährige Betreuung meiner demenzkranken Mutter und ihren Tod. In die Zeit der Fertigstellung dieses Buches, das mein Mann noch illustriert hatte, fällt sein Tod und sechs Wochen später der meiner Mutter. Manchmal tritt der Tod mit unerwarteter Heftigkeit in unser Leben, und manchmal hören wir schon lange vorher seine schleppenden Schritte. Doch immer hat der Tod nach unserer Zeitrechnung einen Zeitvorteil, wie bei Hase und Igel, denn er ist für uns immer zu früh da. In diesem Wettlauf war mein Mann der Schnellere, er hat sich vom Tod nicht in eine natürlich vorgegebene Zeitenordnung pressen lassen.

In Zusammenhang mit der niederträchtigen Diskussion über die Last der Alten in unserer Gesellschaft, über Wirtschaftskrise und nicht finanzierbare Sozialleistungen haben sich für mich schon damals die Fragen gestellt: Wie ist das mit dem Sterben? Wann werden wir sterben? Und wie?

Der Tod ist in unserer westlichen Warengesellschaft ein verdrängtes Ereignis. Das Sterben soll möglichst unauffällig stattfinden. Die Trauerrituale werden von Institutionen übernommen, die Trauerzeit soll schnell abgeschlossen sein. Viele Menschen fühlen sich in dem Trauerprozess alleingelassen und überfordert. Das Vergängliche als Teil des Lebens zu begreifen, um so dem Leben bewusster und sinnlicher zu begegnen, ist ein Ansatz, den ich, ausgehend von meinen persönlichen Erfahrungen, verfolge. Ich beschreibe, wie wichtig Solidarität und Anteilnahme sind, wie wunderbar es sein kann, die Hilfe anderer Menschen annehmen zu dürfen. In diesem Zusammenhang streife ich auch gesellschaftspolitische Fragen wie Jugendkult, den Stellenwert alter Menschen in unserer Gesellschaft, das „Kokettieren“ mit dem Tod in bestimmten Lebenshaltungen, die Wertigkeiten von Krankheit und die kollektive Verdrängung von Bedrohungsszenarien wie Wachstumsfetischismus in einer Überflussgesellschaft und Hunger in der„Dritten Welt“. Was wissen wir über einen möglichen Zusammenhang von industrieller Massentierhaltung, profitorientierter Lebensmittelproduktion und steigender Krebsrate?

Ich habe mit diesem Buch nicht versucht, meinem Mann ein Denkmal zu setzen. Das wäre ein anderes Buch geworden. Mir ging es beim Schrei­ben um mich und mein Weiterleben, wenngleich mein Mann mir in diesem Prozess gedanklich eng zur Seite stand. Und so ist doch ein posthumer Dank an ihn entstanden für die 23 Jahre, die wir zusammen lebten. Mein Dank gilt auch allen Menschen, die mich in dieser Zeit unterstützt haben: meinen Kindern und Enkelkindern, meinen Freundinnen und Freunden. Und den Erstlesenden, die mir Mut zum Weiterschreiben machten: meinem Enkelkind Tatjana Danneberg, die das Cover gezeichnet hat; Herbert und Inge Link, die ausgehend von meinem Buch „Alter Vogel, flieg!“ einen wunderbaren Film zum Thema „Pflege im Verborgenen“ gemacht haben und den Kontakt zum Maler Herwig Zens knüpften, der für seine „Totentanz“-Bilder bekannt ist und mit extra für „Eiswege“ angefertigten Zeichnungen dieses Buch bereichert; meiner Schwester Christa Zeuch, die mir wertvolle Anregungen beim Schreiben gegeben hat; meiner Freundin Heidi Am­brosch und meinen MitbewohnerInnen Wolfgang und Barbara, die sich als erste über meinen Text hermachten und mich zum Weiterschreiben ermutigten; und dem Verlag, insbesondere Hannes Hofbauer, die das Projekt ermöglicht haben.

Der Tod ist immer da, jetzt oder dann. Unberechenbar. Das Suchen nach dem goldenen Schnitt zwischen Tod und Leben ist das kleinste fassbare und zu hütende Vermögen, das wir dem großen Unbegreiflichen, dem Ende, entgegensetzen können. Also ein Leben auch oder gerade im Wissen um unsere Verletzlichkeit. Ich will bis zum ungewissen Ende in würdiger Form leben. Ist das zu viel verlangt?

Bärbel Danneberg, im Frühjahr 2012

EISWEGE Nach dem Suizid des Partnerszurück ins Leben

Teil I

1.

Je älter ich werde, desto mehr Menschen sterben. Das ist natürlich blanker Unsinn. Es sterben nicht mehr Menschen, sondern immer häufiger gehen Menschen, die ich gut gekannt habe, für immer fort. Das weist mich mit einer strengen Gewissheit auf meine eigene Vergänglichkeit hin, die unaufhaltsam näher rückt.

Als meine Großmutter starb, war es nicht ihr endgültiger Verlust, der mich quälte, sondern der beschämende Gedanke, sie könne mich am Klo beobachten. Von dort oben irgendwo. Ich war damals zehn.

Als Kassandra vor fünf Jahren vor meiner Tür stand, in Polizeiuniform, war es Vernichtung von allem, was ich fühlte, dachte und was ich war. Es war der Tag, an dem sich mein Mann Julius in großer Klarheit entschlossen hatte, sein 63-jähriges Leben, das er auf keinen Fall im Schatten des Todes leben wollte, dieser Krankheit zu opfern. Er wusste genau, was ihn erwartet. Er legte sich vor einen Zug.

Als meine Mutter, fast 95-jährig, acht Wochen nach meinem Mann starb, war es der tröstliche Schmerz des Wissens, dass sie ein langes Leben hinter sich gebracht hatte, welches mein Mann und ich ihr in ihren letzten Lebensjahren durch unsere Pflege etwas hatten versüßen können. Ihre schwere Demenzkrankheit hatte sie vielleicht auch davor geschützt, den Ernst des Todes zu begreifen. Den Ernst des Lebens hatte sie gelebt. Krieg, Hunger, Entbehrungen, vier Kinder durchgebracht, doch bis zum Schluss hatte sie sich ihre Freundlichkeit gegenüber dieser Welt bewahrt.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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