Evolution. Reinkarnation. Christentum - Rudolf Bubner - E-Book

Evolution. Reinkarnation. Christentum E-Book

Rudolf Bubner

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Beschreibung

Der Gedanke an wiederholte Erdenleben stößt in christlichen Kreisen meist auf Ablehnung und Unverständnis. Solange Reinkarnation als Lehre verstanden wird, wird sie häufig als östliches Geistesgut abgetan. Rudolf Bubner zeigt, daß Reinkarnation als allgemeingültiges Phänomen entdeckt werden kann und zum Christentum in keiner Weise in Widerspruch steht. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

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Rudolf Bubner

Evolution. Reinkarnation. Christentum

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Inhalt

EinleitungErster Teil Die Reiche der Natur und das Reich des Menschen – ihre Architektur und EvolutionI Bunte Fülle und strenge OrdnungKein Leben ohne FormenWelten und WesenII Gesetz und Fall – Innerlichkeit und SelbstdarstellungDie untere Dreiheit: Mineral, Pflanze und TierDie obere Dreiheit: Pflanze, Tier und MenschDie biologische Mitte: Pflanze und TierIII Vom Geheimnis der Mitte – Quellorte der EvolutionVier Reiche – drei PartnerschaftenDie Mitte als Ursprung getrennter WegeMensch und Erde: die Ur-Einheit von Wesen und WeltBilder und BeispieleIV Der Schichtenbau der Reiche und die zwei NaturenDas Alte, das Neue und die ÜberformungSchichten und WesensgliederV Die Sonderstellung des Mineralreiches und des MenschenDer fehlende PartnerDas Mineralreich und die ElementeDer Weg von oben nach unten, vom Leben zum TodeVI Ein vergessener WegDer untere TragegrundEin oberer TragegrundVII Die Konvergenz – ein unbeachtetes PhänomenDie wachsende Angleichung von Reich zu ReichDer Mensch als Art unter ArtenVIII Der Mensch als Ziel und MitteVon der Partnerschaft der Reiche zur Partnerschaft der WesensgliederMenschheitsachse und SchichtenlehreIX Systole und Diastole – Rhythmus und EvolutionDie Trennung des Geeinten – die Einung des GetrenntenJenseits von Mensch und MineralX Der Mensch und das Mineralreich – Gemeinsames in polarer VerschiedenheitEine Art mit vier Wesensgliedern – ein Wesensglied mit vierfacher ArtungDie Individuation als Ich und als KristallZweiter Teil Evolution und ReinkarnationXI Wiederholte Erdenleben – warum?Warum nicht?Reinkarnation als Phänomen der AnthropologieXII Die Geschichte der Arten – ein altes Thema in neuem GewandeDas überzeitliche und zeitliche Wesen der ArtenDer Mensch als Art seiner selbstReinkarnation als die neue Gestalt einer Geschichte der ArtenXIII Einmaligkeit und WiederkehrEinheit und Vielheit – zwei Seiten einer SacheDie Wiederkehr des Typus und die Einmaligkeit des IndividuellenXIV Zur Stammesgeschichte des Menschen – Kreation und ReinkarnationZweierlei StammesgeschichteDie Ichwerdung als stammesgeschichtliches GrossereignisReinkarnation als ontogenetische Wiederholung des phylogenetischen UrereignissesUralt und immer wieder jungReinkarnation – ein vergessenes Urwissen der MenschheitXV Die Entelechie des Menschen und ihre InkarnationenXVI Reinkarnation und VererbungKontinuität und DiskontinuitätDas Ich als Vorfahre und Nachkomme seiner selbstXVII Der Mensch und sein Schicksal – Reinkarnation und KarmaDie Komposition von Wesen und UmweltDas Schicksal als UmweltKomposition zwischen Mensch und SchicksalDas Unverstehbare – Zufall oder Gesetz?Das Karma als gesteigerte Gestalt der UmweltgesetzeXVIII Der einzelne und sein Weg durch die Weltalter der GeschichteDritter Teil Christentum, Evolution und ReinkarnationXIX Evolution und ChristentumXX Die Menschheit als Reich, als Art und als PersonDie Tierwelt – der zerstreute MenschDas UrtierDer UrmenschXXI Urpflanze – Urtier – UrmenschDer »Gott der Tiere«Der »Gott der Menschen«Der »Christus der Evolution«XXII Weniger und doch mehr – vom Stilgesetz der ArchitekturVon der Art zur IndividualitätVon der Individualität zum neuen ReichXXIII Das Ende und die WendeSteigerungsstufen der Evolution: Natur, Menschheit, ChristusEin neues VerstehenXXIV Paradoxien als öffentliches GeheimnisXXV Christus – der Menschheit neuer NameDer Mensch als Gott des Menschen: Irrtum und WahrheitVom Ziel aller WegeXXVI Rhythmus und WeltvollendungDie neuen Phasen des RhythmusWelten- und ZeitenmitteXXVII Kritische BesinnungXXVIII Evolution und SündenfallXXIX Evolution und AuferstehungDer Tod als Ende der alten WegeZwei Erscheinungsformen derselben SacheXXX Geburt, Tod und Wiederkehr im Leben der Natur, des Menschen und des Jesus-ChristusDas Leben der Natur und des MenschenGeburt, Tod und Wiederkehr im Leben des Jesus-ChristusDie Geburt aller GeburtenDer Tod aller TodeDie Auferstehung als Urbild aller WiederkehrXXXI Christentum und ReinkarnationUrbild und AbbildUnsere Vielheit und seine Einheit – unsere Einheit und seine VielheitXXXII Der Mensch und seine Erde – die Zukunft von Wesen und WeltEnde und Wende in beiden WeltachsenPartnerschaft auch in der ZukunftLiteraturverzeichnis

