Er kam - Larissa Reiter - E-Book

Er kam E-Book

Larissa Reiter

4,8

Beschreibung

ER=GOTT Alice (18) hat schon mehr als genug Probleme. Sie muss mit einem tragischem Schicksalsschlag fertig werden und ihr Abitur bestehen. Als ihr plötzlich verschiedene Persönlichkeiten begegnen, die alle behaupten Gott zu sein, gerät Alices Welt vollends aus den Fugen. Während ihre Schwester und ihre Freunde sie für geisteskrank halten, begreift Alice nach und nach, dass es wirklich einen Gott gibt. Doch Gott hat ein Problem, eine multiple Persönlichkeitsstörung verschleiert seinen Blick. Als Gott dann noch auf die Idee kommt, die Menschheit zu dezimieren und ein Spiel zu beginnen, nimmt die Geschichte eine tragische Wendung. Kann Alice Gott vom Gegenteil überzeugen? Teil Eins einer packenden Fantasytrilogie um Freundschaft, Größenwahn und Liebe.

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Seitenzahl: 561

Veröffentlichungsjahr: 2015

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Für all die Prüfungen, die wir schon zusammen gemeistert haben und all die Streitereien die wir hatten.

Ohne unsere Unterschiede wäre mein Leben um sovieles blasser.

Ihr seid mir so wertvoll, ich liebe euch.

Inhaltsverzeichnis

ER

Viele Persönlichkeiten

Spießrutenlauf

Die Party

Die Anstalt

Meine Mutter

Die Bombe

Die Entlassung

Alkoholiker

Tirol

Der Plan

Trennung

Die Pflegefamilie

Die Beerdigung

Jeder Gott...

Glauben...?

Das Ende oder der Anfang?

Ratlosigkeit

Die neue Welt

Kann man Gott töten?

1. ER

„Wer nicht hören will, muss fühlen.“

(deutsches Sprichwort)

Es war dunkel. Doch ausnahmsweise schien ich im Schlaf bei klarem Verstand zu sein. Ich war mir sicher, dass ich meine Augen geöffnet hatte, doch die Dunkelheit blieb und hüllte mich ganz langsam in Furcht und Panik. Meine Hände versuchten etwas zu greifen. Ich versuchte zu tasten, zu fühlen, zu riechen, doch ich schien nicht einen meiner Sinne mehr zu haben. Die Panik, die in mir aufstieg, erstickte mich beinahe. Ich schrie, doch ich konnte mich nicht hören, fühlte nur den Schrei, der in meinem Hals brannte. Ich war erleichtert, wenigstens diesen kratzigen Schmerz zu spüren. Das musste ein Traum sein. Aber warum fühlte ich mich dann so wach? Warum wollte alles in meinem Körper fliehen und Schutz suchen. Wovor hatte ich solche Angst? Vor dieser Dunkelheit? Kleine Kinder hatten Angst vor ihr, aber ich war doch schon achtzehn Jahre alt. Ich konnte im Dunkeln schlafen.

„Ah, … du stellst fest, dass du vollkommen machtlos bist?“, sagte eine tiefe, kalte, männliche Stimme.

Ich konnte nicht ausmachen, woher die Stimme kam. Wo war derjenige, der mit mir sprach? Über mir? Unter mir? Die Stimme schien ganz nah zu sein und trotzdem sehr weit weg. Muss ich ihr antworten? Wenn ich mich nicht höre, hört die Stimme mich dann? Vielleicht ist das gerade Einbildung?

Mir fiel nichts Besseres ein und ein ganz leises „Hallo?“ rutschte über meine Lippen.

Doch auch dieses hörte ich nicht. Aber die Stimme hatte auch den Schrei gehört. Sonst hätte sie bestimmt nicht angefangen mit mir zu sprechen. Meine Gedanken überschlugen sich.

„Eine Frage habe ich an dich. Dann darfst du bestimmen, was ich aus der Menschheit mache“, flüsterte jetzt eine helle Frauenstimme.

Ich muss träumen. Sind hier zwei Personen?

„Wer zum Teufel bist du?“

Stille. Diese Stille war genauso beklemmend wie die Dunkelheit. Ich konnte spüren, wie mein Herz in meiner Brust hämmerte. Auf der Suche nach irgendeinem Anhaltspunkt betastete ich meinen Körper. Er fühlte sich genauso dürr an wie immer. Ich spürte mein Schlaf-Shirt, versuchte mich zu beruhigen und stellte es mir vor. Ein weißes, viel zu großes T-Shirt mit der Aufschrift „Nicht herzlos sein“. Zwei Robben waren darauf abgebildet. Doch meine schweißnassen Hände und das Rauschen in meinen Ohren ließen sich nicht vertreiben, selbst mit den niedlichsten Seerobben der Welt nicht. Ich schloss die Augen und riss sie sofort wieder auf. Die Dunkelheit blieb. Sie war eiskalt. Ich träume. Es ist schwachsinnig Angst zu bekommen. Wenn man träumt, dann ist man vollkommen sicher, auch wenn man das Gefühl hat aus dem vierundachtzigsten Stock eines New Yorker Wolkenkratzers zu fallen. Ich war noch nie in New York. Auf diesen Gedanken konzentrierte ich mich. Doch so sehr ich mich auch anstrengte, ich konnte nicht aus dieser Dunkelheit und in einen schöneren Traum gelangen. Die Minuten verstrichen, bis mir endlich auffiel, dass die Stimmen ihre Frage noch nicht gestellt hatten und mir auch noch nicht verraten hatten, wer sie waren.

„Deine Frage? Willst du die heute noch stellen?“, fragte ich laut und deutlich.

Interessant, ich konnte mich wieder hören. Seltsamer Traum.

Inzwischen war ich genervt.

„Du musst noch viel lernen. Eins müssen wir von vorneherein klarstellen. Du bist mein Spielzeug! Dir steht es nicht zu, genervt zu sein!“, zischte die männliche Version der Stimme.

Sie lies mich erschaudern. Ich konnte mich nicht erinnern, jemals solche Angst gehabt zu haben. Doch es war ein Traum. Ein Albtraum zwar, aber sicher. Mir konnte nichts passieren.

Also überwand ich mich und zischte zurück: „Komm auf den Punkt!“

Ein Ruck durchfuhr mich und Schmerz, unglaublicher Schmerz. Ich konnte nicht denken. Mein Körper brannte, jede Nervenfaser in ihm stand in Flammen. Ich schrie und diesmal hörte ich mich. Die Stimme lachte, kalt und hämisch. Schmerz. Überall Schmerzen. Die Stimme oder die Stimmen schienen sich an meinen Qualen zu weiden. Doch das Blut pochte so laut in meinen Ohren, dass ich nichts mehr richtig hören konnte. Nach einer Ewigkeit verlangsamte sich mein Puls wieder und das Rauschen ließ nach. Die Marter brach ab und die Qualen verebbten, meine Sinne konnten sich wieder auf die Stimmen konzentrieren. Doch ich hörte nichts mehr. Ich lag einfach nur da auf einem harten Untergrund, der so gar keine Ähnlichkeit mit meinem Bett hatte. Ich war mir sicher, dass ich alle meine Sinne wieder hatte. In einem Traum stirbt man keine tausend Tode. Das konnte kein Traum sein.

„Eine Frage: Glaubst du an Gott?“, fragte die Frauenstimme zuckersüß „oder an Götter“, fügte die tiefe, männliche Version der Stimme hinzu.

Ich saß mit zwei Psychopathen in einer namenlosen Dunkelheit fest. Ich versuchte meinen Oberkörper aufzurichten, jetzt da ich wieder etwas spürte. Doch der Nachhall der Schmerzen hielt mich zurück und drückte mich beständig zu Boden.

„Antworte!“, schrie die schrille Stimme.

Verstört hörte ich mich „Nein“ japsen.

Ich hatte das Gefühl, nicht genug Luft zu bekommen.

„Einen schönen Tag in der Schule wünsche ich dir.“

Plötzlich war alles hell. Ich kniff die Augen zusammen, um mich an den Unterschied zu gewöhnen. Gierig saugte ich die Luft ein, sie roch nach Hund und nach Zigaretten. Zuhause, sofern ich es so nennen konnte. Ich war zurück, ich war wieder wach. Jedes Detail meines Traumes konnte ich mir in Erinnerung rufen, wirklich jedes, doch als ich mich recken und strecken wollte, musste ich feststellen, dass ich wirklich nicht geträumt hatte.

Mein Körper fühlte sich wie gerädert. Schon beim ersten Versuch, meine Arme nur zu heben, gab ich ein qualvolles Stöhnen von mir. Meine Haut spannte und brannte, als wollte sie reißen. Meine Arme waren voller Brandmale, die sich von den Handgelenken spiralförmig bis zu den Schultern hochzogen. Dass meine Unterarme wehtaten, daran war ich seit drei Tagen gewöhnt. Aber nicht so. Panisch suchte ich mit den Augen die Bettdecke ab, weil ich es nicht wagte mich zu bewegen. Doch es war kein Brandfleck zu sehen. Auch mein weißes Robben T-Shirt wies keine Anzeichen eines Feuers auf, aber ich konnte ganz deutlich sehen, dass die Brandmale unter den Shirt-Ärmeln weitergingen. Meine Haut war an den spiralförmigen Striemen aufgeplatzt. An einigen Stellen sah ich nur kleine Brandblasen, an anderen aber glänzte das Fleisch zum Teil tiefrot. Ich konnte gar nicht mehr unterscheiden, welche Wunden von dem Messer stammten und welche von den Verbrennungen. Mit solchen Verletzungen musste ich unbedingt wieder ins Krankenhaus. Ich versuchte aufzustehen, doch ich konnte die Schmerzen nicht aushalten, die die Verbrennungen mit sich zogen. Ich war erstaunt, wie ruhig ich blieb. Es tat weh, höllisch sogar, aber ich verspürte weniger Panik, als in dieser boshaften Dunkelheit.

