Escape Room – Es gibt kein Entkommen - Maren Stoffels - E-Book

Escape Room – Es gibt kein Entkommen E-Book

Maren Stoffels

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Beschreibung

Bereit für eine Nacht im Escape Room?

Alissa, Sky, Milas und Mina wollen sich einfach einen tollen Abend machen. Also nichts wie los zu einem Escape-Room-Event. Alles ganz easy. Sie wählen ein Spiel aus. Lassen sich in einen Raum sperren. Finden die Hinweise. Lösen die Rätsel. Haben jede Menge Spaß. Und sind wieder draußen nach 60 Minuten – zumindest war das der Plan. Aber was, wenn der Raum zur tödlichen Falle wird ...

Ein atemberaubender Thriller, den man nicht mehr aus der Hand legen kann.

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Seitenzahl: 171

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MAREN STOFFELS

Es gibt kein Entkommen

Aus dem Niederländischen von Katja Hildebrandt

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Erstmals als cbt Taschenbuch Januar 2022

© 2017 Maren Stoffels

Die Originalausgabe erschien 2017 unter dem Titel »Escape Room« bei Uitgeverij Leopold, Amsterdam

© 2022 für die deutschsprachige Ausgabe cbj Kinder- und Jugendbuchverlag in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München

Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten

Übersetzung: Katja Hildebrandt

Umschlaggestaltung: Guter Punkt, München

unter Verwendung der Abbildungen von © iStockphoto (tomnamon, javarman3, tongdang5, choness)

MP · Herstellung: IH

Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

Druck: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN978-3-641-27703-1V001

Printed in Germany

www.cbj-verlag.de

Für Annemieke, weil du immer da bist, selbst wenn du dich am anderen Ende der Welt befindest.

WAS ZUVOR GESCHAH

Ich kann ES von hier aus sehen.

ES sieht mich nicht. ES muss büßen. Für alles.

Ich brauche nur ein Zeichen.

Bitte.

Gib mir ein Zeichen, dass ich anfangen kann.

MINA

»Er ist schwul, ganz sicher.« Sky sitzt hinter Alissa und mir auf der Banklehne. Außer uns dreien ist sonst niemand hier im Park.

»Das glaube ich nicht.« Alissa holt ihr Portemonnaie heraus. »Um wie viel wollen wir wetten?«

Ich habe keine Ahnung, über wen meine beiden besten Freunde reden. Es ist oft so, dass ihre Unterhaltungen an mir vorbeiziehen, als wäre zwischen uns eine Mauer.

Alissa wedelt mit einem Fünfeuroschein herum, was mich an den ersten Tag der Oberschule erinnert. Ich glaubte damals, sie hätte eine Wette abgeschlossen.

An jenem ersten Morgen kam sie zu mir an den Tisch und fragte, ob der Platz neben mir schon besetzt sei. Alissa ist die Art von Mädchen, die überall hätte sitzen können, so unglaublich hübsch ist sie. Ihre Augen haben die Farbe des Meeres an der italienischen Küste, wo ich den Sommer verbracht hatte. Misstrauisch schaute ich mich um. Wo waren ihre kichernden Freundinnen, um mich auszulachen, weil ich darauf reinfiel?

Doch es war niemand außer uns im Klassenraum.

Skys Stimme bringt mich zurück in die Gegenwart. »Lass uns um eine Pizza wetten. Milas kann sie uns liefern, das ist perfekt.«

Also geht es um Milas, der mit Sky in der Pizzeria jobbt. Ich habe ihn noch nie gesehen, aber Alissa hat ihn schon ein paarmal erwähnt.

Eine junge Frau mit blondem Haar und einem roten Schal um den Hals kommt in den Park gejoggt. Als sie an uns vorbeiläuft, lächelt sie mir kurz zu.

»Er ist auf dem Weg zu uns, also heißt es jetzt abwarten.« Sky steckt das Handy in seine Tasche und dreht sich eine Zigarette. Er kauft nie fertige Zigaretten. Sky macht immer alles auf seine eigene Art.

»Hat es eigentlich wehgetan?«, höre ich Alissa fragen, was mich gedanklich wieder zurück auf die Parkbank bringt.

