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Sicherheit in der EKG-Diagnostik
Alle Grundlagen und Voraussetzungen für die sichere Befundung und Interpretation, mit Hinweisen zu klinischen Konsequenzen und Therapie:
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Seitenzahl: 496
Veröffentlichungsjahr: 2024
Herausgegeben von
Angelika Lindinger, Thomas Paul
Matthias Gass, Alfred Hager, Gabriele Heßling, Thomas Kriebel, Helmut Singer, Hans-Jürgen Volkmann
8., unveränderte Auflage
310 Abbildungen
ACE
Angiotensin-Converting-Enzym
AHA
American Heart Association
ARVD
arrhythmogene rechtsventrikuläre Dysplasie
ASD
Vorhofseptumdefekt
ATP
Adenosintriphosphat
aV
augmented Voltage
AVNRT
AV-Knoten-Reentry-Tachykardie
AVR
akzelerierter ventrikulärer Rhythmus
AVRT
atrioventrikuläre Reentry-Tachykardie
AVSD
atrioventrikulärer Septumdefekt
BPEG
British Pacing and Electrophysiology Group
BS
Brugada-Syndrom
CPVT
katecholaminsensitive polymorphe ventrikuläre Tachykardie
CRT
kardiale Resynchronisationstherapie
DCM
dilatative Kardiomyopathie
DILV
Double-Inlet-left-Ventrikel
DIRV
Double-Inlet-right-Ventrikel
DORV
Double-Outlet-right-Ventrikel
EKG
Elektrokardiogramm
EMAH
Erwachsener mit angeborenem Herzfehler
EPU
elektrophysiologische Untersuchung
FAT
fokale atriale Tachykardie
HB
His-Bündel
HCM
hypertrophe Kardiomyopathie
HRV
Herzfrequenz-Variabilität
HTX
Herztransplantation
IART
intraatriale Reentry-Tachykardie
ICR
Interkostalraum
IHSLT
International Registry for Heart and Lung Transplantation
IVS
intaktes Ventrikelseptum
LAH
linksanteriorer Hemiblock
LPH
linksposteriorer Hemiblock
LQTS
Long-QT-Syndrom
LSB
Linksschenkelblock
LVNC
linksventrikuläre Non-compaction-Kardiomyopathie
MCL
Medioklavikularlinie
MKP
Mitralklappenprolaps
NASPE
North American Society of Pacing and Electrophysiology
NSTEMI
Nicht-ST-Hebungs-Myokardinfarkt
oUP
oberer Umschlagpunkt
PA
Pulmonalatresie
QTc
frequenzbezogen korrigiertes QT-Intervall
RCA
rechte Koronararterie
RCM
restriktive Kardiomyopathie
RCX
Ramus circumflexus
RFA
Radiofrequenzablation
RIVA
Ramus interventricularis anterior
RSB
Rechtsschenkelblock
STEMI
ST-Hebungs-Myokardinfarkt
VSD
Ventrikelseptumdefekt
WPW-Syndrom
Wolff-Parkinson-White-Syndrom
Die 1. Auflage dieses Buches erschien 1972 unter dem Titel „Kinder-EKG-Fibel“. Ab der 3. Auflage wurde daraus das „Kinder-EKG“ und ab der 5. Auflage hieß es „EKG im Kindes- und Jugendalter“. Auch in russischer Übersetzung liegt das Werk mittlerweile vor. Während dieser Zeitspanne hat sich der Umfang des Buches inklusive der Abbildungen und Tabellen verdoppelt.
Die nun vorliegende 7. Auflage wurde nochmals komplett überarbeitet. Intention war, dem Leser nicht nur die Grundlagen des EKG im Kindesalter in bewährter Form nahezubringen, sondern auch die angeborenen und erworbenen Herzerkrankungen dieser Altersgruppe im Kontext mit den damit verbundenen EKG-Besonderheiten zu präsentieren.
Im Jahr 2012 konnte auf 125 Jahre Erfahrung mit der Elektrokardiografie zurückgeblickt werden. Das Elektrokardiogramm ist unverändert Bestandteil einer jeden kardiologischen Untersuchung. Es gehört zu den Basiswerkzeugen des Arztes und ist ein maßgebliches diagnostisches Instrument bei Patienten mit angeborenen und erworbenen Erkrankungen des Herz- und Kreislaufsystems aller Altersklassen.
Neu in dieser Auflage ist die Implementierung von Langzeitverläufen bei angeborenen Herzfehlern bis in das Erwachsenenalter, mit Darstellung des postoperativen Verlaufs inkl. hämodynamischer Besonderheiten, EKG-Veränderungen und Herzrhythmusstörungen. Damit sollen insbesondere die Kollegen angesprochen werden, welche die kontinuierlich wachsende Zahl von Erwachsenen mit angeborenen Herzfehlern (EMAH-Patienten) betreuen. Diesem Anspruch dient auch das um die EKG-Veränderungen bei Myokardischämie und Myokardinfarkt erweiterte Kapitel der Erregungsrückbildungsstörungen, das hier erstmals von einem internistischen Kardiologen verfasst wurde.
Ein Novum ist ferner das Kapitel „Besonderheiten des EKG unter Belastung und bei Sportlern“. Auch die Herzschrittmacher- und ICD-Therapie wurde unter Berücksichtigung der aktuellen Erkenntnisse auf diesem Gebiet komplett neu verfasst.
Ein weiterer Schwerpunkt des Buches liegt auf den Fortschritten in der EKG-Diagnostik der angeborenen und erworbenen Brady- und Tachyarrhythmien bei Patienten aller Altersgruppen. Besondere Erwähnung finden hierbei die Kardiomyopathien und Ionenkanalerkrankungen/Arrhythmiesyndrome mit den Möglichkeiten der molekulargenetischen Diagnostik.
Im gesamten Buch wurden die aktuellen Leitlinien der deutschen wie auch der internationalen Fachgesellschaften berücksichtigt.
Für diese Neuauflage wurde Herr Prof. Dr. Thomas Paul, Göttingen, als Mit-Herausgeber verpflichtet, dessen Expertise auf dem Gebiet der Herzrhythmusstörungen und der EKG-Interpretation im Kindesalter über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt ist. Herrn Prof. Dr. Alfred Hager, Herrn Privatdozent Dr. Kriebel und Herrn Prof. Dr. Volkmann sei an dieser Stelle für ihre Erstbeiträge in diesem Buch herzlich gedankt. Weitere bewährte Autoren aus den vorbestehenden Auflagen sind Herr Dr. Matthias Gass, Herr Prof. Dr. Helmut Singer und Frau Prof. Dr. Gabriele Hessling.
Der Dank der Herausgeber gilt ferner den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Thieme Verlages für die verständnisvolle Zusammenarbeit und die sehr gute Ausstattung des Buches mit übersichtlicher Darstellung der Abbildungen und Tabellen.
Homburg/Saar und Göttingen, im Sommer 2016
Angelika LindingerThomas Paul
Titelei
Abkürzungen
Vorwort zur siebten Auflage
1 Grundlagen der Elektrokardiografie
1.1 Grundlagen der Elektrophysiologie
1.2 Anatomie des Reizbildungs- und Erregungsleitungssystems
1.3 Einflüsse des vegetativen Nervensystems auf die Steuerung des Herzens
2 Elektrische Herzachse
2.1 Elektrokardiografische Ableitungen
2.1.1 Extremitätenableitungen
2.1.2 Brustwandableitungen
2.2 Vektorielle Interpretation der elektrischen Erregungsausbreitung
2.2.1 P-Wellen-Vektor
2.2.2 Q-Vektor
2.2.3 R-Zacke
2.3 Bestimmung des Lagetyps
2.3.1 Definition
2.3.2 Änderung des Lagetyps
2.3.3 T-Vektor
2.4 Literatur
3 Ableitung des EKG
3.1 EKG-Dokumentation
3.2 Störungen und Fehlermöglichkeiten
4 Systematik der EKG-Auswertung im Kindesalter – Normalwerte
4.1 EKG-Interpretation
4.1.1 Nomenklatur
4.1.2 P-Welle
4.1.3 PQ-Intervall
4.1.4 Q-Zacke
4.1.5 QRS-Komplex
4.1.6 J-Punkt
4.1.7 ST-Strecke
4.1.8 T-Welle
4.1.9 U-Welle
4.1.10 QT-Intervall
4.2 Literatur
5 Registrierung, Auswertung und Beurteilung eines EKG
5.1 EKG-Registrierung
5.1.1 Ableitungsprogramm
5.1.2 Eichung
5.1.3 Papiergeschwindigkeit
5.2 EKG-Auswertung
5.2.1 Bestimmung des Grundrhythmus
5.2.2 Bestimmung der Herzfrequenz
5.3 Beurteilung des EKG-Befunds
5.4 Literatur
6 Abnorme EKG-Amplituden
6.1 Voltage-Änderungen
6.1.1 Niedervoltage
6.1.2 Überhöhte QRS-Amplituden
6.2 Elektrischer Alternans
6.3 Literatur
7 Lageanomalien des Herzens
7.1 Definition
7.2 Dextrokardie
7.3 Mesokardie
7.4 Dextropositio cordis
7.5 Herzverlagerung bei Trichterbrust
8 Spezielle EKG-Ableitungssysteme
8.1 Langzeit-EKG
8.1.1 Elektrodenanlage
8.1.2 EKG-Aufzeichnung
8.1.3 EKG-Auswertung
8.1.4 Indikationen
8.2 Event- und Loop-Rekorder
8.2.1 Event-Rekorder
8.2.2 Loop-Rekorder
8.3 Ergometrie
8.3.1 Laufbandergometer
8.3.2 EKG-Ableitung
8.3.3 Indikationen
8.3.4 Kontraindikationen
8.3.5 Abbruchkriterien
8.4 Elektrophysiologische Untersuchung
8.4.1 Platzierung der Elektrodenkatheter
8.4.2 Technische Voraussetzungen
8.4.3 Basismessungen
8.4.4 Effektive Refraktärzeiten
8.4.5 Vorgehen
8.5 Literatur
9 Dilatation und Hypertrophie von Vorhöfen und Kammern
9.1 Einleitung
9.2 Belastung der Vorhöfe
9.2.1 Definitionen
9.3 Druck- und Volumenbelastung der Ventrikel
9.3.1 Widerstandshypertrophie
9.3.2 Volumenbelastung
9.3.3 Hypertrophie des rechten Ventrikels
9.3.4 Hypertrophie des linken Ventrikels
9.3.5 Biventrikuläre Hypertrophie
9.4 Literatur
10 Störungen der ventrikulären Erregungsausbreitung (Schenkelblockierungen)
10.1 Einleitung
10.1.1 Definition
10.1.2 Einteilung
10.1.3 EKG
10.2 Rechtsschenkelblockformen
10.2.1 Kompletter Rechtsschenkelblock
10.2.2 Inkompletter Rechtsschenkelblock
10.3 Linksschenkelblockformen
10.3.1 Kompletter Linksschenkelblock
10.3.2 Inkompletter Linksschenkelblock
10.3.3 Linksanteriorer Hemiblock
10.3.4 Linksposteriorer Hemiblock
10.4 Bifaszikulärer und trifaszikulärer Block
