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Beschreibung

Frühkindliche Bildungsprozesse sind bedeutsam für die weiteren (lern-)biografischen Lebensabschnitte von Kindern. Wie diese Bildungsprozesse in verschiedenen elementarpädagogischen Handlungsfeldern und Einrichtungen bestmöglich angeregt und begleitet werden können, ist Hauptanliegen dieses Bandes. Die Beiträge decken eine große Bandbreite an inhaltlichen Themenschwerpunkten ab und liefern konkrete Praxisideen, die den Transfer des dargestellten Wissens erleichtern. Im ersten Teil werden grundlegende Aspekte der elementaren Bildung erörtert. Neben wesentlichen Fragestellungen in Bezug auf frühe Bildung, Erziehung und Betreuung werden die emotionale und soziale sowie die kognitive Entwicklung thematisiert und aktuelle Diskurse in den Bereichen Menschen- und Kinderrechte, Inklusion, Diversität mit Fokus auf das Geschlecht und digitale Medienbildung aufgezeigt. Der zweite Teil des Bandes legt besonderes Augenmerk auf die Analyse und Diskussion fachspezifischer Inhalte. Die von erfahrenen Pädagog_innen verfassten Beiträge zu den Bildungsbereichen Sprache, Mathematik, Natur und Technik, Musik, Bewegung sowie Rhythmik/Musik und Bewegung bieten hier wertvolle und praxisrelevante Anregungen. Der Schwerpunkt des dritten Teils liegt auf der religionssensiblen Bildung und Erziehung von Kindern. Dabei wird exemplarisch aufgezeigt, welche Kenntnisse über religiöse Praktiken, Bräuche und Rituale, Werte und Erziehungsfragen für eine achtsame Begleitung notwendig sind. Insgesamt ermöglicht der Sammelband mit seinen umfangreichen Betrachtungen eine fundierte Diskussion von zeitgemäßen Maßnahmen und Handlungsempfehlungen im Bereich der frühen Bildung. Audioaufnahmen und Notenblätter der in dem Band vorgestellten Lieder können zudem nach erfolgter Registrierung von der Hogrefe Website heruntergeladen werden.

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Johanna Bruckner

Doris Lindner

(Hrsg.)

Elementarpädagogik

Frühkindliche Bildungsprozesse verstehen und begleiten

Wichtiger Hinweis: Der Verlag hat gemeinsam mit den Autor:innen bzw. den Herausgeber:innen große Mühe darauf verwandt, dass alle in diesem Buch enthaltenen Informationen (Programme, Verfahren, Mengen, Dosierungen, Applikationen, Internetlinks etc.) entsprechend dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes abgedruckt oder in digitaler Form wiedergegeben wurden. Trotz sorgfältiger Manuskriptherstellung und Korrektur des Satzes und der digitalen Produkte können Fehler nicht ganz ausgeschlossen werden. Autor:innen bzw. Herausgeber:innen und Verlag übernehmen infolgedessen keine Verantwortung und keine daraus folgende oder sonstige Haftung, die auf irgendeine Art aus der Benutzung der in dem Werk enthaltenen Informationen oder Teilen davon entsteht. Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden nicht besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt.

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[email protected]

www.hogrefe.de

Umschlagabbildung: © iStock.com by Getty Images/Fat Camera

Satz: Mediengestaltung Meike Cichos, Göttingen

Format: EPUB

1. Auflage 2023

© 2023 Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, Göttingen

(E-Book-ISBN [PDF] 978-3-8409-3115-4; E-Book-ISBN [EPUB] 978-3-8444-3115-5)

ISBN 978-3-8017-3115-1

https://doi.org/10.1026/03115-000

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Inhaltsverzeichnis

Danksagungen

1  Einführung

1.1  Bedeutung einer hochschulischen Verankerung der Elementarpädagogik

1.2  Zielsetzungen des Bandes

1.3  Aufbau und Inhalt des Bandes

Teil 1  Grundlegende Fragestellungen und Herausforderungen in der elementaren Bildung