„Papa“, rief ich laut.

Aber keiner kam, etwas anderes hatte ich auch nicht erwartet. Nicht, weil er mich nicht lieben und mir zur Seite stehen würde, wenn er den Ernst der Lage realisieren konnte, meistens fehlte ihm dafür einfach die nötige Klarheit. Außerdem musste er sich auch erst einmal wieder daran gewöhnen, ein Vater zu sein. Lange genug hatte er es von sich geschoben. Wimmernd versuchte ich mich zu bewegen und brach unter einer neuen Welle von Schmerzen zusammen. Ein Schrei musste mir entfahren sein, denn im nächsten Moment stürzte meine Schwester ins Zimmer.

„Alice, was ist los?“

Tränen strömten über mein Gesicht und ich streckte ihr unwillkürlich die schmerzenden Arme entgegen. Im nächsten Moment staunte ich, dass mir diese Bewegung gelungen war.

„Hast du wieder von Mama geträumt?“ Megan setzte sich neben mich und schlang ihre Arme um mich. Mir entfuhr der nächste Schrei. Megan ließ mich augenblicklich los und musterte mich eingehend. Sie schien die neuen Verletzungen überhaupt nicht zu sehen. Warum rief sie denn keinen Krankenwagen? Warum war sie denn nicht schockiert? Meine Augen waren mit Tränen gefüllt. Ich konnte nur schemenhaft Megans blonde, lange Haare sehen, die ihr über die Schulter fielen.

„So schnell werden wir sie nicht verstehen und glaub mir, du bist alt genug, ohne deine Mama zu leben. Sie ist diejenige, die alles kaputt gemacht hat, frag mich nicht, warum. Sie ist krank, du musst das nicht auf dich beziehen. Vielleicht können ihr die Ärzte ja helfen...“

Sah Megan überhaupt nicht, dass ich am ganzen Körper verbrannt war?

„Sieh“, blaffte ich sie an.

Megan sah auf meine Arme und fuhr mit den Fingern über meine rosaroten Verbrennungen am Handgelenk. Unter Ihnen konnte man nur schemenhaft die Messerschnitte erahnen.

„Ich weiß“, seufzte sie.

Rasch riss ich die Arme weg, bevor ich wieder aufschreien musste. „Alli, wir müssen jetzt nach vorne blicken. Ich kann es auch noch nicht glauben, was Mama gemacht hat. Aber wir müssen uns mit den Tatsachen abfinden. Die Wunden werden verheilen und sie werden zu Narben. Mama hat das niemals mit Absicht getan.“

„Megan! Ich bin am ganzen Körper verbrannt, sag Papa er soll mich ins Krankenhaus bringen!“

„Hast du Fieber? Da ist nichts, nur deine Schnitte. Warum sind die eigentlich nicht mehr verbunden?“, fragte sie mit einem Anflug von Ärger.

Empörung breitet sich in mir aus, wie konnte sie mir nicht glauben?

„Ich bin verbrannt heute Nacht“, schrie ich sie an.

„Hörst du dich eigentlich reden? Du laberst nur Mist und nun beweg dich endlich mal aus deinem Bett, du kannst nicht noch länger in der Schule fehlen. Alle haben ja Verständnis für dich, aber wir müssen funktionieren, Alli. Papa wird damit sonst auch nicht fertig.“

Mit diesen Worten ging Megan Richtung Tür und schaute mich noch einmal mit einer Mischung von Mitleid und Ärger an. Sie knallte die Tür zu.

„Die kann man auch leise zumachen!“, fauchte ich ihr hinterher.

Ich konnte das alles nicht begreifen. Immer wieder glitten meine Finger zaghaft über die verbrannten Stellen. Doch mit jeder Minute wurde der Schmerz erträglicher. Ich betrachtete nochmals die spiralförmigen Male. Wenn mich nicht alles täuschte, wurden die dunkelroten Stellen immer heller. Die schlimmsten Wunden sahen schon gar nicht mehr so tief aus. Vielleicht bildete ich mir das alles wirklich nur ein. Megans Worte ärgerten mich maßlos. Ich musste stark sein? Nach allem, was wir durchgemacht haben, muss ich stark sein für den Vater, der sich die letzten Jahre einen Scheißdreck um uns gekümmert hat? Der sich zugesoffen hat. Jedes Wochenende hier haben wir ihn kaum zu Gesicht bekommen. Vater . . . tzz . . . ein Vater war er schon lange nicht mehr für mich gewesen. Für den reiße ich mich garantiert nicht zusammen.

Zum Glück war ein Lichtschalter gleich neben meinem Bett. Ich schaltete ihn aus, sodass mein Zimmer in ein helles Dämmerlicht getaucht wurde. War ich gestern mit Licht eingeschlafen? Was hatten die Stimmen gesagt? Ich durfte bestimmen, was aus der Menschheit werden sollte? Ich rief mir noch einmal die Fragen in Erinnerung. Warum fragen mich Stimmen im Traum, ob ich an Gott glaube? Vielleicht hat ja Gott höchstpersönlich zu mir gesprochen, um mir mitzuteilen, dass ich die Arschkarte gezogen habe. Was für ein Schwachsinn. Ich schnaubte.

„Gott“, murmelte ich.

Die Schmerzen wurden immer besser. Ich wagte es, mich ganz langsam auf den Bauch zu drehen, was zwar gelang, doch mich überkam eine alles betäubende Erschöpfung. Das Brennen verblasste. Die Müdigkeit und Erschöpfung kroch in all meine Glieder. Meine Haut spannte und ziepte ein bisschen, aber das ließ sich verkraften. Mich umfing wieder Finsternis. Aber diesmal war es eine warme, erlösende Dunkelheit.

Etwas Feuchtes berührte mein Gesicht. Langsam nahm ich schlabbernde und grunzende Geräusche wahr.

„Ach, Kaja!“, stieß ich verärgert aus.

Das niedlichste Geschöpf der Welt saß vor mir. Abwesend glitten meine Finger durch Kajas kurzes hellbraunes Fell. Madame war zwar der Größe nach wirklich kein Schoßhund, trotzdem genoss ich es, wenn sie zu mir ins Bett kam und kuschelte. Allmählich kam die Erinnerung an mein schmerzhaftes Erlebnis von heute Nacht wieder und an das unangenehme Gespräch mit Megan. Aufgeschreckt begutachtete ich meine Arme. Sie schmerzten immer noch, aber ich konnte so gut wie nichts mehr an ihnen erkennen. Mich beschlich das Gefühl, dass ich verrückt würde.

„Wo warst du eigentlich heute Morgen?“, fragte ich an Kaja gewandt.

Sie antwortete mit einem Niesen. Vermutlich war sie im Keller bei Papa gewesen, denn der steckte dem Hund oft Leckerlies zu. Die sollte er mal lieber selber essen, bei seiner Figur. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass ich die ersten drei Schulstunden verschlafen hatte. So konnte man nun wirklich kein Abitur machen, das war mir durchaus klar, aber ich war noch nicht wieder bereit in die Schule zu gehen. Ich bewunderte Megan dafür, dass sie das konnte. Nach dem Vorfall waren wir ins Krankenhaus gebracht worden. Von dort hatte Papa uns abgeholt. Vor zwei Tagen dann hatten wir unsere ganzen Klamotten aus unserem Haus geholt, aus meinem Zuhause, das ich hier nicht mehr hatte. Papa hatte kaum ein Wort mit uns gesprochen. Ich konnte sein schlechtes Gewissen uns gegenüber kaum ertragen. Seit dem Vorfall wollte ich nur noch in Ruhe gelassen werden. Daran hielt sich aber leider niemand. Megan ließ mich kaum alleine, sodass ich sie am Montag ‚zwang‘ wieder zur Schule zu gehen – ich konnte es einfach nicht. Heute war Mittwoch. Ich verpasste viel Lernstoff, das wusste ich. Bald sollten die Vorabiturklausuren geschrieben werden. Ich ließ mich ins Bett zurückfallen. Das waren Gedanken, die mich im Moment überforderten.

Der Traum. Konnte es sein, dass ich alles nur geträumt habe und Megan auch zum Traum gehört hat? Aber wie kann ich mir dann die Schmerzen erklären? Auch jetzt noch spannte die Haut an meinen Armen und war empfindlich. Außerdem, warum sollte ich so etwas träumen? Es ist völlig zusammenhangslos. Ich mache mir nie Gedanken über Gott oder Götter. Ich kann mir einfach nicht erklären, warum mir die Stimmen so eine blöde Frage gestellt haben. Ich glaube nicht an sowas. Schwer vorstellbar, dass dort oben im Himmel ein graues, altes Männchen sitzt und sich das ganze Leid hier auf der Erde anschaut. Solche Themen und Fragen gehörten nicht zu meiner Welt, ich kannte noch nicht einmal die ganze Bibel.

