Erdmännchen und Partner - Annika Hurnaus - E-Book

Erdmännchen und Partner E-Book

Annika Hurnaus

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Beschreibung

Als eines Tages eine riesige Kiste im Gehege der Erdmännchen steht, ist schnell klar: Die Kolonie bekommt einen neuen Mitbewohner. Dass die aufgeweckte und abenteuerlustige Lilly aus Spanien so ganz anders ist als ihre Artgenossen im norddeutschen Zoo, wirbelt insbesondere das ruhige Leben von Erdmännchen Tom gehörig durcheinander. Tom möchte am liebsten den ganzen Tag lesen, Lilly lieber Abenteuer erleben. Zusammen mit Lilly verlässt Tom das erste Mal in seinem Leben sein Gehege, zunächst nur um die Kolonie vor den Angriffen eines Raubvogels zu schützen. Daraus entwickeln sich dann aber schnell neue Abenteuer für die beiden Erdmännchen. Dabei lernen sie andere Tiere kennen und schließen ungewöhnliche Freundschaften. Doch die nächtlichen Ausbrüche bleiben nicht unbemerkt und nicht jeder ist damit einverstanden. Am Ende stellt sich die Frage: Wem können die beiden kleinen Abenteurer alles helfen? Und welche Rolle spielen dabei ein Stachelschwein namens Ottilie und die Meise Mimi?

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Seitenzahl: 89

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Für Jannis, den größten Erdmännchen-Fan von allen, und seine kleine Schwester Milena

Inhaltsverzeichnis

Wie alles begann …

Auf den Kanarischen Inseln, im warmen Spanien, am 14. Juni 2021 …

Im regnerischen Norddeutschland, nur einen Tag später…

Norddeutschland: Vier Monate später…

Kapitel 1: Der große Knall

Kapitel 2: Bienvenida, Lilly!

Kapitel 3: In letzter Sekunde

Kapitel 4: Neue Freiheiten

Kapitel 5: Katerstimmung im Erdmännchen-Gehege

Kapitel 6: Das Vogel-Abwehr-System

Kapitel 7: Ein Festmahl für Carlos

Kapitel 8: Shakespeare für Hedwig

Kapitel 9: Zwei Erdmännchen für alle Fälle

Wie alles begann …

Auf den Kanarischen Inseln, im warmen Spanien, am 14. Juni 2021 …

Plötzlich waren sie da, die drei Männer in Anzügen. Sie tauchten genau zur Mittagsruhe wie aus dem Nichts am Zaun auf. Einer von ihnen war Antonio Moreno, der Direktor des Tierparks auf der spanischen Insel. Die anderen beiden hatte hier aber niemand zuvor je gesehen. Ihrer blassen Haut nach zu urteilen, stammten sie nicht von hier. Dass sich einer von beiden, der dickere und wortreichere, ständig mit einem Tuch Glatze und Stirn betupfte, erhärtete diesen Verdacht.

Während Antonio Moreno und der langsam roter werdende Glatzkopf sich immer gestenreicher unterhielten, versuchte der andere, ein großgewachsener Mann mit Brille, alles schriftlich festzuhalten. Er klammerte sich regelrecht an seinen Block und seinen Stift. Vielleicht waren ihm, im Gegensatz zu den beiden anderen, aber auch die 24 Augen nicht entgangen, die sich inzwischen auf sie gerichtet hatten. Er drehte sich ständig um, als wäre er bei etwas Verbotenem ertappt worden.

Diese 24 Augen gehörten zu den zwölf Erdmännchen, die im Gehege hinter jenem Zaun lebten. Eigentlich waren sie es gewohnt, jeden Tag um diese Zeit ihre Siesta, das Mittagsschläfchen, zu halten. Doch nun waren sie hellwach. Irgendetwas stimmte hier überhaupt nicht. Die Besucher hielten sich zu dieser Tageszeit normalerweise lieber im Schatten oder an der Poolanlage auf, als in der prallen Sonne vor dem Erdmännchen-Gehege zu stehen. Die Erdmännchen spürten, dass sich hier etwas Entscheidendes anbahnte. Würde das etwas Gutes oder etwas Schlechtes für sie bedeuten? Nur einige wenige trauten sich ganz in die Nähe des Zaunes und versuchten, dem Gespräch zu lauschen. Die anderen versteckten sich lieber in den Erdmulden oder unter einem der zahlreichen Steine im Gehege, jedoch immer mit wachsam aufgestellten Ohren.

Viel konnten sie nicht verstehen, denn der Wind stand ungünstig, aber es flogen immer wieder Wortfetzen zu ihnen hinüber. Zudem unterhielten sich die drei Männer auf Englisch – einer Sprache, die nur wenige Erdmännchen dieser Kolonie beherrschten. Glücklicherweise war die Insel-Erdmännchen-Gemeinschaft über die letzten Jahre durch Neuankömmlinge aus allen möglichen Ländern vergrößert worden. Spanisch sprachen inzwischen alle. Hinzu kam, dass den aufmerksamen Tieren auch die Unterhaltungen der Touristen nicht entgingen. So wurde in der Gruppe eine wilde Mischung aus Spanisch, Deutsch, Englisch, Italienisch, Französisch, Afrikaans und Japanisch gesprochen.