10.4.1 Bifaszikulärer Block
10.4.2 Trifaszikulärer Block
11 Repolarisationsstörungen
11.1 ST-Strecken-Veränderungen
11.1.1 Frühes Repolarisationssyndrom
11.1.2 ST-Strecken-Hebung
11.1.3 ST-Strecken-Senkung
11.2 T-Wellen-Veränderungen
11.3 U-Welle
11.4 Literatur
12 EKG des Neugeborenen und Säuglings
12.1 Einleitung
12.2 EKG des Neugeborenen
12.2.1 Physiologische Rechtsherzhypertrophie
12.2.2 Pathologische Rechtsherzhypertrophie
12.3 Literatur
13 Angeborene Herz- und Gefäßanomalien
13.1 Shuntvitien
13.1.1 Herzfehler mit Rechtsvolumenbelastung
13.1.2 Herzfehler mit Linksvolumenbelastung
13.1.3 Herzfehler mit biventrikulärer Belastung
13.2 Herzfehler mit Rechtsherzobstruktion
13.2.1 Pulmonalstenose
13.2.2 Fallot-Tetralogie und Pulmonalatresie mit VSD
13.2.3 Pulmonalatresie mit intaktem Ventrikelseptum
13.3 Herzfehler mit Linksherzobstruktionen
13.3.1 Kongenitale valvuläre Aortenstenose
13.3.2 Aortenisthmusstenose
13.4 Komplexe angeborene Herzfehlbildungen
13.4.1 D-Transposition der großen Arterien
13.4.2 Angeborene korrigierte Transposition der großen Arterien
13.4.3 Double-Outlet-right-Ventricle
13.4.4 Truncus arteriosus communis
13.4.5 Trikuspidalatresie
13.4.6 Hypoplastisches Linksherzsyndrom
13.4.7 Singulärer Ventrikel vom Double-Inlet-Ventricle-Typ
13.4.8 Ebstein-Anomalie
13.4.9 Mitralklappenprolapssyndrom
13.4.10 Bland-White-Garland-Syndrom
13.5 Postoperative Herzrhythmusstörungen im Überblick
13.5.1 Früh postoperativ auftretende Herzrhythmusstörungen
13.5.2 Spät postoperativ auftretende Herzrhythmusstörungen
13.5.3 Zusammenfassung
13.5.4 Literatur
14 Erworbene Herzerkrankungen
14.1 Erworbene Herzklappenfehler
14.1.1 Akutes rheumatisches Fieber
14.1.2 Bakterielle Endokarditis
14.2 Mitralklappenfehler
14.2.1 Mitralklappeninsuffizienz
14.2.2 Mitralklappenstenose
14.3 Aortenklappenfehler
14.3.1 Aortenklappeninsuffizienz
14.3.2 Aortenklappenstenose
14.4 Koronarerkrankungen
14.4.1 Mukokutanes Lymphknotensyndrom (Kawasaki-Syndrom)
14.4.2 Akuter Myokardinfarkt
14.4.3 Koronarinsuffizienz
14.5 Literatur
15 Pulmonale Hypertonie
15.1 Akutes Cor pulmonale
15.2 Literatur
16 Herzmuskelerkrankungen
16.1 Entzündliche Herzerkrankungen
16.1.1 Myokarditis
16.1.2 Perikarditis
16.2 Kardiomyopathien
16.2.1 Einleitung
16.2.2 Hypertrophe Kardiomyopathien
16.2.3 Dilatative Kardiomyopathien
16.2.4 Restriktive Kardiomyopathie
16.2.5 Non-Compaction des linken Ventrikels
16.2.6 Endokardfibroelastose
16.3 Herztransplantation
16.4 Herztumoren
16.5 Literatur
17 Interne und externe Einflüsse auf das EKG
17.1 Elektrolytstörungen
17.1.1 Hypokaliämie
17.1.2 Hyperkaliämie
17.1.3 Hypokalzämie
17.1.4 Hyperkalzämie
17.1.5 Kombinierte Kalium-Kalzium-Konzentrationsstörungen
17.1.6 Magnesiumkonzentrationsstörungen
17.2 Medikamente
17.2.1 Pharmakologische und kardiotoxische Substanzen
17.2.2 Antiarrhythmika
17.2.3 Digitalisglykoside
17.2.4 Zytostatika
17.2.5 Psychopharmaka
17.3 Einfluss des Zentralnervensystems
17.3.1 Funktionell-vegetativ bedingte EKG-Befunde
17.3.2 Sympathikotonie
17.3.3 Vagotonie
17.3.4 Allgemeine neurovegetative Labilität
17.4 Schilddrüsenerkrankungen
17.4.1 Hypothyreose
17.4.2 Hyperthyreose
17.5 Hypothermie
17.6 Stromunfall
17.7 Herzkontusion
17.8 Literatur
18 Besonderheiten des EKG unter Belastung und bei Sportlern
18.1 EKG unter Belastung bei Gesunden
18.1.1 Herzfrequenz
18.1.2 Herzachse
18.1.3 P-Welle
18.1.4 PQ-Strecke
18.1.5 PQ-Zeit
18.1.6 QRS-Komplex
18.1.7 J-Punkt/ST-Strecke
18.1.8 QT-Zeit
18.1.9 T-Welle
18.1.10 Extrasystolen
18.2 Belastungs-EKG bei speziellen angeborenen Herzfehlern oder angeborenen Herzerkrankungen
18.2.1 Valvuläre Aortenstenose
18.2.2 Hypertrophe (obstruktive) Kardiomyopathie
18.2.3 Aortenklappeninsuffizienz
18.2.4 Aortenisthmusstenose
18.2.5 Arterielle Hypertonie
18.2.6 Koronare Ischämie
18.2.7 Rechtsventrikuläre Hypertrophie und Dilatation
18.2.8 Rechter Systemventrikel
18.2.9 AV-Block
18.2.10 Akzessorische Leitungsbahn (WPW-Syndrom)
18.2.11 Ionenkanalerkrankungen
18.2.12 Long-QT-Syndrom
18.2.13 Katecholaminsensitive polymorphe ventrikuläre Tachykardie
18.2.14 Arrhythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie
18.2.15 Idiopathische monomorphe ventrikuläre Tachykardien
18.2.16 Supraventrikuläre Tachykardie
18.2.17 Vorhofflimmern
18.2.18 Synkopenabklärung
18.2.19 Schrittmacherfunktion
18.2.20 Kontrolle eines implantierten Kardioverter/Defibrillator-Systems
18.2.21 Anmerkung zur Spiroergometrie
18.3 EKG bei Leistungssportlern
18.3.1 Normale EKG-Befunde
18.3.2 Pathologische EKG-Befunde
18.4 Literatur
19 Herzrhythmusstörungen
19.1 Sinusarrhythmie
19.2 Bradykarde Herzrhythmusstörungen
19.2.1 Sinusbradykardie
19.2.2 Sinuatrialer Block
19.2.3 Ersatzrhythmen, wandernder Vorhofschrittmacher
19.3 Störungen der AV-Überleitung – AV-Block
19.3.1 Definition
19.3.2 AV-Block I°
19.3.3 AV-Block II°
19.3.4 AV-Block III°
19.4 Sinusknotendysfunktion
19.4.1 Definition
19.4.2 EKG
19.4.3 Ursachen und Vorkommen
19.4.4 Diagnostik
19.4.5 Differenzialdiagnose
19.4.6 Klinik
19.4.7 Therapie
19.5 Beschleunigte Ersatzrhythmen
19.5.1 Definition
19.6 Sinustachykardie
19.6.1 Definition und EKG
19.6.2 Ursachen
19.6.3 Differenzialdiagnose
19.7 Tachykarde Herzrhythmusstörungen
19.7.1 Extrasystolen
19.7.2 Tachykardien
19.8 Literatur
20 Herzschrittmacher- und ICD-Therapie
20.1 Einführung
20.2 Elektrophysiologische Grundlagen der Herzschrittmachertherapie
20.3 Indikationen zur Schrittmachertherapie
20.4 Internationale Herzschrittmacherkodierung
20.4.1 Beispiele der wichtigsten Schrittmachermodi in der Kinderkardiologie
20.5 Techniken und Durchführung der Herzschrittmacherimplantation
20.5.1 Unipolare vs. bipolare Sondenkonfiguration
20.5.2 Epikardiale Schrittmacherimplantation
20.5.3 Wahl des ventrikulären Stimulationsortes
20.5.4 Kardiale Resynchronisationstherapie
20.5.5 Implantierbare Kardioverter-Defibrillatoren
20.6 Komplikationen der Implantation
20.7 Nachsorge
20.8 Ausblick
20.9 Literatur
Anschriften
Sachverzeichnis
Impressum/Access Code
M. Gass
Wie in allen erregbaren Zellen besteht in den Herzmuskelzellen an der Zellmembran eine Potenzialdifferenz, die auf der Basis einer unterschiedlichen Ionenverteilung zwischen Extra- und Intrazellulärraum beruht. Beim sog. Ruhepotenzial liegt im Intrazellulärraum gegenüber dem Extrazellulärraum eine 20- bis 40-fach höhere Kaliumkonzentration vor. Andererseits ist die extrazelluläre Natriumkonzentration ca. 10-mal höher als die intrazelluläre. Aufgrund dieser Ionendifferenz und der im Ruhezustand höheren Membranpermeabilität für Kaliumionen im Vergleich zu Natriumionen ist die Zellmembran polarisiert: Das Ruhepotenzial beträgt −90 mV. Die Aufrechterhaltung des Konzentrationsgradienten für Natrium- und Kaliumionen wird durch ein aktives Transportsystem, die ATP-abhängige (ATP: Adenosintriphosphat) Natrium-Kalium-Pumpe, gewährleistet.
Kommt es durch eine elektrische Erregung oder durch langsame, spontane Depolarisation der Zelle zu einem Anstieg des Zellmembranpotenzials auf −70 mV, ändert sich mit Erreichen des sog. Schwellenpotenzials schlagartig die Permeabilität der Zellmembran gegenüber den positiv geladenen Natriumionen. Diese strömen, dem Diffusionsgradienten folgend, ins Zellinnere und führen zu einer Potenzialumkehr auf Werte von +30 mV. Dies entspricht der Phase 0 des Aktionspotenzials ( ▶ Abb. 1.1).
Im Anschluss daran folgt die Phase 1, in der die überschießende positive Potenzialdifferenz abgebaut wird.
Die Phase 2 ist schließlich durch ein Membranpotenzial um 0 mV gekennzeichnet. Dieses Plateau entsteht durch die sinkende Leitfähigkeit der Membran gegenüber Natrium- und Kaliumionen.
Es folgt in Phase 3 dieRepolarisation durch einen massiven Kaliumaustritt aus der Zelle, mit Absinken der Potenzialdifferenz auf −90 mV.
Damit ist wieder der Status des Ruhepotenzials erreicht, auch Phase 4 genannt.
In den Phasen 0–2 besteht eine absolute Refraktärität gegenüber weiteren elektrischen Reizen. In der Phase 3 kann ab einer Potenzialdifferenz von −70 mV ein erneuter elektrischer Impuls ein neues Aktionspotenzial auslösen. Dies entspricht der relativen Refraktärperiode oder vulnerablen Phase.
Gegenüberstellung von Oberflächen-EKG-Ableitung (oben) und intrazellulär abgeleitetem Aktionspotenzial (unten).
Abb. 1.1
Die Aktionspotenziale der einzelnen Herzmuskelzellen lassen sich alsSummationsvektor im Oberflächen-EKG darstellen. Die Depolarisation der Ventrikel in Phase 0 wird zusammen mit Phase 1 als QRS-Komplex bezeichnet.