Ich stand langsam und vorsichtig auf. Zuerst betrachtete ich eingehend meine Beine. Heute morgen, hatte ich nur die Arme gesehen. Da ich von den Schmerzen beinahe Ohnmächtig geworden war, war ich mir nicht sicher, ob noch andere Körperteile betroffen waren. Dies schien nicht der Fall zu sein. Also zog ich mir eine alte, etwas mitgenommene Jeans an und streckte mich. Selbst das stimmte mich traurig.

Ich hörte Mamas Stimme in meinem Ohr: „Alli, zieh doch mal was Vernünftiges an.“

Das Strecken tat ganz schön weh. Jetzt sah man zwar nichts mehr, aber meine Haut fühlte sich immer noch wund an. Kaja brachte mir meine Hausschuhe und ich schlurfte im Schneckentempo in die Küche hinunter, goss mir ein Glas Orangensaft ein und schmierte mir eine Scheibe Nutellabrot. Eigentlich sollte ich wieder ein wenig auf mein Gewicht achten, ich war wirklich zu dünn, also bereitete ich noch zwei weitere Stullen vor. Irgendwann hörte ich Schnaufen und Stampfen und Papa begab sich in die Küche. Er stampfte nicht, weil er dick gewesen wäre, sondern, weil er den Boden unter seinen Füßen nicht mehr gut spürte. Leider gehörte er zu der Sorte Mann, „bloß keinen Arzt. Heilt alles von selbst.“ – unwahrscheinlich bei einem Alkoholproblem.

„Na, was los Wutzel, gar nicht in der Schule?“

„Nee“, murmelte ich.

Ich betrachtete Papa. Ein wirklich beachtlich großer, hagerer Mann, fast siebzig, kaum noch Haare auf dem Kopf. Die Falten hielten sich noch in Grenzen. Er zündete sich eine Zigarette an und sofort stieg mir dieser widerliche Geruch in die Nase und mir wurde schlecht. Nicht einmal darauf hatte er in den letzten Tagen Rücksicht genommen. In diesem Haus stank einfach alles nach Rauch. Zwar war ich in diesem Haus groß geworden, aber dennoch war es nicht mein Zuhause. Seit der Scheidung hatte Papa sich immer mehr gehen lassen. Er trank und rauchte und kümmerte sich nicht um das Haus. Mama hatte hier, als wir klein waren, immer alles so schön dekoriert und der Garten war eine wahre Pracht gewesen. Sie fehlte mir schrecklich.

„Ich geh’ mit Kaja“, gab ich ihm als Information und verließ den Raum.

Als ich die Leine in die Hand nahm, lief Kaja schnell auf mich zu und wuselte mir um die Beine. Sie sprang freudig an mir hoch und plumpste immer wieder unbeholfen auf den Boden. Kaja hatte eine wirklich schlechte Koordination für einen Hund. Die Außentemperatur betrug höchstens sechs Grad, es war also noch ziemlich kalt, aber ein paar Sonnenstrahlen schafften doch den Weg auf mein Gesicht, während der Matsch unter meinen Schuhen schmatzte. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass es schon nach eins war. Anscheinend war ich bereits seit einer Stunde mit Kaja unterwegs. Gedankenlos durch die Gegend laufen, gehörte bei mir zur Tagesordnung, es war die einzige Möglichkeit für mich, den Kopf zu leeren. Ich zog mein Handy aus der Hosentasche und wählte Megans Nummer, sie würde jetzt Schulschluss haben.

„Hi Meg, kannst du mir sagen was heute Morgen passiert ist?“

„Hey Alice, warst du in der Schule?“

„Nein, ich bin wieder eingeschlafen.“

„Alice, es ist echt nicht meine Aufgabe dich zu bemuttern, aber da Papa ja anscheinend keinerlei Erziehungsmethoden hat, bleibt mir kaum was anderes übrig, als dir zu sagen, dass du zur Schule gehen musst. Du bist achtzehn! Benimm dich doch mal so! Ein Abi bekommt man nicht geschenkt.“

„Ich weiß, du machst dir Sorgen, aber mir ist heute Morgen wirklich was ganz komisches passiert. Wir haben doch heute Morgen geredet, oder? Ich war wach, oder?

Megan hörte sich mittlerweile wirklich besorgt an: „Du hast irgendetwas von Verbrannt-Sein gestammelt, du hast geschrien, als wenn du sonst was für Qualen erleiden musst. Du hattest aber gar nix! Nicht mal einen blauen Fleck.“

„Mhm …Wenn ich dir nun sage, dass meine Haut immer noch brennt und ich Schmerzen habe und heute Morgen aufgewacht bin und mein ganzer Körper aussah als wäre ich auf einem Scheiterhaufen gelandet, würdest du mir dann glauben?“

„Alice, wir reden heute Abend mal mit Papa, es ist, glaube ich, echt besser, wenn du dich in therapeutische Behandlung begibst. Du scheinst mit Mamas Verhalten nicht fertig zu werden.“ Und mit diesen Worten legte Megan auf.

Ich wusste, dass sich alles, was ich sagte, ziemlich wirr und seltsam anhörte, aber ich wurde das Gefühl einfach nicht los, dass ich letzte Nacht mit etwas Realem konfrontiert worden war, vielleicht doch einem Gott oder irgendetwas Übermächtigem, das aus einem Fantasybuch entsprungen war. Egal was es gewesen war. Es war gefährlich und nicht mehr ganz dicht. Oder ich bin nicht ganz dicht. Immerhin habe ich verschiedene, grausame Stimmen gehört. Ich schaute Kaja zu, wie sie über die Felder wetzte und einen überdimensionalen Stock aus dem Bach holte. Neben diesem Stock wirkte sie um die Hälfte kleiner. Für heute reichte es erst einmal mit dem Spazierengehen. Ich konnte den Rest des Tages nutzen, um irgendetwas Sinnvolles zu tun. Lernen zum Beispiel oder Hausaufgaben machen. Zumindest einmal fragen, was für Hausaufgaben wir aufbekommen hatten. Warum die Lehrer sich in der Oberstufe noch die Mühe gaben, noch etwas aufzugeben, war mir schleierhaft, die meisten machten ihre Hausaufgaben eh nie. Ich konnte mich davon nicht freisprechen. Die vielen Nachrichten auf meinem Handy waren wie eine Anklage.

Ich schaffte es kaum, mich bei jemanden zu melden. Seit ich klein war, hatte ich eine eingeschworene Clique. Und alle machten sich natürlich Sorgen. Jeder hatte die fette Schlagzeile in der Zeitung gesehen. Ich stieß meine Freunde mit meiner Eigenbrötlerei vor den Kopf, das war mir klar, aber ich wollte mich den Gesprächen noch nicht stellen. Die meisten Nachrichten waren von Toby, meinem allerbesten Freund. Mein Freund mit dem ich Schlammkuchen gebacken hatte und den ich im Kindergarten geheiratet hatte. Ihn musste ich anrufen. Seit dem Vorfall hatte ich nur einmal kurz mit ihm gesprochen und auch da hatte er mich angerufen – außerdem hatte ich ihn bald abgewimmelt und ihm quasi verboten, mich besuchen zukommen. Als ich Zuhause war und in meinem Zimmer saß, wählte ich mit zitternden Händen seine Nummer. Ich hatte Angst, dass ich der Situation, über all das sprechen zu müssen, noch nicht gewachsen war.

„Hey-ho, ich wollte nur mal fragen, ob wir was in Deutsch aufhaben“, schallte meine Stimme mit aller Fröhlichkeit durch das Telefon, die ich aufbringen konnte.

„Hey Alli, du lebst noch?“, tastete sich Toby vor.

Ich genoss es, eine meiner Lieblingsstimmen zu hören. Toby war wirklich meine bessere Hälfte, mein allerbester Freund und egal, wie schlecht es mir ging, er munterte mich immer wieder auf. Allerdings war die bessere Hälfte schon seit dem Sandkasten in mich verliebt – es gab Phasen, da war es erträglich und dann wieder war er unangenehm offen. Ich konnte ihn aber auch nicht missen. Toby würde fast alles für mich tun.

„Ja, ähm …“, stammelte ich.

Meine aufgesetzte Fröhlichkeit zerbröckelte.

„Alli, soll ich mal zu dir kommen?“

„Nein“, wehrte ich sofort ab.

„Ich weiß, dass du unangenehme Sachen lieber totschweigst, aber sperr mich nicht aus, Alli“, sagte Toby verständnisvoll.

„Tu ich nicht“, verteidigte ich mich.

„Dann komm zur Schule. Wir machen uns alle Sorgen um dich. Lass uns für dich da sein.“

„Ich will aber nicht, dass irgendwer für mich da ist“, blaffte ich ihn mit zitternder Stimme an.

„Alli, du musst so oder so wieder zur Schule. Du brauchst das Abi und die Lehrer fragen schon nach dir. Wie lange willst du dich verkriechen?“, fragte er nun etwas fordernder.

Ich verstand nicht, warum Toby das machte. Er wusste ganz genau, dass ich dicht machte, sobald man mich in die Enge trieb.

„Ach, ihr macht mir alle immer nur Vorwürfe. Megan auch schon die ganze Zeit. Ist schon schlimm genug, dass meine zwei Jahre jüngere Schwester wirklich alles besser wegsteckt als ich.“ In meinem Tonfall schwang eine gehörige Portion Wut mit.