2  Elementare Bildung und Erziehung aus langfristiger und systematischer Perspektive

2.1  Historische Balanceverschiebungen zwischen Bildung, Erziehung und Betreuung

2.2  Elementare Bildung – Strukturen und Dynamiken

2.3  Elementare Erziehung – Strukturen und Dynamiken

2.4  Ausblick

3  Bildungsprozesse des Kindes anregen und begleiten

3.1  Beziehung und Interaktion

3.2  Spiel

3.3  Sozialisation und Lebenswelt des Kindes

3.4  Selbstregulation und diesbezügliche Entwicklungsbegleitung

3.5  Strukturelle Rahmenbedingungen

4  Menschenrechtsbildung: Grundlagen einer Pädagogik der Menschenrechte

4.1  Einleitung

4.2  Rechte des Kindes

4.3  Menschenrechte und ihre Realisierung im Bildungswesen

4.4  Menschenrecht auf Menschenrechtsbildung: (An-)Forderungen an die frühkindliche Bildung

4.5  Fazit

5  Der Inklusionsbegriff im Kontext von (elementarer) Bildung und Erziehung

5.1  Einleitung

5.2  Zugänge zum Verständnis des Inklusionsbegriffs

5.3  Verständnis und Bedeutung des Inklusionsbegriffs

5.4  Modelle einer inklusiven Pädagogik

5.5  Bildungserfolg im inklusiven Setting

5.6  Resümee: Gelingensbedingung in elementaren Bildungseinrichtungen

6  Pädagogischer Umgang mit Geschlecht als Diversitätskategorie in elementaren Bildungseinrichtungen

6.1  Einleitung

6.2  Geschlecht – Ein mehrdimensionaler Begriff

6.3  Doing gender oder die aktive und interaktionale Herstellung von Geschlecht

6.4  Ziele und Prinzipien eines geschlechterbewussten pädagogischen Umgangs mit Kindern

6.5  Umsetzung eines geschlechterbewussten pädagogischen Umgangs in elementaren Bildungseinrichtungen

6.6  Fazit

7  Emotionale und soziale Kompetenzentwicklung begleiten

7.1  Entwicklung und Lernfelder hinsichtlich sozial-emotionaler Kompetenz

7.2  Begleitung sozial-emotionaler Entwicklung in der elementaren Bildung

7.3  Fazit

8  Wie Kinder denken – Ausgewählte Aspekte der kognitiven Entwicklung

8.1  Einleitung

8.2  Ausgewählte Grundlagen der Kognition

8.3  Kognitive Entwicklung nach Jean Piaget

8.4  Fazit

9  Digital-kreativ im Kindergarten

9.1  Mediennutzung und -aneignung bei Kindern im Kindergartenalter

9.2  Medienbildung im Kindergarten – Beispiele

9.3  Fazit

Teil 2  Bildungsbereiche in der Elementarstufe

10  Impulse für eine gelingende sprachliche Bildung in der Elementarstufe

10.1  Einleitung

10.2  Das eigene sprachliche Verhalten

10.3  Erzählbedingungen

10.4  Sprachverständnis und Ausdrucksfähigkeit

10.5  Schön sprechen – richtig sprechen

10.6  Ermutigung

10.7  Sprachbildung durch gemeinsames Sprachhandeln

11  Möglichkeiten des Erwerbs mathematischer Grundkompetenzen im Elementarbereich

11.1  Theoretische Grundlagen und Studien

11.2  Mathematische Lernfelder

11.3  Praktische Förderung früher mathematischer Kompetenzen

11.4  Konsequenzen für die Umsetzung

12  Sachbegegnung und Sachunterricht: Naturwissenschaften in frühen Bildungsbereichen

12.1  Bedeutsamkeit früher naturwissenschaftlicher Bildung

12.2  Früher naturwissenschaftlicher Kompetenzerwerb

12.3  Dimensionen und altersgruppenspezifische Zielsetzungen

12.4  Kompetenzorientiertes Strukturmodell: Der Forschungskompass

12.5  Pädagog:innen als wichtige Förder:innen einer frühen naturwissenschaftlichen Bildung

12.6  Fazit und Ausblick

13  Perspektiven für eine technische Bildung in der Elementarstufe

13.1  Einleitung

13.2  Lebenswelt und Technik

13.3  Kindlicher Zugang zu Technik

13.4  Vielfältige Herausforderungen

13.5  Perspektiven zur Umsetzung technischer Bildung in Einrichtungen elementarer Bildung

14  Rhythmik/Musik und Bewegung (RhythmikMB) in der elementaren Bildung

14.1  Geschichtliche Entwicklung von RhythmikMB in der Pädagogik

14.2  Mittel von RhythmikMB: Musik, Bewegung, Materialien und Stimme/Sprache

14.3  Begriffsbestimmung von RhythmikMB

14.4  Verankerung von RhythmikMB in Bildungsplänen der Elementarbildung im deutschsprachigen Raum

14.5  Praxisbeispiel: RhythmikMB mit bunten Kreppbändern zum Thema Unterwasserwelt

14.6  Zusammenfassung

15  Musikerziehung in der Elementarpädagogik und Elementare Musikpädagogik

15.1  Der Begriff elementar in der EMP

15.2  EMP als ästhetischer Erfahrungsraum

15.3  Musikalische Bildung nach Lehrplänen

15.4  Schulfach Musikerziehung (ME)

15.5  Bildungsrahmenpläne für elementare Bildungseinrichtungen

15.6  Fazit

16  Sprachentwicklungsbegleitung durch Musik

16.1  Sprachliche und musikalische Entwicklung des Kindes

16.2  Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Musik und Sprache

16.3  Möglichkeiten der Sprachbildung mit Musik

17  Kinderstimmbildung in der Elementarstufe

17.1  Bedeutung von Singen und altersadäquater Kinderstimmbildung

17.2  Physiologische Grundlagen der Kinderstimme

17.3  Elementare Aufgaben der Stimmbildung mit Kindern

17.4  Praktische Umsetzung anhand von Stimmgeschichte und Lied

17.5  Fazit

18  Bewegung als wesentlicher Bestandteil elementarer Bildung

18.1  Einleitung

18.2  Bewegungsempfehlungen für Kinder bis vier Jahre

18.3  Auswirkung von Bewegung auf die Entwicklung von Kindern

18.4  Bewegungsbeispiele für Kinder von null bis sieben Jahren

18.5  Fazit

Teil 3  Religionssensible Bildung: Religösen Fragen des Kindes begegnen

19  „Komme ich auch vom lieben Gott?“ – Religiöse Bildung in der Elementarpädagogik anbieten

19.1  Grundsätzliche Erwägungen einer religiösen Bildung in der Elementarpädagogik

19.2  Zu groß, um große Fragen zu stellen? – Religionspädagogische Qualifizierung von Elementarpädagog:innen

19.3  Ist das Entscheidende unsichtbar? – Religiöse Entwicklung von Kindern

19.4  „Wenn du da bist, ist es so schön!“ – Rituale als Ankerpunkte im Alltag leben

19.5  „Du darfst weinen!“ – Umgang mit Tod und Trauer

19.6  Fazit

20  „Oma ist jetzt im Himmel …“ – Tod und Trauer in der Elementarpädagogik aus evangelischer Sicht

20.1  Bindungstheoretische Aspekte

20.2  Aspekte der Bildung

20.3  Entwicklungspsychologische Aspekte

20.4  Elementarpädagogische Begleitung im Trauerfall

21  Orthodoxe religiöse Erziehung von Kindern in der Elementarstufe

21.1  Theologische Grundlagen

21.2  Liturgische Erziehung

21.3  Besondere Bedeutung der Rituale und Bräuche

22  Jüdische Erziehung und Bildung in elementaren Bildungseinrichtungen

22.1  Einleitung

22.2  Ein Kind wächst in das jüdische Leben hinein

22.3  Optionen für den Kindergartenbesuch jüdischer Kinder

22.4  Welche Konstellationen können sich ergeben, wenn ein jüdisches Kind einen nicht jüdischen Kindergarten besucht?

22.5  Schlussfolgerungen

23  Grundlagen eines islamischen Menschenbildes: Gedanken zur Wertevermittlung in der Elementarpädagogik

23.1  Islamische Kindergärten im deutschsprachigen Raum

23.2  Das Bild vom Menschen und der Welt im Koran

23.3  Bedeutung des islamischen Menschenbildes für das pädagogische Handeln

23.4  Theologisieren mit muslimischen Kindern

23.5  Fazit

24  Alevitische Werteerziehung als Grundlage für Inklusion in der Elementarbildung

24.1  Bedeutung der Religion für die Identitätsbildung

24.2  Die Wichtigkeit der religiösen Bildung im Alevitentum

24.3  Alevitische Werteerziehung im Kontext der Familie und der Ocaks

24.4  Alevitische Kinder in elementaren Bildungseinrichtungen: Sichtbarkeit von und Umgang mit Glauben

25  Kinder auf Grundlage des Buddhismus erziehen und begleiten

25.1  Grundlagen des Buddhismus und Anfänge in Österreich, Deutschland und der Schweiz

25.2  Buddhistische Erziehung

25.3  Achtsamkeit im Umgang mit Kindern

25.4  „Hat Buddha Geburtstag?“ – Erfahrungen am Beispiel einer buddhistischen Kleinkindgruppe

Autorinnen und Autoren

Hinweise zu den Online-Materialien

Sachregister

|9|Danksagungen

Die vorliegende Sammlung an Beiträgen zu zentralen Bereichen frühkindlicher Bildung wäre nicht möglich gewesen ohne die Bereitschaft und Leistung zur Zusammenarbeit vieler engagierter Personen. Die Herausgeberinnen möchten sich an dieser Stelle bei allen Beteiligten an diesem Sammelband bedanken.

Der Dank geht an erster Stelle an die Autor:innen der Beiträge, die durch ihre fachliche Kompetenz erst die Entstehung des Bandes ermöglicht haben. Wir danken nicht nur für die Autor:innenschaft und Recherchearbeit, die aufgrund nicht oder kaum vorhandener Literatur wegen des Neuigkeitswerts des Themas für einige zur Herausforderung wurde, sondern auch für die stets konstruktive und wertschätzende Debatte über kritische Anmerkungen seitens der Herausgeberinnen und die Übernahme der Korrekturarbeiten am eigenen Beitrag.

Wir danken zudem den profunden – basierend auf jahrelanger Arbeit mit Kindern in elementarpädagogischen Einrichtungen bis zur Einschulung – praxiserprobten und theorieerfahrenen Rückmeldungen der Elementarpädagog:innen (Studierende der KPH Wien/Krems des Bachelorstudiums Elementarbildung: Inklusion und Leadership), die die Erstentwürfe der Autor:innen in einem kollegialen Peerverfahren begutachtet und Verbesserungsvorschläge formuliert haben. Ihre kritischen Rückfragen, Diskussionen und persönlichen Rückmeldungen, bezogen auf die Themen der Beiträge, haben erheblich zur Klärung der Begriffe und zur Schärfung der Argumentation beigetragen. Für die wertvollen Reviews und für das Fallbeispiel, das in anonymisierter Weise Eingang in das Buch gefunden hat, bedanken sich die Herausgeberinnen auch im Namen der Autor:innen herzlichst bei (in alphabetischer Reihung): Szilvia Béres, Sabine Brunner, Hanna Emberger, Andrea Fostel-Wonesch, Sophie Konrad, Kerstin Pichler, Christine Sperling, Petra Toeltsch, Julia Weinkopf, Daniela Woldt, Eva Veits und Julia Zeininger.

Besonderer Dank gilt den Verantwortlichen im Hogrefe Verlag. Frau Susanne Weidinger, Frau Alice Velivassis und Frau Anna Jung standen uns für Fragen stets umgehend zur Verfügung und leisteten mit Umsicht und der für die Qualitätssicherung notwendigen Gewissenhaftigkeit sorgfältigste Arbeit. Wir sind für das herausragende Lektorat, ihre Ideen zum Sammelband und deren kompetente Umsetzung äußerst dankbar.

Wien/Krems, im Dezember 2022

Johanna Bruckner

Doris Lindner

|11|1  Einführung

Johanna Bruckner und Doris Lindner

Der vorliegende Sammelband führt in das Themenfeld der Kompetenzbereiche und Lerninhalte im Bereich der Elementarpädagogik ein. Mit Blick auf die Auftragstrias aus Bildung, Erziehung und Betreuung (Hartel, Hollerer, Smidt, Walter-Laager & Stoll, 2019, S. 187, für Österreich; Wustmann Seiler & Simoni, 2016, S. 20, für die Schweiz; Jugend- und Familienministerkonferenz [JFMK] & Kultusministerkonferenz [KMK], 2004/2022, S. 7, für Deutschland) gelangt in diesem Sammelband insbesondere der Aspekt der Bildung in den Fokus wissenschaftlicher und praxisorientierter Betrachtungen und damit einhergehend die Frage, wie Bildungsprozesse des Kindes in verschiedenen elementarpädagogischen Handlungsfeldern (und in Einrichtungen elementarer Bildung) bestmöglich angeregt und begleitet werden können. Im Folgenden findet sich eine kurze Einführung zur (Ausbildungs-)Situation in Österreich, Deutschland und der Schweiz, sowie zu den Zielstellungen und Zielgruppen dieses Sammelbandes. Im Anschluss werden Aufbau und Inhalt des Buches erläutert.

