Elfrieda Elfenstein und das geheimnisvolle Gemälde - Riva Stern - E-Book

Elfrieda Elfenstein und das geheimnisvolle Gemälde E-Book

Riva Stern

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Beschreibung

Ferien – endlich Ferien!

Frieda, dreizehn dreiviertel Jahre alt, will in Ruhe ihre wohlverdienten Sommerferien bei ihrer Großtante Rosalind verbringen. Dort lernt sie den geheimnisvollen Sandro kennen, der ihr irgendwie übermenschlich erscheint.

Doch nicht nur Sandro verheimlicht etwas, auch Friedas Tante Rosalind scheint ein Geheimnis zu haben. Alles hängt auf rätselhafte Weise mit einem Gemälde zusammen, das plötzlich wieder aufgetaucht ist. Nach einer Reihe merkwürdiger Ereignisse findet sich Frieda inmitten einer bewegenden Liebesgeschichte wieder, die sich vor hunderten von Jahren abspielte. Wie kann das nur sein?

Und dann soll Frieda auch noch die Verbindung zwischen der Menschen- und Elfenwelt retten…

Was für eine Aufregung!

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Seitenzahl: 146

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Vollständige eBook Ausgabe 2017

 

 

© 2017 ISEGRIM VERLAG

in der Spielberg Verlag GmbH, Regensburg

 

Umschlagmotiv: Shutterstock.com, Fotolia.com

Umschlaggestaltung: Isegrim

 

Alle Rechte vorbehalten

Vervielfältigung, Speicherung oder Übertragung

können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.

 

(eBook) ISBN: 978-3-95452-813-4

 

www.spielberg-verlag.de

www.isegrim-buecher.de

Inhaltsverzeichnis

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

12.

13.

14.

15.

Rezepte aus Rosalinds Backbuch

 

Riva Stern (Ps) ist eine vielseitige Künstlerin: Schon als Mädchen schrieb sie mit Begeisterung Geschichten und spielte in Kinder- und Jugendtheatern. Nach ihrem Abitur zog sie nach England und absolvierte dort erfolgreich ein Studium der Community Arts und Regieassistenz an der berühmten Künstlerakademie von Paul McCartney in Liverpool. Zurück in Deutschland studierte sie Lehramt für Englisch und Deutsch. Sie genießt es, das Besondere im Alltäglichen zu finden und daraus den Stoff für phantasievolle und bewegende Geschichten entstehen zu lassen. Seit 2015 lebt sie mit ihrem Ehemann in München-Schwabing. Die dortige Jugendstilarchitektur und der Englische Garten begeistern und inspirieren sie immer wieder.

 

 

Für meine große Liebe Lutz, der glücklicher Weise mein

Mann ist.

Und für alle, die an die große Liebe glauben,

auch wenn sie diese vielleicht noch nicht gefunden haben.

1.

Nichts war vergleichbar mit diesem Gefühl der Freiheit bei der Ankunft im Orangenhain ihrer Großtante Rosalind.

Der Duft der reifen Früchte, der ihr entgegenströmte, die Wärme des steinigen Bodens, der einzigartige Gesang der Zikaden. Alles zusammen eindeutige Zeichen dafür, dass sie endlich dort war, wo sie sich das ganze Jahr über hinträumte. Frieda im Sommer. Zu Beginn der Ferien. Der endlosen Sommerferienzeit. Zeit um sich treiben zu lassen und, um einfach Frieda zu sein. Das war vollkommen genug und eindeutig ausreichend. Die letzten Wochen zu Hause waren wieder einmal chaotisch und äußerst anstrengend gewesen. Aber daran wollte Frieda erstmal nicht mehr denken und verdrängte jeglichen Gedanken daran sogleich - so gut sie eben konnte.

Was für ein Glück, dass ihre Großtante Rosalind genau hier wohnte, stellte Frieda immer wieder aufs Neue fest. Rosalind wohnte in einem etwas abgelegenen Steinhaus-Anwesen auf einem klitzekleinen bewaldeten Hügel. Mit Meerblick. Was für ein überhimmlisches Glück das doch war.

»Dieser Elfenhügel hat mich gerufen«, pflegte Rosalind immer zu sagen, »deswegen wohne ich genau hier, schon solange ich denken kann.«

Und seit Frieda denken konnte natürlich auch. Was das mit dem ›Ruf der Elfen‹ denn genau bedeutete, hatte Frieda noch nie zu fragen gewagt. Es war einfach so. Und zugegebenermaßen hatte ihre Großtante manchmal sehr eigenwillige Ansichten über die Welt und das Leben. Da konnte sie nicht immer alles nachfragen. Es würde irgendwann einfach zu viel werden.