Ich folge Alissas Blick zu Skys Augenbrauenpiercing, das er sich vor einiger Zeit hat stechen lassen. Als er am nächsten Tag in die Schule kam, war die Haut um das Piercing herum rot und geschwollen. Kurz berühre ich meine eigene Augenbraue, die damals ebenfalls wehgetan hatte.

Früher dachte ich lange, es sei Zufall, doch als Alissa sich irgendwann beim Sportunterricht das Handgelenk brach, hatte ich in meinem wochenlang Schmerzen. Verrückt.

Kann ich die Schmerzen von anderen Menschen spüren? Ist das möglich? Es fühlt sich übernatürlich an, seltsam. Und falls es irgendjemand herausfindet, werden alle denken – noch mehr als sowieso schon –, dass ich irre bin.

Sky deutet auf seine Augenbraue. »Am Anfang kam so viel Eiter raus, dass ich mir damit einen Smoothie hätte machen können.«

Alissa gibt ihm einen Schubs und er fällt fast von der Banklehne. »Hör auf! Sonst trau ich mich nicht mehr.«

Seit wann will Alissa sich ein Piercing stechen lassen? Ich versuche mir vorzustellen, wie so ein kleiner Ring an ihrer Augenbraue aussehen würde.

Vor ein paar Wochen sollten wir im Kunstunterricht Kleidung aus Müllsäcken herstellen. Alissa zog sich ihren Müllsack über den Kopf und tackerte ihn an der Seite zusammen. So stolzierte sie dann durchs Klassenzimmer, als wäre sie auf dem Catwalk, und ein paar Jungen fingen an zu pfeifen. Selbst in diesem Müllsack sah sie umwerfend aus.

»Wo bleibt die Pizza?«, fragt Alissa ungeduldig.

»Milas hat eine halbe Stunde Zeit, die Pizza zu liefern. Kommt er später, ist die Pizza umsonst. So sind bei uns die Liefervorschriften.«

In dem Moment kommt ein Roller mit einer blauen Gepäcktasche hinten drauf in den Park gefahren.

Sky greift nach meinem Handgelenk und sieht auf die Uhr. »Auf die Minute. Typisch Miles. Er ist ein pünktlicher schwuler Typ.«

»Hör auf.« Alissa streicht ihr T-Shirt glatt. Es ist nur eine kleine Bewegung, aber ich merke, dass sie nervös ist. Mein Magen rumort, so als würde ich kurz vor einer wichtigen Prüfung stehen.

Milas’ Roller kommt direkt vor unserer Bank zum Stehen und er winkt Sky zu. Als er das Visier seines Helms hochschiebt, sehe ich ein Augenpaar so hellblau wie Alissas. Doch Milas’ Augen haben etwas Kaltes an sich. Nichts davon erinnert an italienisches Meer, vielmehr gleichen sie Gletscherwasser. Mich überkommt ein seltsames Gefühl, das ich nicht richtig einordnen kann.

»Eine Pizza Salami?« Der Junge nimmt einen Pizzakarton aus der Tasche. Bei dem Geruch nach geschmolzenem Käse läuft mir das Wasser im Mund zusammen.

»Jepp, die ist für uns.« Dann deutet Sky auf Alissa. »Sie zahlt.«

»Das glaubst du.« Alissa sieht zu dem Jungen. »Hey, Milas.«

MILAS

Ich mag es nicht, wenn jemand meinen Namen kennt, ich aber nicht seinen. Das fühlt sich so an, als würde ich null zu eins hinten liegen.

Ich habe das Mädchen schon mal gesehen, Sky trifft sich manchmal nach der Arbeit mit ihr. Sie ist mir sofort wegen ihrer Augen aufgefallen, denn sie sind genauso blau wie meine. Mein Vater hat immer gesagt, außer ihm und mir gäbe es niemanden mit solchen blauen Augen, aber er hat sich getäuscht. Die Augen dieses Mädchens sind hypnotisierend.

Hat Sky ihr meinen Namen verraten?

Das Mädchen lächelt. »Willst du ein Stück?«

Eigentlich muss ich gleich wieder los, aber etwas in ihrer Stimme lässt mich zögern.

Erst in diesem Moment bemerke ich, dass noch ein anderes Mädchen auf der Bank sitzt. Sie lehnt sich ein bisschen nach vorne, sodass ihr Gesicht von ihren langen, glatten Haaren verdeckt wird, wie von einem Vorhang. Sie scheint nicht wirklich dazuzugehören.

