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Dies ist die Geschichte der Eria vom Planeten Cygron. Es ist die Geschichte über ihren Besuch auf der Erde. Es war nur eine Station ihrer Reise und die Bewohner der Erde interessierten sie nicht. Niemals hatte sie einen Gedanken daran verschwendet, wie ein Kontakt mit ihnen verlaufen würde.
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Seitenzahl: 202
Veröffentlichungsjahr: 2020
Die Erde. Sie bedeutete nur eine Station auf unserer Forschungsreise und ihre Bewohner spielten für uns keine Rolle. Es sollte ein reiner Arbeitseinsatz werden. Schnell, effektiv und zu keiner Zeit beabsichtigte ich, gegen Vorschriften zu verstoßen oder etwas zu tun, was den Erfolg unserer Mission gefährdete. Die Menschen interessierten mich nicht und niemals hatte ich einen Gedanken daran verschwendet, mir vorzustellen, wie ein Kontakt mit ihnen verlaufen würde.
S. Sichermann ist freie Autorin und schreibt Bücher verschiedener Genres. Sie textet, lektoriert, fotografiert und gestaltet ihre Bücher selbst.
ALEX
ERIA
CYGRON
START DER MISSION
DIE ERDE
BEGEGNUNG
DER MENSCH
BLUT
DIE VERBINDUNG
MENSCHEN
ERINNERUNGEN
Vielen Dank an meine Familie und Alle,
die mich bei der Umsetzung dieses Buches
unterstützt und ermutigt haben.
»Alex? Alex, hörst du?«, die Stimme am anderen Ende klang ungeduldig und sehr aufgeregt. Einige dumpfe Schläge, die sich anhörten als trommelte jemand gegen einen Gegenstand, tönten ihr durch die Telefonleitung entgegen.
»Alexander!« Die Stimme wurde fordernd und ihr folgte ein lautes Einatmen, gefolgt von einem kurzen, ärgerlichen Ausatmen.
»Ja«, Alex Antwort klang äußerst unwillig, während Alex aufhörte mit den Fingerknöcheln gegen das kleine Tischchen neben seinem Bett zu klopfen.
»Alex, warum meldest du dich nicht? Hast du überhaupt eine Ahnung wie oft ich schon versucht habe dich zu erreichen? Wie geht es…?«. Die Stimme war jetzt nur noch dumpf unter Alex Hand zu hören, die er auf den Hörer des Krankenhaustelefons gelegt hatte.
Was sollte er seiner Schwester sagen? Er musste vorsichtig sein. Die Polizei ermittelte noch und die Versicherung weigerte sich bisher, die Kosten für den Rettungseinsatz zu übernehmen.
»Alex? Bist du noch dran?«, fragte Karen und in ihrer Stimme klang etwas Angst mit. Verdammt, sie würde nicht so einfach aufgeben, sie war der neugierigste Mensch, den Alex kannte.
»Ja«, hauchte Alex widerwillig und räusperte sich. »Alles ok soweit, Karen.« Alex bemühte sich, seine Worte zuversichtlich klingen zu lassen.
»Wir haben uns wirklich Sorgen gemacht.« Nach einer kurzen Pause fügte sie hinzu. »Maria hat mich angerufen, weil du Alleingänge gemacht hast und sie dich nicht finden konnten.«
»Wieso ruft Maria ausgerechnet dich an?«, Alex klang jetzt hörbar verärgert.
»Keine Ahnung. Wahrscheinlich hat sie sich gedacht, dass du dich wenigstens bei deiner Familie meldest.« Karen seufzte. »Weißt du, die Kletterei ist eine Sache aber mussten das ausgerechnet diese Höhlen sein. Du kannst in diesen Höhlen doch nicht alleine klettern. Kein Mensch findet dich dort, wenn dir etwas passiert. Alex. Das ist kein Spaß!«, sagte Karen eindringlich.
»Ich bin erwachsen Karen, o.K? Ich habe Maria nicht gebeten bei dir anzurufen und hör endlich auf, dir Sorgen um mich zu machen.«
Es klopfte und der Arzt, der die Untersuchungen mit Alex durchgeführt hatte, erschien mit einem munteren «Good Morning« in der Zimmertür.