Außerdem war das jetzt alles auch nicht von Bedeutung, fand Frieda. In diesem Moment war nur wichtig, dass sie endlich wieder hier war. Genau an dem Ort, an den Frieda sich seit Wochen gesehnt hatte. Zu dem unvergleichlichen Zeitpunkt, an dem sie ihre Füße auf den Steinweg zu Rosalinds Garten setzen konnte, ihren kleinen abgewetzten Koffer abstellen würde und einfach da war. Ihrem Ferienzuhause. Ihr Onkel, Rosalinds Mann, hatte sie wie immer mit seinem klapprigen Jeep abgeholt, den er besaß seit Frieda denken konnte. Mit offenem Verdeck waren sie wie immer über endlose Kurven auf den kleinen Straßen durch die dichtesten Bergwälder aller Zeiten gefahren und Frieda fühlte sich von der Fahrt durch die verwinkelte Landschaft noch immer wie benommen.

Eigentlich war ihr regelrecht schlecht davon. Aber auch das störte sie nicht weiter.

Alles war perfekt. Sie war jetzt bei ihrer Lieblingstante und wie erhofft, strömte ihr der Duft von frischem Orangenkuchen entgegen. Frieda musste schmunzeln. Wie schaffte es ihre Tante immer wieder, genau diese Situation für sie herzuzaubern? So, dass alles genau so war, wie es sein sollte? Wieder beschlich Frieda dieses Gefühl eines Déjà-vus. Das Gefühl, dass sie genau diesen Moment an diesem Ort schon kannte. Gut, sie war ja auch schon oft hier gewesen. Aber da war noch mehr. Es war, als kenne sie diesen Ort schlichtweg schon immer und noch viel länger. Frieda fühlte eine Art unsichtbaren Bands zwischen sich und diesem magischen Ort. Es kam ihr manchmal vor, als spräche jeder Stein, jede Pflanze, einfach alles mit ihr. Manchmal auch im Traum, wenn sie nicht hier war. Aber davon hatte sie noch niemandem erzählt. Für sie war es das zauberhafteste Fleckchen Erde, das man sich vorstellen konnte. Ein Ort, der außerhalb von Raum und Zeit zu existieren schien. Eine Zwischenwelt, die ganz anderen Gesetzen folgte, als alle Plätze, die Frieda kannte.

Und ob Rosalind wieder nicht älter geworden war, wie Frieda beim letzten Besuch schon festgestellt hatte? Ob das an der Luft lag? Dem Klima? Dem mediterranen Essen? Oder etwa dem eigens hergestellten Orangen-Olivenöl?

»Frieda-Kind!« Die Stimme ihrer Großtante riss sie aus ihren Gedanken. »Wie froh ich bin, dass du endlich wieder hier bist. Wie hübsch du bist und wie groß und … oooohjeeee wie tantenhaft ich mich anhöre. Das ist ja furchtbar. Lass dich drücken!«

Es gab nicht viele Menschen, von denen sich Frieda gerne drücken ließ. Aber Rosalind gehörte definitiv dazu. Sie war weich und stark zugleich und schaffte es immer nach Orangengarten und Keksen zu duften.

Rosalinds meerfarbene Augen blinzelten fröhlich und verschmitzt zugleich. Frieda war so unendlich glücklich, endlich wieder hier zu sein, bei ihrer besonderen sommerprossig-wunderlich-einzigartigen Großtante. Kein Ort der Welt war schöner als dieser hier.

»Ich hab dir dein Zimmer schon hergerichtet. Es ist alles noch genauso, wie du es bei deinem letzten Besuch verlassen hast. Nur hat dir Onkel Fred die alte Truhe aus dem Speicher heruntergeholt und frisch gestrichen, weil er meinte, dass sie zu schade ist, um auf dem Dachboden zu verstauben. Und weil er wieder Platz braucht für seine neuesten Funde aus der Kunstwelt. Du kennst ihn ja…«, lächelte sie und fügte hinzu: »geh’ doch schon einmal nach oben und richte dich in deinem Zimmer ein. Ich muss noch ein paar Sachen vorbereiten, weil wir doch Besuch erwarten.«

Das war neu. Frieda war zutiefst schockiert. »Welchen Besuch?«, fragte Frieda leise und wie vor Schreck erstarrt. Sollte das etwa heißen andere Menschen kämen hierher, in ihr Ferienparadies? Ihrem ureigenen Platz der Ruhe und des Friedens? Fremde Menschen, die sich zwischen sie und ihre geliebte Großtante drängen würden und zu guter Letzt Rosalind auch noch ständig in Beschlag nehmen würden? Was sollte das?