»Du hast doch gleich Pause, oder? Komm schon, nimm ein Stück.« Anscheinend kennt das blauäugige Mädchen nicht nur meinen Namen, sondern auch meine Arbeitszeiten.

Ein Teil ihres Nackens ist von der halb offenen Jacke nicht verdeckt. Wie würde es sich wohl anfühlen, die weiche Haut an dieser Stelle zu küssen?

Bei dem Gedanken zucke ich zusammen. Nach der Sache mit Karlijn habe ich beschlossen, nie wieder etwas für ein Mädchen zu empfinden. Es ist leichter, alle abzuweisen, als eine an sich heranzulassen. Denn wenn man sie an sich heranlässt, beginnen sie Fragen zu stellen. Fragen, die ich nicht beantworten kann.

Ich sollte wirklich gehen, doch ohne zu wissen, warum, nehme ich den Helm ab und setze mich neben das hübsche Mädchen.

»Hier.« Sie reicht mir die Pizzaschachtel. Während ich kaue, wage ich es, sie genauer anzusehen. Es muss etwas an ihr geben, das mir nicht gefällt, etwas, das mir später hilft, sie zu vergessen.

Doch ihre Stimme klingt so, als würde sie singen, ihre Augen sind unendlich blau und sie riecht wie ein sommerlicher Herbsttag.

Ich bin mir nicht sicher, ob ich sie überhaupt vergessen will.

Ich schlucke ein Stück Pizza hinunter. »Und wer bist du?«

ALISSA

Wir sitzen so dicht nebeneinander, dass Milas’ Bein meines berührt. Durchdringend sieht er mich an, als hoffe er, etwas in meinem Gesicht zu finden. Seine Augen scheinen jeden Zentimeter meiner Haut zu durchleuchten.

Bis eben habe ich noch nie ein Wort mit Milas gewechselt, aber ich habe ihn jedes Mal, wenn ich Sky von der Arbeit abgeholt habe, aus der Ferne beobachtet.

Milas fällt auf. Nicht, weil er gut aussehend ist, sondern weil er es scheinbar nicht sein will. Es kommt mir so vor, als würde ihn sein Aussehen quälen. Und so etwas bemerke ich.

Jungs ziehen mich gern mit ihren Blicken aus und das macht mich wahnsinnig. Andreas ist der letzte Junge, den ich geküsst habe, und ich mochte ihn wirklich sehr. Aber nach unserem Kuss habe ich gehört, wie er vor seinen Freunden damit geprahlt hat, dass er mit einem »heißen« Mädchen rummacht. Mehr als das bin ich also nicht?

Sky sieht ebenfalls gut aus, aber er hat auch etwas Raues an sich, was viele Leute vermutlich ein wenig beängstigend finden. Eigentlich eine gute Idee, sich so zu geben, um andere auf Abstand zu halten.

Manchmal starre ich zu Hause mein Spiegelbild an. Ich traue mich nicht, mir ein Tattoo stechen zu lassen, aber wie wäre es mit einem Piercing? Ich habe mir schon mal mit einem Stift einen Punkt auf einen Nasenflügel gemalt. Allein der Gedanke an einen Knopf in der Nase hat bewirkt, dass ich mich stärker fühlte.

»Und wer bist du?«, fragt Milas.

»Alissa.«

»Bist du schwul?«, fragt Sky.

Ich verstehe, warum die Lehrer sagen, dass er zu direkt ist. Manchmal benimmt er sich wie eine Dampfwalze.

Milas schüttelt irritiert den Kopf. »Nein, bin ich nicht.«

Sky zündet sich seine Zigarette an. »Kein Grund, angepisst zu sein. Schwule Typen sind cool.«

Milas steckt sich den Rest seines Pizzastücks in den Mund und steht auf. »Ich muss los.«

Will er wegen Skys Frage so plötzlich gehen? Ich merke, wie ich mich ärgere, denn ich möchte, dass Milas mich noch einmal so ansieht wie eben. Es war, als könne er viel mehr sehen als nur mein Äußeres.

»Sky bezahlt die Pizza«, sage ich. »Und übernimmt das Trinkgeld.«

SKY

Ich könnte mich ohrfeigen.

Alissa mag ihn.