1.1  Bedeutung einer hochschulischen Verankerung der Elementarpädagogik

Elementarpädagog:innen leisten einen wegweisenden Beitrag zu Fragen der Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern, vom Eintritt in eine elementare Bildungseinrichtung bis zum Übertritt in die Schule. Dabei sehen sie sich mannigfaltigen gesellschaftlichen Entwicklungen, der Heterogenität und Diversität der Kinder und den strukturellen Rahmenbedingungen vor Ort gegenübergestellt, die eine professionelle Begleitung in der Praxis auf unterschiedlichen Ebenen und in vielfältigen pädagogischen Handlungsfeldern erfordert. Eine professionell gestaltete, elementarpädagogische Praxis ermöglicht Begegnung und Auseinandersetzung mit Verschiedenartigkeit und heterogenen, inklusiven Lernkontexten, sodass Kinder Fähigkeiten, Kenntnisse und Potenziale entwickeln, mit den gegenwärtigen gesellschaftlichen und sozialen Herausforderungen umzugehen. Solche Lernergebnisse legen die Basis für eine gesellschaftskritische und menschenrechtlich |12|orientierte Perspektive, die Vorurteile reflektiert und auf ein verantwortungsbewusstes Leben vorbereitet. Darin offenbart sich auch der Bildungsauftrag1 im Sinne des in Österreich vor mehr als zehn Jahren veröffentlichten bundesländerübergreifendenBildungsRahmenPlans für elementare Bildungseinrichtungen (Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung [BMBWF], 2020), Bildungsprozesse zu initiieren und mit Familien im Sinne einer Bildungs- und Erziehungspartnerschaft zu kooperieren. Die 15a-Vereinbarung (BGBl. I Nr. 148/2022, Art. 2, Abs. 6a) führt diesen als pädagogisches Grundlagendokument an und definiert Bildungsaufgaben wie folgt:

Die geeigneten elementaren Bildungseinrichtungen sowie Tagesmütter und -väter haben die Aufgabe, durch altersgemäße Erziehung und Bildung die körperlich-motorische, seelische, geistige, sprachliche, ethische und soziale Entwicklung zu fördern und nach empirisch belegten Methoden der Elementarpädagogik die Erreichung der Schulreife sowie der notwendigen Sprachkompetenz zu unterstützen. (BGBl. I Nr. 148/2022, Art. 3, Abs. 1)

Andeutungsweise wird in dieser Vereinbarung die Erreichung eines bestimmten Kompetenzniveaus durch die Kinder, zugespitzt durch die Formulierung „Schulreife“, aufgeworfen, worin sich die (noch immer) vorherrschende Definitionsmacht von Schule offenbart (Pesch, 2005). Die Problematik der Begrifflichkeit und die kurzschlüssige Schulreifeorientierung wurde bereits mehrfach thematisiert (siehe exemplarisch Hartel et al., 2019; Pesch, 2005). Wenngleich nicht explizit als Thematik der Transition (vgl. hierzu Fajtak & Schmidt-Hönig, 2019; Hollerer & Amtmann, 2018; Katschnig, Wanitschek & Bruckner, 2021) aufgegriffen, zielt der vorliegende Sammelband auf theoretisch fundierte und praxisorientierte Grundlagen für kontinuierliche Bildungsverläufe.

Auf die Bedeutung elementarer Bildungseinrichtungen „in ihrer Rolle als erste Bildungsinstitution“ wird auch vonseiten des BMBWF hingewiesen. In Österreich wird das Fachpersonal für elementarpädagogische Einrichtungen gegenwärtig nahezu ausschließlich an berufsbildenden höheren Schulen, den Bildungsanstalten für Elementarpädagogik (BAfEP) ausgebildet (Eichen & Krenn-Wache, 2020). Mit Ausnahme einiger weniger Länder sind in Europa in allen Staaten tertiäre Berufsausbildungen für Fachkräfte in der Elementarpädagogik obligatorisch (European Commission, Directorate-General for Education, Youth, Sport and Culture, 2021), so auch in Deutschland und der Schweiz (wenngleich dies für Personen, die mit Kindern unter drei Jahren arbeiten, nicht zutreffen muss). In Österreich werden seit dem Jahr 2014 an der Fachhochschule Campus Wien und seit 2018 an fast allen Pädagogischen Hochschulen Bachelorstudiengänge Elementarpädagogik/Elementarbildung als berufsbegleitende Weiterqualifizierung von Absolvent:innen der BAfEP angeboten (Bruckner, 2021; Koch, 2020). Dennoch blieb eine hoch|13|schulische Verankerung der Elementarpädagogik in pädagogischen Professionalisierungswegen, wie sie international z. B. als Frühpädagogik, Pädagogik der frühen Kindheit, Kindheitspädagogik, frühkindliche/frühe Bildung, Betreuung und Erziehung (FBBE) und early childhood education (and care; ECE[C]) Common Sense ist, bisher weitgehend ausgespart.

Um die geforderte Reflexions-, Diskurs- und Abstraktionsfähigkeit des Fachpersonals zu erreichen, müssen einschlägige Masterstudiengänge und darüberhinausgehende Qualifizierungsmöglichkeiten für Elementarpädagog:innen (Doktorat, Habilitation) angeboten werden, um die Entwicklung hin zu einer akademischen Ausbildung und wissenschaftlichen (Fach-)Disziplin bestmöglich zu unterstützen. Die Besonderheit des Bildungsangebotes gerade an Hochschulen liegt sowohl im Wissenschaftsbezug als auch in der Reflexion der Handlungspraxis auf Basis wissenschaftlicher Theorien und Erkenntnisse (Kratzmann, 2016). Bemühungen sollen daher keineswegs einseitig nur die Vermittlung theoretischen Wissens in den Vordergrund rücken, sondern müssen auch die reflexive Praxis als gleichwertig im Blick behalten. Die Entwicklung fundierter Konzepte, Methoden und anwendungsorientierter Theorien für die erfolgreiche Umsetzung des Bildungsauftrags in elementaren Bildungseinrichtungen bedarf einer der Elementarbildung/Elementarpädagogik inhärenten wissenschaftlichen Disziplin mit einer entsprechenden beruflichen Profession. Hinzu kommt, dass eine umfassende systematische und wissenschaftliche Evaluierung unterschiedlicher Zugänge, Ansätze und Konzepte aus der Alltagspraxis und aus dem Erfahrungswissen der Pädagog:innen (noch) weitgehend fehlt; sie bleibt jedoch unabdingbar für einen gelingenden Theorie-Praxis-Transfer. Umgekehrt bleiben zudem Gelingensbedingungen der Implementierung wissenschaftlich fundierter Konzepte in die Praxis häufig offen, sodass kontinuierliche und stabile Unterstützungsformate für das Voranbringen von Professionalisierungs- und Qualitätsprozessen in Einrichtungen elementarer Bildung nicht nachhaltig verbessert werden können. Für eine Vermittlung zwischen hohen konzeptionellen Ansprüchen und dem Alltagsgeschehen in der Praxis sind neben evidenzbasierten und praxisnahen Forschungserkenntnissen weiterbildungsinteressierte Fachkräfte, die Transferprozesse bestmöglich begleiten und unterstützen, unerlässlich.

1.2  Zielsetzungen des Bandes

Die möglichen Zielgruppen für den vorliegenden Sammelband sind exemplarisch und nicht abschließend gedacht: (Inklusive) Elementarpädagog:innen mögen sich hiervon ebenso angesprochen fühlen wie Personen, die in der Tagespflege mit Kindern bis zur Einschulung arbeiten, Primarstufenpädagog:innen (die mit dem Kind in der Transition vom Kindergarten in die Schule befasst sind), Personen mit beruflichen Tätigkeiten im Bereich der frühen Hilfen, wissenschaftlich tätige Perso|14|nen u. v. a. m. Ebenso kann der vorliegende Sammelband eine wertvolle Lektüre für Eltern/primäre Bezugspersonen von Kindergartenkindern sowie politisch mit dem Thema befasste Personen sein. Die gesammelten Beiträge haben zum Ziel, für Adressat:innen theoretische wie praxisorientierte Grundlagen zu vermitteln, um elementarpädagogische Aufgaben (in elementaren Bildungseinrichtungen) im skizzierten Sinne kompetent bewältigen zu können. Demzufolge beinhalten die einzelnen Beiträge grundlegende, oftmals allgemein anerkannte Begriffe, Konzepte, Modelle und Theorien. Die Kenntnis gängiger Konstrukte und spezifischen Fachvokabulars ist eine zentrale Voraussetzung für eine gelingende Zusammenarbeit im Rahmen der Bildungsplanung und -vermittlung. Konzise verfasste Beiträge vermögen den etwaigen Anspruch auf vollständige Darstellung einzelner Ansätze nicht einzulösen. Daher finden sich auch am Ende mancher Beiträge weiterführende Literaturangaben.

Ein Anliegen des Buches ist es ferner, die Interessen der Anspruchsgruppen im elementaren Bildungssystem mitzudenken. Die Frage nach systemischen Bedingungen, nach Zielen und Inhalten von Bildung und Erziehung, nach Methoden und Didaktiken existiert nicht unabhängig von gesellschaftlichen, politischen und ökonomischen Bestrebungen und sind daher einer beständigen Prüfung und Weiterentwicklung zu unterziehen. Sie ermöglichen es, ihr jeweiliges Ansinnen in den Prozessen der elementaren Bildung zur Wirkung zu bringen. Wie diese funktioniert, kann nur verstanden werden, wenn die darin handelnden Akteur:innen und ihre Interessen weitestgehend bekannt sind.