Phase 2 und 3, die Repolarisation, wird durch die ST-Strecke und die T-Welle abgebildet.
Phase 4, Ruhepotenzial oder elektrische Diastole genannt, entspricht der TQ-Strecke.
Die genannten elektrischen Abläufe lassen sich im Prinzip auf alle Herzmuskelzellen anwenden. Der Hauptunterschied zwischen Zellen des Arbeitsmyokards und den Zellen des spezifischen Reizleitungssystems liegt in der Fähigkeit dieser Zellen zur automatischen spontanen Depolarisation. Sowohl die Zellen des Sinusknotens als auch die Zellen des AV-Knotens und des His-Purkinje-Systems sind alsSchrittmacherzellen zur spontanen Depolarisation direkt nach der Repolarisation befähigt. Dies ist bedingt durch eine Abnahme der Kaliumleitfähigkeit während Phase 4. Bei Erreichen des Schwellenpotenzials wird ein neues Aktionspotenzial erzeugt. Da die Geschwindigkeit der spontanen Depolarisation in Phase 4 vom Sinusknoten bis zum His-Purkinje-System abnimmt, wird in der Regel die Erregung mit der höchsten Taktfrequenz vom Sinusknoten aus die untergeordneten automatischen Zellen vor deren eigener Spontandepolarisation depolarisieren ( ▶ Abb. 1.2).
Anatomie des Reizleitungssystems und Darstellung der Spontandepolarisation seiner einzelnen Anteile.
Abb. 1.2
Vom Arbeitsmyokard abzugrenzen ist das spezifische Reizleitungssystem. Hier finden sich die automatisch tätigen, sog. Schrittmacherzellen mit ihrer Fähigkeit zur Spontandepolarisation. Der subepimyokardial gelegeneSinusknoten als oberstes Schrittmacherzentrum des Herzens liegt im Sulcus terminalis, am Übergang von Vena cava superior in den rechten Vorhof. Er hat eine ovale Form in der Größe eines Reiskorns (0,5–1,5 mm). Vom Sinusknoten aus breitet sich die elektrische Erregung im Vorhof über mehr oder weniger präformierte Bahnen mit einer Geschwindigkeit von 1,5–1,8 m/s aus.
In den Vorhöfen konnte kein eindeutig abgrenzbares Leitungssystem wie in den Ventrikeln nachgewiesen werden. Die elektrische Verbindung zwischen rechtem und linkem Vorhof erfolgt durch Fasern des anterior gelegenen Bachmann-Bündels. Bedingt durch die intraatriale Leitungszeit wird der linke Vorhof ca. 20–30 ms nach dem rechten Vorhof erregt. In der Regel erreicht der vom Sinusknoten ausgehende Impuls die AV-Knotenregion nach 20–40 ms (intraatriale Leitungszeit).
DerAV-Knoten liegt subendokardial am unteren Rand des interatrialen Septums in unmittelbarer Nähe zum Trikuspidalklappenanulus und dem Ostium des Koronarvenensinus. Er besteht aus 2 verschiedenen Zonen mit histologisch und elektrophysiologisch unterschiedlichen Zellen:
Zum einen gibt es hier dietransitionalen Zellen, die den Vorhofimpuls an den kompakten AV-Knotenanteil in der Spitze des Koch-Dreiecks weiterleiten.
Zum anderen finden sich im kompakten AV-Knoten sog. Nodalzellen, die die Möglichkeit zur Spontandepolarisation besitzen und somit bei Ausfall des Sinusknotens mit einer niedrigeren Ersatzfrequenz arbeiten können.
Im AV-Knoten wird der elektrische Impuls des Vorhofs verzögert und mit einer Leitungsgeschwindigkeit von 5–10 cm/s an dasHis-Bündel weitergeleitet. Diese „Leitungsverzögerung“ bewirkt einen intrinsischen Schutz vor einer hochfrequenten Überleitung von Vorhoftachykardien auf die Kammern.
Das His-Bündel verläuft in der Pars membranacea des Ventrikelseptums und teilt sich kurz danach in die beidenTawara-Schenkel auf; die Leitungsgeschwindigkeit beträgt 2–3 m/s. Der distale AV-Knoten mit dem Übergang in das His-Bündel stellt im Normalfall die einzige elektrische Verbindung zwischen den Vorhöfen und den Herzkammern dar.
Der rechte Tawara-Schenkel ist die Verlängerung des His-Bündels und verläuft bis zum vorderen Papillarmuskel unverzweigt intramyokardial.
Der linke Tawara-Schenkel zweigt kurz nach Durchtritt des His-Bündels durch die Pars membranacea ab und verzweigt sich im Interventrikularseptum in 2 Faszikel: der linksanteriore Faszikel verläuft zur Vorderwand, der linksposteriore zur Hinterwand.Die Leitungsgeschwindigkeit in den Tawara-Schenkeln beträgt 2–4 m/s. Die Tawara-Schenkel enden beidseits im Purkinje-Fasersystem.
Das Purkinje-Fasersystem stellt den Übergang des spezifischen Reizleitungssystems zum Arbeitsmyokard dar. Die Purkinje-Zellen haben die Fähigkeit zur spontanen Depolarisation mit einer Frequenz von ca. 20/min; die Leitungsgeschwindigkeit beträgt 2–4 m/s. Dank dieser hohen Leitungsgeschwindigkeit können alle Regionen des Kammermyokards mit nur geringer Verzögerung erregt werden.
Die arterielle Blutversorgung der einzelnen Strukturen des Reizleitungssystems erfolgt durch die Koronararterien. Die Sinusknotenarterie wird in 55–60% von der rechten Koronararterie und in 40–45% vom R. circumflexus der linken Koronararterie versorgt. Der AV-Knoten wird zu 80% von der rechten Koronararterie und zu 20% über den R. circumflexus der linken Koronararterie mit Blut versorgt.
Die efferente Innervation des Herzens erfolgt durch sympathische Fasern. Dadurch kann der autonom arbeitende Sinusknoten auf unterschiedliche Anforderungen des Organismus reagieren. Eine sympathische (adrenerge) Stimulation hat folgende Auswirkungen:
Anstieg der Herzfrequenz (positive Chronotropie)
Beschleunigung der elektrischen Überleitung im AV-Knoten (positive Dromotropie)
Steigerung der Kontraktilität (positive Inotropie)
Demgegenüber bewirkt eine cholinerge Stimulation über den Parasympathikus eine negativ chronotrope und dromotrope Reaktion. Die Einflüsse des vegetativen Nervensystems sind am Sinusknoten am ausgeprägtesten, deutlich geringer im Vorhofgewebe und im AV-Knoten.
M. Gass
Heute werden in der Routine die bipolaren Extremitätenableitungen nach Einthoven sowie die unipolaren Extremitätenableitungen nach Goldberger abgeleitet. Bei den Brustwandableitungen hat sich die unipolare Ableitung nach Wilson durchgesetzt. Die bipolare Brustwandableitung nach Nehb sowie die korrigierte orthogonale Ableitung nach Frank werden heute kaum noch benutzt und sind speziellen Fragestellungen vorbehalten.
Mit den genannten Ableitungen lassen sich die Vektoren der elektrischen Erregung im Herzen auf die Frontalebene sowie die Horizontalebene projizieren und in den unterschiedlichen Ableitungen als Potenzialdifferenzen darstellen. Die Extremitätenableitungen bilden den Vektor in der Frontalebene ab, die Brustwandableitungen die Horizontalebene.
Bei den bipolaren Ableitungen nach Einthoven werden die Potenzialdifferenzen zwischen einer Anode und einer Kathode gemessen.
Bei den unipolaren Ableitungen nach Goldberger und Wilson wird die differente Elektrode gegen eine indifferente Sammelelektrode geschaltet, die aus den über hochohmige Widerstände zusammengeschalteten Extremitätenelektroden besteht.
DieAbleitung I wird vom rechten Arm zum linken Arm erfasst. Dabei befinden sich der Minuspol am rechten Arm und der Pluspol am linken Arm ( ▶ Abb. 2.1).
Die Ableitung II wird vom rechten Arm zum linken Bein geschaltet, mit dem Minuspol am rechten Arm und dem Pluspol am linken Bein.
Die Ableitung III erfolgt vom linken Arm als Minuspol zum linken Bein als Pluspol.
Schematisierte Darstellung der Extremitätenableitungen mit elektrischer Polung nach Einthoven.
Abb. 2.1
Die Farbkodierung der EKG-Steckkontakte ist international wie folgt festgelegt:
rechter Arm: ROT ↘
linker Arm: GELB → „Ampel“
linkes Bein: GRÜN ↗
rechtes Bein: SCHWARZ (Erdung)
Die unipolaren Ableitungen nach Goldberger ergänzen die Einthoven-Extremitätenableitungen in der Frontalebene. Um die hochohmigen Widerstände einer eigenen Indifferenzelektrode zu sparen, werden hierbei die jeweils nicht exponierten Extremitätenelektroden als Indifferenzelektrode zusammengelegt. Die abgeleiteten Potenziale werden so verstärkt und als aVR, aVL und aVF bezeichnet; dabei steht aV für augmented Voltage.
aVR entspricht einer differenten Elektrode am rechten Arm. Die indifferente Sammelelektrode wird vom linken Arm und vom linken Bein gebildet ( ▶ Abb. 2.2).
aVL entspricht einer differenten Elektrode am linken Arm. Die indifferente Sammelelektrode wird vom rechten Arm und vom linken Bein gebildet.
aVF entspricht einer differenten Elektrode am linken Bein. Die indifferente Sammelelektrode liegt zwischen linkem und rechtem Arm.
Die Einthoven- und Goldberger-Ableitungen lassen sich im sog. Cabrera-Kreis gemeinsam darstellen ( ▶ Abb. 2.3).
Schaltung der Ableitungen nach Goldberger.
Abb. 2.2
Cabrera-Kreis.
Abb. 2.3 Cabrera-Sektorenkreis zur Bestimmung des Lagetyps. Eingezeichnet sind die den einzelnen Sektoren entsprechenden Lagetypen vom überdrehten Rechts- bis zum überdrehten Linkstyp mit den typischen EKG-Mustern in den Standardableitungen I, II und III.
Mit den Brustwandableitungen werden die Vektoren in horizontaler Richtung erfasst. Es handelt sich um unipolare Ableitungen, bei denen die 3 Extremitätenableitungen zu einer Sammelindifferenzelektrode zusammengefasst werden. Die differenten Elektroden werden dann auf der Brustwand wie folgt platziert ( ▶ Abb. 2.4):
V1: 4. Interkostalraum (ICR), rechter Sternalrand
V2: 4. ICR, linker Sternalrand
V3: zwischen V2 und V4
V4: 5. ICR, Medioklavikularlinie
V5: 5. ICR, vordere Axillarlinie
V6: 5. ICR, mittlere Axillarlinie
Bei weiblichen Jugendlichen werden die Ableitungen V4–V6 auf die Mamma und nicht unterhalb platziert. Bei entsprechenden Fragestellungen wie z. B. Dextrokardie oder Situs inversus können zusätzliche Ableitungen nach rechts erfolgen. Dabei entspricht V3r der Ableitung V3 nach rechtspräkordial und V4r der Ableitung V4.
Brustwandableitungen nach Wilson.
Abb. 2.4 Gekennzeichnet sind die Ableitungspunkte nach links (Lävokardie) sowie die Ableitungsstellen nach rechts bei Dextrokardie (ICR=Interkostalraum, MCL=Medioklavikularlinie).