Einleitung

Noch nie hat es eine Zeit gegeben, in der die Menschheit so viel über sich und die Welt gewußt hat wie heute. Aber auch das andere ist wahr: Nie hat man über das tiefere Wesen von Mensch und Welt weniger gewußt als gegenwärtig. Im Besitz eines ungeheuren und immer weiter anschwellenden Wissens ist uns ein Wissen über Sinn und Bedeutung unseres Lebens ganz abhanden gekommen. Was ist in dieser Lage zu tun? Eine Neubesinnung ist leichter gefordert als getan.

Hier wird der Versuch unternommen, das unmittelbar Gegebene von Mensch und Welt unbefangen und unbelastet von vielem Fachwissen anzuschauen, die Reiche der Natur und das Reich des Menschen, die Strukturen ihrer Ganzheit und die Größe ihrer Ordnungen auf sich wirken zu lassen. Dies ist ein erster Schritt zur Neubesinnung, jedem möglich und jedem zugänglich. Und wer die Wege mitgeht, wird staunen und sich dankbar freuen über so viel Bereitwilligkeit der Phänomene, auch für tiefste Geheimnisse Wegweiser zu sein. Es geht um die großen Texte der Welt, die zu lesen wir uns bemühen, nicht nur um einzelne Buchstaben.

Erde und Menschheit gehören zusammen, sind auch in ihrer Entwicklung auseinander hervorgegangen und füreinander gemeint. Darüber wird im ersten Teil gesprochen. Wie sich die Prinzipien der Evolution als Reinkarnation fortsetzen, als die wiederholten Erdenleben eines jeden Menschen durch die Zeitalter der Geschichte, das ist Inhalt des zweiten Teiles. Im letzten Teil wird eine dritte Stufe der Evolution sichtbar, das Christentum als die innerste Achse aller Menschheitsentwicklung und Weltenzukunft.

Ohne Anthroposophie hätte das Buch nicht geschrieben werden können. Aber es setzt sie weder voraus, noch geht es von ihr aus. Doch kann es eine Beschäftigung mit ihr anregen. Ein Teil der Probleme ist auch in dem Buch von Rudolf Frieling »Christentum und Wiederverkörperung« behandelt.[1] Als Theologe hat er selbstverständlich andere Ausgangspunkte. Aber es ist erstaunlich, wie auf zwei ganz verschiedenen Wegen so viel Gemeinsames gefunden und ausgesagt werden konnte.

Erster Teil Die Reiche der Natur und das Reich des Menschen – ihre Architektur und Evolution

I Bunte Fülle und strenge Ordnung

Kein Leben ohne Formen

Von der Erde ist die Rede, von ihrer Architektur und Evolution. Im erweiterten Sinne ist mit Erde die Gesamtheit der Reiche gemeint, das Mineral, die Pflanze, das Tier und der Mensch. Allein schon diese Stufenfolge ist Ausdruck ihrer Architektur. Das gestalthaft Ganze geht aber viel weiter und tiefer, und sein Verständnis wird zur unerläßlichen Voraussetzung für ein wahres Verstehen der Evolution. Auch was über Inkarnation, Reinkarnation und über die Ausblicke auf letzte Ziele zu sagen ist, wird von diesem Boden aus gesagt. Mit den vier Reichen sind zugleich die vier großen Seinsstufen und Seinsweisen der Welt gegeben: das Physische, das Lebendige, das Seelische und das Geistige. Von dieser großen Vierheit gehen wir aus und bleiben in ihr als dem größten Rahmen, den niemand und nichts zerstören kann. Sein Inhalt mag sich vertiefen, erweitern und wachsen, doch zerbrechen kann dieser Rahmen nicht. Er bewährt sich als die beste Orientierung für alle, denen die Fragen nach Wesen, Sinn und Ziel der Welt am Herzen liegen. So gewinnen wir sicheren Grund und ruhen auf ihm auch in der Flut immer neuer Entdeckungen und Erkenntnisse. Und mit dem Blick auf die architektonischen Ordnungen und ganzheitlichen Strukturen finden wir auch den Ort, den wir selbst im Gefüge des Ganzen einnehmen.