1.3  Aufbau und Inhalt des Bandes

Der vorliegende Sammelband ist unterteilt in drei Abschnitte, die das Themenfeld aus interdisziplinären Perspektiven beleuchten, sowohl als Gegenstand und Ziel von grundlegenden elementaren Bildungsprozessen, als auch im Modus themen- und fachspezifischer sowie spezifisch religiöser Fragestellungen.

Die Beiträge im ersten Teil diskutieren die für (elementar-)pädagogische Berufe wesentlichen Fragestellungen und aktuellen Herausforderungen für eine professionelle, elementare Bildung. Zunächst begründet Elmar Drieschner die Grundbegriffe der Pädagogik der frühen Kindheit, Bildung, Erziehung und Betreuung, und systematisiert gewachsene Strukturen und Dynamiken elementarer Bildung und Erziehung im historischen Abriss. Danach erörtert Johanna Bruckner in ihrem Beitrag Bildungsprozesse des Kindes anregen und begleiten die Trias Beziehung, Interaktion und Spiel(-didaktik) im Zusammenhang mit Fragen der Sozialisation und der Lebenswelt des Kindes. In einem Exkurs nimmt sie Bezug auf die Selbstregulation und deren Entwicklungsbegleitung sowie auf die strukturellen Rahmenbedingungen in elementaren Bildungseinrichtungen. Im Beitrag von Doris Lindner|15|wird die Grundlegung der Menschen- und Kinderrechte im Rahmen elementarer Bildung beleuchtet und die frühkindliche Partizipation als Beitrag zur Entwicklung vielfältiger Kenntnisse in den Blick genommen, aber auch deren Umsetzungsprozesse kritisiert. Es wird danach gefragt, wie eine an Standards der Menschen- und Kinderrechten geführte Begleitung von Kindern durch Erwachsene, die ebenso Träger:innen von Menschenrechten sind, im Sinne einer menschenrechtsfundierten Gesellschaft, die Ungleichheit und Diskriminierung bekämpft, nachhaltig gelingen kann. Rudolf Beer befasst sich alsdann mit dem Menschenrecht der Inklusion aus Perspektive der Einmaligkeit des Kindes. Neben Ausführungen zum Verständnis des Inklusionsbegriffs skizziert er Bedingungsmerkmale eines inklusiv-pädagogisch gedachten Handelns und stellt abschließend Modelle einer inklusiven Didaktik vor. Im Beitrag von Reinhard Feldl werden Geschlecht als eine bedeutsame Diversitätskategorie sowie Prozesse des Doing Gender in den Blick genommen und schließlich Ziele und Umsetzungsmöglichkeiten einer geschlechterbewussten Elementarpädagogik resümiert. Johanna Bruckner befasst sich danach mit der engen Beziehung zwischen sozialen und emotionalen Kompetenzen, für deren Entwicklung im Rahmen elementarer Bildung eine pädagogische (professionelle) Begleitung eine bedeutsame Rolle spielt. Im Beitrag von Niku Dorostkar und Eva Wiplinger werden Erkenntnisse zur Entwicklung des Denkens bei Kindern und neurobiologische Grundlagen in der frühen Kindheit dargestellt. Dabei werden die wegweisenden Untersuchungen von Jean Piaget vorgestellt und die wesentlichsten Kritikpunkte seines Stufenmodells zur kognitiven Entwicklung bilanziert. Grundlagen und Herausforderungen einer digitalen Medienbildung im Bereich der elementaren Bildung stehen schließlich im Mittelpunkt des Beitrags von Sonja Gabriel, Manfred Nagl und Manfred Tetz. Sie beleuchten an ausgewählten Beispielen des Digital Storytellings (Stop-Motion-Filme) und Computational Thinking (BeeBots und BlueBots), wie sich die Praxis dieser Anwendungen in Einrichtungen elementarer Bildung realisieren lässt.

Im zweiten Teil des Bandes finden sich Beiträge zu den Bildungsbereichen Sprache, Mathematik, Sachunterricht, Musik, Bewegung, frühe technische Bildung sowie RhythmikMB, die u. a. in den österreichischen Lehrplänen der Volksschule2, 3 festgelegt sind (vgl. BGBl. Nr. 134/1963, zuletzt geändert durch BGBl. II Nr. 375/2021 in der |16|Fassung BGBl. II Nr. 471/2021). Almuth Paier weist in ihren Ausführungen zu einer gelingenden sprachlichen Bildung in der Elementarstufe auf die Verantwortung für die Teilhabe und -gabe aller Kinder hin. Sie legt die Bedeutung informeller Situationen in elementaren Bildungseinrichtungen offen und nennt wesentliche Referenzpunkte zur Reflexion für Elementarpädagog:innen. Danach befassen sich Anita Summer und Melanie Zauner in ihrem Beitrag mit der Verwirklichung einer mathematischen (Grund-)Bildung im Rahmen elementarer Bildung. Ein besonderer Fokus richtet sich dabei auf die vielfältigen alltagsintegrierten Anregungen für das pädagogische Handeln in spezifischen Interaktionssituationen. Im Beitrag von Brigitte Pokorny und Kerstin Schmidt-Hönig werden zunächst die Bedeutung von altersgruppenspezifischen Dimensionen und Zielsetzungen für Sachbegegnungen und den Sachunterricht diskutiert und anschließend zwei erprobte Praxiselemente, Forschungskompass als Strukturmodell und Vier-Phasen-Modell als Verlaufsmodell, zum Aufbau von Grundkompetenzen vorgestellt. Danach nimmt Timo Finkbeiner den Zugang des Kindes zu Technik in den Blick und erläutert beispielhaft Perspektiven und Herausforderungen der Umsetzung technischer Bildung in Einrichtungen elementarer Bildung. Christoph Falschlunger und Ines Pilz stellen anschließend den Themenbereich RhythmikMB in den Mittelpunkt ihres Beitrages. Nach der Darlegung zentraler Elemente, wie Musik, Bewegung, Materialien und Stimme/Sprache, eröffnen die Autor:innen profunde Einblicke in die Umsetzung von RhythmikMB im Bereich elementarer Bildung. Im Beitrag von Reinhard Kanitz-Pock wird der Begriff elementar aus Sicht der Elementaren Musikpädagogik präzisiert und aus dieser Perspektive werden Bildungs- und Lehrpläne für den Musikbereich grundlegend erörtert. Danach erläutert Leonore Donat Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Musik und Sprache. Darauf aufbauend demonstriert sie Sprachbildung mit Musik, von der Musik zur Sprache und umgekehrt. Auch der Beitrag von Daniela Treffner und Eva Flieder rückt musikalische Grundlagen am Beispiel der Kinderstimmbildung in den Fokus. Neben physiologischen und theoretischen Grundlagen zur Kinderstimme wird die Umsetzung im Rahmen elementarer Bildung beispielhaft anhand einer selbstgeschriebenen Geschichte und eines selbstkomponierten Liedes dargelegt. Martin Pratscher und Johann Pratscher befassen sich abschließend mit Grundlegendem zur Bewegung von Kleinkindern. Sie stellen vor dem Hintergrund wissenschaftlicher Erkenntnisse Bewegungsbeispiele für die Altersgruppe von null bis sieben Jahren vor. Auch wird die Wichtigkeit von Bewegung bereits in frühen Jahren für das spätere Leben und die pädagogische Verantwortung von Erwachsenen in ihrer Begleitung unterstrichen. Zu den in den Beiträgen Rhythmik/Musik und Bewegung (RhythmikMB) in der elementaren Bildung (Kap. 14) und Kinderstimmbildung in der Elementarstufe (Kap. 17) vorgestellten Liedern liegen Audioaufnahmen und Notenblätter als Online-Materialien vor (für Informationen zum Download siehe Anhang).