Grundlage der vektoriellen Interpretation der Erregungsausbreitung im Oberflächen-EKG ist der elektrische Vektor der Einzelmuskelzelle. Die Zelle verhält sich während der Erregung als Dipol. Der elektrische Vektor zeigt dabei vom elektrisch negativen zum elektrisch positiven Anteil der Zelle. Während des Ruhezustands und während der vollständigen Erregung der Zelle besteht kein elektrischer Vektor entlang der Zellachse. Bei der Depolarisation weist der Einzelzellvektor in die positive Richtung, bei der Repolarisation in die negative ( ▶ Abb. 2.5).
Schematische Darstellung des dipolaren Vektors einer Myokardzelle.
Abb. 2.5 Depolarisation und Repolarisation als Grundlage der vektoriellen Betrachtung der elektrischen Erregungsausbreitung des Herzens.
Die elektrische Aktivität des Sinusknotens ist im Oberflächen-EKG nicht darstellbar. Bei normaler Lage und Anatomie des Herzens entspricht der Summationsvektor der Vorhöfe im Sinusrhythmus in etwa dem QRS-Hauptvektor; er ist von kranial nach kaudal gerichtet. Dabei weist der Vektor des rechten Vorhofanteils vom Sinusknoten aus überwiegend nach unten und gering nach rechts. Der Teilvektor des linken Vorhofs ist nach links hinten gerichtet (positive P-Wellen in aVF).
Bei Hypertrophie oder Dilatation des rechten Vorhofs verläuft die Depolarisation der Vorhöfe nach rechts und unten, was zu einer spitz positiven P-Welle in den Ableitungen II, III und aVF (Frontalebene) sowie in den Ableitungen V1 und V2 (Horizontalebene) führt. Bei Vergrößerung des linken Vorhofs wird der Vorhofsummationsvektor nach links dorsal verschoben. Das Resultat ist ein terminal negativer P-Wellen-Anteil in V1.
Bei Arrhythmien mit ektopen atrialen Automatiezentren, die anstelle des Sinusknotens die Vorhoferregung übernehmen, ändert sich der Vorhofsummationsvektor in Abhängigkeit vom Ursprung der Erregung. So weist z. B. bei einem ektopen Zentrum im unteren linken Vorhof der P-Summationsvektor von links nach rechts sowie von kaudal nach kranial. Die P-Welle ist in den Ableitungen I und aVF negativ. Bei retrograder Erregung der Vorhöfe von der Basis des rechten Vorhofs oder vom AV-Knoten aus kehrt sich die normale Erregungsausbreitung um und verläuft in kaudokranialer Richtung. Dies spiegelt sich in negativen P-Wellen in den inferior ausgerichteten Ableitungen II, III und aVF wieder ( ▶ Abb. 2.6).
P-Wellen-Vektor in Abhängigkeit vom Ursprung der Vorhoferregung.
Abb. 2.6
Der Q-Vektor gibt überwiegend die vom linken Tawara-Schenkel kommende Erregung des Interventrikularseptums und der linken Papillarmuskel wieder. Wegen der frühzeitigen Abspaltung des linken Tawara-Schenkels kommt es zu einer primären Erregung des Ventrikelseptums von links nach rechts. Dabei steht der Q-Vektor im rechten Winkel zum QRS-Hauptvektor.
Im Anschluss an die Erregung des Interventrikularseptums werden die Kammern überwiegend von der Herzspitze und den Seitenwänden aus erregt. Das Erregungsmaximum entspricht dem Hauptvektor der „elektrischen Herzachse“ und im Normalfall auch der anatomischen Herzachse ( ▶ Abb. 2.7). Die Vektorschleifen können sich sowohl um die Sagittalachse als auch um die Längsachse oder um die Transversalachse drehen (s. ▶ Abb. 2.8).
Schematische Darstellung von Depolarisation und Repolarisation des Kammermyokards.
Abb. 2.7 Die dunkelgraue Fläche stellt das elektrisch erregte Myokard dar. Die roten Pfeile zeigen zeitabhängig den jeweiligen Summationsvektor. Der breite Pfeil bei 40 ms entspricht dem QRS-Vektor, da zu diesem Zeitpunkt ein großer Teil des Kammermyokards bereits erregt ist.
Rotationsmöglichkeiten des Herzens.
Abb. 2.8 Rotation in der Längsachse, der Sagittalachse und der Transversalachse.
Der Lagetyp wird durch den elektrischen Hauptvektor des QRS-Komplexes bestimmt. Er wird auf die Frontalebene projiziert und mittels der Nettoamplituden des QRS-Komplexes in den Extremitätenableitungen I, II, III, aVR, aVL und aVF ermittelt.
Die Nettoamplitude des QRS-Komplexes ist definiert als das Ergebnis der Subtraktion des negativen vom positiven Amplitudenanteil in mV bzw. mm.
Im klinischen Alltag kann mithilfe des Cabrera-Kreises eine relativ genaue Abschätzung des Hauptvektors des QRS-Komplexes erzielt werden (s. ▶ Abb. 2.3). Er wird durch den Winkel α definiert, den der QRS-Vektor mit einer horizontal zu Ableitung I liegenden Linie (entspricht 0°) bildet, die durch den Mittelpunkt des Cabrera-Kreises führt.
Praktischerweise werden die beiden größten Amplituden der Extremitätenableitungen herangezogen. Dabei muss die Amplitude des negativen Anteils des QRS-Komplexes von der Amplitude des positiven Anteils abgezogen werden. Entsprechend ihrer Polarität werden sie vom Mittelpunkt des jeweiligen Schenkels des Einthoven-Dreiecks aus aufgetragen. Im Anschluss daran wird von der Spitze der jeweiligen Amplitude das Lot gefällt. Der Schnittpunkt der beiden Senkrechten gibt – von der Kreismitte aus betrachtet – die Richtung des Hauptvektors an. Der Winkel α kann jetzt zwischen Hauptvektor und der parallel zur Ableitung I durch den Mittelpunkt des Cabrera-Kreises verlaufenden Linie abgelesen werden ( ▶ Abb. 2.9; ▶ Tab. 2.1 ).
Extremitätenableitungen.
Abb. 2.9 Bestimmung des Lagetypes aus dem Hauptvektor von QRS in der Frontalebene.
Ermittlung des Lagetyps.
Abb. 2.10 Vereinfachte Ermittlung des Lagetyps mithilfe der Ableitung I und aVF.
Tab. 2.1
Altersbezogene Normwerte für den Vektor des QRS-Komplexes (∡α QRS; Quelle:
▶ [1]
).
Alter
Mittelwert
2.-98. Perzentile
0–1 Tag
+135°
+59° bis +192°
1–3 Tage
+134°
+64° bis +197°
3–7 Tage
+132°
+77° bis +187°
7–30 Tage
+110°
+65° bis +160°
1–3 Monate
+75°
+31° bis +114°
< 3 Jahre
+60°
+20° bis +120°
> 3 Jahre
+60°
+10° bis +105°
Erwachsene
+50°
–30° bis +105°
Eine einfache Annäherung an den Lagetyp ist auch mit den QRS-Amplituden von I und aVF möglich, die aufeinander senkrecht stehen und somit einen Winkel von 90° bilden. Aus den Nettoamplituden dieser beiden Ableitungen ist über die Bildung des Summationsvektors eine Berechnung des Winkels α möglich ( ▶ Abb. 2.10).
Das Auftragen von Amplituden zur Bestimmung des Summationsvektors stellt eine Vereinfachung dar. Denn die eigentliche Berechnungsgrundlage ist das Flächenintegral, bei dem die effektive Fläche unter dem QRS-Komplex berechnet wird. Die Flächenintegralmethode ist die genaueste Messmethode zur Vektorbestimmung und wird in modernen EKG-Geräten bei der automatischen Auswertung verwendet.
Die ▶ Abb. 2.11 zeigt einen Überblick zur EKG-Konfiguration in der Sagittalebene bei den klassischen Lagetypen.
Schemadarstellung der QRS-Komplexe in den Ableitungen I, II und III bei den einzelnen Lagetypen.
Abb. 2.11
Im Verlauf des Kindesalters kommt es durch eine physiologische Drehung des Herzens in der Sagittalebene zu einer Änderung des Lagetyps ( ▶ Abb. 2.12). So ändert sich der Rechtstyp des Säuglings bis zum Kleinkindesalter in Richtung Steiltyp und bis zum Schulkindalter zum Steil- und Indifferenztyp. Im Jugend- und Erwachsenenalter überwiegen der Indifferenz- und Linkstyp ( ▶ Tab. 2.2 ). Ein nicht zum Alter passender Lagetyp bedarf der Abklärung; überdrehte Lagetypen sind primär als pathologisch anzusehen.
Tab. 2.2
Charakteristika der einzelnen Lagetypen im EKG des Kindesalters.
Lagetyp
Hauptvektor α QRS
Amplitudenhinweise
Interpretation
Rechtstyp
+90° bis +120°
größte positive Amplituden in II, III und aVF
im Säuglingsalter physiologisch, später als Zeichen der Rechtsherzbelastung zu werten
Steiltyp
+60° bis +90°
hohe positive Amplitude in II und aVF
häufigster Lagetyp im Kleinkindalter
Indifferenztyp
+30° bis +60°
positive Amplitude in II und aVF, negative Amplitude in aVR
Lagetyp von Jugendlichen und jungen Erwachsenen
Linkstyp
+30° bis −30°
hohe positive Amplitude in I und
physiologischer Lagetyp im Erwachsenenalter, der jedoch auch auf eine Linksherzbelastung hinweisen kann
überdrehter Linkstyp
über −30°
Positive Amplitude in I und aVL, negative Amplitude in I, II und aVF
Häufigste Ursachen im Kindesalter:
atrioventrikulärer Septumdefekt (AVSD)
Trikuspidalatredie
linksanteriorer Hemiblock (LAH)
überdrehter Rechtstyp
über 120°
positive Amplitude in III und aVR, negative Amplitude in I, II und aVL
im Säuglingsalter muss ein AVSD ausgeschlossen werden
Sagittaltyp
elektische Achse senkrecht zur Frontalebene, mit Richtung der Herzspitze nach anterior bzw. posterior
SI-SII-SIII- bzw. QI-QII-QIII-Lagetyp: in allen Extremitätenableitungen niedrigamplitudiger QRS-Komplex mit initial positiven und dann negativen Ausschlägen
Sagittaltyp SI-SII-SIII: kann bei Thoraxdeformität oder Rechtsherzbelastung auftreten
Die Veränderungen des Lagetyps bei einer Drehung des Herzens in der Transversalebene sowie in der Längsachse sind in den ▶ Abb. 2.13 und ▶ Abb. 2.14 dargestellt.
Veränderung des Lagetyps im Laufe des Wachstums bzw. Alters.
Abb. 2.12
Lagetypen.
Abb. 2.13 Lagetyp mit den Ableitungen I, II und III bei Drehung des Herzens um die Transversalachse.
Drehungen der Sagittalachse werden als Projektion auf die Frontalachse zur Bestimmung des Lagetyps herangezogen. Drehungen um die Transversalachse entsprechen einer Kippung des Herzens im Thorax in der anteroposterioren Ebene. Die Lagevariante mit Herzbasis oben rechts und Herzspitze unten links entspricht dem Normalbefund. Beim Sagittaltyp befindet sich die Herzbasis vorne und die Herzspitze hinten, was sich in kleinamplitudigen S-Zacken in den Ableitungen I, II und III niederschlägt (s. ▶ Abb. 2.13).
