Europa - Stefan Franke - E-Book

Europa E-Book

Stefan Franke

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Beschreibung

Der zwanzigjährige Ted Brisko wird von seinen Eltern nach Europa geschickt. Er soll einige Zeit bei Verwandten in Berlin verbringen, um die Sprache seiner Mutter besser zu lernen. Seine Tante kümmert sich liebevoll um ihn und fördert ihn, wo sie kann; der strenge Onkel ist glücklicherweise wochenlang auf Dienstreise. Einem unbeschwerten und sorgenfreien Leben stünde nichts im Wege, wären da nicht fatale Begebenheiten und Ungerechtigkeiten, die Ted in immer unhaltbarere Situationen manövrieren. Scheinbar ohne sein Zutun gerät er in eine Opfer- und Täterrolle zugleich, wird zur Marionette unbekannter Autoritäten und alle Anstrengungen, wieder Herr der Lage und seines Lebens zu werden, bleiben erfolglos.

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Seitenzahl: 131

Veröffentlichungsjahr: 2025

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EUROPA

STEFAN FRANKE

EUROPA

Novelle

Mit freundlicher Unterstützung von

Stefan Franke: Europa

Novelle

Hollitzer Verlag 2025

Umschlaggestaltung und Satz: Daniela Seiler

Hergestellt in der EU

Alle Rechte vorbehalten

© HOLLITZER Verlag, Wien 2025

Hollitzer Verlag

Trautsongasse 6/6

A-1080 Wien

[email protected]

www.hollitzer.at

ISBN Druckausgabe: 978-3-99094-281-9

ISBN ePub: 978-3-99094-282-6

Mein Dank gilt noch immer F. K.

Für Bernd!

Im Kampf zwischen dir und der Welt sekundiere der Welt.

Franz Kafka

Von einem gewissen Punkt an gibt es keine Rückkehr mehr.

Dieser Punkt ist zu erreichen.

1

Als der zwanzigjährige Ted Brisko, der von seinen Eltern nach Europa geschickt worden war, um die Sprache seiner Mutter besser zu lernen und ein Auslandspraktikum bei der Firma seines Onkels zu absolvieren, in dem bereits im Landeanflug auf den Airport Berlin langsamer gewordenen Flugzeug aus dem Fenster blickte, erkannte er sofort das Brandenburger Tor. Von der Quadriga und der Siegesgöttin Viktoria hatte ihm seine Mutter oft erzählt, auch dass sie einst von Napoleon nach Paris entführt und erst viele Jahre später unter großer Anteilnahme der Öffentlichkeit wieder nach Berlin geholt worden war. Seine Mutter hatte ihm eine lange Liste von Sehenswürdigkeiten zusammengestellt, die er alle besichtigen sollte, und wenn es seine Zeit erlauben würde, könnte er die fünf wichtigsten Punkte bereits in den ersten Wochen gesehen haben.

Das nahm er sich jedenfalls vor.

Die Fotos würde er anschließend auf Facebook – diese Plattform war seiner Meinung nach nur noch etwas für Oldies, also für seine Eltern gerade richtig – und Instagram posten, damit hätte er allen den Kulturinteressierten vorgegaukelt und den Auftrag erfüllt, so sein Gedanke.

Eine junge Frau, die er auf dem langen Flug kennengelernt hatte, rief ihm im Vorübergehen, während er auf seinen Koffer wartete, erwartungsvoll zu: »Man sieht sich hoffentlich!«

»Dafür werde ich sorgen!«, antwortete Ted lachend und winkte ihr freundlich zu.

Ted war ein attraktiver junger Mann, der Eindruck auf Frauen machte, er wirkte so, als wäre er gerade einem Hollister-Werbespot entsprungen: Surfer-Frisur, strahlend weiße Zähne, Top-Figur. Ein Hoodie, Hang Loose-Jeans und Nike-Sneaker komplettierten den lässigen Look.