Ich dachte, hier ginge es nur um eine Wette, aber Alissa hat ihn auf eine Art angelächelt, die nur sie draufhat. Mit diesem Lächeln, das alle Jungen dazu bringt, ihr zu verfallen.

Als ich nach Hause komme, drehe ich die Verstärker meines elektrischen Schlagzeugs voll auf. Schlagzeugspielen hilft eigentlich immer, aber nicht heute. Selbst nach einer halben Stunde zittern meine Hände immer noch vor Ärger und ich ziehe die Kopfhörer herunter.

Warum kann ich mich nicht beruhigen?

Alissa hat keine Ahnung, dass ich Caitlin nur aus einem Grund um ein Date gebeten habe – um keine Aufmerksamkeit mehr zu erregen.

Caitlin geht in unsere Parallelklasse und ist echt in Ordnung. Man könnte sogar sagen, die beiden sehen sich ähnlich, doch Caitlins blaue Augen sind nichts gegen das Original.

Ich lass mich aufs Bett fallen und betrachte das Gruppenfoto, das auf dem Nachttisch steht. Es immer dort zu sehen, lässt mich schlecht schlafen, aber ohne das Foto ist es noch schwerer.

Ich nehme das Bild in die Hand und halte es mir dicht vors Gesicht. Dort, wo ich manchmal meine Lippen draufdrücke, ist ein kleiner Fleck zu sehen. Das Foto zeigt uns Arm in Arm dicht nebeneinanderstehend.

Am liebsten würde ich alle anderen auf dem Bild abschneiden, aber so kann Alissa mein Zimmer betreten, ohne zu kapieren, was los ist. Dass Mina etwas bemerken könnte, brauche ich nicht zu befürchten, sie schwebt sowieso die meiste Zeit in einer anderen Dimension.

»Du gehörst mir«, sage ich leise. »Du musst es nur erkennen.«

ALISSA

»Kommst du mit?«, frage ich Mina, als sie auf ihr Fahrrad steigt.

»Wohin?«

»Um das Piercing machen zu lassen?«

»Jetzt?« Mina lächelt. Sie weiß, wie ungeduldig ich bin. Wenn ich eine Idee habe, will ich sie sofort umsetzen.

»Klar.«

»Wie findest du es?«, frage ich noch einmal, als wir beide wieder mit den Rädern losfahren.

»Schön.« Mina ist ganz blass geworden, als die Nadel durch meinen Nasenflügel stach. Es war, als wäre sie diejenige mit den Schmerzen.

Jetzt, nur ein paar Minuten danach, sind wir auf dem Weg in die vornehme Gegend, in der Mina wohnt. Als ich das erste Mal bei ihr war, konnte ich meinen Augen nicht trauen. Doch Minas Vater ist Anwalt und verdient offensichtlich sehr viel mehr als mein Pa, der bei der Feuerwehr arbeitet.

Als Mina an der Haustür ihren Schlüssel sucht, geht im Flur das Licht an und ihre Mutter öffnet die Tür.

»Wo warst du?«

Ich weiß, dass Minas Mutter richtig panisch werden kann, aber es überrascht mich trotzdem jedes Mal. Sie redet mit Mina, als wäre sie ein kleines Kind. Meine Schwester ist erst neun, aber selbst sie wird nicht derart wie ein Baby behandelt.

»Ma …« Mina wird rot.

Ihre Mutter nickt mir zu, wendet sich dann aber wieder an ihre Tochter. »Halte dich bitte an unsere Abmachungen.«

Mein Vater trägt bereits seine Feuerwehruniform, als ich nach Hause komme.

»Was hast du da in der Nase?«

Ich drehe den Kopf von links nach rechts. »Gefällt es dir?«

Mein Pa versucht, ein ernstes Gesicht aufzusetzen, aber dann lächelt er. »Ich finde es cool«, sagt er. »Deine Mutter kommt bald nach Hause, Ruben und Koen sind oben«, fährt er fort. »Kannst du Fenna bei den Mathehausaufgaben helfen?«

»Klar.«

Er gibt mir einen Kuss auf die Stirn und macht die Tür hinter sich zu. Ich sehe ihm durchs Fenster hinterher, wie er mit dem Rad die Auffahrt hinunterfährt.