Charly, ein neugieriges junges Erdmännchen, das erst im Vorjahr mit seinem Bruder John aus England zur Gruppe gestoßen war, hatte sich ganz nah an den Felsen gedrückt, auf dem der Zaun befestigt war. Der Zaun diente eher dazu, die Besucher abzuhalten. Die findigen Tierchen hatten Möglichkeiten gefunden, sich nach der täglichen Parkschließung heimlich davonzustehlen und eine Runde zu drehen. In Geheimagenten-Manier schlich sich Charly langsam und eng am Felsen entlang zu der Stelle, an der die drei Männer am Zaun standen und lauschte aufmerksam. Die anderen Erdmännchen starrten ihn gebannt an, während seine Gesichtszüge von erschrocken, über traurig hin zu wütend wechselten. Alle redeten aufgeregt durcheinander und riefen immer wieder herüber: „Charly, was sagen sie?“ Doch der legte nur eine Pfote auf den Mund und gab ihnen so zu verstehen, noch etwas abzuwarten, leise zu sein und ihn horchen zu lassen.

Dann schüttelten sich die drei Männer mit großer Geste die Hände, als wären sie sich einig geworden. Sie schauten noch einmal in das Gehege, in dem die Erdmännchen so taten, als hätten sie nichts mitbekommen, und verschwanden genauso schnell, wie sie gekommen waren.

Charly löste sich vom Felsen und rannte sofort zum großen Stein, der mitten im Gehege stand und den Erdmännchen als Versammlungsort diente. Völlig außer Atem sagte er: „Freunde, es ist einfach nur schrecklich!“ Elf Augenpaare starrten ihn an. „Die beiden schwitzenden Männer kommen aus Deutschland und suchen für ihren Zoo noch ein weiteres Erdmännchen“, fuhr Charly fort.

„Nur eines?“, fragte Lucia, das älteste Tier der Gruppe. „Ja, nur eines“, entgegnete Charly, „darüber haben sie auch mit Señor Moreno gestritten. Ihr wisst ja, dass es mit unserem Park finanziell nicht zum Besten steht, vor allem nach diesen schrecklichen Monaten ohne Besucher. Zwei von uns hätte er wohl ohnehin verkaufen müssen. Sie wollten jedoch nur eines und nach langem Hin und Her hat er nachgegeben.“

Alle schauten betreten. „Und wer von uns soll gehen?“, wollte Inès wissen, eine zarte Erdmännchen-Dame, die ursprünglich einmal in Paris gelebt hatte. „Mein zarter Körper würde doch den Transport gar nicht überstehen.“

„Das haben die drei nicht festgelegt“, erwiderte Charly. „Ich fürchte, die Entscheidung, wer in diese Transportbox krabbelt, müssen wir selbst treffen.“

Aufgeregt sprachen alle durcheinander, denn keiner wollte derjenige sein, der allein die Reise ins Ungewisse antrat. Gleichzeitig hingen sie alle aneinander und wollten keinen wegschicken. Nur eine hatte sich die ganze Unterhaltung in Ruhe angehört, ohne etwas dazu zu sagen – ein junges, im Park geborenes Erdmännchen-Mädchen, das stets eine kleine Blume am rechten Ohr trug. Es trat vor und sagte entschlossen: „Ich werde gehen.“

Im regnerischen Norddeutschland, nur einen Tag später…

„Was ist das nur wieder für ein Sauwetter?“, fragte Heidi ihren Kollegen Rolf, während sie gemeinsam den Fußboden des Innengeheges der Erdmännchen säuberten. „Vielleicht haben wir Glück und der Regen hört auf, bevor wir gleich auf die Außenanlage müssen“, entgegnete der. „Richtiges Aprilwetter, nur dass es Juni ist, und das schon seit Tagen. Dabei könnten wir die ganzen Besucher nach den zahlreichen Wochen ohne Betrieb gut gebrauchen“, ergänzte Heidi, „sonst geht es uns wie dem Zoo, von dem wir nun unser neues Erdmännchen bekommen. Der liegt irgendwo in Spanien und hat durch die Corona-Zeit solche finanziellen Engpässe, dass er bereit ist, uns ein Tier zu verkaufen.“

„Nur EIN Tier? Das kann doch nicht sein Ernst sein! Da sieht man mal wieder, dass unser neuer Direktor Schwermuth keine Ahnung von Tierhaltung hat. Er hat nur das Geschäft im Sinn. Vermutlich ist er mit seinem Finanzbuchhalter, dem alten Erbsenzähler, extra nach Spanien geflogen, um den Preis für das eine Erdmännchen noch zu drücken. Immer geht es nur ums Geld – damit er sich dann solche kleinen Ausflüge genehmigen kann“, erwiderte Rolf.