Drehungen um die Längsachse sind im und entgegen dem Uhrzeigersinn möglich.Die Drehung im Uhrzeigersinn resultiert in einer Dorsalverlagerung des linken Ventrikels mit negativem Hauptvektor in I und aVL; die R/S-Umschlagszone wandert von V3/V4 nach V5/V6.Die Drehung entgegen dem Uhrzeigersinn führt zu einer Verlagerung des Hauptvektors nach links. Dies bedingt eine Verlagerung der linken Herzkammer nach vorne; der R/S-Umschlagspunkt wandert nach rechts präkordial (V1/V2/V3; ▶ Abb. 2.14).
Drehung des Herzens um die Längsachse.
Abb. 2.14 Hinweis auf eine chronische Belastungssituation der Kammern.
In der Repolarisation verläuft der T-Wellen-Vektor normalerweise konkordant zum Hauptvektor der Depolarisation (QRS-Vektor). Abweichungen bis zu 60° zwischen R- und T-Vektor liegen im Normbereich. Der T-Wellen-Vektor ist in den Ableitungen I und II immer positiv.
[1] Davignon A, Rautaharju P, Boisselle E et al. Normal ECG standards for infants and children. Pediatr Cardiol. 1979/80; 1: 123–131
[2] Park MK, Gunteroth WG. How to Read Pediatric ECG's. 3rd ed. St. Louis: Mosby; 1992
[3] v. Olshausen K. EKG-Information, 8. Aufl. Darmstadt: Steinkopff; 2005
M. Gass
Die Dokumentation der elektrischen Potenziale erfolgt auf Millimeterpapier. Im deutschsprachigen Raum wird im Allgemeinen mit einer Papiergeschwindigkeit von 50 mm/s, im angloamerikanischen Raum mit 25 mm/s registriert. Bei einer Geschwindigkeit von 50 mm/s entspricht die Distanz von 1 mm (1 kleines Kästchen) somit 20 ms, 1 cm (1 großes Quadrat) entspricht 200 ms.
Die Amplitude wird in der Regel mit 10 mm/1 mV aufgezeichnet; somit entspricht ein Ausschlag von 1 mm einer Amplitude von 0,1 mV ( ▶ Abb. 3.1). Es ist immer auf die obligatorische Eichzacke am Beginn eines jeden EKG-Ausdrucks zu achten. Hilfreich für die Auswertung sind EKG-Lineal und Stechzirkel. Aber auch ohne diese Hilfsmittel kann anhand des Millimeterpapiers eine genaue Bestimmung von Amplitude und Zeitintervall erfolgen. Die Herzfrequenz kann mit folgender Formel bestimmt werden:
Zeit- und Amplitudenachse.
Abb. 3.1 Darstellung auf Millimeterpapier bei einer Aufzeichnungsgeschwindigkeit von 50 mm/s und 25 mm/s.
Bei der EKG-Ableitung können verschiedene Störungen und Fehler auftreten.
Merke
Die Registrierung eines artefaktarmen Oberflächen-EKG kann sich bei Säuglingen und Kleinkindern als schwierig erweisen.
Bewährt haben sich EKG-Geräte mit der Möglichkeit der Datenspeicherung. Aus der so gewonnenen Aufzeichnung kann dann der beste Abschnitt ausgedruckt werden. Wichtig ist dabei eine warme und ruhige Umgebung, um Artefakte durch Muskelzittern und Bewegung zu minimieren. Das EKG-Gerät sollte einen internen 50-Hz-Filter zur Unterdrückung von Wechselstromartefakten besitzen ( ▶ Abb. 3.2). Bei akkubetriebenen EKG-Geräten besteht die Gefahr von Wechselstromartefakten nicht.
Abb. 3.2 EKG-Ableitung ohne (links) und mit 50-Hz-Filterung (rechts).
Des Weiteren sollte ein guter Hautkontakt der Elektroden bestehen, d.h. auf wiederverwendbaren Elektroden genügend Kontaktgel vorhanden sein. Bei kleinen Säuglingen und Frühgeborenen ist darauf zu achten, dass es bei den Brustwandableitungen zu keinem Kontakt zwischen den einzelnen Elektroden kommt; dies würde zu einer funktionellen „Sammelelektrode“ und falschen Ableitungen führen.
Auch ein zu enger Hautkontakt zwischen Mutter und EKG-Elektroden des Kindes kann zu einer Ableitung von mütterlichen Signalen im kindlichen EKG und damit zu einer Fehldiagnose von kindlichen Rhythmusstörungen führen. Beispiele hierfür sind:
das sog. Kangorooing in Frühgeborenenstationen (mütterlicher Hautkontakt mit den kindlichen Monitorelektroden)
das Halten der Mutter an den Unterarmen des Kindes mit Kontakt zu den Elektroden bei der EKG-Ableitung ( ▶ Abb. 3.3).
Auch eine Hochfrequenzoszillationsbeatmung kann im kindlichen EKG Ableitungsfehler verursachen, die einem Vorhofflattern ähnlich sind ( ▶ Abb. 3.4).
Ableitungsfehler.
Abb. 3.3 EKG eines 3-jährigen Kindes, das während der EKG-Ableitung von der Mutter an den Unterarmen mit Kontakt zu den Arm-Elektroden gehalten wurde. Das mütterliche „EKG“ ist durch Pfeile markiert. HF des Kindes: 150/min, HF der Mutter: 85/min. (Papiergeschwindigkeit: 50 mm/s).
Hochfrequenzoszillationsbeatmung.
Abb. 3.4 Artefakte der Grundlinie, die als Vorhoffflattern fehlinterpretiert werden können.
Sehr sorgfältig ist ferner auf die Polung, insbesondere bei den Extremitätenelektroden zu achten. Durch Vertauschen von Elektroden bzw. Kabeln können falsche Lagetypen produziert werden ( ▶ Abb. 3.5).
Wechsel des Hauptvektors bei vertauschter Anlage der Armelektroden rechter und linker Arm.
Abb. 3.5
Cave
Nicht altersadäquate oder vitiumtypische Lagetypen sind immer zu hinterfragen (z. B. überdrehte Lagetypen).
Um der geänderten Lage der Herzachse bei einem Situs inversus thoracalis gerecht zu werden, müssen die Extremitätenelektroden an den beiden Armen vertauscht werden. Die Brustwandableitungen werden nach rechts abgeleitet: V1 und V2 werden vertauscht und zusammen mit den Ableitungen Vr3–Vr6 nach rechts abgeleitet (s. ▶ Abb. 2.4).
M. Gass
Die Normwerte für Amplituden und Zeitintervalle sind altersabhängig, da sie mit der Muskelmasse, der Größe des Organs und der Leitungsgeschwindigkeit korrelieren. Deshalb ist für die Interpretation des pädiatrischen EKG die Kenntnis des Patientenalters maßgeblich. Zusammenfassende altersspezifische Normwerttabellen finden sich in ▶ Tab. 2.1 und ▶ Tab. 4.1 .
Die Messung aller Zeitintervalle erfolgt grundsätzlich in Ableitung II. Bei Problemen mit der Definition des T-Wellen-Endes kann auch die Ableitung V5 oder V6 verwendet werden ▶ [6].
Tab. 4.1
Altersbezogene EKG-Normwerte (2.-98. Perzentile, Mittelwerte in Klammern) für Zeitintervalle und Amplituden (Quelle:
▶ [4]
).
Alter
Herzfrequenz [/min]
QRS-Achse [in Grad]
PQ-Intervall [ms]
Q in III [mm]
Q in V1 [mm]
R in V1 [mm]
S in V1 [mm]
R/S in V1
R in V6 [mm]
S in V6 [mm]
R/S in V6
S in V1+R in V6 [mm]
(R+S) in V4 [mm]
< 1 Tag
94–155 (122)
55–168 (+135)
79–160 (107)
5
2
5–27 (14)
0,5–23 (9)
0,2–9,8 (2,3)
0–12 (5)
0,2–10 (4)
0,5–9 (2,5)
2–27 (13)
12–52 (32)
1–3 Tage
91–158 (124)
65–171 (+134)
81–139 (108)
5
2
5–27 (15)
0,5–21 (10)
0,2–6,0 (2,0)
0,1–12 (5)
0,2–10 (3)
0,5–11 (3)
2–28 (14)
15–53 (33)
3–7 Tage
90–166 (128)
76–168 (+133)
75–137 (104)
5
3
3–25 (13)
0,5–17 (7)
0,2–9,8 (2,8)
0,5–12 (5)
0,4–10 (4)
0,5–10 (2,5)
2–25 (12)
13–48 (31)
7–30 Tage
106–182 (148)
65–159 (110)
73–138 (101)
4
3
3–22 (11)
0,5–12 (4)
1,0–7,0 (2,9)
3–17 (8)
0,2–10 (3)
0,5–10 (4)
3–22 (12)
15–48 (31)
1–3 Monate
120–179 (149)
31–115 (75)
73–130 (98)
5
3
3–19 (10)
0,5–13 (5)
0,3–7,5 (2,3)
5–22
0,3–7 (3)
0,5–12 (4,5)
6–29 (17)
22–58 (36)
3–6 Monate
105–185 (142)
7–105 (60)
74–145 (106)
7
3
3–20 (10)
0,5–17 (6)
0,2–6 (2,4)
6–23 (14)
0,2–10 (3)
0,5–18 (6,5)
7–35 (19)
21–58 (38)
6–12 Monate
107–168 (132)
7–98 (54)
73–156 (156)
6
3
2–20 (9)
0,5–18 (7)
0,1–3,9 (1,8)
6–23 (13)
0,2–8 (2)
0,5–22 88)
7–33 (19)
21–50 (34)
1–3 Jahre
90–151 (119)
8–100 (55)
82–148 (114)
5
3
3–18 (9)
1–21 (9)
0,1–4,2 (1,4)
6–23 (14)
0,1–7 (2)
0,5–28 (9,5)
7–38 (22)
17–48 (33)
3–5 Jahre
73–137 (108)
7–104 (55)
85–161 (118)
4
3
2–18 (8)
2–22 (10)
0,2–8 (0,9)
8–25 (15)
0,1–6 (2)
0,8–30 (11)
13–42 (25)
17–52 (35)
5–8 Jahre
65–133 (100)
10–140 (66)
90–164 (124)
3
5
1–13 (7)
3–24 (12)
0–2,0 (0,8)
9–27 (17)
0,1–4 (1)
1–30 (12)
13–47 (28)
20–53 (36)
8–12 Jahre
63–129 (92)
9–115 (61)
87–171 (128)
3
3
0,5–10 (6)
3–26 (12)
0,1–9 (0,6)
10–26 (17)
0–4 (1)
2–33 (14)
15–45 (28)
21–50 (35)
12–16 Jahre
66–120 (86)
11–133 (58)
92–175 (135)
3
3
0,5–10 (5)
3–22 (11)
0,1–8 (0,5)
7–23 (15)
0–4 (1)
2–39 (15)
11–42 (25)
12–49 (29)
Die Nomenklatur bei der EKG-Interpretation wurde willkürlich von Einthoven festgelegt. Sie beginnt mit dem Buchstaben P, da die Buchstaben, die im Alphabet davor stehen, zum damaligen Zeitpunkt bereits in anderen Publikationen verwendet worden waren ( ▶ Abb. 4.1).
Nomenklatur des EKGs.
