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Eine Journalistin recherchiert undercover, doch die Story nimmt einen tödlichen Ausgang. Die Carlshavener Mordkommission steht vor einem Rätsel. Zu welchem Thema hatte Monique van Leeuwen zuletzt Nachforschungen angestellt und was hatte sie Brisantes herausgefunden? Ein neuer, spannender Fall für Kommissar Handerson und sein Team. Der Einsatz für die Menschenrechte ist nicht umsonst - er kostet Geld. Mit dem Kauf dieses Buches unterstützen Sie die Arbeit von Amnesty International, da fünfzig Prozent des Autorenhonorars der Organisation zugutekommen.
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Seitenzahl: 107
Veröffentlichungsjahr: 2017
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Adrienne Träger
Endstation Containerhafen
Ein Menschenrechtskrimi
©2017Adrienne Träger
Umschlaggestaltung: Adrienne Träger
Coverfoto: ©2017 Michael Seidlitz
Verlag:
Amnesty International, Asylgruppe Aachen Adrienne Träger Adalbertsteinweg 123a/b 52070 Aachen
www.amnesty-aachen-asylgruppe.de
http://facebook.com/amnesty.asylgruppe.aachen
Druck: epubli – ein Service der neopubli GmbH, Berlin
Printed in Germany
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Autors/der Autoren bzw. Herausgeber unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Aufführung oder sonstige öffentliche Zugänglichmachung.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Sie hockte auf einem der Container und beobachtete das heimliche Treiben im Hafen aus sicherer Entfernung. Monatelang hatte sie recherchiert und nun sah sie das Ergebnis ihrer Nachforschungen mit eigenen Augen. Das sollte die große Story werden, die ihre Karriere nach vorne katapultieren würde. Voller Vorfreude rieb sie sich die Hände.
Plötzlich hörte sie hinter sich ein Knacken. Überrascht drehte sie sich um und sah gerade noch das kleine, gelbe Licht aus dem Pistolenlauf hervorschießen, bevor eine ewig währende Nacht sie in ihre Arme schloss.
Es klopfte und die hagere Gestalt eines glatzköpfigen Mannes mittleren Alters erschien im Türrahmen.
„Hat der Herr Kommissar kurz Zeit für mich?“
Björn Handerson seufzte innerlich. Er mochte Hans Schreiber nicht besonders, was allerdings weniger an Schreibers leicht verschrobener Persönlichkeit lag, als eher an dessen Berufsstand. Journalisten waren Handerson zutiefst zuwider. Und dass er in die Verlegenheit geraten war, diesen speziellen Journalisten in der jüngsten Vergangenheit gleich zwei Mal bei Mordermittlungen um Hilfe bitten zu müssen, machte die Situation für ihn nicht besser. Aber anscheinend wurde er den Geist, den er vor gut eineinhalb Jahren gerufen hatte, nun so schnell nicht mehr los.
„Na, kommen Sie schon rein. Was gibt’s?“
Schreiber bewegte sich langsam auf den Besucherstuhl zu, der vor Handersons Schreibtisch stand und ließ sich bedächtig darauf sinken.
„Ganz alleine heute?“, fragte der Journalist, ohne auf die ihm gestellte Frage zu antworten.
„Frau Carenin ist auf Fortbildung und Herr Müller trainiert seinen Hund. Der hat demnächst seine Prüfung. Also, der Hund, nicht der Kollege. Oder beide zusammen, das weiß ich nicht genau. Was kann ich für Sie tun, Herr Schreiber?“
Schreiber seufzte. „Ich vermisse Monique. Das ist sie.“ Er zog ein Foto aus seiner Brieftasche, das ihn in etwas jüngeren Jahren zeigte, wie er den Arm um eine attraktive, rotblonde Frau Ende Dreißig legte.
