Emmas wundersame Gedankengänge - C.H. Schreiber - E-Book

Emmas wundersame Gedankengänge E-Book

C.H. Schreiber

0,0

Beschreibung

Clara hat zum ersten Mal in ihrem Leben ein Problem. Eigentlich hatte sie noch nie eins, aber nun glaubt sie, ihre beste Freundin Emma für immer verloren zu haben. Seit ein neues Mädchen in ihre Klasse gekommen ist, hat Emma sich verändert. In ihrer Not durchforstet sie die kleine Büchersammlung von Onkel Theo. Sie stöbert jedes Buch auf, das das Wort PROBLEM im Titel trägt. Da stößt sie auf eines, das verspricht, Probleme im Schlaf zu lösen. So reist Clara in der folgenden Nacht mit Hilfe dieses Buches und gemeinsam mit Emmas Träumen geradewegs in den Kopf ihrer Freundin. Sie trifft dort auf eine Menge wundersamer Gestalten: Auf Emmas Gedanken, die hinter den vielen tausend Türen der endlos langen Gedankengänge wohnen und die Clara vieles über Emma erzählen können. Sie trifft auf Emmas Albträume und auf einen sehr hartnäckigen Ohrwurm. Clara erfährt, warum sich ihre Freundschaft so verändert hat und begreift, dass man Freunde manchmal loslassen muss, damit sie wiederkommen können.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 95

Veröffentlichungsjahr: 2022

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1 Kaulquappentag

Kapitel 2 Ein enormes Problem

Kapitel 3 Ein nächtliche

Kapitel 4 In Emmas Kopf

Kapitel 5 Verirrt

Kapitel 6 Bei einem Gedanken zum Tee

Kapitel 7 Achtung Ohrwurm

Kapitel 8 Auf dem Amt

Kapitel 9 Besuch bei der Hüterin

Kapitel 10 Eine Erkenntnis

Kapitel 11 Es eilt

Kapitel 12 Ein neuer Freund

www.schreiber-schreibt.de

Kapitel 1

Kaulquappentag

Eines Nachts verschwand Clara Schlunke ganz unerwartet aus ihrem Bett. Niemand bemerkte etwas davon. Nicht Claras Mutter, die unten im Wohnzimmer in ihren Zeitschriften blätterte und auch nicht ihr Vater, der wie jeden Abend vor dem Fernseher saß. Ja, nicht einmal Claras dicke Katze Elli, die oben auf den mondbeschienenen Dächern der Murmelgasse umherstreifte und normalerweise alles bemerkte, was im Haus vor sich ging.

In Claras bisherigem Leben hatte sich noch nie etwas Außergewöhnliches ereignet, weshalb hier davon auch nicht berichtet wird. Heute jedoch, an diesem ungewöhnlichen Donnerstag, bahnten sich Ereignisse an, die sie sicherlich nie wieder in ihrem gesamten Leben vergessen würde!

Aber beginnen wir von vorne. Beginnen wir am Morgen dieses äußerst merkwürdigen Tages.

Dafür, dass dieser Tag so besonders außergewöhnlich enden würde, fühlte sich sein Morgen für die ahnungslose Clara noch vollkommen normal an.

Sie saß am Frühstückstisch und versuchte ihre schlechte Laune mit einem Marmeladenbrot zu vertreiben.

Wie konnte man nicht schlecht gelaunt sein, wenn es heute eine Mathestunde gab? Nach dem Aufwachen hatte sie einen kurzen Moment lang gehofft, einfach einen Tag überschlafen zu haben, sodass jetzt quasi schon Freitag wäre und sie nur noch heute hätte zur Schule gehen müssen. Ihr schauderte bei dem Gedanken gleich Frau Stein, ihre Mathelehrerin, sehen zu müssen. Eigentlich ging sie gerne zur Schule. Aber Mathe war schrecklich. Nicht nur war dieses Fach für sich genommen schon gruselig genug, nein, auch die gesamte Frau Stein selbst war ihr von oben bis unten ein absoluter Graus. Und manchmal glaubte sie, dass es Frau Stein mit ihr umgekehrt genauso ging.