Er sah nicht aus wie ein Arzt aus. Jedenfalls nicht, wie man sich einen Arzt vorstellte.
Er hatte eher die stattliche Figur eines Rugbyspielers. Alex flüsterte Karen noch ein, «Der Arzt ist da ich muss Schluss machen«, in den Hörer, bevor er auflegte.
»Good morning«, erwiderte Alex dem Arzt mit einem freundlichen Grinsen und schüttelte die ihm entgegengestreckte Hand.
Abgesehen davon, dass er sich in einem Krankenhaus befand und dass er ständig Erinnerungslücken vortäuschen musste, die er gar nicht hatte, fühlte er sich ganz wohl hier.
Es herrschte eine lockere Atmosphäre, ganz anders, als er es bisher von deutschen Krankenhäusern kannte.
Der Arzt teilte ihm mit, dass sie ihn morgen aus dem Krankenhaus entlassen würden. Die Blutwerte waren soweit in Ordnung. Er sollte die Blutverdünner aber unbedingt weiter einnehmen, sonst drohe die Gefahr eines Blutgerinnsels und er bekam die Anweisung, zu Hause unbedingt sofort seinen Hausarzt aufzusuchen.
Der Arzt klopfte Alex aufmunternd auf die Schulter und verabschiedete sich mit einem breiten Grinsen. Konnte es nicht mehr solcher Ärzte geben?
Alex blickte auf die weiße Zimmerdecke und atmete erleichtert aus. Zum Glück hatte der Mediziner nicht noch einmal nach seiner Narbe gefragt und nach dem klebrigen Teil, mit dem die Narbe bedeckt war.
Er konnte alles auf die Erinnerungslücken schieben, die das Team immer noch hatte.
Er wusste, dass Maria vor der Tür stand, noch bevor sie angeklopft hatte.
»Komm rein«, rief Alex, bemüht freundlich, durch die geschlossene Tür, worauf sie sich langsam öffnete und ein verwundert dreinblickender Frauenkopf erschien.
»Woher wusstest du, dass ich vor der Tür stehe?«, fragte sie ihn erstaunt und kam langsam auf sein Bett zu. Sie küsste ihn auf die Wange, bevor sie sich neben ihn auf das Bett setzte und ihren Kopf auf seine Schulter legte.
Alex streichelte sanft über ihren Kopf. Ihre Haare rochen frisch gewaschen und er liebte diesen Duft. Er war froh, sie bei sich zu haben. Sie hatten sich heftig gestritten und das kam in der Vergangenheit häufiger vor. Sie stritten sich oft, meist über unwichtige Dinge und er bezweifelte zeitweise, ob sie es zusammen schaffen würden.
»Ich war noch einmal auf der Polizeistation«, sagte Maria, während Alex weiter über ihren Kopf streichelte. »Sie haben noch niemand verdächtigen gefunden aber sie werden Augen und Ohren offen halten. Sie brauchen im Moment nichts mehr von uns.« Sie zögerte kurz, hob ihren Kopf und sah ihn an.
»Wir könnten morgen nach Hause fliegen. Es gibt noch freie Plätze für einen Flug am frühen Nachmittag. Ich habe die Tickets reservieren lassen.« Maria zupfte an ihren Fingernägeln, das tat sie immer, wenn sie unsicher war.
»Wir könnten auch noch einen Tag länger bleiben, uns irgendetwas ansehen oder …«, sie zögerte und sah ihn fragend an, »einfach in Ruhe noch ein bisschen reden.«
Alex fuhr sich mit der Hand über sein Kinn, während die Gedanken durch seinen Kopf schossen.
»Lass uns lieber den Flug nehmen«, sagte Alex und bemerkte die Enttäuschung in Marias Gesicht. »Sei mir nicht böse aber ich bin noch ziemlich durcheinander. Der Flug dauert sowieso so endlos lange, da haben wir doch noch genug Zeit zum Reden.« Es klang nicht sehr überzeugend.