„Und wieso kommen Sie damit zu mir? Das hier ist die Mordkommission. Für Liebeskummer sind wir nicht zuständig.“
„Das weiß ich, und darum geht es nicht. Ich glaube, ihr ist etwas zugestoßen.“
„Ok, ok, fangen wir noch mal von vorne an. Wer ist diese Monique und wieso glauben Sie, dass ihr etwas zugestoßen sein könnte?“
„Monique van Leeuwen ist eine Kollegin von mir. Sie hatte für den sechsten März ein Treffen mit mir vereinbart, zu dem sie aber nie erschienen ist.“
„Na ja, so etwas soll vorkommen — ist mir auch schon öfter passiert, dass mich eine Frau versetzt hat.“
„Nein, nicht so ein Treffen. Wie gesagt, es geht nicht um Liebesdinge. Monique ist Journalistin und war an irgendeiner Sache dran. Es sollte eine ganz große Story werden. Mehr wollte sie dazu aber am Telefon nicht sagen. Sie hatte mich für vorletzten Sonntag am frühen Abend zu sich nach Hause eingeladen, um mir ihre Rechercheergebnisse zu präsentieren, aber sie hat nicht geöffnet. Ich habe mehrere Stunden gewartet. Auch an den Tagen danach habe ich mehrfach versucht, sie zu erreichen, aber sie war nicht da.
„Vielleicht hat sie es sich einfach anders überlegt und ist in Urlaub gefahren.“
Schreiber schüttelte den Kopf.
„Haben Sie eine Ahnung, was so ein freischaffender Journalist verdient? Reichlich wenig, glauben Sie mir, und bei dem, was man in Amberland als kleiner Freiberufler an Steuern zahlt, kann man sich Urlaub nicht leisten. Ich bin froh, dass ich vor fünf Jahren das Glück hatte, beim Kurier angestellt zu werden. Ne, also im Urlaub ist die bestimmt nicht. Und es sieht ihr auch gar nicht ähnlich, sich mit jemandem zu verabreden und dann nicht aufzutauchen. Monique ist der verlässlichste Mensch, den ich jemals getroffen habe. Nein, da muss irgendetwas passiert sein. Ich habe schon die Krankenhäuser abtelefoniert, aber da ist in der letzten Woche keine Frau eingeliefert worden, auf die Moniques Beschreibung passt.“
„Sie sagten, dass Ihre Kollegin an irgendeiner Story dran gewesen sei. Kann das etwas mit ihrem Verschwinden zu tun haben?“
„Vielleicht, aber ich habe, wie gesagt, keine Ahnung, worum es bei dieser Sache ging, da Monique sehr geheimnisvoll getan hat und sich über das Telefon nicht äußern wollte.“
Handerson sah ihn an. Er schien ernsthaft um seine Kollegin besorgt zu sein. Dass Hans Schreiber sich um irgendwen Sorgen machte, war für Handerson eine neue Seite an dem Journalisten, der sich sonst allerhöchstens darum sorgte, wo er den nächsten Exklusivbericht für den Carlshavener Kurier herbekam, um sich seinen Lebenslauf zu verschönern. Er krempelte die Ärmel hoch, rückte die Tastatur näher zu sich heran und sagte: „Gut, dann lassen Sie uns einmal eine Vermisstenanzeige aufnehmen. Dafür bin ich zwar nicht wirklich zuständig, aber machen kann ich das auch. Wie sagten Sie, war noch gleich der Name? Monique van Leeuwen?“
Das ehemalige belgische Militärgelände in Kaiserbad, einem Vorort von Carlshaven, war recht verwahrlost und gab daher ein ideales Trainingsgebiet für die Suchhunde der Carlshavener Polizei und der verschiedenen Rettungshundestaffeln der Region ab. Die Belgier hatten das Camp Marie Louise im Jahr 2000 aufgelöst und das Gelände an Amberland zurückgegeben. Zwar gab es immer wieder Vorschläge und Ideen, was auf dem Landstrich entstehen könnte, einig werden konnten sich die zuständigen Stellen allerdings nicht. So verfielen die ehemaligen Kasernengebäude von Jahr zu Jahr immer mehr. Offiziell war der Zutritt nur mit einer Sondergenehmigung erlaubt, aber gelegentlich zwängten sich auch mal abenteuerliebende Jugendliche durch den kaputten Zaun oder Gassigeher, die zu faul waren, Fiffi in den Stadtwald auszuführen.