Die Welt zeigt sich uns in ungeheurer, unübersehbarer Fülle, Vielfalt und Buntheit. Nirgendwo ein langweiliges Schema, keine pedantische Ordnung. Jeder Weg durch die Landschaft bringt das eindringlich zum Bewußtsein. Landschaftsformen, Wetter und Wolken, Pflanzenkleid und Tierwelt, Kultur und menschliches Leben, alles ist innigst miteinander verwoben, alles hat sein eigenes, unendlich vielfältiges und vielgestaltiges Leben und Wesen. Wer da schematisieren wollte, müßte aus der lebendigen Welt ein totes Museum machen. Und doch sind bestimmte Ordnungsstrukturen schon bald zu erkennen: das organisch Belebte und das anorganisch Leblose. Das Belebte als eine dreifach gegliederte Welt (Pflanzen, Tiere, Menschen), die man der anorganischen Welt als Pol gegenüberstellen kann. Aber die gleichen vier Reiche lassen sich auch in spiegelbildlicher Umkehr der Verhältnisse so anschauen, daß man das Reich der Menschen als etwas Besonderes, als Pol den drei Naturreichen (Mineral, Pflanze, Tier) gegenüberstellt. Der Mensch ragt ebenso über die Dreiheit der Natur hinaus, wie das Mineral unter die Dreiheit des Lebens hinunterragt. In Figur 1 ist der Mensch als Gegenpol zu der dreigestuften Natur dargestellt. Figur 2 zeigt das umgekehrte Verhältnis: das Mineral als den unteren Gegenpol zu dem dreifach gestuften Leben. In Fig. 1 stehen sich Natur und Kultur polar gegenüber, in Fig. 2 sind es die Pole des Lebens und des Leblosen. Da es aber verschiedene Stilfiguren der einen großen Architektur sind, müssen sie auch im Zusammenhang, in ihrer Durchdringung gezeigt werden. Dabei wird eine neue, eine dritte Figur sichtbar (Fig. 3), eine Dreiheit mit zwei extrem verschiedenen Polen und einer verbindenden, organisch-biologischen Mitte. Diese Mitte ist als die Partnerschaft von Pflanze und Tier in sich wieder polar. Der Mensch ragt nach oben hin über diese Mitte hinaus, das Mineral nach unten. So stehen sich beide auch als überbiologische und unterbiologische Wirklichkeiten polar gegenüber und zeigen damit ihre wechselseitigen Beziehungen an. Denn auch als Pole gehören sie zusammen, nicht nur der Mensch zur Erde, sondern auch die Erde zum Menschen.

Niemand kann sagen, der Wirklichkeit sei durch diese trinitarische Struktur Gewalt angetan. Denn die Gestalt ist nicht von uns hineingelegt, sondern aus der Wirklichkeit als ihr strukturierendes Gerüst herausgehoben und sichtbar gemacht worden. Daß niemand dieses Gerüst in der Gestalt der Zeichnungen sehen kann und jemals sehen wird, ist selbstverständlich. Die Zeichnungen weisen auf Wirklichkeiten, die wir nur durch intensive Beschäftigung mit den Phänomenen selbst wahrnehmen, erfahren und denkend sehen. Sie haben für die Wirklichkeiten eine ähnliche Rolle wie Landkarten für das wirkliche Land. Die Welt ist reich an trinitarischen Ordnungen. Ordnung und Struktur sind keine Feinde der Lebensvielfalt, sondern begründen und ermöglichen sie. Beide verhalten sich zueinander wie Form und Inhalt, wobei die Form ohne den Inhalt ebensowenig zu denken ist wie der Inhalt ohne die Form. Die Formen und Weltgerüste lassen sich gar nicht finden, ohne daß man von den Inhalten ausgeht. Die Inhalte aber zerfließen in eine Unsumme isolierter Phänomene, verbergen und verschweigen ihren Sinn, ihre Bedeutung und ihr Ziel, gelingt es nicht, die Formen, die tragenden und Gestalt gebenden Gerüste zu entdecken. Die bunte Vielfalt der Welterscheinungen bleibt gebunden in einer gestalthaften Einheit und Ganzheit. Formen zerstören und lähmen nicht das Leben, sondern dienen seiner Entfaltung. Es gibt kein Leben, das sich nicht in Formen äußert. Jedes behält sein eigenes Wesen und bleibt doch Glied des Ganzen. Für Mensch und Erde zeichnet sich eine erste Wechselbeziehung ab, nämlich die einer polaren Zuordnung beider als Glieder einer Ganzheit. Alle Phänomene und Probleme, die um den Menschen kreisen, hängen unlöslich mit der Erde zusammen, mit ihrer Vergangenheit und ihrer Zukunft.