Maria richtete sich auf, nahm ihr Smartphone aus ihrer Handtasche und fing an sich damit zu beschäftigen, während Alex an die weiße Decke starrte und versuchte seine Erinnerungen zu unterdrücken.
»OK. Die Flüge sind gebucht.« Maria sah ihn nachdenklich und etwas enttäuscht an. »Ach ja, ich habe mit der Krankenschwester gesprochen. Ich kann dich morgen früh abholen. Die Schwester meinte, gegen zehn wäre gut, dann sind sie mit dir fertig«, wobei sie die letzten Worte betonte, während sie ihn leicht in den Oberarm boxte.
»Hoffentlich lassen die Schwestern noch was von dir übrig«, versuchte sie zu scherzen, während Alex nur zustimmend brummte und die Mundwinkel verzog.
»Danach holen wir unsere Sachen ab. Ich schleppe das ganze Gepäck nicht alleine zum Flughafen, okay?«.
»Ja, klar«, Alex bemühte sich zu lächeln. »Und danke für alles.«
»Schon in Ordnung«, sagte Maria, drückte ihm einen Kuss auf die Wange und erhob sich eilig.
»Ich sehe mir noch ein paar Läden an. Ich möchte unbedingt noch einen Schlüsselanhänger mit einem Kiwi und ein paar Souvenirs brauchen wir doch auch noch. Schließlich kommen wir ja nicht alle Tage nach Neuseeland und du kannst doch bei deiner kleinen Nichte nicht ohne ein Mitbringsel auftauchen.« Sie zog die Augenbrauen hoch, lächelte kurz und winkte ihm zu, während sie zügig das Zimmer verließ.
Niemals hätte er an irgendwelche Souvenirs gedacht. Alex war froh, dass Maria sich um alles kümmerte. Er selbst schien irgendwie neben sich zu stehen und er fühlte sich unsicher. Es war Unsicherheit, gepaart mit etwas Angst. Das musste er sich eingestehen.
Er war kein ängstlicher Typ, aber im Moment plagte ihn eine Mischung aus Zukunftsangst und beunruhigenden Szenen aus der Vergangenheit.
Alex wünschte sich ein paar von den Erinnerungslücken, über die seine Teamgefährten klagten, dann wäre etwas mehr Ruhe in seinem Kopf. Zumindest konnte er froh sein, dass sie die Lücken hatten und er hoffte, dass sie auch in Zukunft nicht fähig sein würden, sich an alle Geschehnisse zu erinnern.
Eria, so würden mich die Menschen wohl nennen, jedenfalls nannte mich Alex so und er war einer von ihnen.
Er konnte meinen Namen nicht korrekt aussprechen. Sein Sprachorgan war, für die dafür notwendige Frequenz, nur unzureichend ausgebildet. Allerdings beschäftigten mich die Geschehnisse zu sehr, um diese Nebensächlichkeit als besonders wichtig zu erachten.
Im Nachhinein betrachtet, bringe ich einiges an Nachsicht für ihn auf, denn immerhin war er nur ein Mensch. Ob er sich typisch für seine Gattung verhielt, kann ich nicht beurteilen, da dieser Kontakt mit einem Vertreter der menschlichen Art, der Erste für mich war und ganz sicher ebenso einzigartig bleiben wird.
Vor zehn Tagen habe ich die Erde verlassen und ich muss zugeben, dass meine Gefühle gemischter Art waren, was diesen Abschied betraf.
Allein die Tatsache, dass ich mir derart viele Gedanken über meine Gefühle mache, ist schon irritierend genug und ungewöhnlich für unsere Spezies. Mein Aufenthalt sollte rein wissenschaftlichen Interessen dienen und bedeutet für mich doch viel mehr, als ich mir jemals hätte vorstellen können.
Die kurze Zeitspanne und die verlassene Gegend, in der ich mich befand, verhinderten, dass ich mir mehr als einen minimalen Eindruck von der Erde und dem Verhalten ihrer Bewohner verschaffen konnte.