Aber noch etwas anderes, viel Wichtigeres war der Grund dafür, warum Clara heute und auch viele Tage und Wochen zuvor schon nicht mehr gerne zur Schule ging.

Gegenüber im Haus Nummer 6 der Murmelgassse, wohnte ihre Freundin Emma.

Emma war neben Mama und Papa der wichtigste Mensch in Claras Leben. Sie war ihre allerallerbeste Freundin. Mama frage sich manchmal allerdings, ob Emma vielleicht nicht einfach nur ihre Freundin war und nicht ihre allerallerbeste Freundin.

Zugegeben, eine allerallerbeste Freundin würde regelmäßig anklingeln und fragen, ob Clara raus zum Spielen käme. Das tat Emma nie. Sie war auch nicht die Art von allerallerbester Freundin, die zum Spielen zu Clara nach Hause kam, wie Mama öfter bemerkte. Und da hatte sie tatsächlich nicht ganz unrecht. Aber nun ja, so war Emma nun mal. Und Clara ging sowieso viel lieber zu Emma, weil diese so viele Tiere hatte: einen Hund namens Purzel, die beiden Kaninchen Flocke und Flo, eine Katze mit dem Namen Mutzi und eine ganze Mäusefamilie.

Manchmal war Emma zickig zu Clara. Aber gut, da konnte Clara drüber hinwegsehen. Schließlich war sie „eine etwas andere Art Mensch“, wie Mama es manchmal nannte – eher still und manchmal auch ernst, und deswegen nahm Clara ihr das auch nicht übel. Außerdem kannte Clara sie schon ihr ganzes Leben lang – naja, also mindestens seit dem Kindergarten und es hatte schon viele schöne Tage mit Emma gegeben, an denen sie gelacht und aufregende Dinge erlebt hatten.

Bis vor Kurzem waren Clara und Emma auch noch jeden Tag gemeinsam in die Schule gegangen und Emma war für Clara wie eine Schwester gewesen, bis ...ja, bis vor ein paar Monaten ein neues Mädchen in die Murmelgasse gezogen war und mit ihr schlich sich das Unheil in Claras Leben – jeden Tag ein kleines bisschen mehr.

Das Mädchen hieß Katharina. Emma hatte Katharina vom Fleck weg toll gefunden. Clara dagegen hatte von Anfang an eher ein ungutes Gefühl bei ihr gehabt, so wie auch bei Frau Stein. Sie war laut und angeberisch und irgendwie war sie nur zu Emma nett. Mit Katharina wurde alles anders zwischen Clara und Emma.

Zunächst war Emmas Veränderung nur unmerklich gewesen, sie wurde zickiger zu Clara und sie interessierte sich nicht mehr viel für sie. Clara aber versuchte darüber hinweg zu sehen. Das würde sich sicherlich wieder einrenken, dachte sie.

Gestern aber, an diesem schrecklichen Mittwoch, den Clara nie wieder in ihrem gesamten Leben vergessen würde, war das Unfassbare geschehen: Emma hatte Geburtstag gefeiert und Clara nicht eingeladen! Clara war so sauer und traurig gewesen, dass sie sterben wollte. Sie hatte den ganzen Tag über schluchzend in ihrem Zimmer gesessen, manchmal wütend in ihr Kissen geboxt und sich geschworen, nie, nie, nie wieder heraus zu kommen. Sie schwor sich auch, dass wenn sie doch, (sehr unwahrscheinlicherweise), noch einmal in die Schule gehen würde, sie dort nie und niemals weinen würde, komme was wolle! Nein, anschreien würde sie Emma am liebsten! Aber Clara hatte Angst, dass sie anfangen würde zu weinen, wenn sie Ema anschrie. Und das wollte sie auf gar keinen Fall riskieren. Viele Mädchen weinten schon mal ab und zu in der Schule. Sogar Jungs! Aber Clara hatte noch nie geweint, und dann würde sie damit jetzt auch ganz bestimmt nicht anfangen. Und Katharina sollte erst recht niemals sehen, wie traurig sie war!