Welten und Wesen

Das Ganze der Weltarchitektur, dieser reich differenzierte Erdenorganismus ist bestimmt von zwei sich polar verhaltenden Tendenzen. Die eine geht von unten nach oben, mit dem Ziel im Menschen. Die andere geht von oben nach unten, mit dem Ziel im Mineral, in der Erde. Das eine ist die spiegelbildliche Umkehr des anderen. Der aufsteigende Weg geht durch die Zonen der Wesen, der absteigende Weg meint die Stationen der Welten. Es ist einseitig zu glauben, aller Anfang läge in der Materie und alles Höhere baue sich auf ihr auf. Mensch und Erde sind beides, Ziele und Ausgangspunkte. Im Menschen erreicht die Stufung des Individuellen ihr höchstes Ziel als Person. Was diesem Reich vorangeht, sind niedere Formen des Individuellen und Wesenhaften. Im Mineral erreicht das Welthafte sein unterstes Niveau. Was vorausgeht, sind höhere Stufen und Zustände der Erde. Zu jedem Lebewesen gehört eine ihm gesetzmäßig zugeordnete Umwelt. Die universellste Gestalt aller dieser ungezählten Umwelten ist die Erde. Sie umfaßt und trägt alle.

In der Polarität von Mensch und Erde lebt auch die andere von Wesen und Welt. Wie der Mensch uns sagen kann, daß es noch andere, niedere Wesen unter ihm gibt, so will die Erde uns sagen, daß es noch andere, höhere Welten und Weltzustände über ihr gibt, Welten, die dem Leben und dem Geist verwandt sind. Die aufsteigende Tendenz ist uns vertraut, aber ungewohnt ist die Umkehr von oben nach unten, vom Geist und vom Leben hin zur toten Substanz. Diesen Weg haben wir schon seit langem vergessen und verdrängt. Doch die Sprache der Phänomene, wie sie durch die Weltarchitektur vernehmbar wird, weist unausweichlich auf beides, auf eine aufsteigende und eine absteigende Richtung der Entwicklung, und beides in untrennbarer Durchdringung. Der stufenweise Aufstieg von niederen Wesen herauf bis zum Menschen geschah in einem stufenweisen Abstieg aus höheren Welten herab bis zur heutigen Erde.

IIGesetz und Fall – Innerlichkeit und Selbstdarstellung

Die untere Dreiheit: Mineral, Pflanze und Tier

Die strenge Ordnung in der bunten Vielfalt der Phänomene wird noch sichtbarer, fragt man nach dem Gemeinsamen, das die untere und die obere Dreiheit zusammenhält, und was die eine wie die andere von ihrem Gegenpol, dem Menschen und dem Mineral so fundamental unterscheidet. Zur unteren Dreiheit gehören die Reiche der Natur. Was macht sie zur Natur, und worin ist die Welt des Geistes als Gegenpol zur Natur begründet?

In den Reichen der Natur ist alles nach dem Verhältnis von Gesetz und Fall geregelt. Alles Konkrete und Individuelle ist einbezogen in Gesetze, die auf den verschiedenen Seinsstufen auch verschiedene Gestalt annehmen. So gibt es die Gesetze und Fälle der physischen Welt, die in Physik und Chemie formuliert sind. Im Organischen bei Pflanze und Tier nehmen die Fälle und ihre Gesetze eine neue Gestalt an. Das Gesetzhafte erscheint jetzt begrenzt, zentriert und individualisiert als Typus. Und auch die Fälle zu diesem Gesetz nehmen eine individualisierte Form an. Es sind die Exemplare oder Individuen des Typus. Der Typus, das Gesetz ist der Kern, das Zentrum; die Exemplare sind wie eine Peripherie und Hülle. Tierbiographien bringen dieses Verhältnis von Zentrum und Peripherie eindringlich zur Anschauung. Jede Tierbiographie ist im Kern eine Typus-Biographie.

Auf dem Wege vom Anorganischen zum Organischen beobachten wir eine Verinnerlichung des Gesetzhaften. Das begründet das Individuellwerden der Fälle, eine Erscheinung, die dem Anorganischen fremd ist. Da ist alles welthaft weit, während das Organische wesenhaft und individuell ist, begrenzt, und der Welt gegenüber eine in sich geschlossene Gestalt hat.