Als er sich wieder dem Laufband widmete, merkte er, dass sein Koffer noch immer nicht zu sehen war, während alle anderen Reisenden ihr Gepäck schon erhalten hatten und freudig, wenn auch von dem Langstreckenflug etwas geschwächt, dem Ausgang zusteuerten. Ratlos machte er sich auf die Suche nach der Lost- & Found-Station; das Schlurfen und Scharren von tausend Menschenfüßen und Koffern hallte in seinen Ohren und von der Ferne spürte er, wie einen zarten Hauch, das Abheben und Landen der Flugzeuge. Ohne weiter zu überlegen klopfte er mehrmals an eine x-beliebige Tür, vor der er in seinem Herumirren gelandet war.

»Es ist offen«, hörte er eine Stimme von innen rufen.

Ted öffnete sie sofort und erblickte einen kleinen Mann, der auf den Knien mit einem schwarzen Koffer herumhantierte und diesen offenbar auf das Genaueste untersuchte.

»Warum klopfen Sie wie ein Verrückter?«, fragte der Mann.

»Ich suche verzweifelt die Lost- & Found-Station, da mir mein Koffer abhandengekommen ist.«

»Das verstehe ich«, entgegnete der Mann, der nicht aufhörte, den Koffer mit beiden Händen zu bearbeiten.

»Aber kommen Sie doch herein«, forderte er Ted schließlich auf.

»Ich störe Sie sicherlich«, sagte Ted.

»Aber nein, wie könnten Sie mich stören? Sie lenken mich vielmehr ab.«

Der Mann bat ihn mit einer einladenden Handbewegung einzutreten. Als Ted der Aufforderung folgte wurde er von einem grellen Licht so geblendet, dass er seine Augen für einen Moment schließen musste. Erst als sich seine Augen an die extreme Helligkeit gewöhnt hatten, bemerkte er, dass er in einer Halle stand, in der unzählige schwarze Koffer millimetergenau aneinandergereiht waren.

»Sie sind Amerikaner?«, fragte der Mann.

»Ja, vollkommen richtig. Mein Akzent hat mich wohl verraten.«

»Sie sprechen nicht schlecht, keine Sorge.«

»Dann bin ich beruhigt, ich habe nämlich deutsche Wurzeln, mütterlicherseits, es wäre also peinlich, wenn ich …«

»So, so, mütterlicherseits also … Schließen Sie doch bitte die Tür, ich kann es nicht ausstehen, wenn andauernd fremde Leute bei offenstehender Tür hereinschauen und nach dem Weg oder der Toilette fragen, außerdem zieht es gewaltig und man holt sich den Tod, wenn man diesem höllischen Luftzug permanent ausgesetzt ist.«

»Aber es ist doch kein Mensch zu sehen und von einem unangenehmen Luftzug ist nichts zu spüren«, bemerkte Ted.

»Ja, im Moment vielleicht nicht, aber das ist nur die Ruhe vor dem Sturm.«

Ted wollte sich auf keine Diskussion einlassen und schloss bereitwillig die Tür.

»Können Sie mir behilflich sein?«, fragte Ted.

»Wobei denn?«

»Wie schon gesagt: Mein Koffer ist verlorengegangen, daher wollte ich Sie fragen, ob Sie mir bei der Suche helfen könnten?«

»Vielleicht«, antwortete der Mann und deutete beiläufig auf die unzähligen herumstehenden Koffer. »Wie heißen Sie eigentlich?«

»Brisko«, antwortete Ted und reichte ihm in vorauseilendem Gehorsam auch gleich seinen Reisepass.

Der Mann winkte mit einer abfälligen Handbewegung ab.

»Haben Sie Ihren Koffer sehr nötig?«

»Extrem nötig«, sagte Ted.

»Und wieso haben Sie ihn dann verloren?«

»Are you kidding me, der Koffer ist irgendwo beim Transport verlorengegangen.«

Der Mann stand jetzt mühsam auf und streckte seine vom langen Knien müde gewordenen Knochen, es machte den Eindruck, als habe der Koffer doch sein Interesse geweckt.

»Welche Farbe hat das gute Stück?«

»Schwarz«, sagte Ted, »es ist ein schwarzer Koffer.«

»Das macht es nicht einfacher«, erwiderte der Mann und blickte müde auf die große Sammlung schwarzer Koffer.