„Alice, … wir vermissen dich. Die alte Alice, die immer lacht und auch immer brav in die Schule gekommen ist. Wir machen uns nur Sorgen, dass du dich zu doll verkriechst und da gar nicht mehr raus kommst. Komm doch bitte morgen in die Schule.“

„Ja, … morgen bin ich am Start, versprochen. Kannst du mir sagen, was wir in Mathe aufhaben? Ich werd‘s eh nicht können, aber dann kann ich vielleicht wenigstens Fragen stellen“, bat ich schon viel versöhnlicher.

„Seite dreiundsechzig Nummer zwei und sechs. Wir können uns aber auch morgen in der Mittagspause zusammensetzen und ich zeige dir, wie das alles geht. Wir können auch zum Chinesen, was zu essen holen.“

„Ja, mal schauen. Weiß nicht, wonach mir morgen der Sinn steht. Haben wir noch was in Deutsch auf?“

„Keine Ahnung, Alli. Ich pass da nicht so auf. Ist doch eher dein Fach.“

„Gut, dann bis morgen“, würgte ich ihn ab.

„Tschü..“, hörte ich noch Tobys Ansatz einer Verabschiedung.

Zu mehr Kommunikation war ich heute nicht in der Lage. Ich wusste, dass Toby früher oder später hier auftauchen würde, wenn ich nicht in die Schule kam. Die Aufgaben überflog ich nur schnell, lösen konnte ich in Mathe schon lange nichts mehr, ich hatte dieses Semester komplett den Faden verloren, das lag noch nicht mal an meiner Mutter. Also kuschelte ich mich schon um achtzehn Uhr in mein warmes Bett, um Megan und meinem Vater heute Abend zu entgehen. Zum Glück hatte Megan nach der Schule meistens noch etwas vor. Sie spielte Basketball in der Schulmannschaft, die beinahe jeden Tag trainierte. Sobald ich im Bett lag und krampfhaft versuchte zu schlafen, kreisten meine Gedanken wieder um den heutigen Morgen. Die verschiedenen Stimmen spukten mir im Kopf herum wie Geister. Ich bekam sie einfach nicht aus meinen Gedanken. Ich musste mir eingestehen, dass ich ein wenig Angst hatte, zu schlafen. Ich verstand die Frage nach dem Glauben auch überhaupt nicht. Selbst, wenn es ein Traum gewesen war, wie kam ich darauf, von Religion, Glaube oder Gott zu träumen? Papa zahlte zwar Kirchensteuer und ich war zumindest getauft, aber …

Einmal waren wir zu Weihnachten mit Mama in die Kirche gegangen, aber auch nur weil ihre Freundin dorthin ging. Mama hatte auch keinen Funken Religiosität in sich. Ich musste lächeln, als ich mich daran erinnerte, dass sie damals vor der Kirche so böse ausgerutscht und auf dem Allerwertesten gelandet war. Wir wollten zu der Krippenspielaufführung und die Treppe vor der kleinen Dorfkapelle war ganz vereist gewesen. Mama ließ es sich nicht nehmen, sich hübsch zu machen, doch mit ihren hochhackigen Schuhen war sie auf einer glatten Stelle ausgerutscht. Danach konnte sie vier Tage lang nur noch auf weichen Kissen sitzen. Warum gingen die Leute überhaupt in die Kirche? Was war Glaube eigentlich? Ich spielte mit der Versuchung, den PC anzumachen, um Gott oder Glaube zu googeln. Allerdings war die Wahrscheinlichkeit zu groß, dass Megan und Papa gerade dann hochkamen. Ich hörte die Tür ins Schloss fallen, Megan war Zuhause. Sie ging hinunter in den Keller. Der Keller war das Reich meines Vaters. Man fand ihn fast immer dort unten, auf seinem großen Sessel, vor diesem riesigen Schreibtisch. Manchmal fragte ich mich, was er als Rentner den ganzen Tag dort unten trieb. Er war einmal Steuerberater gewesen und hatte unter anderem für die beste Firma der Stadt gearbeitet. Damals hatten wir noch Geld. Eine gefühlte Stunde später klopfte es an meiner Tür. Ich tat so, als ob ich schliefe. Das war um diese frühe Uhrzeit zwar ziemlich ungewöhnlich, aber ich konnte mich gut schlafend stellen. Megan betrat das Zimmer.

„Alice“, flüsterte sie.

Ich bemühte mich verschlafen zu stöhnen. Die Tür schloss sich wieder. Ich hörte wie Papa und Megan unten stritten. Irgendwann knallten Türen und ich versank in einem unruhigen Schlaf.

2. Viele Persönlichkeiten

„Glaubt mir, des Menschen wahrster Wahn wird ihm im Traume aufgetan.“

(Friedrich Wilhelm Nietzsche)

Ich fühlte mich sofort pudelwohl. Ein Feuer brannte im Kamin. Alles wirkte kuschelig und mollig-warm. Ich saß auf einer durchgesessenen Couch und vor mir stand ein Becher. Auf einem niedrigen Holztisch befand sich eine Kanne mit Tee. Mir gegenüber stand ein Sessel, dessen Rückenlehne mir zugewandt war und auf dem Boden lag eine ungeheure Zahl verschiedener bunter Teppiche. Entspannt ließ ich mich in die Couch zurücksinken und schloss die Augen. Ich konnte das warme Feuerspiel auf meinem Gesicht spüren. Komisch, eigentlich hätte das unangenehm sein müssen, angesichts dessen, dass ich mich gerade noch von Kopf bis Fuß verbrannt gefühlt hatte. Ich stutzte. Irgendetwas hatte hier doch eben gequietscht. Es hatte sich angehört, wie wenn jemand mit Fingernägeln über eine Schultafel kratzte.

„Hallo Alice, ich habe dich erwartet“, ertönte eine sanfte Männerstimme, sie glich der von gestern Nacht, nur in freundlich.

Ich schreckte von der Couch hoch und stellte mich hinter sie. Dem Frieden hier war nicht zu trauen.

„Na-nu, hast du etwa Angst vor mir? Ach ja, entschuldige mein schlechtes Benehmen gestern Nacht.“

„Wer … wer ... bist du“? stammelte ich.

„Ach, ich bin alles was ich sein möchte, die entscheidendere Frage ist, wer möchtest du bei meinem Spiel sein?“

Mir lief es eiskalt den Rücken hinunter und meine Finger krallten sich in die Lehne der alten Couch.

„Ich will nicht spielen“, sagte ich mit fester Stimme.

Ich erwartete wieder die Griffe aus Feuer, doch sie blieben aus.

„Nun sei doch nicht so spießig. Vielleicht habe ich mir doch die Falsche für meine Aufgabe ausgesucht. Weißt du, wer ich bin?“

Seine Stimme klang amüsiert und flößte mir eine ungeheure Furcht ein.

„Nun setz´ dich wieder hin. Dann drehe ich auch den Sessel herum, sodass du mir in die Augen sehen kannst“, fügte er hinzu, als ich nichts erwiderte.

Ich gehorchte und setzte mich auf die Couch zurück, die leise ächzte. Der Sessel, ein hässlicher, grün-gelber Ohrensessel, rotierte langsam um seine Achse und quietöschte bestialisch.

Ich hatte wirklich alles erwartet, von einem Baby bis zu einem alten Mann, von mir aus auch eine Frau mit Männerstimme, doch vor mir auf dem Sessel saß ein Meerschweinchen. Ich musste losprusten, ich konnte mich nicht mehr beherrschen. Ich Narr hatte solch eine Angst gehabt. Dort saß ein quietschgelbes Meerschweinchen, das mit mir spielen wollte. Nach einem bestimmt zehnminütigen Lachanfall, starrte ich das Meerschweinchen einfach nur noch an. Von der Nasenspitze bis zum Stummelschwanz war es gelb wie ein Küken mit zwei schwarzen Knopfaugen. Es sah niedlich aus.

„Na, bist du endlich fertig, ich wusste doch, dass du das lustig finden würdest. Dir wird das Lachen schon noch vergehen, das schwöre ich dir“, drohte die Männerstimme.

Die Drohung kam jedoch nicht wirklich bei mir an.

„Was möchtest du denn spielen?“, prustete ich erneut.

Was für ein Traum, schoss es mir durch den Kopf. Ich hatte nur kurz einen Blick zum Kaminfeuer geworfen, doch als ich mich wieder dem Ohrensessel zuwandte war dieser leer. Verwundert schaute ich mich um. Ich beugte mich vor, um unter dem niedrigen Holztisch nachzusehen. Vielleicht war das Meerschweinchen herunter gesprungen.

„Wo bist du? Komm spielen“, rief ich amüsiert unter den Tisch.

Plötzlich tippte mir etwas Hartes auf die Schulter.

„Hier oben, Madame“, sagte eine gebrechliche, alte Stimme.

Und in der Tat, vor mir stand ein sehr alter Mann mit graublauen Augen, einem langen, glatten Bart und schütterem, weißen Haar. Er stützte sich auf einem Stock ab und hinkte hinüber zum Sessel, wobei sein lumpenähnliches, graues Gewand um seine dürren Beine baumelte. Es sah aus, als hätte er ein viel zu großes, seit Jahren nicht gewaschenes Nachthemd an. Er erinnerte mich an den griesgrämigen, alten Mann aus der Weihnachtgeschichte. Sein Mund verzog sich zu einem belustigten Lächeln, als er meinen verdatterten Gesichtsausdruck sah.

„Tee?“, fragte er freundlich.