Die Beiträge im dritten Teil widmen sich früher Bildung und Erziehung aus der Perspektive verschiedener – katholischer, evangelischer, orthodoxer, jüdischer, isla|17|mischer, alevitischer und buddhistischer – Religionszugehörigkeiten, die im Alltag in Kindergärten und anderen Einrichtungen zum Thema werden können. Die Beiträge versuchen dabei durch einen ersten Einblick in die Thematik andeutungsweise und exemplarisch zu beantworten, wie Kinder aus der Perspektive der jeweiligen Religionsgemeinschaft sozialisiert werden und welche Kenntnisse über Praktiken, Bräuche und Rituale, Werte und Erziehungsfragen für eine achtsame Begleitung durch (auch in religiösen Fragen) versierte pädagogische Fachkräfte notwendig sind. Zunächst beleuchtet Bernhard Schörkhuber die Bedeutung religionssensibler Bildung vor dem Hintergrund einer vorurteilsbewussten, inklusiven Elementarpädagogik. Er vertieft aus einer christlichen Perspektive Fragen nach „Gott und der Welt“, Vorstellungen von Göttlichem und Ritualen sowie den Umgang mit Trauer. Kenntnisse zu diesen Themen sind für eine Begleitung von Kindern in ihrer religiösen Entwicklung bedeutsam. Im Beitrag von Sonja Danner wird ebenfalls das Thema Tod und Trauer aufgegriffen. Nach einer theoretischen Hinführung zur Thematik werden Möglichkeiten zur Begleitung und Fragen zum Thema aus einer evangelischen Sichtweise resümiert. Danach führt Marija Jandrokovic in die theologischen Grundlagen der orthodoxen Kirche mit ihrer liturgischen Erziehung als eine religionspädagogische Besonderheit ein. Rituale und Bräuche, wie das orthodoxe Kreuzzeichen, das Kalenderjahr und der Umgang mit Ikonen, werden in Folge beschrieben. Schließlich gibt Friederike Winkler Einblicke in die Grundlagen jüdischer Erziehung. Sie weist in ihren Ausführungen auf die Diversität innerhalb der jüdischen Gemeinde hin und erläutert Optionen, die jüdischen Familien in Österreich für die Auswahl einer elementaren Bildungseinrichtung zur Verfügung stehen. Alsdann setzen sich Elif Medeni und Kerim Edipoğlu in ihrem Beitrag mit dem Bild vom Menschen und der Welt im Koran auseinander. Sie vermitteln Grundlagen eines islamischen Menschenbilds und eine diesbezügliche Wertevermittlung im Kontext elementarer Bildung. Danach führen Yeliz Luczensky und Dilek Bozkaya in die Vorstellungen religiöser Erziehung auf Grundlage des Alevitentums ein. Sie beschreiben u. a. die im Islamgesetz (BGBl. I Nr. 39/2015) festgelegten fünf alevitischen Feiertage als Orientierungspunkte für pädagogisch Handelnde in elementaren Einrichtungen. Abschließend widmet sich Karin Anna Ertl dem non-theistischen Buddhismus und dem Aspekt der Achtsamkeit. Die Erfahrungen, die im Rahmen eines Projektes in einer Kleinkindgruppe gesammelt wurden, werden beispielhaft als eine mögliche Vermittlung buddhistischer Inhalte in elementaren Bildungsbereichen vorgestellt.

1

Einen ebensolchen formulieren auch der gemeinsame Rahmen der Länder in Deutschland (JFMK & KMK, 2004/2022) und der Orientierungsrahmen in der Schweiz (Wustmann Seiler & Simoni, 2016).

2

In Deutschland umfassen die Empfehlungen zur Arbeit in der Grundschule die übergreifenden Bildungsbereiche Sprachbildung, interkulturelle Bildung, MINT-Bildung, Medienbildung, gesundheitliche Bildung, musisch-ästhetische Bildung, Bildung für nachhaltige Entwicklung und Wertebildung, sowie die Fächer Deutsch, Mathematik, Sachunterricht, Fremdsprache, Kunst, Werken/Textiles Gestalten, Musik, Sport, Religion/Ethik (KMK, 1970/2015).

3

In der Schweiz umfasst der Lehrplan21 im 1. Zyklus (Kindergarten sowie 1. und 2. Klasse Primarstufe) neben überfachlichen Kompetenzen (personal, sozial und methodisch) und Bildung für Nachhaltige Entwicklung die Module Medien und Informatik und berufliche Orientierung sowie die Fachbereiche Sprachen, Mathematik, Natur, Mensch, Gesellschaft, Gestalten, Musik, Bewegung und Sport (Gemeinsame Konferenz der Regionalkonferenzen, 2016).

Literatur

BGBl. Nr. 134/1963, zuletzt geändert durch BGBl. II Nr. 375/2021 in der Fassung BGBl. II Nr. 471/2021. Verordnung des Bundesministers für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten, mit welcher die Lehrpläne der Volksschule und der Sonderschulen erlassen werden; Bekanntmachung der Lehrpläne für den Religionsunterricht an diesen Schulen. Verfügbar unter: https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10009275

|18|BGBl. I Nr. 39/2015. Bundesgesetzblatt für die Republik Österreich. Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die äußeren Rechtsverhältnisse islamischer Religionsgesellschaften erlassen wird. Verfügbar unter: https://www.ris.bka.gv.at/eli/bgbl/I/2015/39

BGBl. I Nr. 148/2022. Bundesgesetzblatt für die Republik Österreich. Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern über die Elementarpädagogik für die Kindergartenjahre 2022/23 bis 2026/27. Verfügbar unter: https://www.ris.bka.gv.at/eli/bgbl/I/2022/148

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|21|Teil 1Grundlegende Fragestellungen und Herausforderungen in der elementaren Bildung

|23|2  Elementare Bildung und Erziehung aus langfristiger und systematischer Perspektive

Elmar Drieschner

Bildung, Erziehung und Betreuung sind die zentralen Funktionen von Kindertageseinrichtungen und entsprechend die Grundbegriffe der Pädagogik der frühen Kindheit. Während der meist alltagssprachlich verwendete Begriff Betreuung die Sorge für das psychisch-physische Wohlbefinden des Kindes meint, steht der Erziehungsbegriff im Fachdiskurs für die Förderung der kindlichen Entwicklung und für die Weitergabe und Aneignung von Kultur. Der Bildungsbegriff hat seinen Referenzpunkt in der Person, die sich über ihren gesamten Lebenslauf mit ihrer Umwelt auseinandersetzt.

Die Unterscheidung von Erziehung und Bildung ist eine Besonderheit des Deutschen. Im angloamerikanischen Ausdruck Early Childhood Education and Care meint „Education“ je nach Kontext Erziehung oder Bildung.

Dieser Beitrag skizziert zunächst langfristige Akzentverschiebungen von der Betreuungs- zur Erziehungs- und Bildungsfunktion frühpädagogischer Institutionen. Auf dieser Grundlage werden sodann Strukturen und Dynamiken elementarer Bildung und Erziehung erläutert.

2.1  Historische Balanceverschiebungen zwischen Bildung, Erziehung und Betreuung

Die ersten frühpädagogischen Institutionen wie die konfessionellen Kleinkinderschulen und Kleinkinderbewahranstalten des 19. Jahrhunderts sollten Müttern aus unteren sozialen Schichten die Erwerbsarbeit ermöglichen. Zugleich sollten die Kinder durch Maßnahmen einer Erziehung zur Frömmigkeit, zu Fleiß und Arbeitsfähigkeit auf ihre spätere Existenz als Lohnarbeiter:innen vorbereitet werden (Reyer, 2015, S. 18). Damit kam den Einrichtungen eine familienunterstützende Betreuungs- und Erziehungsfunktion im Rahmen schichtspezifischer Grenzen zu. In|24|stitutionelle Missstände und autoritäre Verhältnisse in den Einrichtungen wurden unter dem Mantel der „Fürsorge“ verdeckt.

In Abgrenzung zu diesen Fürsorgeeinrichtungen gründete Fröbel in den 1840er Jahren den Kindergarten. Der Kindergarten war die erste frühpädagogische Institution, die als Bildungsorganisation im modernen Sinne konzipiert wurde und als unterste Stufe dem Bildungssystem angegliedert werden sollte. Mit dem Kindergarten hält das zuvor im Wesentlichen auf Jugendliche und Erwachsene bezogene Bildungsdenken Einzug in das Nachdenken über Kinder und Kindheit. Fröbel verstand die frühe Kindheit als eigenständige Phase des Bildungsprozesses. Seine Pädagogik des Kindergartens steht für einen anthropologischen Wandel vom Bild des primär sorgebedürftigen hin zum bildungsfähigen Kind (Drieschner, 2013, S. 76 ff.).

Die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts war durch Kontroversen zwischen dem Deutschen Fröbel-Verband und den Vertretern der konfessionellen Kleinkindererziehung geprägt. Da frühpädagogische Institutionen weiterhin größtenteils von kirchlichen Trägern mit einseitiger sozialfürsorgerischer Orientierung getragen wurden, kam es zur Zementierung der fürsorgerisch-betreuenden Funktion. Juristischen Ausdruck fand diese Entwicklung im deutschen Reichsgesetz für Jugendwohlfahrt von 1924, das kinderbetreuende Einrichtungen als fürsorgerische Nothilfeeinrichtungen festschrieb (Drieschner, 2013, S. 84 ff.).

Historisch folgten machtideologisierte Rückorientierungen im Nationalsozialismus und später in der DDR, indem öffentliche Erziehung und Bildung in totalitärer Weise staatlichen Zielen – hier der rassebewusste Volksgenosse, dort die sozialistische Persönlichkeit – verpflichtet wurden. Über ein Bildungssystem im modernen, an der Person und ihrem Lebenslauf orientierten Sinne verfügten diese erziehungsstaatlichen Regime nicht (Berger, 2016, S. 101 – 135).

In der BRD suchte erst wieder die bildungspolitische Reformära der 1960er und frühen 1970er Jahre Anschluss an die auf Fröbel zurückgehende Idee der frühkindlichen Bildung. Der Kindergarten wurde in den Versuchen einer ordnenden „Bildungsgesamtplanung“ formal als Elementarbereich dem Bildungssystem zugeordnet. Ansätze, ihn mit der Grundschule zu verbinden, z. B. über die Curriculum-Entwicklung oder durch eine zweijährige Eingangsstufe im Primarbereich, blieben wissenschaftliche Modellprojekte.