„Ja, vermutlich fliegt er demnächst noch nach China, um einen Panda auszusuchen, oder nach Kanada, um einen Bären direkt aus dem Wald wegzukaufen – natürlich immer nur zum Wohle des Zoos, ist ja klar. Hoffentlich hat er sich in Spanien wenigstens seine Glatze verbrannt“, sagte Heidi und kicherte. „Wie dem auch sei“, wurde sie wieder ernst, „wir müssen versuchen, dem Tierchen hier einen möglichst angenehmen Start zu ermöglichen.“

„Huch!“, erschreckte sich Rolf plötzlich. „Was machst du denn noch hier drin? Alle anderen sind doch draußen.“

Mist, dachte sich Erdmännchen Tom, da hatten ihn die beiden Tierpfleger doch noch entdeckt. Dabei hatte er sich so gut versteckt. Er hatte mal wieder keine große Lust gehabt, mit den anderen nach draußen zu gehen. Während die sich dort unter der Wärmelampe tummelten, fand er drinnen Ruhe, um ungestört sein Buch weiterzulesen.

Immer wieder ließen Besucher achtlos Bücher oder Zeitschriften ins Gehege fallen, die sich Tom in einem unbeobachteten Moment schnappte und in seine Bibliothek schleppte. Hin und wieder brachten ihm Heidi und Rolf auch neue Lektüre mit, weil sie es so niedlich fanden, wenn er durch die Seiten blätterte. Dass er es auch lesen konnte, ahnten sie natürlich nicht.

Die anderen Erdmännchen seiner Kolonie fanden es zwar seltsam, dass er lieber mit der Nase in seinen Büchern hing als mit ihnen durch das Gehege zu sausen, aber sie ließen ihn, wie er ist. Denn wenn jemand von ihnen etwas wissen wollte, konnte er sicher sein, dass Tom die Antwort kannte.

Dass Tom nun zufällig solche aufregenden Neuigkeiten aufschnappen würde, hatte er nicht erwartet, als er sich im Innengehege versteckt hatte. Ein Erdmännchen aus Spanien, überlegte er, wie soll sich das nur mit uns verständigen? Spanisch sprach von ihnen kein einziges Erdmännchen. Darüber würde er nachdenken müssen und vielleicht einmal in seiner Bibliothek nach einem Wörterbuch schauen. Nun aber wurde er von den beiden Tierpflegern nach draußen in den Regen gescheucht.

Schnell flüchtete er sich unter die Wärmelampen, wo er aufgeregt von den Neuigkeiten berichten wollte. Großes Interesse schlug ihm jedoch nicht entgegen, denn die meisten seiner Mitbewohner dösten vor sich hin. Und da er kein Freund davon war, große Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, ließ er es vorerst auf sich beruhen, legte sich dazu und genoss die Wärme auf seinem Körper.

Norddeutschland

Vier Monate später…

Kapitel 1

Der große Knall

Schwere Gewitterwolken zogen über den Zoo. Seit Stunden regnete es und im Erdmännchen-Gehege hatten sich bereits große Pfützen gebildet. Von Besuchern war in diesen Tagen kaum etwas zu sehen. Die saßen wohl lieber zu Hause, tranken warmen Kakao und wärmten sich bei einem heißen Bad. So wunderte es auch nicht, dass sich die Erdmännchen-Gemeinschaft ziemlich geschlossen dafür entschieden hatte, im Innengehege zu bleiben. Ihre Tierpfleger Heidi und Rolf hatten ihnen jedoch freundlicherweise die Tür nach draußen offen gelassen.

Es hätte wieder einer dieser sehr langen, sehr langweiligen Herbsttage werden können, an denen den Erdmännchen beim „Ich sehe was, was du nicht siehst“-Spiel irgendwann die Farben im eintönig bemalten Innengehege ausgegangen wären. Aber gerade als Manni, das vorlauteste Erdmännchen der Kolonie, ein herzhaftes Gähnen von sich gab und ein „Mir ist sooo langweilig …“ herausstöhnte, knallte es draußen einmal laut. Erschrocken rotteten sich alle vierzehn Erdmännchen zusammen und starrten ängstlich in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war. Keiner traute sich, auch nur einen Mucks von sich zu geben. „Wo sind eigentlich Heidi und Rolf, wenn man sie mal braucht?“, flüsterte Josy und zitterte am ganzen Körper.

Mindestens zehn Minuten saß die sonst so freche Horde still und ohne jegliche Regung auf einem Haufen. Alle warteten darauf, dass es einen weiteren Knall geben würde. Der aber blieb aus. Als Erster bewegte sich Rodney, das älteste Erdmännchen der Kolonie, weil er langsam, aber sicher, einen steifen Hals bekam. Josy hatte sich nämlich voller Panik quer über ihn geworfen. Nach und nach entspannten sich nun auch alle anderen Erdmännchen, schüttelten sich kräftig durch und gingen zu dem über, was sie vor dem großen Knall getan hatten.