Abb. 4.1
Die P-Welle stellt die elektrische Erregungsausbreitung beider Vorhöfe dar. Der linke Vorhof wird über das Bachmann-Bündel 40–60 ms nach dem rechten Vorhof erregt, was zu einer Kerbung der P-Welle führen kann. Die Grenzwerte der P-Wellen-Amplitude und -breite betragen für alle Altersklassen 0,3 mV bzw. 100 ms in der Ableitung II.
Eine Belastung des rechten Vorhofs führt zu einer initial schmalbasigen Amplitudenerhöhung > 0,3 mV in II (P dextroatriale). Eine isolierte Belastung des linken Vorhofs äußert sich in einer doppelgipfligen Verbreiterung der P-Welle über 100 ms in Ableitung II (P sinistroatriale). Zusätzlich besteht eine biphasische P-Welle in V1. Der terminal-negative Anteil ist > 40 ms, die Amplitude ist <-0,1 mV. Bei einer Belastung beider Vorhöfe spricht man von einem P biatriale. Im EKG zeigen sich die gemeinsamen morphologischen Veränderungen von P dextroatriale und P sinistroatriale (siehe auch Kap. ▶ 9).
Das Intervall vom Beginn der P-Welle bis zum Beginn des Kammerkomplexes wird als PQ-Zeit oder PQ-Intervall bezeichnet. Subsummiert ist hierunter die Erregungsausbreitung der Vorhöfe, des AV-Knotens und des His-Bündels.
Fehlt Q, so wird bis zum Beginn der R-Zacke (PR-Intervall) gemessen. Die PQ-Zeit ist altersabhängig und verkürzt sich physiologischerweise bei einer Frequenzzunahme.
Die Verlängerung der PQ-Zeit über die entsprechende Norm hinaus wird als Atrioventrikularblock I° bezeichnet. Sie kann vagoton bedingt sein. Bei der intrakardialen HB-Ableitung zeigt sich dann eine intranodale Verzögerung mit Verlängerung des AH-Intervalls (Vorhof-His-Intervalls).Eine infranodale Leitungsverzögerung mit verlängertem HV-Intervall (Leitung vom His-Bündel zum Ventrikelmyokard) weist in der Regel auf eine nicht reversible Störung im His-Bereich hin.
Eine verkürzte PQ-Zeit bei schmalem QRS-Komplex ohne Präexzitation wurde früher als Lown-Ganong-Levine-Syndrom bezeichnet, unter der Annahme einer akzessorischen Leitungsbahn zwischen der Vorhofmuskulatur und dem AV-Knoten (James-Bündel). Diese vermutete atrionodale Bahn konnte jedoch elektrophysiologisch nicht nachgewiesen werden. Heute geht man davon aus, dass es sich um die schnelle Überleitungsvariante im AV-Knoten handelt.
Ein verkürztes PQ-Intervall mit einem durch Präexzitation verbreiterten QRS-Komplex ist typisch für das Wolff-Parkinson-White-Syndrom (WPW-Syndrom, s. Kap. ▶ 18.2.10).
Die Q-Zacke ist Ausdruck der initialen Kammererregung, die im Kammerseptum und den Papillarmuskeln beginnt. Der Vektor weist hierbei von der Herzspitze zur Basis des Herzens. Normalerweise ist die Q-Zacke in den Ableitungen mit deutlich positiven R-Zacken am besten zu sehen. Eine Dauer < 15 ms ist normal, die Amplitude beträgt 0,2–0,3 mV.
Die Q-Zacke sollte in Ableitung III nie größer als ¼ der höchsten R-Amplitude aller Extremitätenableitungen sein. Eine infarkttypische Q-Zacke mit einer Q-Amplitude >¼ der höchsten R-Amplitude und einer Verbreiterung auf > 40 ms kann man im Säuglings- und Kleinkindesalter z. B. beim Bland-White-Garland-Syndrom finden. Dabei führt der Fehlabgang der linken Koronararterie aus der A. pulmonalis in der Regel zu Myokardischämiezeichen in den Ableitungen I, aVL sowie V3–V6 (s. Kap. ▶ 13.4.10).
Die elektrische Erregungsausbreitung in den beiden Kammern wird als QRS-Komplex abgebildet. Der 1. positive Amplitudenausschlag wird definitionsgemäß als R-Zacke bezeichnet. Ihr geht, falls vorhanden, der negative Ausschlag der Q-Zacke voraus. Dann folgt die ebenfalls negativ gerichtete S-Zacke als Abschluss des QRS-Komplexes und der elektrischen Kammererregung.
Nomenklatur Amplituden von > 0,5 mV werden mit einem Großbuchstaben und Amplituden von < 0,5 mV mit einem Kleinbuchstaben bezeichnet. Kommen Zacken ein 2. Mal innerhalb eines QRS-Komplexes vor, werden diese mit R’, S’, r’ oder s’ kenntlich gemacht ( ▶ Abb. 4.2).
QRS-Komplex.
Abb. 4.2 Beschreibung des QRS-Komplexes in Abhängigkeit von Polarität und Ausschlaghöhe der einzelnen Abschnitte.
Die Breite des QRS-Komplexes ist altersabhängig. Die maximale normale QRS-Breite im Kindesalter bis zum 16. Lebensjahr beträgt 100 ms (s. ▶ Tab. 2.1 ). Die endgültige Negativitätsbewegung des Kammerkomplexes wird als oberer Umschlagpunkt (oUP) bezeichnet. Eine Verspätung des oUP weist auf eine Erregungsausbreitungsstörung hin, wie z. B. bei einer Volumenbelastung der Ventrikel oder bei Schenkelblockbildung ( ▶ Abb. 4.3). Die Maximalwerte der QR-Zeit liegen im Kindesalter in V1 zwischen 20–30 ms. Bei normaler intraventrikulärer Erregungsausbreitung weist eine R-Amplitude über der 98. Perzentile auf eine Kammerhypertrophie hin (s. ▶ Tab. 4.1 ).
oUP.
Abb. 4.3 Bestimmung des oberen Umschlagspunkts.
Als Niedervoltage bezeichnet man QRS-Amplituden in den Extremitätenableitungen von < 0,5 mV und in den Brustwandableitungen von < 0,7 mV. Sind nur die Amplituden der Extremitätenableitung erniedrigt, so spricht man von einer peripheren Niedervoltage (s.a. Kap. ▶ 6.1.1.2). Mögliche Ursachen dafür können sein:
Entzündliche oder toxische Myokardschädigungen
Hypothyreose
Perikarderguss
Pneumothorax
Kachexie
Adipositas
Der J-Punkt stellt den Übergang der S-Zacke des QRS-Komplexes in die ST-Strecke dar. Zur Beurteilung einer pathologischen ST-Strecken-Senkung wird das elektrische Niveau der ST-Strecke 60 ms hinter dem J-Punkt herangezogen (s. ▶ Abb. 4.1).
Die ST-Strecke dauert vom J-Punkt bis zum Beginn der T-Welle. In diesem Zeitabschnitt sind die Kammern vollständig depolarisiert. Die ST-Strecke verläuft nicht komplett isoelektrisch, sondern üblicherweise gering aszendierend zur T-Welle hin. Hebungen oder Senkungen von ST bis zu 0,1 mV über bzw. unter das Niveau der TP-Strecke können im Kindesalter in allen Ableitungen vorkommen.
Eine Besonderheit stellt das sog. „frühe Repolarisationssyndrom“ der Adoleszenz dar. Dabei besteht eine J-Punkt-Anhebung von 0,1 mV bis max. 0,2 mV mit entsprechender ST-Hebung in den Brustwandableitungen V3 und V4, die meist mit hohen T-Wellen verbunden ist. Ein Belastungstest (sympathikotone Reaktion) kann diesen Befund normalisieren (s. Kap. ▶ 11 und Kap. ▶ 18).
ST-Strecken-Senkungen können auf Schädigungen im subendokardialen Myokardbereich hinweisen. Davon abzugrenzen sind ST-Strecken-Senkungen im Rahmen von Schenkelblockierungen.
Im Gegensatz zu den ST-Strecken-Senkungen gelten ST-Strecken-Hebungen primär als pathologisch und bedürfen der weiteren Abklärung, denn sie sind der sichtbare Ausdruck eines Verletzungsstroms bei Myokardschädigung oder subepikardialer Schädigung, z. B. im Rahmen einer Perikarditis ( ▶ Abb. 4.4).
Terminologie der ST-Strecken-Veränderungen.
Abb. 4.4
Abb. 4.4a Konvexbogenförmige ST-Hebung aus dem absteigenden R.
Abb. 4.4b Plateauförmige ST-Hebung mit J-Punkt-Elevation aus aufsteigendem S.
Abb. 4.4c Aszendierende ST-Senkung.
Abb. 4.4d Deszendierende ST-Senkung.
Die T-Welle repräsentiert die Erregungsrückbildung (Repolarisation) des Kammermyokards. Die Repolarisationsrichtung verläuft von epi- nach endokardial. Bei normaler Repolarisation ist die T-Welle positiv in I und II, beim Steil- und Rechtstyp positiv in III und etwas asymmetrisch konfiguriert, d.h. dass der ansteigende Teil etwas länger andauert als der absteigende. Sie weist in der Regel eine Amplitude von ¼ der R-Amplitude in den Extremitätenableitungen auf. Die Amplitude wird in der Regel nicht bestimmt.
Überhöhte T-Wellen findet man bei Volumenhypertrophie des linken Ventrikels, aber auch bei Bradykardie und vegetativer Dystonie („vagotones T“) sowie bei Subtypen des Long-QT-Syndroms.
Hohe und spitze T-Wellen werden bei einer Hyperkaliämie von > 7 mmol/l beobachtet. Beim akuten Myokardinfarkt kommt es ebenfalls zu hohen, spitzgipfligen T-Wellen, dem sog. „Erstickungs-T“, das zusammen mit angehobenen ST-Strecken auf ein frühes Infarktstadium hinweist.
Abgeflachte T-Wellen findet man bei:
Orthostatischer Dysregulation
Sinustachykardie
Hypokaliämie
Digitalisierung
Myo- und Perikarditis
Koronarinsuffizienz ( ▶ Abb. 4.5)
T-Wellen-Morphologie.
Abb. 4.5
Abb. 4.5a Spitzgipflige T-Welle.
Abb. 4.5b Abgeflachte T-Welle.
Abb. 4.5c Isoelektrische T-Welle.
Abb. 4.5d Präterminal negative T-Welle.
Abb. 4.5e Terminal negative T-Welle.
Abb. 4.5f Terminal biphasische T-Welle.
In der 1. Lebenswoche kann die T-Wellen-Morphologie sehr variabel sein. Danach sollte die T-Welle jedoch in V1 negativ und in (V5–)V6 positiv sein. Bei Säuglingen und Kleinkindern darf die T-Welle noch in V1–V5 negativ sein.
Mit zunehmendem Alter verschiebt sich die T-Wellen-Inversion nach rechtspräkordial; bei Jugendlichen ist gelegentlich noch die T-Welle in V1 negativ ( ▶ Tab. 4.2 ). Ansonsten sollten sich die T-Wellen in den Brustwandableitungen konkordant zu den R-Amplituden verhalten.
Eine terminal negative T-Welle kann insbesondere im Erwachsenenalter auf eine Peri- oder Myokarditis, eine durchgemachte Ischämie oder hypertrophe Kardiomyopathie hinweisen. Aber auch nicht primär kardiale Ursachen, wie z. B. Kollagenosen oder endokrine Störungen (Hypothyreose), können eine T-Negativierung bewirken.