Es war eine Katastrophe.

»Schätzchen. Mach dir keine Sorgen. Bring’ erstmal deine Sachen nach oben und komm’ hier an. Bei Orangenkuchen und Tee erkläre ich dir alles und dann sieht die Welt gleich wieder anders aus, ja? Es gibt wahnsinnig viele Neuigkeiten«, erwiderte Rosalind Friedas Gedanken.

Das war wieder typisch Rosalind, wie sie Friedas Gedanken erraten hatte. Das war das Angenehme und zugleich Anstrengende an Friedas Großtante Rosalind: Sie wusste immer, was in Frieda vorging und schien ihre Gedanken und Gefühle lesen zu können.

2.

Friedas Ferien-Zimmer! Ihr einzigartiges, für sie allein eingerichtetes Zimmer. Ihr Nest, ihre Oase, ihr einzig wirklicher Rückzugsort. Wie sie es liebte!

Der Raum war direkt unter dem Dach, neben dem Speicher. Wie durch ein Wunder war er schattig und kühl. Das musste an der toskanischen Bauweise liegen.

Und wie sie ihren Onkel Fred dafür liebte, dass er altes Mobiliar sammelte. Denn nur so waren die wunderschönen, fast schrulligen alten dunkelbraunen Möbel in ihrem Zimmer gelandet. Ein großer zweitüriger Schrank mit Spiegel und einem eingeschnitzten Schwanenpärchen. Eine Frisierkommode mit Flügelspiegel und ausziehbarem Bürstenhalter. Ein riesiges, schweres Bett mit lavendellila und rosenrot gestreiftem Überwurf und endlos vielen Kissen zum Versinken und Lesen und einfach Vor-sich-hin-schauen. Dieses Zimmer war das Zimmer aller Zimmer. So gemütlich und so überhaupt nicht wie ein Kinderzimmer oder eines dieser rosarotkitschigen Teeniezimmer, wie Frieda sie von Freundinnen kannte. Ganz zu schweigen von ihrer ungemütlichen Abstellkammer zu Hause. Daran wollte Frieda gar nicht denken. Hier gab es kein Plastik, keinen Krimskrams, absolut nichts was da nicht hingehörte - genauso wie Frieda es liebte. Es war das Zimmer, in das sie sich täglich mehrmals zurücksehnte, sobald sie sich unglücklicherweise nicht mehr dort aufhielt. Und das war leider viel zu oft, wie Frieda fand. Dann stand da noch der kleine Schreibtisch mit den Minischubladen und dem Geheimfach. Der einzige Schreibtisch, an dem Frieda vernünftig Briefe schreiben konnte. Außerdem baumelte noch die bunte Glaslampe, die scheinbar uralt war, von der Decke.

»Die ist echter Jugendstil Frieda-Kind«, pflegte Onkel Fred zu sagen. »Ein Schmuckstück, das seinen Preis hatte. Die hing schon bei Kandinsky 1901 in seinem Atelier. Doch ich zahlte ihm den Preis gerne. Dann konnte sich der arme Schlucker wenigstens wieder Leinwände und Farbe kaufen«.

1901. Das war sehr lang her, fand Frieda immer, wenn Onkel Fred wieder damit anfing. Doch bisher hatte sie noch nicht darüber nachgedacht, wie alt Onkel Fred damals gewesen sein musste. Hatte er etwa als Kind schon Möbel gesammelt? Wie auch immer. Die Lampe leuchtete ganz wunderbar und warf bunte Farbflecken auf Wände und Boden und einfach überallhin. Das Schmuckstück hing genau über der Truhe! Ja genau, DER neuen, alten Truhe, von der Rosalind gesprochen hatte. Sie stand nun direkt neben ihrem Bett.

Wie hypnotisiert stand Frieda eine kleine Ewigkeit vor dem neuen Möbelstück und konnte ihren Blick nicht davon abwenden. Da war es wieder. Dieses Zwischenwelten-Gefühl. Dieses Déjà-vu-Gefühl. Das bekannte Gefühl, wie benommen zu sein. Kam das von den geschnitzten Schnörkelelementen auf der Truhe oder doch nur von Onkel Freds abenteuerlicher Jeep-Fahrt? Woher kannte sie dieses Möbelstück? Es war ihr so vertraut wie … eine alte Freundin. Besser konnte sie es nicht beschreiben. Wahrscheinlich lag es doch nur an dem frischen Klarlack, den Onkel Fred erst am Tag zuvor aufgetragen hatte und dessen Geruch ihr fast schon beißend in die Nase stach.