An diesem Tag nutzten Sergeant Peter Müller mit seinem Hund Hektor und Polizeihundetrainer Pjotr Ivanovitsch das Gelände. Hektor hatte seine Grundausbildung als Schutzhund vor einiger Zeit schon erfolgreich absolviert und die entsprechenden Prüfungen mit Bravour bestanden. Weil sein Herrchen bei der Mordkommission arbeitete, erhielt er aber auch eine Spezialausbildung als Leichenspürhund. Üblicherweise führten Polizisten in Peters Position keine Diensthunde, aber es war schon immer sein Traum gewesen, einen Suchhund zu halten, weshalb er eine kleine Ewigkeit auf die Revierleiterin, Britta Hansen, eingeredet hatte, bis diese ihm das Tier schließlich bewilligte. Nun stand die erste Prüfung für Hektor bevor und Peter trainierte hart mit Pjotr, damit sein Hund die Einsatzfähigkeit erlangte. Wirklich zufrieden mit seinem vierbeinigen Partner war Peter in letzter Zeit allerdings nicht. Er hatte das Gefühl, Hektor sei nicht richtig motiviert und würde eher seinen eigenen Interessen nachgehen, statt konzentriert zu suchen.
Gerade angekommen, hatten sie prompt einen verirrten Gassigeher aufgegriffen und diesen schleunigst zum Haupttor hinaus komplimentiert, allerdings nicht, ohne seine Personalien aufzunehmen und ihm eine Anzeige wegen Hausfriedensbruchs anzudrohen. Das Gelände gehörte schließlich offiziell dem Staat, war umzäunt und überall mit Schildern verziert, auf denen stand: „Zutritt für Unbefugte verboten“. Nun waren sie alleine und konnten ungestört trainieren.
Pjotr hatte am Vortag einige Geruchsartikel mit dem Geruch von Leichen in verschiedenen Verwesungsstadien ausgelegt. Nun wandte er sich an Peter: „Dein Suchgebiet ist die Fläche dort rechts.“
„Die Gebäude da auch?“
„Blöde Frage. Natürlich. Du kannst schließlich nie wissen, wo so ein Verbrecher eine Leiche verschwinden lässt.“
Peter holte Hektor aus dem Wagen, führte ihn zu der von Pjotr angewiesenen Stelle, zog ihm die Kenndecke an, leinte ihn ab und gab ihm das Suchkommando. Hektor machte einige Schritte nach vorne, blieb stehen, reckte die Schnauze in die Höhe — und lief nach links.
„Hattest du nicht gesagt, dass wir rechts suchen sollen?“
„Doch.“
Peter fluchte, während er seinen Hund beobachtete, der weiter nach links lief, einige Kreise zog und sich dann fiepend neben einer Eisenplatte im Gras niederließ.
„Dämlicher Köter! Kannst du nicht ein einziges Mal vernünftig arbeiten? So bestehst du die Prüfung nie! — Äh, Pjotr, was machst du da?“
Während Peter sich in Flüche und Schimpftiraden hatte ergehen lassen, weil er fand, sein Hund versuche ihn zu ärgern, war Pjotr zu Hektor und der Eisenplatte hinüber gegangen. Nun lag er auf dem Bauch im Gras und schnüffelte an der Platte herum.
„Komm mal her. Riechst du das auch?“
Peter ging zu den beiden und tat es Pjotr gleich. An den Rändern der Platte nahm er einen leicht süßlichen Geruch wahr.
„Weißt du, wozu die Platte hier liegt?“, fragte er Pjotr.
„Hier gibt das überall größere Löcher und ehemalige Schächte. Ich glaube, die hat jemand zur Abdeckung hier hingelegt, damit keiner in so ein Loch reinfällt und das Land anschließend auf Schadensersatz verklagt.“
Er zog zwei Paar Gummihandschuhe aus der Hosentasche und gab eins davon Peter.
„Hier, hilf mir mal“.