Mein Blick schwankte unsicher durch den Raum. Mir fiel auf, dass er keine Tür besaß. Wo war der alte Mann hergekommen?

„Kann ich dir trauen?“, erwiderte ich.

Meine Gedanken waren nicht mehr zu ordnen und kreisten in diesem Raum wie ein kleiner Wirbelsturm. Es störte mich, dass ich keinen Fluchtweg hatte. Zuerst waren da Stimmen, die mir Schmerzen zufügten, dann ein Meerschweinchen, das sich dafür entschuldigt, nun dieser alte Mann. Wie passte das alles zusammen? Waren sie Eins? Die Stimme von gestern gehörte auf jeden Fall zum Meerschweinchen, auch wenn sie heute ansatzweise freundlich gewesen war und gestern kalt und hämisch, war sie dennoch unverkennbar gewesen. Was, wenn dieser alte Mann noch gefährlicher war, als das Ding von gestern? Den Alten würde ich eigentlich problemlos niederschlagen können müssen – mal abgesehen davon natürlich, dass das nun gar nicht zu meinen moralischen Vorstellungen passte, aber die vergas man in Notsituationen sowieso. Ich wusste nicht ganz warum, aber dieser alte Mann flößte mir nicht wirklich Angst ein. Dennoch wäre es mir sehr lieb gewesen, einen Fluchtweg zu haben.

„Also den anderen vielleicht nicht, aber mir schon, ich passe nämlich auf alle auf“, riss er mich aus meinen Gedanken.

„Wie meinst du das, ‚du passt auf alle auf‘?“

„Ich Dummerchen, du bist noch gar nicht eingeweiht“, murmelte er eher zu sich selbst als zu mir.

„Worin eingeweiht?“ Das Ganze wurde mir zu dumm. Auf diesen Traum hatte ich keine Lust mehr.

Mit zitternder Hand goss sich der alte Mann Tee ein.

„Gut, kannst du zuhören und mir nicht ins Wort fallen? Das finde ich immer so wahnsinnig respektlos und ich habe gesehen, dass du das gerne tust“, sagte er in einem geschäftsmäßigen Tonfall.

„Wie? Du hast das gesehen? Ich bin dir noch nie ins Wort gefallen! Wer zum Kuckuck bist du?“

Ich war genervt und das sollte der Opa da ruhig merken.

„Na na, Alice, ich kenne dich, seit du geboren bist. Du bist meine Schöpfung.“

Er fingerte mit seinen dürren Fingern in seinem Bart herum, strich sein Gewand glatt und betrachtete seine schlichte komplett weiße Teetasse. Sehr langsam nahm er einen Schluck und fuhr sich mit seiner freien Hand erneut durch den Bart. Er rutschte ein Stück zurück in seinem Sessel. Die Stille war unangenehm. Er schien sie regelrecht zu inszenieren. Er beugte sich erst vor, um die Teetasse abzustellen und lehnte sich dann langsam und bedächtig wieder zurück. Dann richteten sich seine grau-blauen Augen auf mich.

„Ich bin Gott.“

Die Worte hallten selbst in dem kleinen, gemütlichen Raum wieder. Das Ganze war so wahrscheinlich, wie dass ich mein Abitur mit einer glatten Eins bestand. Dennoch legte sich eine bedrückende Stille über den Raum und füllte ganz langsam jede Nische. Meine Gedanken überschlugen sich. Meine Hände wurden schweißnass und ich begann nervös an meinem Schlafshirt zu nesteln. Bloß nicht zeigen, wie sehr mich diese Information aus dem Takt bringt.

„Ja nee, ist klar, du bist eher eine Ausgeburt meiner Fantasie“, durchbrach ich die Stille.

Seine Miene wurde ernst. Er legte die Hände vor seinem Kinn zusammen und durch sein Gesicht zogen sich tiefe Furchen.

„Ich warne dich, sei froh, dass ich hier bin und kein anderer. Ich bin Paul – und alle, die du noch kennenlernen wirst, sind Gott. Das Problem an der ganzen Sache ist, ‘wir’ sind ‘ein’ Gott. Im Moment habe ich wieder ein wenig Macht erlangt, doch meistens lässt ER mich nichts tun.“

„Wer ist ER?“, hörte ich mich fragen.

Ich verstand eigentlich kein Wort von dem, was Paul-Gott mir erzählte.

„Du hast ihn gestern Nacht kennengelernt. ER ist mehr oder weniger ‚die Dunkelheit‘. ER wird sich dir nie vorstellen.“

„Gut, um ehrlich zu sein, bin ich auch nicht so erpicht darauf, ihn nochmals zu treffen.“

„Ich fange am besten von vorne an, solange wir Zeit haben. Lehn´ dich zurück, trink ein wenig Tee und hör einfach nur zu und bitte, bitte reiz´ mich nicht, sonst kommt ER. Und noch etwas ist ganz wichtig: erzähl ihm nie von mir oder von den anderen.“

Ich wurde einfach nicht schlau aus seinen Worten, doch ich beschloss lieber zu schweigen und zuzuhören. Wie bei einer Märchenstunde.

Paul räusperte sich scheppernd. Ich wüsste gerne, wie alt er ist, aber ich frag‘ das besser nicht.

„Es gibt eigentlich immer Götter. Wir leben so etwa zweitausend Jahre – manche ein wenig länger, andere ein wenig kürzer – aber in der Regel gibt es, auf die Jahre gesehen, meist nur einen Gott. Wenn wir so um die tausendachthundert Jahre alt sind, erschaffen wir uns einen Nachfolger. Wir lehren ihn bis zu unserem Tode und dann übernimmt er die – ich weiß nicht, wie ich es nennen soll, sagen wir einfach mal – die Herrscherrolle. Es gibt viele Gesetze, an die ein Gott sich halten muss. Die Lehre besteht nicht nur aus den wesentlichen Dingen, wie den naturwissenschaftlichen Grundsätzen hier auf der Erden, sondern auch aus einer Lehre der Menschlichkeit. Außerdem müssen wir uns auch noch an die Gesetze aus der Schattenwelt halten. Wir können unsere Augen nicht immer überall auf der Welt haben, weswegen es leider trotzdem stets zu viel Leid gibt. Aber viele von uns haben hart gearbeitet, um das Elend in Grenzen zu halten. Es gab immer viel Not, aber heutzutage … ich muss gestehen, dass ER die meiste Zeit Gott ist und deswegen unsere Arbeit nicht wirklich gut erledigt wird. Mich beschleicht die stärker werdende Ahnung, dass ER Katastrophen herbeiführt, statt sie zu regulieren.“

Er stockte und musste einen Schluck Tee nehmen, wobei seine Hand so stark zitterte, dass er beinahe die Hälfte des Tasseninhalts über sein komisches, graues Leinenhemd vergoss.

„Katastrophen herbeiführen? Könnt ihr dann die Natur beeinflussen? Und wie alt seid ihr eigentlich?“, rutschte es mir über die Lippen.

Dieser Traum und das neue ‚Gottkonstrukt‘, das mir hier vorgestellt wurde, faszinierte mich. Ich hatte mir bisher nie Gedanken darüber gemacht, ob ein Gott existierten könnte.

„Mhm, ich bin hundertzwanzig Jahre alt, also noch ein sehr junger Gott. Ich glaube, der Körper in dem ich gerade stecke kommt dem Alter schon ziemlich nahe, rein optisch“, er lachte und strich sich über seinen langen, weißen Bart. „Die Natur. Ich mag die Natur. Allerdings können wir sie nicht wirklich beeinflussen. Wir könnten neue Krankheiten erschaffen, theoretisch sogar Naturkatastrophen herbeiführen, dies sollten aber nicht unsere Aufgaben sein. Wir sind auch immer gewissen Gesetzen unterworfen. Um zum Beispiel eine neue Krankheit erschaffen zu können, müssten wir uns nicht nur an eure naturwissenschaftlichen Regeln halten, sondern außerdem an unsere. Natürlich können wir keine Toten wieder lebendig machen, sonst würden wir selbst für immer und ewig leben. Einen Teufel gibt es übrigens auch nicht, falls das deine Frage beantwortet.“

„Woher – du kannst in meine Gedanken schauen“, bemerkte ich fasziniert, denn eben erst war mir diese Frage durch den Kopf geschossen.

„Dich kann man meistens gut hören. Deswegen wurdest du auch ausgewählt. Auf jeden Fall seid ihr alle in Gefahr. ER ist der mächtigste Gott, den ich je kennengelernt habe. Eigentlich habe ich genauso viele kennengelernt wie er. Mhm …“ , murmelte er nun wieder zu sich selbst.

„Warum kann man mich gut hören?“, fragte ich entgeistert. Ich war ein wenig beleidigt, dass gerade ich so leicht zu durchschauen sein sollte.

„Deine Gedanken sind sehr schwammig, nicht immer leicht zu greifen. Aber ihre Intensität ist sehr hoch. Wir können nicht bei allen Menschen gleichzeitig sein. Du bist leicht aufzuspüren, weil du so starke Emotionen hast. Reicht das als Erklärung?“, vollendetet er seinen Monolog ungehalten.

„J-Ja …“, stotterte ich.

Kaum ein gesagtes Wort hatte ich wirklich begriffen.