Als ich klein war, lag ich oft stundenlang wach und wartete darauf, dass mein Vater sicher und wohlbehalten von der Arbeit nach Hause kam. Ich wagte es nicht, vorher die Augen zuzumachen. Wenn ich es manchmal nicht schaffte, wach zu bleiben, schrak ich mitten in der Nacht hoch und lief barfuß zum Schlafzimmer meiner Eltern. Lag er dann auf seiner Seite des Bettes, ging ich beruhigt wieder zurück in mein Zimmer.

Inzwischen kann ich zwar schlafen, aber nie sehr tief. Vor allem seit letztem Weihnachten nicht mehr.

Damals sind eines Nachts, als mein Vater Dienst hatte, vier Menschen bei einem Brand ums Leben gekommen, darunter einer der Feuerwehrmänner. Ein brennender Holzbalken ist auf ihn draufgestürzt.

Die Menschen, die in dem Haus gewohnt haben, waren in ihren Schlafzimmern im zweiten Stock und niemand konnte sie erreichen. Mein Vater versuchte, zu ihnen zu gelangen, aber es war zu gefährlich. Am Ende konnte er nichts tun, außer hilflos zuzusehen, wie das Haus niederbrannte.

Meinen Vater traf absolut keine Schuld, doch dieser Unfall hat ihn verändert. Er war eine Zeit lang nicht arbeiten, sondern ist wie ein Geist durchs Haus geschlichen. Selbst seine Kollegen, die in jener Nacht dabei waren, drangen nicht zu ihm durch.

Nachts hat er oft im Schlaf geschrien. Albträume, hat meine Mutter gesagt, aber das war eine absolute Untertreibung.

Fenna ist jedes Mal, wenn mein Vater nachts schrie, völlig verängstigt in mein Bett geklettert, und ich hab sie festgehalten, bis sie wieder schlief.

Ich fand es furchtbar, dass Fenna das alles mitbekam, und hätte gern etwas getan, um zu helfen, nur wusste ich nicht, was.

Als mich ein Dokumentarfilmer fragte, ob ich ein Interview über die Auswirkungen des Brandes auf unsere Familie geben würde, habe ich sofort eingewilligt. Die Dokumentation wurde auf einem Kinderkanal gesendet, und ich habe mir gewünscht, die Sendung würde jemandem in einer ähnlichen Situation wie Fenna helfen, selbst wenn es nur eine einzige Person wäre.

Es gab eine Menge positive Reaktionen darauf und das half mir durch die schwere Zeit.

Der Zustand meines Vaters schien ewig anzudauern, doch irgendwann wurde es langsam besser. Er bekam Medikamente zur Beruhigung, ging zu einem Psychologen und schaffte es mithilfe der anderen Feuerwehrmänner sogar, wieder halbtags arbeiten zu gehen.

Nach ein paar Monaten arbeitete er schließlich wieder Vollzeit und schien das Ganze einigermaßen vergessen zu haben.

Hin und wieder schaue ich mir die Dokumentation noch einmal an, sehe die dunklen Ringe unter meinen Augen, die ängstlich in die Kamera blicken.

Selbst heute noch habe ich manchmal so große Angst um meinen Pa wie damals.

MILAS

Alissa. Bei jeder Pizza, die ich den restlichen Abend über ausliefere, muss ich an sie denken. Und während der Heimfahrt sehe ich immer noch ihren entblößten Nacken vor mir.

Ich merke erst, wo ich bin, als es schon zu spät ist. Das hier ist meine alte Straße.

Wie ist das passiert? Bisher habe ich nie den falschen Weg genommen, sondern habe mich sofort an mein neues Zuhause gewöhnt.

Mein Herzschlag setzt einen Moment aus, als ich sehe, dass sich nichts verändert hat. An einer Stelle ist der Gehweg tiefer, sodass ich dort immer mit dem Rad rauffahren konnte, ohne mit dem Hinterrad den Bordstein zu streifen.

Auf dem Fensterbrett von Nummer 39 steht immer noch eine Reihe Holzkühe, die ich als Kind stundenlang angesehen habe. Mein Vater wartete geduldig neben mir, während ich sie zählte und ihnen Namen gab.

Die Erinnerung tut weh. Nichts hier hat sich verändert und doch ist alles anders.