Erst in den letzten 20 Jahren wurde der Ausbau des Kindergartens zum Elementarbereich des Bildungssystems von den Bildungs- und Sozialressorts gemeinsam forciert: In Deutschland und Österreich sollen Fachkräfte den Bildungsauftrag von Kindergärten auf Basis von Bildungsplänen umsetzen. Die pädagogische Qualität der Einrichtungen sollte verbessert und ihre Kooperation mit den Grundschulen ausgebaut werden. Österreich ging noch einen Schritt weiter als Deutschland und beschleunigte im Jahre 2010 die strukturelle Integration des Kindergartens in das Bildungssystem durch die Einführung einer Kindergartenpflicht ab dem fünften |25|Lebensjahr zum Zwecke der Schulvorbereitung (BGBl. I Nr. 99/2009). In der Schweiz ist der Kindergarten inzwischen schon fest im Bildungssystem verankert: Seit dem Jahr 1999 bildet sein obligatorischer zweijähriger Besuch nach der Vollendung des vierten Lebensjahrs die erste Stufe der Volksschule.

Parallel stieg die Beteiligung an institutionalisierter Bildung, Erziehung und Betreuung im gesamten deutschsprachigen Raum. Im Jahr 2021 betrug in Deutschland die Betreuungsquote der Drei- bis Sechsjährigen 91.9 % (Statista, 2022), im Jahr 2019 besuchten in Österreich 96.1 % der Vierjährigen und 97.6 % der Fünfjährigen eine Kindertagesbetreuung (Statistik Austria, 2020, S. 17), in der Schweiz sind alle Vier- bis Sechsjährigen in das Bildungssystem einbezogen. Mit der annähernden Vollinklusion dieser Jahrgänge erreichte der Kindergarten im deutschsprachigen Raum die für moderne Gesellschaften typische Ebene der ersten Stufe des Bildungssystems.

In diesem Ausbauprozess haben sich die frühpädagogischen Einrichtungsformen immer weiter vervielfältigt. Es gibt Krippen/Krabbelstuben/Kleinkindgruppen (Alter: null bis drei) und Kindergärten (Alter: drei bis sechs oder erweiterte Altersmischung) mit unterschiedlichen Öffnungszeiten (halbtags, ganztags, überlang), darüber hinaus Einrichtungen mit spezifischem Profil (z. B. Schulkindergärten, Integrationsgruppen, Heilpädagogische Kindergärten) und mit erweitertem Profil (z. B. Familienzentren oder Early Excellence Center). Davon zu unterscheiden sind diverse konzeptionelle Formen wie Waldorf-, Montessori-, Bewegungs- oder Waldkindergärten.

Seit der Coronapandemie wird die Bildungsfunktion von Kindergärten und Schulen öffentlich deutlicher kommuniziert: Bildung eröffnet Kindern Chancen zur gesellschaftlichen Teilhabe und zum sozialen Aufstieg. Die (pandemiebedingt) reduzierten Interaktionen mit frühpädagogischen Fachkräften und Lehrpersonen bzw. die Re-Familiarisierung von Bildung, Erziehung und Betreuung verschärfen die soziale Ungleichheit, weil das soziale Herkunftsmilieu die Ressourcen der Kinder bestimmt (Maldonado & De Witte, 2020).

Die langfristige Funktionsverschiebung von bloßer Betreuung hin zur Bildung wird sich vermutlich auch künftig fortsetzen. Dabei darf jedoch die Betreuung als Sorge für das kindliche Wohlergehen nicht marginalisiert werden. Denn Bildung und Erziehung basieren auf professionell begründeter (Für-)Sorge entsprechend den körperlichen und seelischen Grundbedürfnissen der Kinder.

|26|2.2  Elementare Bildung – Strukturen und Dynamiken

Der Bildungsbegriff wurde in der Geschichte pädagogischen Denkens immer wieder neu gefasst, wobei eine Erkenntnis der Aufklärung und des Neuhumanismus fortwirkt.

Bedeutung des Begriffs Bildung

Bildung bezeichnet die Entfaltung der Möglichkeiten und Potenziale einer Person in ihrer Auseinandersetzung mit der sozialen und materiellen Umwelt (Raumdimension) über den gesamten Lebenslauf (Zeitdimension).

Im Übergang zur Moderne formierte sich so das zeitlich und räumlich dynamische Nachdenken über Bildung. Zentral war der u. a. durch Schleiermacher (1826/2000) und Fröbel (1826/1968) geprägte Gedanke, dass frühe Erfahrungen wesentlichen Einfluss auf den Aufbau des Lebenslaufs nehmen. Gegenwart und Zukunft des Kindes treten in ein spannungsreiches Verhältnis.

Heute erscheint es selbstverständlich, dass jeder seinen Lebenslauf als Biografie selbst gestaltet. Hier erfolgen schon in der Kindheit wichtige Weichenstellungen. Die Rahmungen der sozialen Umwelt eröffnen Chancen auf Entwicklung und Entfaltung, setzen aber auch Grenzen der Bildungsmöglichkeiten. Bildung ist eine wichtige persönliche Ressource, denn sie sichert Gestaltungsmöglichkeiten des Lebenslaufs. Dies gilt bezogen auf die in der Interaktion mit der Umwelt aufgebauten Denkstrukturen und Wissensbestände wie auch mit Blick auf die im Bildungssystem vergebenen gesellschaftlichen Berechtigungen.

Theoriegeschichtlich wurde vielfach betont, dass die Person im Bildungsprozess ein immer differenzierteres und individuelleres Verhältnis zu sich selbst und zur Welt aufbaut. Nach Herbart (1835, S. 38) nehmen die „innere(n) Vorstellungsmassen“ der Person im Bildungsprozess eine zunehmend bestimmte Form an: von der relativen Unbestimmtheit in der frühen Kindheit zu einer immer festeren Struktur über die weiteren Phasen des Lebenslaufs.

Auch von Humboldt (1793/1980) betont die Formgebung des Denkens, Fühlens und Wollens. Bildung ist für ihn der Prozess, bei dem sich die Person die unerreichbar außen bleibende Welt durch innere Formgebung zu eigen macht. Der Modus von Bildung ist die „wechselseitige Verknüpfung“ (Humboldt, 1793/1980, S. 35) mit der Welt. Mit dem Begriff der Verknüpfung verweist von Humboldt auf den immer gleichbleibenden Ablauf von Bildungsprozessen, der in den einzelnen Phasen des Lebenslaufs unterschiedliche Formen annimmt.

Verbindet man diese klassischen Einsichten mit neueren Erkenntnissen des Konstruktivismus, dann differenziert die Person im Bildungsprozess ihre innere Struk|27|tur: Sie baut sich im Sinne einer Differenzierung des Inneren gegenüber einem komplexer werdenden Äußeren auf. Dabei muss sie ihre Erfahrungen in einem persönlichen Ganzen integrieren. Auf diese Weise entwickelt sie Voraussetzungen für die Teilhabe an Kommunikation und sichert ihre Handlungskompetenz in der Außenwelt (Drieschner, 2017, S. 94 ff.).

Bildungsprozesse unterscheiden sich qualitativ. Allgemein gilt Bildung als gelungen, wenn die Person ein zunehmend reflexives und selbstbestimmtes Selbst- und Weltverhältnis entwickelt, die Welt für sich erschließt und umgekehrt sich selbst für die Welt erschließt, um so mit der Vielfalt an Optionen im Hinblick auf die Lebensführung umgehen zu können. Kurzum: „Bildung als wechselseitige Erschließung von Person und Umwelt erfolgt als zunehmend bewusstere, reflektiertere und immer stärker selbstgesteuerte Formgebung des Lebenslaufs zu einer bestimmteren inneren Struktur, äußeren Lebensführung sowie der Mitgestaltung der Gesellschaft“ (Drieschner, 2017, S. 110).

Für die Pädagogik der frühen Kindheit betont Schäfer (2011), dass frühe Bildung nicht als defizitäre Vorstufe einer späteren reflexiven Bildung abgewertet werden darf. Umgangsweisen mit der Welt ändern sich im Lebenslauf, sind insofern immer andersartig, bleiben aber dabei immer gleichwertig. Mit dem Begriff Selbstbildung betont er daher die Vielfalt und Produktivität kindlicher Wahrnehmungs- und Denkprozesse.