Mit lauterer Stimme fuhr er fort: „ER ist besessen von Herr der Ringe, Harry Potter, Eragon … Ach, mir fallen noch viele andere Bücher ein, die ER so liebt. ER verbringt jegliche Zeit damit, euer Leben zu erkunden, anstatt seinen Job zu machen und euch zu helfen. Mittlerweile ist ER auf die kranke Idee gekommen mit euch Sims spielen zu wollen.“ Paul schüttelte traurig den Kopf.

Diese ganzen Informationen nisteten sich in meinem Kopf ein. Schattenwelt? Lehre in Menschlichkeit? Warum ich? Ich konnte nichts von all dem wirklich verstehen. Sims spielen? Ich überlegte. Irgendetwas sagte mir das Spiel. Plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen: SIMS SPIELEN?!

„Wie, ER hat vor, mit uns Sims zu spielen? Hat ER sie noch alle? Wir sind Menschen, wir haben Gefühle“, die Empörung war nur allzu deutlich aus meiner Stimme zu hören.

„Ich merke, dass er kommt. Schlafe Alice, schlaf! Du kennst mich nicht. Verrate mich nicht“, flehte Paul mich an.

Er verpuffte mit einem Knall auf dem Ohrensessel und mich umfing Dunkelheit. Mit aller Kraft versuchte ich das warme Kaminfeuer mitzunehmen, doch die Dunkelheit raubte mir alles.

Am nächsten Morgen fühlte ich mich müde und ausgelaugt. Ich konnte mich, wie beim ersten ‚Traum‘, an das gesamte Gespräch erinnern. Ich erhob mich vom Bett, um zu meinem Wecker zu schlurfen. Aufstehen ist echt nicht mein Ding. Ich hatte mir vorgenommen heute zur Schule zu gehen – ich wollte mich einfach zusammenreißen. Kaja bekam nur im Vorbeigehen eine kurze Streicheleinheit. Meine Haut fühlte sich zwar schon wesentlich besser an, war aber immer noch empfindlich. Wie jeden Morgen hatte ich keinen Hunger und umging daher die Küche und meinen grummelnden Vater. Er war heute erstaunlich früh auf den Beinen. In der Regel blieb er wach bis in die frühen Morgenstunden und ging dann ein paar Stunden bevor Megan und ich aufstanden zu Bett. Zumindest hatte er es an den Besuchswochenende immer so gehandhabt und seit wir hier waren auch. Ich hatte einfach das Gefühl, dass er so wenig Zeit wie möglich mit uns verbringen wollte.

Nach einer kurzen Spazierrunde mit Kaja stürzte ich zum Bahnhof. Wie immer war ich viel zu spät dran. Glücklicher Weise war die Strecke in zwanzig Minuten zu schaffen, da hätte es mich auch schlimmer treffen können. Megan hat es gut, die hat heute erst zur Dritten.

Im Zug fiel mir auf, dass ich nichts zum Essen mitgenommen hatte. Ich hasste so etwas, immer vergaß ich das Essen.

Ich ging an den Mitfahrenden vorbei und suchte mir einen Platz. Der Zug war um diese Uhrzeit natürlich recht voll, sodass man oft stehen musste. Alle wollten aus diesen kleinen Dörfern in die Stadt. Ich hatte Glück und ergatterte einen Platz. Erschöpft lies ich meinen Kopf gegen die Scheibe sinken und betrachtete mein Gesicht: Eine Stupsnase und einige Sommersprossen. Ich mochte beides an mir. Mein Gesicht war eingerahmt von rotblonden Locken. Ich zog meine bunt-karierte Snowboardjacke aus. Diese Jacke begleitete mich seit meinem sechzehnten Lebensjahr. Ich sah meine Schultern spitz im Spiegelbild hervorstechen. Ich trug heute ein schwarzes Sweatshirt, das mir mittlerweile zu groß war und meine viel zu dünne Schulterpartie entblößte. Mein Körperbau war sehr zierlich, wobei man nicht unterschätzen sollte, wie stark ich war, denn eigentlich war ich sehr sportlich. Vor zwei Wochen noch war mein Leben in Ordnung gewesen. Ich lebte mit meiner Schwester bei meiner Mutter. Schön dicht an der Schule, war beliebt und hatte einige Hobbys. Dort war ich im Boxverein, hatte Volleyball gespielt und war zweimal die Woche reiten gewesen. Aber nun, bei Papa, hatte ich nichts mehr. Vermutlich würde es mir guttun, wenn ich wenigstens wieder Zeit mit Pferden verbringen würde.

Im Sitzkarree schräg gegenüber bemerkte ich einen Mann, der mich unverwandt anstarrte. Ich hatte ihn zuerst gar nicht gesehen. Wahrscheinlich, weil ich so sehr mit mir selbst beschäftigt war – ich nahm im Moment wenig wahr. Der Mann raubte mir den Atem. Er war der schönste und attraktivste Mann, den ich jemals gesehen hatte. Orlando Bloom und all die anderen Schauspieler auf dieser Welt sahen blass gegen ihn aus. Es war wirklich übertrieben, wie anziehend der Mann wirkte. Auch wenn er eine Intensität in seinem Blick hatte, die mir ein wenig Furcht einflößte. Er trug eine dunkelblaue Jeans, die ein wenig enger saß, dazu eine schlichte, schwarze Jacke. Er fixierte mich wie Kaja eine Katze. Der Schönling hatte strahlende, grüne Augen, die umrandet waren von beeindruckend langen Wimpern. Sein Körper war wohl proportioniert und durchtrainiert, auch wenn man nicht sagen konnte, dass der Mann ein Muskelberg gewesen wäre. Genau konnte man das allerdings nicht erkennen, weil er seine Winterjacke leider nicht auszog. Ich erwischte mich dabei, wie ich ihn genauso interessiert musterte, wie er mich. Er fuhr sich mit der Hand durch seine längeren, verwuschelten Haare. Sie waren noch nicht ganz Schulterlang. Ein Zug rauschte in Gegenrichtung an uns vorbei und die Spannung, die in der Luft lag, verflog. Ich warf einen Blick aus dem Fenster und sah Bäume vorbei flitzen. Ich merkte, wie meine Wangen anfingen zu glühen. Ein so gutaussehender Typ würde sich ohnehin nie für mich interessieren. Ich fand mich selbst zwar nicht hässlich, aber realistisch gesehen spielten wir nicht in derselben Liga. Dennoch wanderte mein Blick zurück zu dem Platz, auf dem der Traumprinz einer jeden Frau saß, doch er war leer. Toll nun sehe ich schon Gespenster. Na, wenigstens gutaussehende Gespenster.

Es dauerte eine knappe Stunde, bis ich mein Gymnasium erreichte. Megan besuchte auf der Realschule das letzte Jahr und musste sich bald um Bewerbungen für einen Ausbildungsplatz kümmern.

Ich dagegen ging auf eines der schwersten Gymnasien in der Umgebung, zumindest sagten das immer alle. Ich hielt diese Schule einfach nur für viel zu elitär-angehaucht. Trotzdem war ich vor kurzem noch wirklich gerne zur Schule gegangen.

Ich war zu spät. Das war normal bei mir. Die Lehrer waren zum Glück darüber informiert, dass ich nun weiter weg wohnte und die Züge in unglücklichen Abständen fuhren. Zumindest das hatte Papa übernommen. Er hatte gleich am Montag die Schule angerufen und darum gebeten, dass die Lehrer sich zusammensetzten. Er hatte ihnen gesagt, dass er noch nicht genau sagen könne, wann ich wieder bereit war in die Schule zu gehen. Hastig nahm ich die Stufen zum Kunstraum hinauf. Ich hasste Kunst und wünschte, ich wäre heute nicht so pünktlich aufgewacht. Unter einem fürchterlich lauten Knarren öffnete sich die alte Tür und huschte leise zu meinem Platz. Im Kunstkurs hatte ich keine Freunde, trotzdem starrten mich alle an. Die Meisten waren mir hier zu ‚spirituell‘ und ‚kreativ‘. Ich hatte den Kurs nur gewählt, weil er in mein Profil passte und auch in meinem Stundenplan. Ich konnte die ganzen Blicke in meinem Rücken spüren. Jeder, wirklich jeder schien Bescheid zu wissen. Ich schob meine Ärmel etwas hoch und betrachtete wieder meine Arme. Jetzt sah ich keine Verbrennungen mehr, sondern nur noch die Schnittwunden. Ich hatte sie schon wieder nicht verbunden. Teilweise waren sie ohnehin genäht. Ich war der Meinung, dass da Luft dran musste. Kunst zog sich dahin wie ein uraltes Kaugummi, das man nur noch im Mund behielt, weil kein Mülleimer in Sicht war. Endlich erlöste mich das Klingeln und ich verschwand so schnell es ging, bevor Herr Huber mich zu fassen bekam. Ich hatte die letzten künstlerischen Arbeiten noch nicht einmal angefangen und er wollte sie haben. Ich wollte gerade die Treppe hinunter gehen, als ich hinter mir eine Stimme hörte: „Hey, Alli. Warte auf mich.“

Joschua kam zu mir die Treppe herunter gerannt.

„Wa…rteee…“, stotterte er.

Ich lächelte.

„Hey Josh, … schön dich zu sehen.“

„Schön dich zu se…hen“, erwiderte er.

Seine braunen Augen musterten mich prüfend, als suche er ein genaueres Indiz für meine seelische Verfassung.

„Du willst nicht drüber reden?“, fragte er klar und ruhig.