Wenn nun der Mensch über das Naturhafte und über die biologische Mitte hinaufragt in eine überbiologische Wirklichkeit, dann muß sich dieses Anderssein auch in dem Verhältnis von Typus und Exemplar aussprechen. Wäre das nicht der Fall, dann bliebe der Mensch ein nur biologisch oder zoologisch geartetes Wesen und überstiege nicht die Natur. So wird er ja weithin immer noch von einer einseitigen Wissenschaft verstanden oder mißverstanden. Prüfen wir also auch hier das Verhältnis von Typus und Exemplar an dem Phänomen der Biographie. Die Umkehr wird offenkundig. Nicht mehr der Typus ist Kern und Zentrum dieses Reiches, sondern das Exemplar, das Individuum, die Individualität. Eine Typus-Biographie des Menschen bleibt in Allgemeinheiten, die das Wichtigste verschweigen, nämlich den Wert und das Gewicht der Person. Es kommt nicht darauf an, wie sehr der einzelne noch den Typusgesetzen verhaftet ist, sondern darauf, daß er dem Typus gegenüber als das Neue, das Eigene und das Höhere gemeint und angelegt ist. Rudolf Steiner hat dargestellt, daß beim Menschen der einzelne den Rang hat, der bei den Tieren einer ganzen Art zukommt. Jeder Mensch ist seine eigene Art oder Gattung. Damit ist aber zugleich ausgesprochen, daß die Gesetzlichkeit, in diesem Fall der Typus, noch einen Schritt weiter nach »innen« gegangen ist, sich noch tiefer und inniger mit dem Organismus identifiziert hat, ja daß diese Identifikation ihre höchstmögliche Stufe erreicht hat, daß der Typus selbst Exemplar geworden ist, wodurch das Exemplar zur Person aufsteigen konnte. Der Schritt vom Tier zum Menschen besteht also in dieser Umkehr und in diesem Zusammenwachsen von Kern und Hülle, Typus und Exemplar, von Gesetz und Fall. Der Fall wird zum Gesetz, die Hülle zum Kern, die Peripherie zum Zentrum, das Allgemeine wird sein eigenes Besonderes. Der alte Typus rückt an die Peripherie, wird zur tragenden Hülle für einen neuen Kern. Der Typus ist nicht in der Lage, die Person zu erzeugen, sie ist nicht nur eine Manifestation des Typus, sondern hat einen vom Typus unabhängigen Eigenwert und eine eigene Abkunft.

Natürlich hat der Typus Mensch auch Exemplare, aber sie sind noch nicht das Ganze der Person, sie sind die Gelegenheit für eine Verbindung mit dem neuen Typus eigener Herkunft, sind die dargebotene Hülle für den erwarteten Kern, für das Ich. Die Zweiheit von Gesetz und Fall, von Typus und Exemplar kehrt also im Menschen wieder, nimmt dort aber eine Gestalt an, die es in der Natur noch nicht gibt.

So wächst der Mensch über die Natur hinaus. Die historische, überbiologische Erscheinungsform der Art ist die Person, wie man auch umgekehrt sagen kann, die biologische Erscheinungsform der Person ist die Art. Das polare Gegenüber von Natur und Kultur ist also in dieser Konvergenz und Umwendung begründet: Wenn der Typus Person wird, dann ist etwas von dem schaffenden Welthintergrund in den Vordergrund getreten. Geistiges, das uns in der Natur immer nur als Ideen-Hintergrund der Phänomene denkend zugänglich ist, begegnet uns nun als Person unter Personen. Wenn aber Geist personenhaft sich verleiblicht, spricht man von Inkarnation. Dieser Sonderfall Mensch steht nun nicht als völlig unbegreifliches Wunder mitten in der Natur da, sondern ist der folgerichtige Abschluß eines Stufenweges, auf dem dieser letzte Schritt vorbereitet wird. Das Verhältnis von Gesetz und Fall im Anorganischen ist der Ausgangspunkt einer Stufenfolge, deren Endpunkt die Person ist, in der das Gesetz zur innersten Bestimmung des einzelnen gehört, der berufen ist, immer mehr zur individuellen Freiheit heranzureifen. Das Besondere ist immer das Individuelle und Individualisierte, während das Allgemeine die umfassende Gesetzlichkeit und Idee für das Besondere ist. Überall da, wo das Besondere durch ein Allgemeines bedingt und bestimmt wird, ist naturhaftes Wirken. Kehren sich aber die Verhältnisse um, dann wird das Besondere, das Individuelle zum bestimmenden Kern und das Allgemeine zur tragenden und bergenden Hülle. Dieser Umkehr liegt das Ereignis der Inkarnation zugrunde, der Eintritt eines geistigen Wesens in die naturhafte Körperwelt.

Die obere Dreiheit: Pflanze, Tier und Mensch

Wir prüfen nun die Verhältnisse, wie sie uns durch Fig. 2 gezeigt werden. Was ist das Gemeinsame der drei oberen Reiche, und wodurch steht das Mineralreich in einem polaren Gegensatz zu ihnen? Faßt man das Gemeinsame als »das Leben« zusammen, dann muß das polare Gegenüber das Leblose, eben das Mineralreich sein. Leben ist aber differenziert in Pflanze, Tier und Mensch, in Leben, Seele und Geist.