Ein Spezifikum früher Bildung ist die enge Verknüpfung der sozialen, emotionalen, körperlichen und kognitiven Interaktion mit der Umwelt. Dies soll zunächst mit Bezug auf die Zeitdimension erläutert werden:

In den ersten drei Lebensjahren ist die Auseinandersetzung mit der Umwelt rhythmisch strukturiert. Säuglinge bilden innere Schemata für zyklisch wiederkehrende äußere Handlungszeiten z. B. des Essens, Schlafens oder Spielens. Diese rhythmische Zeitwahrnehmung dient dazu, kognitiv-emotionale Spannungswechsel – z. B. Phasen der Bindung und der Exploration, der Übung und des Spiels, der Unterstützung und der Selbsttätigkeit – in der Interaktion mit Bindungspersonen in eine ausgeglichene Gesamtstruktur zu integrieren. Solche Interaktionsrhythmen mit der Umwelt vermitteln dem Kind Orientierung, Erwartbarkeit und Vertrauen. Sie bilden das zeitliche Gerüst, das es ihm ermöglicht, seine täglich neuen Eindrücke zu differenzieren und integrierte Erfahrungen zu verarbeiten (innere Struktur), damit es anschließend wieder mit neuem Interesse die Umwelt erkunden kann (de Coster & Blanchard, 2013).

Etwa zwischen dem dritten und sechsten Lebensjahr entwickeln Kinder ein anschauliches Zeitverständnis. Dieses ist schon stärker linear ausgerichtet, aber noch sehr an wahrgenommenen Gegenständen und Bewegungen im Raum orientiert („Größere Menschen sind älter als kleinere“). Erst auf Basis vielfältiger Bewegungen im Raum versteht ein Kind den Sinn von Relationen wie „hier“ und „dort“ sowie „früher“, „jetzt“ und „später“. Mit dem Eintritt in das Schul|28|system, seinem Jahrgangsklassenprinzip und seiner spezifischen Form der methodisch-systematischen Weltaneignung lernt das Kind allmählich, sein Leben in linearer Hinsicht als Lebenslauf zu verstehen und zu gestalten.

Über den gesamten Lebenslauf bilden die zyklische und die lineare Zeitdimension zentrale zeitliche Rahmungen von Bildungsprozessen. Nach Modellen des Lebenszyklus – exemplarisch sei verwiesen auf Erikson (1973) – sind in jeder Altersstufe krisenhafte Bildungsaufgaben mit massiven Transformationen der inneren Struktur zu bewältigen. Hierzu zählen der Aufbau von Urvertrauen vs. Grundmisstrauen im Säuglingsalter und von Identität vs. Identitätsdiffusion im Jugendalter. Die produktive Bewältigung von Krisen in kognitiver, emotionaler und sozialer Hinsicht eröffnet nach Erikson Chancen für weitere gelingende Bildungsprozesse.

Neben einschneidenden Transformationen vollzieht sich ein Großteil der alltäglichen Bildungsprozesse in den Bahnen kontinuierlicher Veränderungen der inneren Struktur. So sind institutionelle Bildungsprozesse im Kindergarten und in der Schule durch einen linearen und kumulativen Erfahrungsaufbau gekennzeichnet, bei dem die Kinder jeden Tag neue Wissenselemente wie z. B. einzelne Begriffe erlernen.

Auch für die zweite Dimension des frühkindlichen Bildungsprozesses – die Interaktion mit dem Raum bzw. der Umwelt – lassen sich spezifische Strukturen und Dynamiken beschreiben:

Bereits pränatal beginnt das Kind auf Basis von Reflexen (Saugen, Greifen) die Umwelt des Uterus zu erkunden. Im letzten Drittel der fetalen Entwicklung ist es in der Lage, akustische und geschmackliche Differenzen zu erlernen (Hüther & Krens, 2010). Postnatal werden die Erfahrungen komplexer. In den ersten Monaten entwickeln Kinder mentale Repräsentationen von Objekten, indem sie diese sensumotorisch erfahren, sie also betrachten, greifen, loslassen oder in den Mund nehmen.

Die Auseinandersetzung mit der Umwelt wird im Laufe der Kindheit reflexiver. Aus den sensumotorischen Operationen entwickelt sich in den ersten Lebensjahren ein prä- und danach ein konkret-operationaler Umgang mit der Welt. Mit der Entwicklung des (sprachlichen) Symbolsystems im zweiten Lebensjahr lernt das Kind nicht mehr nur im unmittelbar handelnden Umgang mit der Welt, sondern nun auch auf der Ebene symbolischer Darstellungen (grundlegend: Piaget, 2003; siehe auch Kapitel 8).

Symbolisches Denken ist die Voraussetzung dafür, dass Kinder durchschnittlich mit etwa eineinhalb Jahren ihr Spiegelbild erkennen und eine Vorstellung vom eigenen Selbst aufbauen. Dabei werden ihnen Differenzen zwischen Menschen bewusst. Wie ein Experiment zeigt, können Kinder dieses Alters erkennen, dass manche Erwachsene anscheinend lieber Brokkoli mögen als Cracker. Die jüngeren Kinder unterstellen, dass die Erwachsenen – wie sie selbst – Cracker dem Gemüse vorziehen (Gopnik et al., 2007, S. 54 f.).

|29|Etwa ab vier Jahren entwickelt sich die Fähigkeit zu mentalisieren, d. h. „das eigene Verhalten oder das Verhalten anderer Menschen durch Zuschreibung mentaler Zustände zu interpretieren“ (Fonagy et al., 2002; siehe auch Kap. 7). Die zuvor naiv für wahr gehaltene Realität kann nun perspektivisch verstanden werden. Die Fähigkeit zum perspektivischen Denken wächst nach Piaget (2003) im Alter von zehn bis zwölf Jahren, da nun auch formale (abstrakte, hypothetische) Denkoperationen möglich werden.

Bei der Entwicklung solcher sozial-kognitiven Kompetenzen spielen Bindungserfahrungen eine zentrale Rolle. Da das kindliche Selbst- und Weltverhältnis wesentlich durch aufgebaute Bindungen zu Bezugspersonen strukturiert wird, ist Bindung ein Teil frühkindlicher Bildung (siehe auch Kap. 3.1).

Dies zeigt sich z. B. daran, dass Kinder ihre Beobachtungen mit ihren Bezugspersonen teilen wollen. Im Alter von neun bis zwölf Monaten treten Situationen geteilter Aufmerksamkeit auf. Das Kind zeigt auf einen Gegenstand und sieht die Bezugsperson an. Wenn diese aufmunternd zurückblickt, erfährt es nicht nur etwas über das Objekt, sondern auch darüber, wie es persönlich, sozial und kulturell eingebunden ist. Ein geteilter Aufmerksamkeitsfokus hilft dem Kind, seine Erfahrungen zu bewerten und zu strukturieren und sich seiner Gedanken und Gefühle bewusst zu werden. Auf diese Weise werden Kulturtechniken wie die Sprache erworben. In kontinuierlichen, dichten, immer wiederkehrenden Interaktionen benutzen Kinder die ihnen gegenüber gebrauchten sprachlichen Zeichen mehr und mehr selbst (Tomasello, 2006).

Gelingende Bildungsprozesse zielen bereits in der Kindheit auf die zunehmend selbstbestimmte Auseinandersetzung mit der Umwelt. Sichere Bindung fungiert als flexibler Sicherheitsrahmen, der dem Kind eine entwicklungsangemessene äußere Regulierung seines Erlebens und Verhaltens ermöglicht und ihm gleichzeitig einen geschützten, stetig wachsenden Freiraum für eigenständiges Handeln lässt. In der gelingenden Wechselbeziehung von Bindung, Exploration und Spiel können sich psychische Sicherheit, Selbstwirksamkeit sowie Mentalisierungsfähigkeit ideal entwickeln.

2.3  Elementare Erziehung – Strukturen und Dynamiken

Auch der Erziehungsbegriff wurde in der Geschichte des pädagogischen Denkens kontrovers diskutiert. Als kleinster gemeinsamer Nenner des Diskurses kann die im folgenden Kasten widergegebene Einsicht gelten.

|30|Bedeutung des Begriffs Erziehung

Erziehung bezeichnet den dynamischen Prozess der Vermittlung und Aneignung von Kultur im Generationenverhältnis. Sie folgt dabei dem Anspruch von der Fremd- zur Selbststeuerung mit dem Ziel der schrittweisen Symmetrisierung der Interaktion.

Die Frage, warum Erziehung überhaupt notwendig ist, wird in der Pädagogik klassisch mit Bezug auf die Kulturalität des Menschen beantwortet. Demnach hat der Mensch im Laufe seiner Gattungsgeschichte die spezifische, nur ihn als Spezies auszeichnende Fähigkeit entwickelt, einmal erreichte Einsichten, Erfindungen und Kompetenzen an nachfolgende Generationen weiterzugeben und auf diese Weise „Kultur“ aufzubauen. Der Begriff Kultur meint hier in einem weiten Sinn die Gesamtheit der vom Menschen geschaffenen Wissensbestände, Symbole, Werte, Normen und Deutungsmuster. Da Kultur in keinem genetischen Programm verankert ist, müssen Kinder in kulturelle Lebensformen hineinwachsen, also an Sprache teilnehmen, Spielregeln verstehen, Rollen erlernen, Emotionen regulieren sowie die Codes differenzierter kultureller Sinnsysteme wie Wirtschaft, Politik oder Kunst erfassen, um gesellschaftliche Handlungskompetenz zu erlangen. Die Erziehung unterstützt diesen komplexen Enkulturationsprozess. Ihr kommt dabei eine doppelte Funktion zu.