Tja, alles war anders geworden, das musste sie langsam einsehen, und auch, dass Mama ihr bei dieser Sache nicht helfen konnte. Clara hatte immer geglaubt, dass Erwachsene eine Antwort auf alles hatten, aber sie merkte immer öfter, dass das gar nicht der Fall war. Mama hatte nur gesagt, dass so etwas im Leben passieren konnte, dass Freundinnen sich auseinanderleben und dass, wenn Emma so blöd zu ihr sei, Clara doch auf sie pfeifen und sich eine andere Freundin suchen sollte. Aber wie konnte sie das? Emma war doch ihre allerallerbeste Freundin, und wenn man es genau betrachtete, war sie auch ihre einzige Freundin. Clara wünschte sich in solchen Momenten heimlich, dass Katharinas Haus abbrennen würde und sie in einen ganz anderen Teil der Stadt ziehen müsste. Oder dass Katharinas Vater eine Anstellung im Ausland bekommen würde. In Tagträumen malte sie sich aus, wie sie Katharina half, ihre Sachen in den Umzugswagen zu tragen. Manchmal hoffte sie, dass sich Emma und Katharina stritten und Emma eines Tages vor ihrer Tür stehen und sich entschuldigen würde. Doch nichts von alledem geschah.

Als Clara fertig gefrühstückt hatte, ging sie heute also sehr alleine und sehr missmutig zur Schule. Sie nahm Fridolin mit, den kleinen Bären, der ihr schon solange gehörte, wie sie selbst auf der Welt war. Kein Wunder, dass der schon ziemlich ramponiert aussah. Er hatte ihr schon an so manchen schweren Tagen Trost gespendet. Sie konnte ihn ganz gut in ihrem Schulranzen verstecken. Von dort aus glaubte sie zu sehen, dass er ihr ab und zu zublinzelte, und selbst wenn das wahrscheinlich nur Einbildung war, so fand sie es tröstlich, wenigstens ihn an ihrer Seite zu haben.

Auf dem Weg zur Schule sah sie Emma und Katharina schon von Weitem vor sich herlaufen. Die beiden gingen jetzt immer zusammen zur Schule. Emma und Katharina liefen sehr langsam und unterhielten sich. Clara nahm sich vor, sie zu überholen und ganz normal „Hallo“ zu sagen. So als wenn Garnichts wäre. Als sie an ihnen vorbeilief, kicherten die beiden jedoch nur und es kam keine Antwort auf ihren Gruß. In der Schule stellte Clara fest, dass Emma nicht mal mehr im Kunstraum neben ihr sitzen wollte. Einfach so, ohne ihr etwas davon zu sagen, war sie zur Lehrerin gegangen und hatte das klar gemacht. Sie saß jetzt also auch in Kunst neben Katharina. Emma schaute während des Unterrichts allerdings einige Male zu Clara herüber, aber diese wagte es nicht, Emmas Blick zu erwidern. Tapfer unterdrückte sie ihre Tränen und ein Schluchzen, das unbedingt herauswollte. Das gelang ihr auch ganz gut, bis ihr drei dicke Tränen die Wange herunterrollten und auf ihr Frühlingsbild tropften, wo sie ein paar Gänseblümchen verschwimmen ließen. Die Wut von gestern war leider verflogen. Eigentlich wollte sie Emma doch anschreien, aber jetzt war da nur noch Traurigkeit und der große Wunsch, mit Emma zu reden.

Am Ende der Stunde konnte Clara einen Moment abpassen, in dem sie mit Emma alleine reden konnte. Emma war ohne Katharina eigentlich immer ganz nett zu ihr. Mama hatte gesagt, dass es Katharinas schlechter Charakter sein musste, der auf Emma abfärbte. Clara glaubte, dass das stimmte, wobei sie nicht wirklich wusste, was genau ein schlechter Charakter eigentlich war.