»Frieda-Kind kommst du? Unsere Gäste sind schon da. Sandro und seine Familie wollen dich endlich kennenlernen«, schallte es aus dem Garten.

Ihre Großtante! Das war typisch. Dabei wusste sie doch, wie sehr Frieda Menschenansammlungen hasste. Naja, hassen war vielleicht übertrieben. Sagen wir mal so: Sie versuchte sie zu vermeiden. Das war so ungefähr der größte Unterschied zwischen Frieda und ihrer Großtante. Rosalind liebte es, sich mit Menschen zu umgeben, sich regelrecht zwischen ihnen zu tummeln. Sie zog die Menschen ja auch förmlich an. Wie ein Magnet. Ein Menschenmagnet. Alle wollten Rosalind kennenlernen, ihr nahe sein, am liebsten ihre beste Freundin werden. Das war auch leicht nachzuvollziehen: Rosalind liebte Menschen, interessierte sich wirklich für sie und hatte ein so großes Herz, dass sie sofort alle unterstützte. Und sei es nur mit einem Lächeln oder einer lustigen Geschichte. Frieda wurde das manchmal einfach zu viel. Nicht, dass sie die Menschen an sich nicht mochte. Aber sie wurden ihr einfach sehr schnell zu viel. Ein Glück, dass ihr Onkel Fred ganz genauso tickte. Er hatte nur eine bessere Ausrede als sie. Als Professor im Ruhestand konnte er sich hinter seinen Büchern der Künste der Renaissance, in seiner kleinen Bibliothek, verstecken. Oder er machte sich einfach auf einen seiner künstlerischen Streifzüge durch die nahegelegenen Kirchen und Dörfer. Das störte niemanden und niemand sagte etwas dazu. Bei Frieda war das anders. Sie sollte sich jetzt zum Kaffeeklatsch begeben und am besten noch erzählen, wie es in der Schule ging oder ob sie schon einen Freund hatte. Mit dreizehn? Nun gut dreizehn-dreiviertel. Also bitte. Was hatten nur alle? Konnte man nicht einmal gepflegt in Ruhe gelassen werden und seine wohlverdienten Ferien beginnen?

Frieda schlich sich an den linken Fensterrand und warf, vorbei an einem der langen und unglaublich schweren Brokatvorhänge, einen Blick in den Garten. Von hier aus konnte sie mit Sicherheit niemand sehen. Sie erblickte zu ihrer Überraschung Onkel Fred, der sich, für seine Verhältnisse, überaus engagiert mit einem etwa gleichaltrigen Mann mit Baskenmütze und Brille unterhielt. Vor ihm stand einer seiner berühmten Stapel alter Bücherschinken. Sie mussten sich wohl über Kunst unterhalten, das stand außer Frage.

Eine ältere Dame mit Strohhut saß auf der anderen Seite der langen Kaffeetafel. Frieda konnte ihr Gesicht nicht sehen. Dafür die Teller voll bunter Kekse, die direkt vor ihrer Nase standen und über die sie sich schon hermachte. Vielleicht sollte Frieda doch nach unten gehen? Was, wenn diese fremde Frau all ihre geliebten Orangen-Biscotti vertilgen würde?

Gerade, als sie schon auf dem Sprung war, sich nach unten zu wagen, erblickte Frieda ihn. Den wahrscheinlich ungewöhnlichsten und unbekanntesten, gleichzeitig wunderbar wunderschönsten und aberwitzigerweise altbekanntesten Jungen, den sie je gesehen hatte. Und die Zeit stand still.

3.

Und von der Ferne sind wir hier,

da ewig schon suchen

unsere Herzen sich,

um aufzubrechen in ein fernes Land,

das in uns ist

samt Feenseen und Wunderelixier.

So lass uns losziehen

von hier,

um aufzulösen den alten Bann.