Sicher war dies auch so vorgesehen und ich hatte nie die Absicht den Planeten oder seine Bewohner näher zu erkunden, ganz im Gegenteil.
Wir hatten unsere Mission gezielt, mit einem sehr engen Zeitrahmen, geplant. Ein Kontakt zu den Bewohnern der Erde war nicht vorgesehen und natürlich, hatten wir sie nicht um Erlaubnis gefragt. Die Menschen interessierten uns nicht und das, was ich erlebt hatte, würde allein meine Angelegenheit sein. Das heißt, solange niemand etwas davon erfährt.
Trotz der kurzen Zeit, hat mich die Mission verändert, ob ich es wahrhaben will oder nicht. Ich wurde nicht gefragt. Die Dinge sind einfach geschehen und wie bei einer Naturgewalt, schienen sie gnadenlos auf mich einzustürmen, um mich herauszufordern. Eine ungeahnte Herausforderung bedeutet es für mich jetzt, die Erinnerungen zusammenzufassen, die nur für mich bestimmt sind.
Den offiziellen Forschungsbericht habe ich längst weitergeleitet und ich hatte mit meinem analytischen Verstand und meinem Ordnungssinn keine Schwierigkeiten, die für die Forschungsabteilung relevanten Details abzurufen.
Probleme bereitet es mir, die weniger greifbaren Dinge einzuordnen, die Gefühle und Gedanken, die sich gerne meiner Erinnerung entziehen, da sie mir relativ fremd sind. Darin habe ich wenig Übung, was keineswegs ungewöhnlich ist; für eine Cygronierin.
Ich fühlte einerseits Erleichterung darüber, endlich wieder mit normalen, mir vertrauten, Wesen sprechen zu können und andererseits machte sich, ein mir bis dahin fremder, Eigenwille breit.
Schon beim Abschied von der Erde, den ich gerne noch etwas hinausgezögert hätte, bemerkte ich diesen Eigenwillen. Er schien sich in mir auszubreiten und verunsicherte mich zutiefst. Nichts konnte allerdings den Zeitpunkt der Abreise, der unverrückbar feststand, ändern.
Der Impuls zum Transfer kam schnell und heftig und ich konnte keinen Blick mehr auf die Erde werfen, bevor sich die kleine Kapsel, in der ich zwei Wochen verbringen musste, vollkommen schloss. Die Zeit reichte dafür nicht aus.
Die einmalige, blaue Ausstrahlung der Erde, die sie so unverwechselbar macht und ihr Magnetfeld, das ich leider nicht untersuchen durfte, obwohl Magnetfelder mein Spezialgebiet sind, würde ich nicht mehr sehen. Ich musste mich der Enge der Isolationskapsel ergeben.
Während der nächsten Tage arbeiteten die kleinen Sauger gründlich und die Einrichtung zur Dekontaminierung war mit mir gut beschäftigt.
Um sicher zu gehen dass keine ungewollten Substanzen unseren Raumgleiter besiedelten, musste jedes Crewmitglied, das die Erde besucht hatte, eine vierzehntägige Zeit der Isolation in der Kapsel verbringen.
Die Sauger mit ihren langen dünnen Schläuchen machten ihre Arbeit gründlich und ich war mir sicher, dass sich kein einziges Teilchen Erdenstaub mehr an mir oder an meiner Ausrüstung befand.
Die ersten sieben Tage verbrachte ich in einem Schlafzustand, der mir eine optimale Regeneration ermöglichte. Der Aufenthalt auf einem Planeten, außerhalb der eigenen Galaxie, erweist sich, auch für unseren äußerst robusten Körper, als anstrengend und die fremde Resonanz der Erde kann unsere Gehirnaktivität beeinflussen.
Für unsere Mission auf der Erde war die vermeintlich größte Herausforderung die fehlende Schwere der Luft. Ihre Eigenschaft der Leichtigkeit, begünstigt eine oberflächlichere Atmung, was sich ermüdend auswirkt und die Konzentration erschwert.
Meine eigene Herausforderung bestand allerdings weniger aus Problemen, die sich auf die Luftzusammensetzung bezogen.