»In Frankfurt oder München wäre Ihr Koffer vermutlich nicht verlorengegangen, hier ist er höchstwahrscheinlich nicht mehr zu finden.«

»Also macht es keinen Sinn, weiter nachzuforschen. Wollen Sie mir das damit sagen?«

»Entweder ist der Koffer gestohlen oder er taucht doch noch auf, dann landet er irgendwann zwangsläufig bei mir. In 72 Stunden sollten wir mehr wissen.«

»Sie sind also für verlorengegangene Gepäckstücke verantwortlich?«, fragte Ted misstrauisch, dem der Gedanke überhaupt nicht behagte, dass sein Koffer vielleicht gestohlen worden war.

»Eigentlich bin ich Pilot«, sagte der Mann.

»Sie sind Pilot«, fragte Ted erstaunt, »und sind für Koffer verantwortlich? Sie machen sich über mich lustig.«

»Keineswegs! Ich bin dazu abkommandiert worden, es gibt kaum noch Boden-Personal, jetzt muss ich mich nicht nur um das Gepäck, sondern auch um Anfragen aller Art kümmern, wenn ich nicht gerade Flugtickets verkaufe oder beim Einchecken der Fluggäste helfe.«

»Europa ist ganz anders, als ich es mir vorgestellt habe. Ich dachte immer, dass wir Amis durchgeknallt sind, aber jetzt sehe ich, dass es noch Steigerungen gibt.«

»Vielleicht ist Ihr Koffer doch nicht verloren, aber heute kann ich nichts mehr ausrichten, jedenfalls werde ich Sie verständigen, wenn er wieder auftaucht. Bitte füllen Sie noch der guten Ordnung halber dieses Formular aus, auch wenn es bei den unzähligen Verlustanzeigen vermutlich aussichtslos ist.«

Der Mann drückte ihm ein A4-Blatt und einen Stift in die Hand.

»All right«, sagte Ted und begann das Formular auszufüllen.

»Ein Pilot, wirklich erstaunlich, wer hätte das gedacht«, sagte Ted, der in seinem Gedankengang blieb, »ich wollte eigentlich auch Pilot werden, wenn ich nicht nach Europa respektive Deutschland hätte kommen müssen, wäre ich wohl bei der US Air Force gelandet.«

»Warum mussten Sie überhaupt nach Europa kommen?«

»That’s a long story«, sagte Ted und blickte den Mann fast flehentlich an, als bitte er inständig um Nachsicht für das Nichteingestandene.

»Vergessen Sie es, ich bin einfach nur neugierig, es wird schon einen Grund geben, der mich aber nicht zu interessieren hat«, sagte der Pilot, und Ted wusste nicht recht, ob er mit dieser Wortmeldung die Erzählung dieses Grundes einfordern oder abwehren wollte.

»Ich könnte ja noch immer Pilot werden, meinen Eltern ist es gleichgültig, was ich werde, sie legen nur größten Wert darauf, dass ich eine abgeschlossene Ausbildung vorweisen kann, mehr fordern sie nicht«, meinte Ted mehr zu sich als zu dem Mann.

»Meine Stelle wird demnächst frei«, bemerkte der Pilot emotionslos.

»Sie kündigen?«, fragte Ted erstaunt.

»Die Umstände haben sich in den letzten Monaten enorm verschlechtert, verstehen Sie, aber für einen jungen Mann, der eine Chance erkennt und auch noch Ziele vor Augen hat, könnte es eine Möglichkeit zur Verwirklichung seiner Träume sein.«

»Vielleicht«, sagte Ted nicht sehr überzeugt.

»Bitte vergessen Sie, was ich eben gesagt habe, Pilot können Sie noch immer werden, derzeit ist die Gesamtlage alles andere als rosig, wenn ich es recht bedenke, daher rate ich Ihnen jetzt doch entschieden davon ab. Wenn Sie in Berlin studieren wollen, könnten Sie es zu etwas bringen, da lachen Sie dann alle Piloten aus, wir haben hier ganz ausgezeichnete Universitäten, müssen Sie wissen, wenn Sie mich fragen, sind es die besten in ganz Europa, aber das ist nur meine ganz bescheidene Meinung.«

Kurz verstummte der Mann.