Wie genau Frieda nach unten in den Kaffeeklatschgarten gekommen war, wusste sie nicht mehr. Das war aber auch nicht so schlimm. Denn es gab Orangen-Biscotti und Erdbeersahne, Orangen-Minz-Limonade und Schokoladengelati. Wer musste sich da noch fragen, wie er in den Garten gekommen war? Wie durch ein Wunder fand sich Frieda auch noch direkt neben ihm sitzend. An ihrem Lieblingsplatz im Schatten. Und er mit dem wunderlich wunderbar schönen Gesicht saß direkt neben ihr und kam ihr so vertraut vor, als ob sie sich schon ewig kennen würden. Mindestens ein paar hundert Jahre. Er hieß Sandro, eigentlich Lysander, doch seine florentinischen Freunde nannten ihn Sandro. Er war so überaus nett, freundlich und liebenswert, dass es Frieda die Sprache verschlug. Das war auch gar nicht weiter schlimm, denn Sandro konnte ganz fabelhaft erzählen. Von seinem Leben in Florenz, von seinen Freunden, von seiner Liebe zur Kunst und zu den Gemälden eines gewissen Botti-irgendwas. Er plauderte von Farben, Formen und Symbolen, so blumig und detailliert, als ob er von einem gestern gesehenen Kinofilm berichten würde. Frieda befand sich in anderen Sphären. Immer wieder und so, als sei es das Normalste der Welt, murmelte er mit tiefem Blick in Friedas Augen: »Da ist sie ja, die kleine Elfe.«

Frieda fragte nicht nach. Sie wunderte sich nicht. Sie aß nur einfach Rosalinds süße Backwerke und lauschte diesem faszinierenden Jungen.

Ach ja, und so ganz nebenher erfuhr sie, dass Sandro mit seinen Großeltern über die nächsten Wochen hier in der Gegend bleiben würde. Sandro und seine Verwandten aus Florenz stammten nämlich von einer uralten (ein wenig altadeligen) florentinischen Familie ab. Was natürlich bedeutete, dass sie ein kleines Schlösschen hier in der Gegend hatten. Eins von zwei, drei Schlösschen. Vielleicht waren es auch vier oder fünf. Doch das erwähnte er nur ganz nebenbei bis fast gar nicht. Bevor sie in ihr Schlösschen fuhren, würden sie ein paar Wochen hier in Rosalinds Haus bleiben. Weil das Schlösschen gerade umgebaut wurde und weil Onkel Fred und Nonno Luigi viel zu bereden hatten. So war der Plan. Onkel Fred und Sandros Großvater Luigi hatten sich beim Kunststudium in Florenz vor Jahrzehnten kennengelernt und Rosalind und Sandros Großmutter Maria waren quasi beste Freundinnen. Nun gut, Maria war eine von Rosalinds besten Freundinnen. Doch wie war es möglich, dass Frieda diese lustigen, lieben und wunderbar wunderlichen Menschen und vor allem diesen Sandro erst jetzt kennenlernte? Wie nur in aller Welt war das passiert?

»Ich werde dir einen Ort zeigen.« Sandro riss Frieda mit unerwartet ernster Stimme aus ihren Gedanken. »Bald. Sehr bald. Morgen oder übermorgen. Wann immer es sich zeigt und die Zeit reif ist.«

Sandro schaute sie mit durchdringendem Blick an. Für einen kurzen Moment war es, als ob sich Sandros Gesicht veränderte: Vom Gesicht eines Jungen zu dem eines Mannes, vom Nomaden zum König, vom langbärtigen Yogi wieder zurück zu Sandros Gesicht. Fast, als würde seine Gestalt sich wandeln. Seine Meeresaugen blieben jedoch dieselben. Vom hellen Blau zum linden Grün und grauen Türkis zeigten sich alle Farbtöne darin. Es war, als würde Frieda sich im tiefen Meer seiner Elfenaugen verlieren. War er etwa ein...?

»Ein echter Botticelli?«, platzte Rosalind laut in die bisher so wunderbar ruhige nachmittägliche sommersonnenwendnahe Stimmung.

»Schhh«, zischte Onkel Fred außerordentlich temperamentvoll. »Nicht so laut, meine Liebe. Das weiß noch keiner außer Luigi und mir.«

»Ja und wer sollte es hier denn ausplaudern?«, fragte Rosalind lachend. »Die Zikaden?«

Luigi schaute sich vorsichtig um, bevor er abwechselnd Fred und Rosalind ernst anblickte, um dann ein »viele kleine Ohren sind hier. Für uns unsichtbar« zu flüstern.

Alle um Frieda herum wurden mit einem Mal erschütternd ernst und still. Es wurde Frieda ganz unheimlich und sie flüsterte Sandro mit fragendem Blick zu:

»Sandro, ich verstehe nur Bahnhof. Von welchen ›kleinen Ohren‹ spricht Luigi? Und wer oder was ist für uns unsichtbar? Was bedeutet das all…«

»Gedulde dich ein wenig«, erwiderte Sandro mit seinen Elfenaugen.

4.