»Hey, mein Lieber«, sagt Jolieke, als ich in die Küche komme. »Wie war dein Tag?«

Soll ich ihr erzählen, dass ich in unserer alten Straße war? Sie würde mir jede Menge Fragen stellen: wie es mir dabei ging, ob ich das Grab besuchen möchte, ob ich noch einmal mit ihr zu unserer alten Straße gehen will …

»Ganz okay.« Ich beuge mich über die Pfanne. »Das riecht gut.«

»Kannst du schon mal den Tisch decken?«

Obwohl wir nur zu zweit sind, kocht Jolieke jeden Tag. Sie hat sich selbst dann davon nicht abhalten lassen, als wir meinen Vater verloren hatten. Doch ich weiß, dass sie nächtelang um ihn geweint hat. Das habe ich durch die dünnen Wände der neuen Wohnung gehört.

Ich ordne die Stifte auf meinem Schreibtisch, stapele die Theoriebücher für die Fahrprüfung und schiebe den Stuhl ran.

Draußen ist es mittlerweile stockdunkel, drinnen auch.

Eigentlich möchte ich gern das Licht anmachen, aber dann würde Jolieke merken, dass ich noch wach bin. Letzte Woche hat sie mich gefragt, ob ich oft Schlafprobleme habe. Ich weiß nicht, was sie eigentlich von mir will.

Will sie mich weinen sehen?

Ich esse, trinke, gehe, aber nichts davon fühlt sich mehr richtig an.

Bis zu diesem Nachmittag.

Alissa fühlte sich richtig an.

Jetzt denke ich schon wieder an sie.

Ich lege mich auf mein Bett, drehe den Kopf zur Seite und starre mich im Spiegel des Kleiderschranks an. Meistens verhülle ich ihn mit etwas, aber heute ist er nicht verdeckt.

Ich sehe mein Haar, meine Lippen … das Aussehen, das mir so oft geholfen hat. Im Supermarkt sind die Leute mir gegenüber immer überfreundlich, Lehrer helfen mir, wenn ich irgendwo Probleme habe, und Mädchen tun fast alles für mich.

Aber ich kann nichts davon zurückgeben.

Und was ist mit Alissa?

Kann sie mich wieder in Ordnung bringen?

Ich muss an Karlijn denken, das letzte Mädchen, das in meinem Zimmer war. Sie lag mit mir auf diesem Bett, unter der Decke.

Wir haben über die Zukunft geredet.

Was wir tun wollten, wie wir sein wollten.

Weil wir sicher waren, dass wir zusammen alt werden würden.

Ich hätte mit ihr eine Zukunft haben können, aber ich habe sie zerstört.

Alissa werde ich auch zerstören.

Ich muss mich von ihr fernhalten.

Das Licht ist schon eine Weile aus.

ES schläft bestimmt schon.

Ohne Albträume.

Die Albträume sind mir vorbehalten.

Immer und immer wieder.

Und jedes Mal ist es der gleiche.

Ich drehe mich um,

denn ich kann nicht die ganze Nacht hier stehen.

Heute habe ich endlich das bekommen, worauf ich gehofft habe.

Ein solcher Zufall

muss das Zeichen sein.

SKY

Ich bin froh, als am Freitagnachmittag endlich die Schule vorbei ist. Mir ist klar, dass ich nicht mehr sauer sein sollte auf Alissa, aber ich bin es immer noch.

Sie ist in die falsche Person verliebt, warum merkt sie das denn nicht?

Als ich mir in der Pizzeria die Schürze überziehe, sehe ich einen Flyer auf dem Tisch im Personalraum liegen.

Neugierig lese ich, was darauf steht.

Superrealistischer Escape Room

»Happy Family«

Die Tür schließt sich.

Ihr habt 60 Minuten Zeit.

Aber wo beginnt eure Suche?

Findet die Hinweise! Knackt die Codes! Löst die Rätsel!

Findet ihr innerhalb einer Stunde heraus?

»Happy Family« ist für Gruppen ab 4 Personen geeignet. (Dieser Escape Room ist atemberaubend und nichts für schwache Nerven!)

Ich lese den Flyer drei Mal, um alles in mich aufzunehmen. Das Wort superrealistisch hat etwas in mir ausgelöst. Geisterbahnen auf dem Jahrmarkt finde ich immer total schlecht gemacht, aber das hier? Das will ich unbedingt ausprobieren.