»Vom Tellerwäscher zum Millionär«, schrie er plötzlich auf, »den amerikanischen Traum in Europa leben und umsetzen, was für ein Gedanke.«

Dann lachte er laut. Offenbar war er von seiner Überlegung begeistert.

»Zum Studieren fehlt mir das Geld und die Zeit, außerdem muss ich ein Praktikum absolvieren.«

»Es ist möglich«, sagte der Mann, »wenn man über genügend Ausdauer und Disziplin verfügt, kann man es auch neben dem Praktikum bis zum Doktor schaffen.«

»Diese Ausdauer fehlt mir völlig«, meinte Ted, »ich war ein ganz miserabler Schüler, der Abschied vom Schulbetrieb ist mir nicht sonderlich schwergefallen. Und die deutschen Universitäten fordern ihre Studenten ganz bestimmt, eine Voraussetzung, wenn man zu den besten Ausbildungsstätten Europas gehört, wie Sie behaupten. Deutsch spreche ich auch nur schlecht. Das spricht nicht für ein erfolgreiches Studium, wenn Sie mich fragen. Und Ausländern tritt man in Deutschland mit einer gewissen Skepsis gegenüber, wie ich gehört habe.«

Teds Deutsch war keineswegs schlecht, es wirkte nur aufgesetzt, etwas altmodisch, nicht passend für einen jungen Mann. Seine Mutter hatte sich immer sehr gewählt ausgedrückt, sie pflegte mit ihm ein besonders gehobenes Deutsch zu sprechen.

»Hat sich das also schon bis nach Amerika herumgesprochen? Wie auch immer. Mein direkter Vorgesetzter ist zum Beispiel Pole. Er heißt Fibak. Ein tüchtiger Mann, sehr fleißig und diszipliniert. Aber ist das denn zu glauben, ein Pole ist der Vorgesetzte eines Deutschen. Bitte missverstehen Sie mich nicht, ich beklage mich keineswegs, aber irgendwie ist das eine groteske Konstellation. Ein Pole befehligt uns Deutsche auf einem deutschen Flughafen und einer deutschen Fluglinie. Wer hätte das jemals gedacht? Es ist natürlich nur eine Momentaufnahme, aber wohl richtungsweisend für ganz Europa. Mir ist vollkommen klar, dass das für Sie sehr irritierend sein muss, da sie doch erst angekommen sind, aber es ist einfach zu schlimm, als dass ich darüber hinwegsehen könnte.«

Und während er das alles sagte, schlug er mit der Hand auf den schwarzen Koffer und schüttelte mehrmals den Kopf.

»Ich bin schon für so viele Fluglinien geflogen« – und er nannte zehn Namen hintereinander, als sei es ein Wort, Ted wurde dabei ganz wirr im Kopf – »und habe einen richtig guten Job gemacht, ich bin sogar ausgezeichnet worden, war ein Arbeitstier ganz nach dem Geschmack meiner Arbeitgeber, man lebt um zu arbeiten und nicht umgekehrt, so lautete mein damaliges Motto, rückblickend betrachtet«, jetzt atmete er einmal tief ein und aus, machte eine Pause und setzte mit ruhiger Stimme fort, »rückblickend betrachtet war das ein großer Fehler, die meisten der genannten Fluglinien gibt es schon seit Jahren nicht mehr, das muss man sich einmal vorstellen, Mitarbeiter wurden ausgequetscht und ausgebeutet bis zum Gehtnichtmehr«, und wieder machte er eine Pause, holte Luft, als wäre es sein letzter Atemzug, dann schrie er völlig überraschend: »Gewinnmaximierung und Profitgier!«

Ted erschrak, einen solchen Gefühlsausbruch hatte er nicht erwartet.

»Und hier werde ich von Fibak zum Kofferzählen eingeteilt, hier bin ich nichts wert und sind meine Dienste unerwünscht, laut Fibak bin ich ein schlechter Pilot, außerdem werde ich nach dem Kollektivvertrag bezahlt, völlig zurecht und folgerichtig, wie Fibak nicht müde wird zu betonen. Verstehen Sie das? Ich nicht. Und dann wundert man sich, wenn es einen Rechtsruck im Land gibt.«

»Das ist wirklich mehr als ungerecht«, sagte Ted aufgeregt und mitfühlend.