Josh stottert manchmal, wenn er außer Atem war, oder aufgeregt. Doch, wenn es um ernste Dinge ging, hat er die klarste und deutlichste Stimme der Welt. Ich wich seinem Blick aus und nickte.

„Gut, dann lass uns die anderen suchen“, sagte er bestimmt und wandte sich von mir ab.

Ich folgte seinen knochigen Ellenbogen, die nämlich waren etwa auf meiner Höhe – Joschua war einfach riesig, bestimmt zwei Meter, oder so. In der Pausenhalle entdeckten wir, an dem gewohnten Tisch sitzend, unsere kleine Gruppe. Wir waren alle schon seit der Grundschule zusammen. Mit Toby war ich sogar schon in den Kindergarten gegangen. Maik war als Letzter hinzugekommen, als er sich meine Freundin Steffie angelte.

Toby umarmte mich als erstes.

„Hey, Leute“, sagte ich leise.

Bei den meisten hatte ich mich die Woche über nicht wirklich häufig gemeldet – eigentlich so gut wie gar nicht. Es war mir so unangenehm, dass jeder von ihnen den Grund kannte. Ich betete, dass keiner das Thema zur Sprache bringen würde. Mein Blick wanderte zu Maik und Stefanie, die jetzt schon sehr lange zusammen waren und zusammen passten wie die Faust aufs Auge. Die beiden lächelten mir zu.

„Alli, schön dich zu sehen“, zwitscherte Steffie.

Sie hatte eine unangenehm hohe Stimme. Sie rutschte ein Stück zur Seite, um mir Platz zu machen. Dabei fiel ihr langes, blondes Haar über ihre Schulter. Steffie war ziemlich beliebt und dennoch war sie irgendwie bodenständig geblieben. Sie war fast einen Meter achtzig groß und schlank. Sie sah umwerfend aus. Wobei ich persönlich ihr Gesicht nicht besonders herausstechend fand. Es war irgendwie mausartig. Steffie wollte Model werden.

„Danke“, murmelte ich und setzte mich.

Steffie wandte sich wieder ihrem Freund Maik zu, die beiden schienen in einer hitzigen Mathediskussion zu sein. Ich war ihnen dankbar dafür, dass sie mit ihrem Alltag fortfuhren. Vielleicht wusste Steffie auch einfach nur nicht mit der Situation umzugehen. Josh begrüßte Daniel überschwänglich mit Handschlag und setzte sich neben ihn. Daniel lächelte mich an und entblößte seine Zahnlücke.

„Wie geht es dir, Alli“, fragte er betont sachlich.

„Gut“, nuschelte ich.

Daniel richtete seine Brille und fuhr sich durch sein schulterlanges, bronzefarbenes Haar. Das war ein Tick von ihm. Seine blauen Augen musterten mich ebenfalls prüfend. Wie mir diese Blicke auf die Nerven gingen. Mir entging ebenfalls nicht, dass Toby Daniel einen mahnenden Blick zu warf. Ich spürte, dass Daniel am liebsten einige Fragen gestellt hätte, aber er ließ es zum Glück. Stattdessen holte er seine Karten raus und schaute mich herausfordernd an.

„Ich gewinne doch sowieso“, sagte ich scherzhaft.

„Na, das wollen wir doch mal sehen“, entgegnete er.

„Willst du auch was vom Kiosk?“, fragte Toby.

„Nein, danke.“

Toby ging davon. Joshua mischte die Karten und teilte sie aus.

„Er wird dir eh was mitbringen“, stellte er fest.

Josh und Daniel grinsten sich an.

„Schön, dass ihr euch da immer so einig seid“, sagte ich betont spitz.

„Du bist viel zu dünn Alli, aber immer wenn man dir etwas anbietet lehnst du es ab …“, begann Daniel den Satz.

„… ja, und wenn man dir dann trotzdem was gibt, futterst du was das Zeug hält“, vollendete Josh ihn.

Ich musste ein wenig schmunzeln. Meine Freunde hatten mir die Tage sehr gefehlt. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, weil ich mich nicht schon früher gemeldet hatte. Geistesabwesend legte ich die ersten Karten. Wann Josh wohl mal eine Freundin bekommen würde? Er war einfach so schüchtern. Nicht das er unansehnlich gewesen wäre, aber er hatte dieses typische ‘Elefantim-Porzellanladen-Gen’. Joshuas braune Augen musterten mich. Er hatte eine Art Gefühlsebenen zu erfassen, wie sonst kein anderer in unserer Clique. Alleine konnte man mit ihm gut reden, dann hatte er immer die richtigen Worte parat, nämlich niemals eins zu viel.

„Wo ist Julian?“, fragte ich.

Wir waren vollständig, nur der für mich bestaussehendste und tollste Mann der Schule war noch nicht da, Julian. Ich wünschte mir immer, er würde sich irgendwann in mich verlieben. Viele hielten ihn zwar für furchtbar eingebildet, aber ich wusste, dass hinter dieser Fassade so viel mehr steckte. Er war der Captain des Rugby Teams. Ja, an unserer Schule wird Rugby gespielt, obwohl wir in Deutschland sind.

„Der ist noch beim Peters, wegen irgendeines Referats”, warf Maik ein.

Die beiden spielten zusammen und waren auch sonst ziemlich gute Freunde.

„Da ist er ja schon“, sagte Toby, der plötzlich wieder hinter mir stand und einen Kakao und ein Brötchen vor mir abstellte.

Ich verdrehte die Augen.

„‘Nein‘ heißt übrigens ‚Nein‘“, sagte ich gespielt verärgert.

„Echt, ich dachte bei Frauen heißt ‚Nein‘ gleich ‚Ja‘“, schaltete sich Julian ein und strahlte mich mit seinen grau-blauen Augen an.

Er umarmte mich und hauchte mir ins Ohr: „Na Prinzessin, alles gut überlebt?“

Eine Gänsehaut breitete sich auf meiner Haut aus, als würden tausende kleine Ameisen über mich laufen. Ich wusste, dass dies nichts zu bedeuten hatte, doch es brach jedes Mal ein neuer Schwall an Gefühlen über mich herein, wenn Julian das tat. Julian begrüßte Toby mit Handschlag und sofort begannen sie über Fußballergebnisse zu diskutieren. Diese ganze Situation war mir so vertraut und gab mir ein Gefühl von Sicherheit, das ich in den letzten Tagen nicht wirklich oft gespürt hatte. Maik und Stefanie hatten sich endlich auf eine Lösung geeinigt und legten nun versöhnlich die Arme umeinander. Diese Pause könnte von mir aus ewig gehen, aber Gott scheint ungnädig zu sein, dachte ich und musste dabei schief lächeln, als der Gong zur nächsten Stunde läutete. Englisch, auch nicht gerade mein Traumfach.

„Los, Prinzessin. Ab zu Englisch“, rief Julian und versetzte mir einen Hieb auf den Rücken.

Manchmal war Julian unangebracht grob.

„Ja“, erwiderte ich genervt.

Als ich aufstand, legte Julian den Arm um mich und schleifte mich Richtung Treppe. Der Schultag verstrich und ich genoss ihn, wie ich in letzter Zeit lange nichts genossen hatte. Megan hatte recht gehabt – Ablenkung war in dieser Situation vielleicht doch das Beste für mich. Ich konnte nun ansatzweise nachvollziehen, warum sie sich gleich m Montag voller Eifer wieder in ihren Alltag gestürzt hatte. Auch war ich froh, dass ich sie dazu überredet hatte, sonst würde sie vielleicht so durchhängen< wie ich es die letzten Tage getan hatte. Es war nur ziemlich ermüdend, dass mich jeder Lehrer entweder genau musterte oder meine Blicke mied. Es war ja auch durch alle Zeitungen gegangen. Mir schwebte die Überschrift der Bild wieder vor Augen:

„Familiendrama. Mutter verletzt ihre zwei Teenager“

Die Wunden an meinen Armen waren wie Brandmale meiner Mutter und am Ende des Schultages spürte ich jede einzelne. Megan und ich hatten Mama überwältigt und die Polizei und einen Krankenwagen gerufen. Daraufhin wurde Mama angezeigt und der schweren Körperverletzung beschuldigt. Seit Tagen befand sich meine Mutter in einer Klinik. Ich schüttelte den Kopf, als könnte ich so die dunklen Gedanken vertreiben.

„Hey“, ertönte die Stimme von Toby dicht bei meinem Ohr.

Ich drehte mich um und schaute in seine warmen, grünen Augen. „Wir wollen am Samstag feiern gehen, hast du Lust mitzukommen?“, hoffnungsvoll sah er mich an.

„Ja, warum nicht, ein bisschen Ablenkung würde mir sicherlich ganz gut tun. Wo wollt ihr denn hin? Trinken wir bei irgendwem vor?“

„Wir trinken bei Julian vor, er hat auch angeboten dich mit dem Auto abzuholen, natürlich nur vom Bahnhof.“

Toby hatte mich so erwartungsvoll angesehen, dass ich nicht anders konnte und zusagen musste. Nach der Verabschiedung schlenderte ich zum Bahnhof. Der Zug fuhr erst in fünfundvierzig Minuten, den davor konnte ich kaum erwischen.