Unsere Körper sind imstande, vieles scheinbar unmerklich auszugleichen, doch während der Ruhephase in der Isolation, zeigt sich die noch vorhandene Anspannung. Sie kann sich unkontrolliert entladen, was durchaus heftige körperliche Reaktionen verursacht.
Für deren Kontrolle hat sich der Aufenthalt in der Kapsel optimal bewährt, da alle notwendigen Untersuchungen durch die Wand der Kapsel durchgeführt werden können und die Arbeit der restlichen Besatzung nicht beeinträchtigt wird.
Verletzungen können behandelt, Gehirnwellen korrigiert und körperliche Überreaktionen durch vorübergehende Einschränkung der Muskelaktivität abgefangen werden.
Für alle bekannten Komplikationen gibt es Gegenmaßnahmen, deren Wirkungen garantiert erfolgreich sind und die unbekannten Komplikationen lagen immer außerhalb meiner persönlichen Vorstellung. Bis zu dem Zeitpunkt, als sie sich mir zeigten.
Nachdem ich die ersten sieben Tage in einem leichten Schlafzustand verbracht hatte, spürte ich diese kurzen Zuckungen, die entstanden, wenn der Schlafzustand beendet wurde. Ich fühlte langsam wieder Bewegung und Wärme in meinen Körper zurückkehren.
Die Wärme war es, die mich jeden Körperteil wieder spüren ließ und mir bewusst machte, wie sehr ich, als wechselwarmes Wesen, auf sie angewiesen bin. Meine Körpertemperatur erreichte langsam wieder den Normalzustand und ich begann die Funktionstüchtigkeit meiner Gliedmaßen zu überprüfen.
Alles schien wie immer zu sein und doch wagte ich nur vorsichtig, meine Augen langsam zu öffnen. Es kostete mich Überwindung, ruhig zu bleiben und mich der Enge der Kapsel zu ergeben.
Die Unruhe, die ich innerlich spürte, beeinträchtigte mein Denkvermögen enorm.
Ich hätte ein Mittel zur Beruhigung ordern können, aber es würde mein Denkvermögen noch mehr einschränken und das wollte ich nicht riskieren. Die Gefahr, dass ich mich verraten würde, war zu groß.
Es war bedrückend, in dieser engen Kapsel eingesperrt aufzuwachen und zu wissen, dass ich diese Enge und Stille noch einige Tage ertragen musste. Abgesehen von den leisen Pump- und Sauggeräuschen, drangen keine Außengeräusche in die Kapsel.
Die Welle der Erinnerung begann sich aufzubäumen, bereit, um auf mich einzustürzen und ich zwang mich, meine Atmung zu verlangsamen, um die Kontrolle zu behalten. Ich konnte nicht riskieren, dass mich die Erinnerungen kontrollierten und ich beschloss, nach einem Besatzungsmitglied zu rufen, um mich an den Muskelstimulator anzuschließen zu lassen. Damit würde sich zumindest meine körperliche Unruhe regulieren.
Ich erschrak, als die Köpfe einiger Besatzungsmitglieder vor der durchsichtigen Abdeckhaube der Kapsel, auftauchten und im ersten Moment erschienen sie mir fast fremdartig.
Die letzte, intensive Wahrnehmung eines Wesens hatte auf der Erde stattgefunden und es war der Blick in ein menschliches Gesicht gewesen. Kann es sein, dass mir etwas, seit langem Vertrautes, so schnell, so fremdartig erscheinen konnte?
Es war ein seltsamer Gedanke, der zum Glück nur kurz auftauchte aber ich hatte schon angesetzt, um meine Hand zur Begrüßung zu heben, als mir bewusst wurde, dass dies eine Form der Begrüßung darstellte, die unter Cygroniern nicht üblich war.
Die Köpfe der Besatzungsmitglieder verschwanden wieder und Omgrans Gesicht tauchte auf. Er legte seine Stirnplatte zur Begrüßung für einen kurzen Moment auf die Sichtscheibe und ich fühlte, dass er mich gerne berührt hätte.