Da diese Begriffe vieldeutig und umstritten sind, schlägt der Biologe Adolf Portmann einen neutralen Ausdruck vor, der ein gemeinsames Merkmal aller drei enthält. Er spricht von Innerlichkeit, von einer unräumlichen Innenwelt, von der »Dimension des Dimensionslosen«. Diese Innerlichkeit ist verschieden tief bei Pflanze, Tier und Mensch. In der Leiblichkeit der Organismen und in ihrem Verhalten sucht dieses Innere sich zu äußern, sich zu manifestieren und darzustellen. »Innerlichkeit« und »Selbstdarstellung« sind die beiden charakteristischen Kennzeichen des Lebendigen. Das Mineral kennt diese Innerlichkeit nicht, und damit auch keine Selbstdarstellung, kein individuelles Mühen um Realisierung und Behauptung eines Selbstes. Was wir wahrnehmen, ist nur das materielle Außen. Diese Seinsweise nennen wir leblos. Gesetze, von denen eben die Rede war, gehören immer dem »Dimensionslosen« an. Sie sind keiner Sinneswahrnehmung zugänglich, können immer nur denkend erfaßt und »gesehen« werden. Dieses Gesetzhafte wirkt im Anorganischen wie von außen, gehört zwar dem »Dimensionslosen« an, wirkt aber nicht als individuelles Wesensglied in den Fällen. Das »Dimensionslose« gibt es also auch außen, nicht nur als individuelle Innerlichkeit.

Die Zweiheit von Gesetz und Fall, von Typus und Exemplar setzt sich in den Menschen hinein fort, hat dort aber eine neue Gestalt angenommen, wodurch der Gegenpol zur Natur hervorgerufen wird.

Es besteht nun die Frage, ob auch diese andere Zweiheit, das dimensionslose Innen und das materielle Außen der organischen Reiche, ob Leben und Materie beide im Mineralreich wiederkehren. Sollte das zutreffen, dann müßten beide eine Verwandlung, ja eine Umwendung nach unten und außen hin ins Unterbiologische durchgemacht haben. Was sich im Menschen als Konvergenz von Typus und Exemplar gezeigt hat, das müßte im Mineralreich als Divergenz, als Trennung von Innen und Außen, von Leben und Materie erscheinen. Der Einigung des Getrennten stünde polar gegenüber eine Trennung des Geeinten. Hat diese Trennung auch für das Leben eine Bedeutung? Besteht es weiter, wie die Materie nach der Trennung weiter besteht? Ist diese Trennung auch für das Leben eine Befreiung aus der Bindung an die Materie, so wie sie für die Materie eine Befreiung aus der Bindung an das Leben ist? Besteht in dieser Trennung weiterhin eine wesenmäßige Bezogenheit von Mineral und Leben? Könnten wir diese Fragen bejahen, so wäre die Trennung des im Organischen, in der Pflanze noch Geeinten der exakte Gegenpol zu der Einigung des im Tier noch Getrennten. Der Weg vom Tier zum Menschen, vom Biologischen zum Überbiologischen entspräche genau dem Weg von der Pflanze zum Mineral, vom Biologischen zum Unterbiologischen.

Betrachtet und versteht man die Weltarchitektur nur von unten nach oben, vom Mineralischen zu den Formen des Lebens, dann erfährt man das kosmische Übergewicht des Anorganischen gegenüber der dünnen, hinfälligen Biosphäre, der Schicht, die mit Lebewesen besiedelt ist. Alles nur Physische repräsentiert eine Großmacht, eine Übermacht von kosmischen Ausmaßen, die unberührt von unserer Existenz, vom Dasein aller Lebewesen ihr eigenes, nur auf sich bezogenes Wesen vor und nach allem Leben hat. Von diesem niederdrückenden Gefühl gäbe es eine Befreiung, eine Erlösung, könnte man die Gewißheit aussprechen, daß nicht nur das Physisch-Materielle von kosmischer Größe ist, sondern daß diesem physischen Kosmos auch ein geistiger zugeordnet ist, daß es ein Weltenleben und eine Seelen- und Geisteswelt von kosmischen Ausmaßen gibt; dann wäre das Physische, das Materielle aus seiner Übermacht zurückgedrängt und erführe eine wohltuende Begrenzung und Abhängigkeit von höheren Seinsformen, mit denen unser Inneres verwandt ist, von denen wir aber wie ausgestoßen und verbannt sind.

Gibt es ein Ich drinnen und draußen, drinnen als Kern der Person, draußen als biologische Art-Idee, dann ist auch mit einem Leben drinnen und draußen zu rechnen, drinnen als Wesensglied der Pflanzen und aller Lebewesen, draußen als das Höhere der Materie. Die Probleme, die hier in diesem Kapitel angeklungen sind, werden von anderen Seiten her vertieft und weiter beleuchtet und in den Zusammenhang mit der Evolution gebracht.