Tab. 4.2
Prozentuale Häufigkeit von negativen T-Wellen in den Brustwandableitungen in Abhängigkeit vom Lebensalter.
Alter
V1 [%]
V2 [%]
V3 [%]
V4 [%]
V5 [%]
V6 [%]
1. Woche–2. Monat
100
95
78
30
2
0
3.–5. Monat
100
92
73
28
2
0
6.–12. Monat
100
97
78
22
0
0
2.–3. Jahr
100
100
75
13
0
0
4.–6. Jahr
98
95
60
5
0
0
7.–10. Jahr
92
80
35
2
0
0
11.–14. Jahr
85
55
10
0
0
0
Als U-Welle wird eine fakultative Nachschwankung im Anschluss an die T-Welle in den Ableitungen II, aVL sowie den Brustwandableitungen V2–V6 bezeichnet. Die U-Welle hat in der Regel die gleiche Polarität wie die T-Welle; negative U-Wellen sind pathologisch. Zurzeit herrscht hinsichtlich der Ursache der U-Wellen keine einheitliche Meinung: Möglicherweise handelt es sich um die Repolarisation der Purkinje-Fasern. Prominente U-Wellen können auch bei Vagotonie und Hypokaliämie auftreten.
Die Amplitude der U-Welle soll max. 2–24% der T-Welle betragen. Bei einer Amplitude > 50% der T-Welle ist diese als ein Anteil der T-Welle zu werten. Probleme bereiten kann die Verschmelzung von T- und U-Welle bei der Bestimmung des QT-Intervalls ( ▶ Abb. 4.6).
Bestimmung des QT-Intervalls bei TU-Verschmelzungswelle.
Abb. 4.6
Im QT-Intervall werden Depolarisation und Repolarisation der Kammern erfasst. Gemessen wird es vom Beginn der Q-Zacke bis zum Ende der T-Welle. Ohne Korrektur können TU-Verschmelzungswellen zu einem „verlängerten“ QT-Intervall führen. Das QT-Intervall ist abhängig von der Herzfrequenz; im Normalfall kommt es bei höheren Herzfrequenzen zu einer Verkürzung des QT-Intervalls.
Um vergleichbare Messungen und Normwerte zu erhalten, ist es erforderlich, das QT-Intervall frequenzbezogen zu korrigieren (QTc). Dazu wird heute am häufigsten dieFormel von Bazett verwendet, bei der die gemessene QT-Zeit in Sekunden durch die Wurzel der Zeit des vorangegangenen RR-Intervalls in Sekunden dividiert wird:
Diese Formel gibt bei Frequenzen zwischen 60/min und 100/min exakte Werte an. Bei Frequenzen unter 60/min wird die QTc-Zeit eher zu gering und bei Frequenzen über 100/min zu hoch beziffert.
Bei einer Herzfrequenz von genau 60/min entspricht die gemessene QT-Dauer der frequenzkorrigieren QTc-Zeit. Bei Frequenzen außerhalb dieses Bereichs sollten die Formeln von Fridericia▶ [5] oder Framingham▶ [7] benutzt werden.Neben der Berechnung des QTc kann man auch anhand von Nomogrammen die korrigierte QT-Zeit im Verhältnis zum RR-Intervall ablesen.
Der mittlere Normwert für QTc liegt in der 1. Lebenswoche bei 397 ± 15 ms; im 2. Lebensmonat besteht eine physiologische QT-Verlängerung mit einem mittleren QTc-Wert von 409 ± 15 ms. Eine allmähliche „Normalisierung“ mit Rückkehr auf Werte der 1. Lebenswoche erfolgt dann bis zum 6. Lebensmonat ▶ [8].Bis zum 15. Lebensjahr liegt der obere QTc-Normwert bei 440 ms. Jenseits des 15. Lebensjahres finden sich geschlechtsspezifische Unterschiede: Der untere QTc-Grenzwert liegt für Frauen und Männer bei 340 ms, der obere für Frauen bei 450 ms (Grenzbereich 451–470 ms), sicher pathologisch bei > 470 ms; für Männer liegt der obere Grenzwert bei 430 ms (Grenzbereich 431–450 ms), sicher pathologisch bei > 450 ms (s. Kap. ▶ 18.2.12).
[4] Davignon A, Rautaharju P, Boisselle E et al. Normal ECG standards for infants and children. Pediatr Cardiol 1979/80; 1: 123–131
[5] Fridericia LS. Die Systolendauer im Elektrokardiogramm bei normalen Menschen und bei Herzkranken. Acta Medica Scandinavica 1920; 53: 460–469
[6] Garson A. Recording the sequence of cardiac activity. In: The Electrocardiagram in Infants and Children. Philadelpia: Lea & Febiger; 1983
[7] Sagie A, Larson MG, Goldberg RJ et al. Animproved method for adjusting the QT interval for heart rate (the Framingham Heart Study). Am J Cardiol. 1992; 70: 797–801
[8] Schwartz PJ, Garson A, Paul T, Stamba-Badiale M et al. Guidelines for the interpretation of the neonatal electrocardiogram: A task force Report. Eur Heart J 2002; 23: 1329–1344
M. Gass
Bei jeder EKG-Untersuchung sollten die Extremitätenableitungen I–III, aVR, aVL und aVF sowie die Brustwandableitungen V1–V6 geschrieben werden. Für die Hypertrophiediagnostik bei angeborenen Herzfehlern ist die zusätzliche Registrierung der rechtspräkordialen Ableitungen Vr4 und Vr3 von Vorteil.
In der Regel gilt: 1 cm = 1 mV. Bei sehr großen Ausschlägen ist es von Vorteil, zusätzlich eine „Dämpfung“ der Kurve vorzunehmen, indem man die Eichung auf 0,5 cm = 1 mV reduziert.
Die Registrierung einer EKG-Kurve erfolgt in der Regel mit einer Papiergeschwindigkeit von 50 mm/s. Auf der Zeitachse entspricht dann 1 mm 0,02 s und 1 cm 0,2 s. In den angloamerikanischen Ländern wird das Ruhe-EKG generell mit einer Geschwindigkeit von 25 mm/s abgeleitet. 1 mm entspricht dann 0,04 s.
Vorteil: Das 12-Kanal-EKG kann komplett auf einer Seite abgebildet werden.
Nachteil: eine gewisse Ungenauigkeit bei der Vermessung der Zeitintervalle, besonders des QT-Intervalls.
Bei Rhythmusstörungen empfiehlt sich generell eine Ableitung mit 25 mm/s, um einen längeren EKG-Abschnitt beurteilen zu können. Darüber hinaus können so P-Wellen besser lokalisiert werden, da deren Ausschlag deutlicher zur Darstellung kommt.
Zweckmäßigerweise werden bei der Auswertung erst der Grundrhythmus, dann die Herzfrequenz bestimmt.
Für diese Analyse werden die P-Wellen nach ihrer Größe, Form und Dauer in den Ableitungen II und V1 beurteilt.
Bei einem normalen Sinusrhythmus sind die P-Wellen in den Ableitungen I und aVF positiv (P-Wellen-Winkel α = 0–90°). In der Ableitung III können sie flach sein.
Bei einem Sinusrhythmus mit ungleichen RR-Abständen, die sich phasenweise in bestimmter Regelmäßigkeit wiederholen, kann es sich um eine respiratorische Arrhythmie handeln.
Die Herzfrequenz lässt sich nach folgender Formel berechnen:
Eine einfachere Methode zur Bestimmung der Herzfrequenz ist die Benutzung von Messlinealen.
Alle Zeitabstände werden in Ableitung II gemessen. Zu den Normwerten für die einzelnen Altersstufen, s. ▶ Tab. 5.1 .
Tab. 5.1
PQ-Zeit in Abhängigkeit vom Lebensalter (Quelle:
▶ [9]
).
Alter
Minimum [ms]
2% [ms]
Mittelwert [ms]
98% [ms]
Maximum [ms]
< 1 Tag
70
80
110
160
170
1–2 Tage
70
80
110
140
150
3–6 Tage
70
70
100
140
140
1–3 Wochen
60
70
100
140
140
1–2 Monate
60
70
100
130
130
3–5 Monate
60
70
110
150
150
6–11 Monate
40
70
110
160
180
1–2 Jahre
80
80
110
150
150
3–4 Jahre
80
90
120
160
180
5–7 Jahre
80
90
130
170
210
8–11 Jahre
80
90
130
170
210
12–15 Jahre
80
90
140
180
220
Ausschlagsrichtung und Amplitude von QRS in den Extremitätenableitungen ergeben den Lagetyp in der Frontalebene (Cabrera-Kreis). Für die Hypertrophiediagnostik ist die RS-Relation in den Brustwandableitungen (Horizontalebene) von Bedeutung:
Hypertrophie des rechten Ventrikels: R-Zacken in den rechtspräkordialen Ableitungen von großer Amplitude
Linkshypertrophie: hohe R-Zacken in den Ableitungen über dem linken Ventrikel (V5 und V6).
Ausmessung der QRS-Dauer (Altersnormwerte s. ▶ Tab. 5.2 ).
Tab. 5.2
Altersbezogene Normwerte für die Dauer des QRS-Komplexes (Quelle:
▶ [10]
).
Alter
Dauer [ms]
< 1 Monat
50–70
1–6 Monate
50–70
6–12 Monate
50–70
1–3 Jahre
60–70
3–8 Jahre
70–80
8–12 Jahre
70–90
12–16 Jahre
70–100
> 16 Jahre
80–120
Spaltungen und Verbreiterungen des QRS-Komplexes sprechen für eine intraventrikuläre Erregungsausbreitungsstörung (inkompletter oder kompletter Schenkelblock). Vorzeitig einfallende Kammeraktionen mit schlankem QRS bzw. einem QRS-Muster wie im Sinusrhythmus sprechen für einen supraventrikulären Reizursprung, verbreiterte und deformierte QRS-Komplexe für ventrikuläre Extrasystolen.
Hierbei werden Abgang und Verlauf der ST-Strecke beurteilt. Als Referenzniveau gilt das Ende der PQ-Strecke. Verlaufsbeschreibung der ST-Strecke:
horizontal
aszendierend
deszendierend
konvex, konkav
muldenförmig
Die T-Welle beschreibt Amplitude und Vektor in Bezug zum QRS-Komplex.
Normwerte s. ▶ Tab. 5.3 . Bei Verlängerung der Dauer besteht der Verdacht auf ein Long-QT-Syndrom. In diesen Fällen ist auf eine abnorme Konfiguration der ST-T-Strecke zu achten.
Tab. 5.3
Dauer des QT-Intervalls (sek; Ableitung V5) in Bezug zur Herzfrequenz (Quelle:
▶ [9]
).
Herzfrequenz
Minimal
2%
Mittelwert
98%
Maximal
80–80/min
0,222
0,293
0,343
0,380
0,396
90–95/min
0,273
0,280
0,329
0,372
0,378
95–100/min
0,270
0,290
0,325
0,361
0,432
100-105/min
0,267
0,274
0,318
0,364
0,423
105–110/min
0,255
0,264
0,307
0,355
0,417
110–115/min
0,228
0,247
0,300
0,367
0,372
115–120/min
0,207
0,245
0,293
0,344
0,360
120–125/min
0,222
0,233
0,289
0,351
0,363
125–130/min
0,198
0,228
0,280
0,334
0,345
130–135/min
0,204
0,212
0,273
0,331
0,336
135–140/min
0,210
0,228
0,272
0,325
0,330
140–150/min
0,195
0,218
0,263
0,308
0,318
Bei der Befundung des EKG sollte der Arzt über wichtige klinische Untersuchungsbefunde mit der Verdachtsdiagnose und eventuell verabreichte Medikamente informiert sein. Besteht der Verdacht auf eine entzündliche Herzerkrankung, ist eine Beurteilung selten aus einem einzelnen EKG, sondern am besten aus der Verlaufsbeobachtung möglich.