Als Emma ihre Malsachen einräumte, fasste Clara sich ein Herz. Sie ging zu Emmas Tisch und es schossen ihr tausend Sätze durch den Kopf, die sie Emma am liebsten gesagt hätte. Aber sie brachte sie nicht heraus. Stattdessen fragte sie mit leiser Stimme: „Sollen wir heute zusammen nach Hause laufen?“.

Emma zögerte. Sie sah nervös aus und sortierte ihre Pinsel aus Versehen ins Federmäppchen und ihre Buntstifte in den Farbkasten. Sie sagte zunächst nichts und tat so, als würde sie sich nur auf das Aufräumen konzentrieren. Dabei sah sie aus, als wenn sie angestrengt nachdachte.

„Joa“, sagte sie dann endlich. Ganz überzeugt klang das nicht, aber es war schon mal kein „Nein“! In Clara keimte wieder ein wenig Hoffnung auf.

Als Frau Stein Clara allerdings in der darauffolgenden Mathestunde an die Tafel rief und sie es mal wieder nicht fertigbrachte, die einfachsten Aufgaben zu rechnen, fand dieser nervenaufreibende Schultag seinen traurigen Höhepunkt. Frau Stein sagte, dass das ja wohl nicht wahr sein konnte und dass das sicherlich daran liegen würde, dass Clara ständig nur kleine Elfen in ihr Heft malte, anstatt zuzuhören. Aus Katharina platze daraufhin ein so gehässiges Kichern heraus, dass sogar Frau Stein sie ermahnen musste. Und das Schlimmste war: Emma lachte mit! Nein, was war das bitteschön für ein Tag. Clara schluckte einen dicken Kloß in ihrem Hals herunter. Sie hätte ihr Vorhaben eigentlich in die Tat umsetzen sollen, nie, nie, nie wieder aus ihrem Zimmer heraus zu kommen!

Als Clara sich dann nach Schulschluss auf den Heimweg machte, erlebte sie allerdings eine Überraschung: Emma hatte tatsächlich am Schultor auf Clara gewartet. Katharina stand mit motzigem Gesicht neben ihr.

Zunächst liefen sie stumm nebeneinander her, überquerten die Straße und bogen in die Eichenallee ein.

Clara überlegte fieberhaft, wie sie ein Gespräch beginnen konnte. Etwas, das Emma aus der Reserve lockte, musste jetzt her. Und etwas, das Emma an die schöne Zeit mit ihr erinnern könnte.

„Oh!,“, rief Clara plötzlich aus und machte einen freudigen Hüpfer. Ist denn nicht eigentlich schon Kaulquappenzeit?“

Letztes Jahr im Frühling hatten Clara und Emma nämlich Froschlaich vom Teich geholt. Das waren Froscheier. Glibberige, weiche Kugeln, die aussahen wie aus Glas und in deren Mitte sich jeweils ein schwarzen Punkt befand. Diese Punkte wurden mit der Zeit immer größer und irgendwann schlüpfte aus jedem Froschei eine winzig kleine schwarze Kaulquappe. Sie sahen aus wie kleine Kugeln mit einem Schwanz daran. Wenn sie herumschwammen, fand Clara sie sehr putzig. Aus den Kaulquappen wuchsen mit der Zeit kleine Froschbabys. Irgendwann bekamen sie nämlich Ärmchen und Beinchen, ihnen wuchs ein Kopf und wenn ihnen das Schwänzchen abfiel, sahen sie aus wie winzig kleine Frösche. Letztes Jahr hatten Clara und Emma Froschlaich in kleinen Einmachgläsern zusammen mit einer Menge Teichwasser aus dem Wald mitgebracht. Wenn sie dann irgendwann zu kleinen Fröschen heranwuchsen, musste Clara sie zurück in den Wald bringen. Da war Mama sehr streng. Denn Frösche müssen dahin zurück, wo