Sie zogen die Handschuhe an und rückten die Platte beiseite. Darunter befand sich tatsächlich ein kleiner Schacht, aus dem sie eine rotblonde Frau überrascht anschaute. Allerdings stimmte an dem Gesamtbild etwas nicht, denn auf ihrer Stirn prangte ein kleines, schwarzes Loch, das wie ein drittes Auge wirkte, aus dem sie blutige Tränen geweint hatte.
Pjotr sah Peter an. „Was sagen unsere englischsprachigen Kollegen immer? Trust your dog.“
~
Eine Stunde später herrschte reger Betrieb auf dem alten Militärgelände, da die beiden ihre Kollegen umgehend verständigt hatten. Handerson war gerade angekommen und ging auf Peter zu.
„Was haben wir?“
„Eine Frau mittleren Alters mit einem schönen runden Loch in der Stirn. Du findest sie da drüben“, gab Peter zur Antwort.
„Dann wollen wir mal sehen.“
Handerson ging in die Richtung, die Peter ihm gezeigt hatte. Der kleine, untersetzte Gerichtsmediziner, Morton Weidmann, saß über ein Loch gebeugt. Handerson ging zu ihm und schaute ihm über die Schulter.
„Die kommt mir irgendwie bekannt vor.“
„Wirklich?“ Weidmann sah ihn erstaunt an. „Wir wollten sie gerade da rausholen. Vielleicht fällt dir ja dann auch ein, wie sie heißt.“ Er gab seinen Kollegen ein Zeichen, die sich sofort daran machten, die Frau aus dem Schacht zu bergen. Nach einer kleinen Weile hatten sie es geschafft und die Tote in einen Leichensack gelegt. Jemand wollte gerade den Reißverschluss zuziehen.
„Einen Moment noch“, sagte Handerson und ging zu dem Mann hinüber. Er kniete sich hin und betrachtete das Gesicht der Toten genauer. Ja, kein Zweifel, das war sie, wenngleich sie auf dem Foto, das er am Morgen gesehen hatte, noch einige Jahre jünger gewesen war.
„Und? Kennst du sie?“, fragte der Gerichtsmediziner.
„Ja, das muss Monique van Leeuwen sein. Warte mal.“ Er durchsuchte die Jackentasche der toten Frau und fand das Portemonnaie. Er öffnete es und holte ihren Ausweis heraus. „Ja, das ist sie. Hier, siehst du?“ Er hielt Weidmann den Ausweis hin.
„Stimmt. Woher kanntest du sie?“
„Ich kannte sie gar nicht. Hans Schreiber war vorhin bei mir im Büro und hat sie als vermisst gemeldet. Er hatte befürchtet, dass ihr etwas zugestoßen sei.“
„Zu Recht wie wir sehen.“
„Kannst du schon irgendetwas sagen? Außer dass sie erschossen wurde, meine ich? Das sehe ich selbst.“
„Der Fundort scheint nicht der Tatort zu sein. An den Wänden des Schachtes ist kein Blut zu sehen. Und um den Schacht herum auch nicht. Aber sie scheint schon ein paar Tage da drin gewesen zu sein. Wenn hier draußen Blut war, kann es der starke Regen der letzten Tage auch weggewaschen haben. Aber da werden sich die Kollegen von der Technik später noch genauer mit beschäftigen. Kann ich jetzt fahren?“
„Ja, fahr ruhig.“
„Sagst du Schreiber Bescheid, damit er die Frau noch offiziell identifiziert?“
„Ja, mache ich.“
Am späten Nachmittag betraten Handerson und Schreiber die große, weiße Villa aus dem 19. Jahrhundert, in dem die Gerichtsmedizin untergebracht war. Das klassizistische Gebäude lag in einer parkähnlichen Grünanlage und Handerson wunderte sich jedes Mal über den krassen Gegensatz zwischen dem blühenden Leben im Park und dem prunkvollen Bau einerseits und dem Grauen, das das Gebäude in seinen tiefsten Tiefen beherbergte, andererseits. Sie begaben sich direkt zu Weidmanns Büro. Handerson klopfte.