Tab. 5.4
Ursachen und Differenzialdiagnose bedeutsamer Veränderungen des EKG.
EKG-Veränderung
Ursachen/Vorkommen
P-Welle
P hoch, spitz (> 0,3 mV in Ableitung II)
P dextroatriale
P breit (> 100 ms in II), doppelgipfelig, negative Komponente in V1> 40 ms und > -0,1 mV)
P sinistroatriale
P hoch und breit
P biatriale
P mit kleiner Amplitude
Vagotonus
Hypothyreose
Perikarderguss
Reguläres P nicht erkennbar
supraventrikuläre Tachykardie
Vorhofflattern/-flimmern
höhergradiger sinuatrialer Block
P negativ
in Ableitung I
Zusammen mit negativem QRS und T-Welle: Verdacht auf Herz-Lageanomalie (Dextrokardie)
in den Ableitungen II, III und aVF
kaudokraniale Vorhoferregung (AV-Rhythmus)
PQ-Dauer
verkürzt
Präexzitationssyndrom (WPW-Syndrom)
oberer AV-Rhythmus bei negativem P in den Ableitungen II und III
verlängert
AV-Block I°
Pharmaka (Digitalis, Antiarrhythmika der Klassen Ic und III)
QRS-Komplex
kleine Amplitude
bei jungen Säuglingen und Frühgeborenen
Perikarderguss
R-Verlust bei Myokarditis, Myokardischämie
Hypothyreose
Therapie mit kardiotoxischen Antimetaboliten
hohe Amplitude
asthensicher Habitus
Kammerhypertrophie
Ventrikelstimulation (Schrittmacher)
Spaltung und/oder Verbreiterung
Schenkelblock (mit Verbreiterung), inkompletter Schenkelblock (ohne Verbreiterung)
Volumenhypertrophie
Präexzitationssyndrom (WPW-Syndrom)
ventrikuläre Extrasystolen
ausgeprägte Hyperkaliämie
ST-Strecke
ST-Hebung
Abgang vom aufsteigenden Schenkel der S-Zacke, nach unten konkav
akute Perikarditis (1. Stadium)
Abgang vom absteigenden Schenkel der R-Zacke, nach unten konvex
Infarktbild: Verdacht auf Koronargefäßanomalie (Bland-White-Garland-Syndrom, Kawasaki-Syndrom mit Beteiligung der Koronargefäße)
ansteigend zur positiven T-Welle (Brustwandableitungen)
Vagotonie
ST-Senkung
Ausdruck einer Erregungsrückbildungsstörung:
Myo-/Perikarditis
Elektrolytstörungen
vegetative Kreislaufregulationsstörungen
Kammerhypertrophie u.a. (s. ▶ Tab. 11.1 )
T-Welle
hoch positiv
Hyperkaliämie
Vagotonie
Long-QT-Syndrom
abgeflacht bis negativ
akute Myo-/Perikarditis (bei chronischer Perikarditis spitz negativ)
ausgeprägte Hypokaliämie
Digitalis (muldenförmig)
Long-QT-Syndrom
QT-Dauer
verkürzt
Hyperkalziämie, Hyperkaliämie, Short-QT-Syndrom
verlängert
Long-QT-Syndrom (angeboren, erworben)
Schenkelblockbild
Hypokalziämie, Hypokaliämie
Medikamente: Antiarrhythmika Klasse Ia, c, III (s. ▶ Tab. 17.2 )
Hypothyreose
[9] Davignon A, Rautaharju P, Boisselle E et al. Normal ECG standards for infants and children. Pediatr Cardiol 1979/80; 1: 123–131
[10] Gunteroth WG. Pediatric electrocardiography. Philadelphia: Saunders; 1965
M. Gass
Im Standard-EKG können QRS-Amplituden sowohl pathologisch niedrige als auch überhöhte Amplituden in Bezug auf die altersentsprechenden Normwerte aufweisen.
Als Niedervoltage werden unterhalb der Altersnorm liegende QRS-Amplituden bezeichnet. Im Erwachsenenalter gelten QRS-Amplituden unter 0,5 mV in den Extremitätenableitungen als Niedervoltage. Gemessen wird hierbei von der Spitze von R bis zur Spitze von S (RS-Amplitude). In den Brustwandableitungen müssen die Amplitudenhöhen weniger als 0,7 mV betragen, um das Kriterium der Niedervoltage zu erfüllen.
Definition im Kindesalter ▶ [11]:Amplitude von R plus S< 0,5 mV in I bis aVF bzw.Amplitude von R plus S< 0,7 mV in V1–V6
Es wird zwischen einer peripheren Niedervoltage, die nur in den Extremitätenableitungen zu sehen ist, und der allgemeinen Niedervoltage mit niedrigen Ausschlägen auch in den Brustwandableitungen unterschieden.
Die Ursachen einer peripheren Niedervoltage können sehr unterschiedlicher Natur sein. Am häufigsten sind extrakardiale Faktoren verantwortlich für den Potenzialverlust an der Körperoberfläche. Hier sind insbesondere die ausgeprägte Adipositas, das Lungenemphysem bzw. ein Pneumothorax und das Myxödem zu nennen. Aber auch ein beim Jugendlichen auftretender Sagittallagetyp kann durch Abweichung des Summationsvektors aus der Frontalebene eine periphere Niedervoltage bewirken.
Eine allgemeine Niedervoltage in allen EKG-Ableitungen kann bei Erkrankungen von Perikard und Myokard bestehen. Als perikardiale Faktoren sind der Perikarderguss und die Perikardschwiele zu nennen. Myokardiale Ursachen finden sich bei diffuser ischämischer, toxischer, entzündlicher oder infektiöser Myokardschädigung und bei Stoffwechselerkrankungen wie Amyloidose, Sklerodermie oder Mukopolysaccharidose.
Beispiele hierfür sind die Niedervoltage bei dilatativer Kardiomyopathie als Zeichen der myokardialen Schädigung ( ▶ Abb. 6.1) oder die Therapie mit kardiotoxischen Antimetaboliten (Daunorubicin, Doxorubicin). Dabei kann die Niederspannung akut oder im Langzeitverlauf auftreten und im Allgemeinen mit einer schweren myokardialen Funktionseinschränkung einhergehen (s. ▶ Abb. 6.1). Bei herztransplantierten Patienten gilt eine neu auftretende Niedervoltage als Hinweis für eine Abstoßungsreaktion.
Periphere Niedervoltage.
Abb. 6.1 EKG eines 7-jährigen Jungen mit dilatativer Kardiomyopathie.
Bei überhöhten QRS-Amplituden liegen die Amplituden in den Extremitätenableitungen mindestens 2–3 mm oberhalb der Norm, in den Brustwandableitungen können sie noch höher sein.
Ursachen sind eine geringe Distanz zwischen dem Herzen und der Thoraxwand, so z. B. bei einem asthenischen Habitus sowie bei einer Lageanomalie des Herzens. Seltener kommt es im Rahmen von Hyperthyreose, Anämie oder Fieber auf der Basis eines erhöhten Herzzeitvolumens zu hohen Amplituden.
Differenzialdiagnostisch abzugrenzen sind hohe QRS-Amplituden, die durch einen abnormen Erregungsablauf innerhalb des Myokards entstehen. Beispiele hierfür sind:
Schenkelblockbilder
Präexzitation ( ▶ Abb. 6.2)
schrittmacherinduzierte Ventrikelstimulation.
EKG mit hohen QRS-Amplituden.
Abb. 6.2 EKG eines 11-jährigen Mädchens mit sehr hohen QRS-Komplexen bei WPW-Syndrom (25 mm/s).
Beim elektrischen Alternans bestehen von Schlag zu Schlag wechselnde Änderungen von Morphologie und Vektor des QRS-Kpmplexes oder der T-Welle:
Für den elektrischen Alternans während supraventrikulärer Tachykardien bestehen wechselnde intraventrikuläre Erregungsleitungsänderungen der Tawara-Schenkel. Je nachdem, welcher Faszikel aktuell betroffen ist, tritt eine alternierende Leitungsverzögerung mit einer mehr oder minder ausgeprägten Verbreiterung des QRS-Komplexes auf ( ▶ Abb. 6.3).
Differenzialdiagnostisch abzugrenzen ist ein alternierendes Auftreten von QRS-Komplexen bei intermittierender Präexzitation. Bedingt durch intermittierende Erregungsleitung über eine akzessorische Leitungsbahn kann bei Sinusrhythmus ein Wechsel zwischen einer normalen PQ-Zeit mit normalem QRS-Komplex und einem Präexzitationsmuster vorliegen ( ▶ Abb. 6.4).
Bei der katecholaminergen polymorphen ventrikulären Tachykardie kommt es unter Belastung typischerweise zum Auftreten einer bidirektionalen ventrikulären Tachykardie ( ▶ Abb. 6.5).
Beim Long-QT-Syndrom tritt mitunter ein Wechsel des T-Wellen-Vektors auf, man spricht vom T-Wellen-Alternans ( ▶ Abb. 6.6).
Bild eines elektrischen Alternans während supraventrikulärer Tachykardie.
Abb. 6.3 EKG eines 10-jährigen Jungen mit einer AV-Knoten-Reentry-Tachykardie.
Abb. 6.3a Herzfrequenz während der Tachykardie 185/min. P-Wellen sind nicht erkennbar. Schlanke QRS-Komplexe. Auffallend ist die unterschiedliche Höhe der R-Zacken-Amplitude in unregelmäßigen Abständen, die in allen Ableitungen erkennbar ist (Papiergeschwindigkeit 25 mm/s).
Abb. 6.3b Nach Unterbrechung des tachykarden Anfalls (Sinusrhythmus mit einer Frequenz von 115/min) sind alle QRS-Komplexe von gleicher Morphologie. Sinus-P-Wellen sind deutlich abgrenzbar.
Alternierende QRS-Komplexe bei intermittierender Präexzitation (Papiergeschwindigkeit 25 mm/s).
Abb. 6.4
Bidirektionale ventrikuläre Tachykardie.
Abb. 6.5 EKG eines 10-jährigen Jungen mit CPVT nach Isoprenalin-Provokation zur Diagnosestellung; ventrikuläre Tachykardie mit von Schlag zu Schlag wechselnden Polaritäten der QRS-Komplexe.
T-Wellen-Alternans.
Abb. 6.6 EKG eines 9-jährigen Mädchens mit Long-QT 2-Syndrom (Langzeit-EKG-Aufzeichnung); die 4. Herzaktion ist eine ventrikuläre Extrasystole.
[11] Garson A. Recording the sequence of cardiac activity. In: The Electrocardiagram in Infants and Children. Philadelpia: Lea & Febiger; 1983
M. Gass
Die Lävokardie gibt die normale Herzlage im Thorax wieder: Die Herzspitze weist nach links, der größere Teil des Herzens befindet sich in der linken Thoraxhälfte.
Bei einer Dextrokardie lassen sich im Wesentlichen 2 Formen unterscheiden: die Dextrokardie und die Dextropositio cordis.