Er ist mein persönlicher Betreuer oder genauer gesagt, derjenige unter den Besatzungsmitgliedern, der neben seinen sonstigen Tätigkeiten, für mich zuständig ist. Omgran ist der einzige Cygronier auf dieser Reise, der mehr als das Notwendige mit mir gesprochen hatte. Er brachte mich auf den neuesten Stand der Geschehnisse.
Alle Forschungsmitarbeiter waren, bis auf einen Knochenbruch und einem fehlenden Schwanzende, körperlich unversehrt an Bord zurückgekehrt. Der Knochenbruch schien kompliziert zu sein und erforderte einen Eingriff durch die Kapselwand.
Unter keinen Umständen würde die Isolationskapsel noch während der Dekontaminationszeit geöffnet werden. Es hatten sich Bakterien in der Wunde vermehrt, was die Wundheilung verzögerte. Die Verletzung hätte früher behandelt werden müssen aber der Forschungsauftrag hatte Vorrang und der Mitarbeiter wollte die Probenentnahme ordnungsgemäß beenden.
Verständlicherweise hätte jeder von uns so gehandelt und Omgran vertraute mir an, dass diesem Mitarbeiter, nach unserer Rückkehr, eine Ehrung ziemlich sicher war.
Was gäbe es wohl für einen Empfang für mich, wenn sie herausfinden würden, dass ich gegen ausdrückliche Befehle gehandelt hatte?
Der Verlust eines Schwanzendes war nicht weiter erwähnenswert, da er von alleine wieder nachwächst. Danach ist er zwar etwas kleiner, was seine Funktion als Stabilisator aber nicht relevant beeinträchtigt und rein optischer Natur ist. Des Weiteren waren keine besonderen Vorkommnisse aufgetreten und die ordentliche Vorbereitung hatte sich ausgezahlt.
Planung, Organisation und präzises Arbeiten ist eine große Stärke unserer Spezies und hat uns schon gegen scheinbar übermächtige Gegner siegen lassen. Was nicht heißt, dass wir eine streitbare Spezies sind, denn es ist nicht im Sinne des Allgemeinwohls, Leben auszulöschen und kriegerische Auseinandersetzungen zu führen.
Wir vermeiden Angriffe auf andere Arten, besonders, wenn wir davon ausgehen können, dass sie weiter entwickelte Waffen besitzen und ein Sieg, trotz unseres analytischen Verstandes, nicht sicher wäre.
Wir setzen unsere Energie lieber für unsere zahlreichen Forschungsprojekte ein, die vor allem der Weiterentwicklung unserer Spezies und der Stabilisierung unserer Lebensgrundlagen auf Cygron, unserem Heimatplaneten, dienen.
Wenn ich an Cygron denke, stellt sich eine gewisse Ungeduld ein, die gepaart ist mit der Hoffnung, dass sich bestehende Verbindungen über die Distanz wieder auflösen werden.
Es wird fast ein Jahr vergehen, bis ich Cygron wieder betreten werde und ich spürte ein Gefühl der Sehnsucht, das mir neu war.
Ich hatte vorher nie wahrgenommen, was das Leben auf Cygron ausmachte, was der Planet an sich, mir bedeutete und ich hätte mir niemals vorstellen können, dass ich ihn, mitsamt seiner Bewohner, derart stark vermissen würde.
Ich hatte mir keine Gedanken über meinen Planeten gemacht, wenn nicht gerade ein Sturm über die Felsen tobte, der mir ein Arbeiten unmöglich machte und mich dazu zwang tagelang in einer Felsspalte ausharrend, zur Untätigkeit verdammt, auf sein Ende zu warten.
Ein Heimatplanet ist eine so solche Selbstverständlichkeit, der man erst dann die nötige Aufmerksamkeit widmet, wenn sich Vertrautes ändert, das Überleben erschwert oder gar bedroht wird.
Erst, wenn man sich einem anderen Planeten nähert, wenn man die Ausstrahlung spürt, die ihn umgibt, seine Anziehungskraft, seine Frequenz und seinen Magnetismus wahrnimmt, werden die Unterschiede deutlich.