Die biologische Mitte: Pflanze und Tier

Die Phänomene der unteren und oberen Dreiheit lassen sich an Fig. 1 und 2 anschließen. Die Durchdringung beider macht Tatsachen sichtbar, auf die mit Fig. 3 hingewiesen ist. In der biologischen Mitte, in der Partnerschaft von Pflanze und Tier durchdringen sich Gesetz und Fall, Innerlichkeit und Selbstdarstellung. Pflanze und Tier sind Reiche mit Innerlichkeit und Selbstdarstellung, doch stehen beide noch auf der naturhaften Stufe von Gesetz und Fall. Das Allgemeine bestimmt noch das Besondere, aber das Besondere, das Individuelle ist auf dem Wege zu einer Bestimmung von innen her. Ganz individuelle Selbstbestimmung wird erst im Menschen möglich, und ganz unindividuelle Fremdbestimmung, gesetzliche Bestimmtheit alles Besonderen von außen her ist das Wesen des Anorganischen, des Mineralreiches.

Zwischen Pflanze und Tier besteht trotz biologischer Verwandtschaft doch ein großer Unterschied, ja eine polare Umkehr der Merkmale. Die Pflanze ist ein schlafendes Wesen, festgewachsen an die Erde und in der Regel ohne freie Ortsbewegung. Das Tier ist dagegen von der Erde emanzipiert, frei beweglich und sinnenwach. Die Pflanze wächst zentrifugal, sich nach außen hin verzweigend. Das Tier wächst umgekehrt zentripetal nach innen hin und sich in einer reichen Innenorganisation verzweigend. Im Tier begegnet uns schon ein hoher Grad von geschlossener, individualisierter Gestalt und Innerlichkeit, während die Pflanze mit ihrer offenen Organisation und Wendung nach außen in hohem Grade das Unindividuelle und welthaft Geweitete darstellt. Wenn man nur diese wenigen Phänomene nach oben und nach unten hin steigert, wird die größere Polarität von Mensch und Mineral sichtbar. Totale Wendung nach außen und keine Innerlichkeit, das sind Wesenszüge des Minerals, das unter den Pflanzenschlaf hinunter zum Toten abgestiegen ist. Gesteigerte Wachheit, tiefere, aus der Personalität stammende Innerlichkeit, Selbstbestimmung aus eigenstem Wesen heraus, Emanzipation auch aus der Bindung an den Typus, das sind Wesenszüge des Menschen.

Pflanze und Tier sind als Partnerschaft die Mitte in der großen, das Ganze umfassenden Dreiheit. Aber auch jedes der beiden Reiche bildet für sich wieder eine Mitte. So ist die Pflanze die Mitte der unteren Dreiheit. Sie steht zwischen Mineral und Tier. Und das Tier ist die Mitte der oberen Dreiheit. Es steht zwischen Pflanze und Mensch. Immer deutlicher wird es, daß Trinität, Polarität und Mitte im Gefüge der Weltarchitektur eine besondere Rolle spielen.

IIIVom Geheimnis der Mitte – Quellorte der Evolution

Vier Reiche – drei Partnerschaften

Auch in diesem Kapitel beschäftigen uns beide Wege, aufsteigend der eine mit dem Menschen als Achse und Ziel, absteigend der andere mit der Erde, dem Mineralreich als Achse und Ziel. Da beide sich durchdringen, ist das Evolutionsgeschehen unendlich kompliziert, so daß es nötig wird, aus dem Ganzen der vier Reiche engere, überschaubare Zusammenhänge herauszugliedern, um diese dann zu untersuchen. Der Anfang wurde schon mit der Gliederung des Ganzen in zwei Dreiheiten gemacht. Die vier Reiche lassen sich aber auch ebenso sinnvoll in drei Zweiheiten gliedern: Mineral und Pflanze, Pflanze und Tier, Tier und Mensch. Wie Pflanze und Tier an beiden Dreiheiten Anteil haben, Mineral und Mensch jedoch nur einer Dreiheit angehören, so sind auch jetzt wieder Pflanze und Tier in eine untere und obere Zweiheit einbezogen, Mineral und Mensch dagegen nur in eine obere beziehungsweise eine untere Zweiheit.

Über die mittlere dieser Zweiheiten, über das Verhältnis von Pflanze und Tier, wurde schon gesprochen, über ihre polare Verschiedenheit trotz verwandtschaftlicher Nähe. Dies ist gemeint, wenn von einer Partnerschaft der beiden Reiche gesprochen wird. Da sich die gleichen Verhältnisse in der unteren und oberen Zweiheit wiederholen, polare Verschiedenheit bei verwandtschaftlicher Nähe, kann auch hier von Partnerschaften gesprochen werden. Als Glieder des Ganzen bleiben die drei Partnerschaften, ihre Phänomene und Probleme doch immer in einem überschaubaren Zusammenhang untereinander und mit dem Ganzen.