Funktionen der Erziehung

Vermittlung und Aneignung von Kultur: Mit Blick auf die Gesellschaft erfüllt sie die Funktion der Vermittlung und Aneignung von Kultur (Sünkel, 2013). Dabei ist Erziehung keinesfalls als statischer Vorgang der Kulturübertragung von Generation zu Generation misszuverstehen. Vielmehr erfolgt sie dynamisch in Form von gleichzeitiger Tradierung und Bearbeitung des nicht genetischen Erbes. Denn in der modernen Erziehung, so betonte bereits Schleiermacher (1826/2000), sollen die Heranwachsenden nicht nur in die übermittelte Kultur eintreten, sondern zugleich die Möglichkeit erhalten, sich selbsttätig für den Veränderungsbedarf des kulturellen Erbes zu engagieren, wie es z. B. aktuell in der Fridays-for-Future-Bewegung realisiert wird. Nur in der kritischen Auseinandersetzung mit kulturellen Errungenschaften im Generationenverhältnis kann kultureller Fortschritt entstehen.

Entwicklung und Entfaltung der Anlagen und Potenziale des Individuums: Mit Blick auf das Kind dient Erziehung der Entwicklung und Entfaltung seiner individuellen Anlagen und Potenziale. Das bei der Geburt hilflose, aber gleichzeitig enorm lernfähige Kind ist für seine Entwicklung und seinen gelingenden Bildungsprozess auf soziale Bindung(en) und auf kulturelle Bezüge im Rahmen von Erziehung angewiesen. Bildung und Erziehung sind insofern wechselseitig aufeinander bezogene Begriffe, die in der modernen |31|Pädagogik einem gemeinsamen Grundgedanken verpflichtet sind: Das Kind wird im Rahmen eines gelingenden Erziehungsverhältnisses darin unterstützt, in seinem eigenaktiven Bildungsprozess zu seiner eigenen Form zu kommen. Erziehung mit Bildungsanspruch beschränkt sich daher nicht auf Betreuung, Pflege und die Vermittlung von Kultur, sondern fördert die individuelle Fähigkeit zur Formgebung und Selbstgestaltung des eigenen Lebenslaufs (Drieschner, 2017, S. 35 ff.).

Vor diesem Hintergrund betonte Schleiermacher (1826/2000) gegenüber technologischen Machbarkeitsillusionen des pädagogischen Erzwingens und romantischen Utopien des ungesteuerten Wachsen-Lassens, dass Erziehung nicht ohne den Bildungswillen des Kindes funktioniert. Die Erziehungsperson knüpft an seine „Selbsttätigkeit“ und „Selbstständigkeit“ an und leistet ihm „Hilfe und Ergänzung der Kraft zur eigenen Bildung“ (Schleiermacher, 1826/2000, S. 73 ff.).

In dieser Tradition bestimmt Liegle (2013) frühkindliche Erziehung als „Aufforderung zur Bildung“. Dabei plädiert er angesichts der Spezifik frühkindlicher Weltaneignung für eine situative Verbindung von „indirekter Erziehung“ (Gestaltung einer lernförderlichen Umgebung), einer Pädagogik/Didaktik des Vorbildes und des empathischen, verantwortungsvollen Dialogs (Liegle, 2013, S. 58–61).

Bis hierhin sollte deutlich geworden sein, dass Erziehung kein einseitiger Vorgang ist, sondern im Interaktionsverhältnis erfolgt. Historisch nehmen die Handlungs- und Partizipationsmöglichkeiten der Kinder zu. Mit der Liberalisierung der Erziehung vom „Befehls- zum Verhandlungsstil“ sind Kinder seit den 1960er Jahren zunehmend in der Lage, ihre Interessen und Bedürfnisse kompetent zu vertreten und auch gegen den elterlichen Willen durchzusetzen – abhängig von den Chancen und Grenzen der Erziehungskultur der jeweiligen Herkunftsfamilie bzw. pädagogischen Einrichtung (Nave-Herz, 2012, S. 62 ff.).

Gelingende Erziehung als Interaktion erfordert die wechselseitige Abstimmung des Handelns von Kindern und Erwachsenen. Prange (2012) prägt in diesem Kontext den Begriff der pädagogischen Differenz zwischen den Intentionen der bzw. des Erziehenden und dem Bildungsprozess des Kindes. Pädagogisches Handeln ist keine wirkungssichere Kausaltechnologie, vielmehr können intendierte Wirkungen beim Kind ausbleiben oder erst zeitverzögert eintreten, sich im Laufe der Zeit verflüchtigen oder entgegengesetzte Wirkungen zeigen. Hinzu kommt, dass Erziehende eine neue Kompetenz des Kindes nie sicher allein auf ihr pädagogisches Handeln zurückführen können, denn Bildungsprozesse sind komplex und eigendynamisch. Sie können niemals vollständig pädagogisch gelenkt werden.

Von dem Ziel, diese pädagogische Differenz zu überbrücken, zeugen die vielfältigen Regeln, Beispiele, Warnungen und Berichte gelungener und gescheiterter pädagogischer Praxen. Dabei sind pädagogische Konzepte und Methoden oftmals Ge|32|genstand heftiger Kontroversen. Überhaupt ist die Pädagogik seit jeher anfällig für Heilslehren, die einseitige Antworten auf komplexe pädagogische Probleme liefern. Deren Spektrum reicht vom reformpädagogischen Vertrauen in die vollkommene Selbstentfaltungsfähigkeit des Kindes bis hin zu konservativen Forderungen nach mehr Disziplin.

Gegenüber solchen einseitigen Auflösungen der pädagogischen Differenz wird in der Wissenschaft immer wieder auf konstitutive Spannungsfelder der Erziehung hingewiesen – Führen vs. Wachsen-Lassen (Selbstbestimmung vs. Fremdbestimmung), Unterstützen vs. Schützen, Gegenwirken vs. Behüten, Nähe vs. Distanz, Paternalismus vs. Partizipation, Orientierung an der Gegenwart vs. Vorbereitung auf die Zukunft, Veränderung vs. Erhalt kindlicher Eigenschaften, kindliche Interessen vs. gesellschaftliche Ansprüche.

Diese Spannungsfelder können weder normativ noch durch empirisch validierbare Gesetzmäßigkeiten aufgelöst werden. Für das Gelingen von Erziehung als Interaktionsverhältnis ist es wesentlich, die Spannungsfelder zu reflektieren und in ein situativ angemessenes, stets fragil bleibendes Balanceverhältnis zu bringen. Die systematische und empirisch fundierte Erziehungstheorie erfüllt hier eine reflexionsunterstützende Funktion. Ihre Aufgabe ist es nicht, ideologisch zwischen entgegenstehenden Prinzipien, wie z. B. Führen oder Wachsen-Lassen, zu entscheiden, sondern zwischen dem Minimum und dem Maximum der Pole auf Basis einer logischen Analyse, einer historischen Betrachtung und einer psychologischen Einordnung zu vermitteln.

Ein konkretes Beispiel für eine fundierte psychologische Einordnung des Spannungsfeldes Führen vs. Wachsen-Lassen bzw. Selbstbestimmung vs. Fremdbestimmung liefert die Erziehungsstilforschung. Unter dem Begriff Erziehungsstil werden stabile Muster des Erziehungsverhaltens verstanden, bei denen die Pole Selbst- bzw. Fremdbestimmung in unterschiedlicher Weise und Qualität ausbalanciert werden. Gegenüber der einseitigen Fremdbestimmung durch den Erziehenden bei einem autoritären Stil, der einseitigen Selbstbestimmung des Kindes bei einem Lassez-faire-Stil oder der Gleichgültigkeit eines vernachlässigen Stils steht der autoritative Erziehungsstil für einen funktionalen Mittelweg.

Autoritativer Erziehungsstil

Der autoritative Erziehungsstil beruht auf einer Balance zwischen konsequenter, aber flexibler Führung sowie emotionaler Wärme und feinfühliger Unterstützung. Autoritativ erziehende Eltern oder Fachkräfte setzen Kindern Verhaltensorientierungen, die ihrer Entwicklung entsprechen, lassen ihnen aber einen geschützten Freiraum für die selbstbestimmte Umsetzung ihrer Bedürfnisse, Wünsche und Interessen. In früher Kindheit vermitteln die Erwachsenen einem Kind die Regeln begründend und verständlich. Mit zunehmendem Alter wird das Kind immer mehr zur Selbsttätigkeit herausgefordert.

|33|Die Erziehungsstilforschung hat zumindest für westliche Kulturen solide empirische Erkenntnisse dafür geliefert, dass autoritativ erzogene Kinder vergleichsweise höhere intellektuelle, soziale und moralische Fähigkeiten, geringeres Problemverhalten, ein höheres Selbstwertgefühl und bessere schulische Leistungen zeigen (Fend & Berger, 2019, S. 141 ff.; Fuhrer, 2005, S. 323).