Erst wenn man einen anderen Planeten betritt, wird einem bewusst, was der Heimatplanet für eine Bedeutung hat.
Den offiziellen Bericht über meine geleistete Arbeit auf der Erde zu verfassen hatte mir keine Zeit gelassen, um über Cygron nachzudenken. Es ging um die entnommenen Proben der Mikroorganismen, deren Herkunft, Vorkommen und Eigenschaften.
Die Sicherung der wissenschaftlich relevanten Daten war eine anspruchsvolle, wichtige Arbeit und Teil unserer Mission, wobei ich nicht behaupten kann, dass das Verfassen eines Forschungsberichts zu meinen bevorzugten Tätigkeiten gehört.
Ich zuckte zusammen, als Omgrans Gesicht plötzlich über meiner Kapsel auftauchte. Er sah mich verwundert an und an seinem Gesichtsausdruck konnte ich ablesen, dass er nach etwas suchte.
Omgran ist ein stattliches, männliches Exemplar unserer Spezies. Er ist groß und ungewöhnlich kräftig dafür, dass er die meiste Zeit auf Raumgleitern verbringt. Er mag es, wenn ich mich in seiner Nähe aufhalte. Seit ich wieder auf dem Gleiter zurück bin, kann ich es spüren.
Vorher hatte ich mich nicht um solche Nebensächlichkeiten gekümmert. Aber falls es schwierig für mich werden würde, konnte Omgran meine Rettung sein. Er betrachtete die gleichmäßigen Muskelbewegungen, die der Simulator bei mir auslöste.
Omgran fragte nach, wie es mir ging. Ob ich mich gut fühle und ob sich die Unruhe gelegt hat. Ich bestätigte ihm, dass alles in Ordnung war. Er injizierte mir ein, wie er sagte, ganz leichtes Beruhigungsmittel und ich widersetzte mich nicht.
Ich konnte sein Interesse an mir spüren. Noch nie zuvor hatte ich ein vergleichbares, männliches Interesse wahrgenommen. Vermutlich war es ein hormoneller Vorgang aber diese Anziehungskraft zwischen uns, machte mich unruhig.
»Deine Dekontamination ist soweit abgeschlossen.« Omgran zögerte kurz und sah mich danach prüfend an.
»Es wurden menschliche Haare an deiner Ausrüstung gefunden, hast du eine Erklärung dafür?«
Ich sah ihn überrascht an, während sich meine Haut spannte. »Nein habe ich nicht«, entgegnete ich ihm, möglichst schnell und mit einem leicht angewiderten Gesichtsausdruck. Den würde er vermutlich von mir erwarten.
»Ja, gut. Menschliche Haare sind nichts Ungewöhnliches auf der Erde. Die Menschen verlieren sie, im Gegensatz zu uns, in großer Anzahl. Sie sind am ganzen Körper behaart. « Er sah mich nachsichtig an.
»Du weißt nicht viel über die Menschen, wozu auch und sei nicht beunruhigt wegen der menschlichen Haare, sie können keine Krankheiten übertragen.«
Omgran schien mir meine Ahnungslosigkeit abzunehmen. Meine Augen fielen mir immer wieder zu und während ich sie noch ein paar Mal öffnete und schloss, entfernte sich Omgran wortlos.
Omgran war ruhig geblieben aber ich hörte einen gewissen Zweifel in seiner Stimme. Er würde mich ausfragen. Er hatte ein Gespür für Geschichten und ich denke, er wird mir keine Ruhe lassen.
Ich konnte versuchen, diese Erinnerungen zu entfernen. Es war möglich, das wusste ich. Es würde schwierig werden und es erforderte Zeit aber wenn ich von einer Sache mehr als genug hatte, war es Zeit.
Ich hatte nur davon gehört und ich war mir nicht sicher, ob nicht doch ein Rest der Erinnerungen bei mir bleiben würde aber ich musste es versuchen. Die Angst davor, dass meine Verfehlungen aufgedeckt würden, wuchs zunehmend. Der Gedanke daran, was mich auf Cygron erwarten würde, wenn sie die Wahrheit erfuhren, zwang mich dazu.