Er hatte fast vergessen, dass er erst vor wenigen Minuten in einer für ihn noch fremden Stadt angekommen war.

»Waren Sie schon bei der Geschäftsführung?«, fragte er den Piloten.

»Mein Gott, Sie verstehen nichts, gehen Sie lieber, ehe ich mich noch weiter ärgern muss. Sie hören mir ja überhaupt nicht zu, was ich sage, und fragen so, als wären Sie sechs Jahre alt.«

Der Mann machte eine kurze Nachdenkpause, setzte dann fort:

»Wie soll ich mich denn an die Geschäftsführung wenden?«

Und wieder atmete der Mann schwer und legte beide Hände über das Gesicht.

»Das Top-Management ist doch nicht zu erreichen, jedenfalls nicht für einen kleinen Angestellten wie mich, die Gesellschafter sind die Länder Berlin und Brandenburg sowie die Bundesrepublik Deutschland, es gibt einen Geschäftsführer Operations, einen Geschäftsführer Personal und die Vorsitzende der Geschäftsführung, eigentlich beschäftigt man sich nur mit seinesgleichen, performt also nur nach innen, alles unterliegt einem strengen Kodex, der das Handeln bis ins kleinste Detail regelt, von den strengen Compliance-Regeln spreche ich da noch überhaupt nicht, ein Phänomen, das sich in vielen Branchen bereits durchgesetzt hat und offenbar zum Erfolg führt.«

»Damn. What the fuck am I doing here?«, fragte sich Ted laut.

Und überhaupt fand er, dass er besser seinen Koffer suchen sollte, statt sich in ein nutzloses Gespräch verwickeln zu lassen. Als ihm sein Vater den Koffer – mit dem dieser viele Reisen absolviert hatte – übergeben hatte, hatte er im Scherz gefragt: Wirst du ihn auch wieder zurückbringen?

Damals hatten sie darüber gelacht.

Und jetzt war der Koffer, der zumindest für den Vater einen ideellen Wert hatte, bereits bei der Ankunft verloren gegangen. Hoffentlich war das kein schlechtes Omen. Beruhigend war nur, dass der Vater von diesem Verlust noch nichts wissen konnte. Ted ärgerte sich darüber, dass er keinen Rucksack mit ins Flugzeug genommen hatte, eigentlich hätte er damit rechnen müssen, dass bei den derzeitigen Personalengpässen eine ordnungsgemäße Gepäckabwicklung nicht möglich war. Er würde sich neue Kleidung kaufen müssen, soviel stand fest. Jetzt erinnerte er sich auch, dass im Koffer noch ein kleiner Geldbetrag versteckt war, den ihm die Mutter heimlich mitgegeben hatte.

»Fuck!«, fluchte Ted laut, zerknüllte das Antragsformular und warf es in die nächste Mülltonne.

In diesem Augenblick hörte man ein langsam immer lauter werdendes Getrappel, wie von Kinderfüßen, Ted öffnete neugierig die Tür und blickte hinaus, und sah unzählige Stewardessen an sich vorbeiziehen. Sie gingen geschlossen in einer Zweierreihe und zogen kleine Koffer hinter sich her.

Der Pilot war jetzt auch darauf aufmerksam geworden, drängte Ted unsanft vor die Tür, nahm noch im letzten Augenblick seinen Ausweis zur Hand, schnappte sich seine Jacke und verließ ebenfalls den Raum. Er rief aufgeregt eine gewisse Jennifer zu sich, legte den Arm um ihre Hüfte und führte sie, die sich kokett mit dem Kopf an seine Schulter drückte, ein Stück mit.

»Heute gibt es ein Clubbing im Branson, kommst du mit?«, fragte er.

»Vielleicht«, antwortete sie, schlüpfte unter seinem Arm durch und reihte sich wieder in die noch immer diszipliniert fortlaufende Zweierreihe ein.

»Wo kommt denn dieser handsome guy her?«, rief sie noch, wartete aber keine Antwort mehr ab.

Ted und der Pilot blieben stehen und blickten der äußerst attraktiven Menschenschlange nach, bis nur noch das Lachen und die immer leiser werdenden Schritte der jungen Frauen zu hören waren.