Julian ist der Schwarm von so vielen Mädchen an der Schule. Gutaussehend, reiche Eltern, wahnsinnig intelligent. Welches Mädchen wünscht sich nicht so einen Freund? Doch leider sieht Julian in mir nur die gute, alte Alice, seine Freundin, die er fragt, was er am besten mit anderen Mädchen unternehmen soll und nicht mit ihr selbst. Ich hab‘ ihm schon so oft gute Date-Tipps gegeben und mir jedes Mal vorgestellt, wie es wäre, wenn er mit mir auf dieses Date gehen würde. Aber nein, man bekommt nicht alles was man will. Mein Blick wanderte zum Kiosk und ich spielte mit dem Gedanken mir eine Tafel Schokolade zu kaufen. Schokolade konnte ich immer essen. Im Kiosk roch es angenehm stark nach Tabak. Solange der noch nicht brannte, roch er eigentlich ganz gut. Mit geübtem Griff angelte ich mir gleich zwei extragroße Tafeln. Hinter der Ladentheke stand auf einmal der gutaussehende Typ aus dem Zug von heute Morgen. Mir fielen die zwei Fünfhundertgramm-Tafeln Schokolade aus der Hand und ich schnappte nach Luft.

„Oh, brauchst du so viel Frustfutter?“, fragte der Traummann amüsiert.

Ich wurde innerhalb von Sekunden tiefrot und sammelte hastig die zwei Tafeln vom Boden auf.

„Die sind nicht für mich“, japste ich, „außerdem habe ich heute noch gar nichts gegessen.“

„Mir kannst du doch nichts vormachen, meine liebe Alice“, sagte er langsam und bedächtig.

„Woher weißt du, wie ich heiße?“, hörte ich mich viel zu hoch stammeln.

Er dagegen lächelte mich einfach weiterhin freundlich an, als warte er darauf, dass ich meine Frage selber beantwortete. Warum schämte ich mich überhaupt für die Schokoladentafeln? Ich war doch sowieso viel zu dünn. Ich konnte kaum einen klaren Gedanken fassen. Wie ein Blitz traf mich die Erkenntnis.

„Gott“, flüsterte ich.

Sofort kam ich mir schwachsinnig vor. Es konnte nicht Gott sein. Nicht hier auf der Erde, in der Realität.

„Nenn mich Eduard“, erwiderte er fröhlich.

Dann kam er um den Tresen herum und wollte mich umarmen. Ich wich zurück

„Nein, nicht, ich möchte nicht.“

„Was hast du denn?“, fragte er sichtlich verwirrt über meine Angst.

„Ich möchte nicht mit ‚Gott‘ knuddeln!“

„Hat auch keiner verlangt. Ich wollte dir nur auf menschliche Art und Weise ‚Hallo‘ sagen, aber gut, wenn du nicht möchtest, werde ich es akzeptieren.“

Ich nickte nur, griff nach der Schokolade und wandte mich zur Tür.

„Warte, der Mann hier muss entsorgt werden. Er wollte nicht, dass ich kurz Kassierer spiele, da musste ich ihn beseitigen.“ Er klang leicht verärgert, aber auch betroffen.

Mir stockte der Atem. Vorsichtig schaute ich hinter die Ladentheke. Auf dem Boden lag der türkische Kioskbesitzer. Mit dem Gesicht nach unten lag er leblos auf seinem dicken Bauch, Arme und Beine von sich gestreckt. Mein Atem ging schneller. Halt suchend griff ich an die Ecke der Ladentheke.

„Du hast nur jemanden umgebracht, weil du hier spielen wolltest?“, meine Stimme war definitiv drei Oktaven zu hoch.

Ich schnappte nach Luft.

„Du magst doch keine Türken, nun sei nicht sauer“, gab der Eduard Gott trotzig von sich.

„Das ist doch kein Grund, sie gleich umzubringen! Und woher willst du überhaupt wissen, ob ich Türken mag. Wir sind doch kein Spielzeug. Spinnst du? Du hast jemanden umgebracht!“, schrie ich ihn an.

Angst? Ich hatte keine Angst mehr. Ich war wütend und ich verspürte einen ungemeinen Hass. Eduard dagegen, lehnte sich locker und gutaussehend wie er war, gegen die Theke und beobachtete mich mit trotziger Miene.

„Ich hab nur gedacht: ‚man, was soll ich denn sonst machen?‘, ich wollte mit dir reden und dieser sture Mann hat einfach nicht auf mich gehört.“

Eduard schaute mich mit seinen schönen, grünen Augen an. Er sah aus wie ein kleines, trotziges Kind, dem man erklären musste, dass es böse ist einen Hund zu hauen.

„Ich bin nicht trotzig“, sagte er energisch und stampfte dabei mit dem Fuß auf.

Die ganze Situation war urkomisch, dabei war gerade bevor ich den Laden betreten hatte, ein unschuldiger Mann gestorben und das alles nur, weil Gott sich nicht im Griff hatte.

„Doch, leider schon. Ich hätte einen Gott für weiser gehalten“, sagte ich und verließ das Geschäft.

Sollte er doch die Leiche beseitigen. Ich hoffte, dass ich diesmal wieder nur träumte und mir morgen wieder bei dem netten Türken würde Schokolade kaufen können. Eigentlich war er immer furchtbar freundlich und seit Jahren ein fester Bestandteil meines Schulwegs gewesen. Wäre seltsam, Gott anzuzeigen oder ihn hinter Gitter zu stecken … Dieses ganze, merkwürdige Gottzeugs lies meinen Kopf brummen. Ich wollte aufwachen. Doch als mich ein Fahrradfahrer fast über den Haufen fuhr und mir hinterher schrie, ich solle doch meine Augen aufmachen, wurde mir klar, dass es diesmal kein Traum war. Die ganze Sache wurde mehr und mehr zu einem Albtraum. Vielleicht war ich wirklich wahnsinnig. Verloren und einsam stand ich mit meiner Schokolade an der Bushaltestelle, als ein Schrei alle Menschen im Umkreis zusammenzucken ließ. Ein vielleicht achtjähriges Mädchen stürzte aus dem Kiosk. Ich war mir sicher, dass das die Tochter des Kioskbesitzers war. Das kleine Mädchen schrie und weinte und der nette, italienische Eisverkäufer von nebenan stürzte in den Laden. Als er wieder herauskam, war er kreidebleich und griff nach seinem Handy. Ich wandte mich ab und ging an den Geschäften vorbei zum Bahnhof. Meine Schokolade schmeckte mir nicht. Mir war kotzübel. Wäre ich doch nur schon früher in den Laden gegangen, bevor Eduard Gelegenheit hatte ihn umzubringen. Ich merkte, wie der Schock sich in meinen Gliedern ausbreitete und langsam begannen ein paar Tränen über meine Wange zu rollen. Komisch, der Vernehmung durch die Polizei hatte ich kaum geweint und der Verlust meines Lieblingstürken brachte auf einmal alles zum Vorschein. Vor ein paar Tagen war mein einziges Problem, wieder mit mir auf einen grünen Zweig zu kommen und nun muss ich mir mehrere Persönlichkeiten gleichzeitig vom Hals halten, die alle behaupteten, Gott zu sein.

Zuhause angekommen, ging ich stundenlang mit Kaja spazieren. Ich musste nachdenken. Immerhin schien die Sonne – solange, wie es dieses Jahr geschneit hatte, konnte man schon fast glauben, dass Frau Holle an Demenz erkrankt war. Ich wusste einfach nicht, wie ich heute Nacht schlafen sollte. Hoffentlich ohne Schmerzen, oder neue Fragen, oder noch so einen Albtraum wie heute Mittag. Wir begegneten Rudi. Rudi war ein wahnsinnig hässlicher und eigensinniger Hund, allerdings war die Frau dazu auch nicht besser. Leider nur fanden sich Rudi und Kaja ziemlich anziehend – sehr zum Missfallen der Frau und meiner. Man muss sich als Hundebesitzer eingestehen, dass man eigentlich keine Ahnung hat, wie die anderen Menschen heißen. Daher gibt es immer nur: ‚Ah, da kommt Rudi‘ oder ‚oh, da ist Kaja schon wieder‘. Die Frau und ich wechselten nur ein sachliches „Hallo“ und dann gingen wir auch schon aneinander vorbei, während unsere Hunde in tiefster Verzückung über die Felder rannten.

Wieder zurück, erwartete mich Megan. Sie hatte wieder diesen einen Blick drauf, diesen Mutter-Blick. Es war ein wirklich seltsames Gefühl, wenn die kleine Schwester einen so anschaute.

„Und, was hast du heute so gemacht?“, fragte sie.

„Wenig“, murmelte ich und goss mir ein Glas Wasser ein.

Ich ließ mich auf einen der Küchenstühle fallen. Ich mochte unsere Küche. Sie war knallrot und glänzte. Papa hatte mal gesagt, dass er alles herausreißen würde, wenn er genügend Geld hätte, die Farbe wäre grauenhaft. Mama hatte sie ausgesucht. Megan musterte mich weiterhin.

„Als ich vom Training gekommen bin, war ganz viel Polizei vor dem Kiosk. Der bei deiner Schule“, versuchte sie ein Gespräch zu beginnen.

Mir wich sofort alles Blut aus dem Gesicht. Der Kiosk. Ich hatte den ganzen Spaziergang über versucht, das Gesehene zu verdrängen.

„Weißt du, was da passiert ist, Alli?“

Ich schüttelte den Kopf.

„Hast du keine Lust zu reden?“

„Sorry, heute ist nicht so mein Tag. Mir ist schlecht, ich geh schlafen.“

„Jetzt schon?“, fragte Megan verwundert.