Mein Dasein wäre nicht mehr lebenswert, wenn sie herausfinden würden, dass ich wiederholt gegen Befehle gehandelt und die Mission gefährdet hatte.
Die Berufung an der Außenmission teilzunehmen, traf mich unerwartet. Ich hatte mich nicht dafür gemeldet und meine Arbeit auf Cygron erschien mir zu wichtig, um sie für eine Außenmission aufzugeben.
Was allerdings nichts daran änderte, dass mir keine Wahl blieb. Berufen zu werden bedeutete, dies auch tun zu müssen und ich hätte nie gewagt den Einsatz abzulehnen. Insgeheim spielte ich gedanklich ein paar Szenarien durch, die es mir ermöglichen konnten, doch auf Cygron zu bleiben, aber die Verletzungen die dafür nötig gewesen wären, hätten schon größerer Art sein müssen.
Bei einem vorsätzlichen Sturz in eine Schlucht oder bei einem Absturz mit meinem Arbeitsgleiter, konnte ich mir auch irreparable Schäden zufügen. Das erschien mir zu riskant und andere Gründe, die mir die Mission ersparen würden, gab es nicht.
Auf Cygron gibt es keine psychischen Beeinträchtigungen, wie sie vielleicht bei anderen Spezies vorkamen und wo sie möglicherweise akzeptiert werden. Ein Cygronier zeigt keine psychischen Beeinträchtigungen, die ihn daran hindern, seine Aufgaben zu erledigen.
Fehler in der Gehirnvernetzung kamen vereinzelt vor aber wir waren in der Lage, diese als solche zu erkennen und es gab Spezialisten, die diese Fehlvernetzungen beheben konnten.
Meine Überlegungen darüber, was mich für den Planeten so wichtig machen konnte, dass ich unverzichtbar wäre, führten zu keinem Ergebnis und es war ein wenig enttäuschend, zu erkennen, dass ich nicht wirklich wichtig zu sein schien. Jedenfalls nicht annähernd so wichtig, wie ich bisher dachte zu sein.
Ich erledigte meine Arbeiten mit äußerster Sorgfalt und Präzision aber es würde immer auch andere geben, die diese Arbeiten ausführen konnten. Sie würden sie anders machen, manches vielleicht schlechter, manches aber auch besser und es gefiel mir nicht, dass es scheinbar nichts gab, worin ich so herausragende Fähigkeiten hatte, die mich unersetzbar machten.
Nichts konnte aber die Tatsache ändern, dass ich, was die Mission betraf, keinen freien Willen hatte. Ich würde daran teilnehmen müssen, ob ich es wollte oder nicht.
Ich arbeitete daran, magnetische Stränge zu entwirren, die sich bei den letzten heftigen Blitzeinschlägen, wie sie auf Cygron häufig vorkamen, verwickelt hatten, als mich die Nachricht über meine Berufung überraschte. Mein Einsatz stand unbeeinflussbar fest. Ich würde an der Erdmission teilnehmen und es war irrelevant, ob ich dies wollte oder nicht.
Um mich ausreichend auf die Mission vorzubereiten, sollte ich an einem Trainingsprogramm teilnehmen und meine eigentliche Arbeit jemand Anderem überlassen, Das gefiel mir nicht und es beschlich mich das Gefühl, dass die Aufgabe, die ich bei diesem Einsatz haben würde, wohl eher von unangenehmer Natur sein würde. Ansonsten hätte es sicher genügend andere, besser geeignete Bewerber gegeben.
Außenmissionen boten eine gute Möglichkeit, um Anerkennung und Auszeichnungen zu ernten, wenn man danach strebte und das taten nicht Wenige. Welchen Grund konnte es geben haben, mich auszuwählen?
Während des Trainingsprogramms wurde mir klar, warum dieser Platz nicht sehr begehrt war. Ich würde einige Tage auf der Erde verbringen, wobei ich vom Planeten selber so gut wie nichts sehen würde, da meine Einsatzgebiete unterirdisch liegen würden.