Die trinitarische Struktur der vier Reiche, wie sie in Fig. 3 sichtbar geworden ist, zeigt sich auch bei einer Gliederung in die drei Partnerschaften. Daß Mineral und Pflanze enger zusammengehören, ist schon an der Verwurzelung der Pflanzenwelt im Erdengrund zu erkennen. Die Pflanzendecke ist wie ein Glied, wie ein Organ der ganzen Erde. Tier und Mensch sind von dieser Bindung emanzipiert. Sie haben freie Ortsbewegung und einen hohen Grad von Selbstbestimmung ihres Daseins. Will man die Pflanze verstehen, so gelingt es am besten auf dem Hintergrund der Elemente, der Landschaft mit Erde und Himmel. Pflanzen bilden immer in irgendeiner Variation die Struktur der Landschaft nach, sind individualisierte Wiederholungen von Erde und Himmel mit allem, was sich dazwischen abspielt. Das Erdhafte lebt besonders in der Wurzel. Das Ineinander von Wasser und Luft hat seine Ausprägung im Stengel- und Blattbereich, während sich im Blütenhaften das Licht in besonderer Weise offenbart. Das sind nur wenige Hinweise, um zu zeigen, wie sehr die Pflanze auf dem Hintergrund der Welt zu verstehen ist, wie sehr sie als eine gesteigerte und individualisierte Wiederholung der Welt und des Standortes begriffen werden kann.

Sucht man eine solche Orientierung auch für die Tierwelt, so muß man auf den Menschen blicken. Von seiner Gesamt-Organisation aus fällt Licht auf die tausendfach gestreute Vielheit der Tierwelt. Auch in bezug auf die anatomische und physiologische Dreigliederung in Sinnes-Nerven-Organisation, rhythmische Organisation und Stoffwechsel-Gliedmaßen-Organisation ist der Mensch das einheitlich und harmonisch gestaltete Bild, nach dem die Tiere und ganze Tiergruppen geordnet und verstanden werden können.[2]

Die spiegelbildliche Umkehr ist deutlich: Die Pflanze als das höhere Reich ist zu orientieren an dem niederen, am Mineral, an der Erde, während das niedere Reich der Tiere an dem höheren des Menschen orientiert werden kann. Die extrem polaren Reiche Mensch und Mineral sind der Orientierungshintergrund für die beiden mittleren Reiche Tier und Pflanze. In dieser Tatsache kommt auch zum Ausdruck, daß die Tiere mehr zum Pol des Wesenhaften gehören, dessen höchste Stufe der Mensch ist, während die Pflanzen ein ausgesprochenes Verhältnis zum Welthaften haben, das seine besondere Ausformung in der Erde hat.

Die Polarität und spiegelbildliche Umkehr der oberen und der unteren Partnerschaft kommt auch darin zum Ausdruck, daß einer der Partner das absolute Übergewicht hat, unten ist es das Mineral, oben der Mensch. Die Pflanze ist schon rein quantitativ als Pflanzendecke verschwindend klein. Dieses Übergewicht zeigt an, wer im Kern eigentlich gemeint ist: das Mineralreich, die ganze Erde. Dieser Vorrang gilt aber der ganzen Biosphäre gegenüber, der gesamten organischen Welt. In dem Verhältnis von Mineral und Pflanze wird diese Tendenz besonders deutlich. In der oberen Partnerschaft von Mensch und Tier hat der Mensch ganz eindeutig das Übergewicht, nicht quantitativ, aber qualitativ, dem Individuellen entsprechend, als schöpferische, kulturschaffende Personenfülle. Auch hier gilt das Übergewicht der ganzen Natur gegenüber mit den drei unteren Reichen. Wie passiv wirkt da das Mineralreich trotz seines Übergewichts an Masse, vergleicht man es mit der schaffenden Aktivität des Menschen, der wandelnd, aufbauend und zerstörend tief in die Natur eingreifen kann. Diese Übergewichte besonders in den beiden polaren Partnerschaften zeigen, daß es bei den Problemen der Evolution eben um diesen mächtigen Partner geht, um den Menschen oben, um das Mineral unten.

Da die aufsteigende Tendenz sich auf allen Stufen mit der absteigenden durchdringt, müssen sie auch in jeder dieser drei Partnerschaften wiederkehren. In dem engeren Rahmen einer Partnerschaft sind Abstammungszusammenhänge leichter zu fassen als im Gesamt der vier Reiche. Über den entwicklungsgeschichtlichen Zusammenhang von Mensch und Tier ist eher etwas Verläßliches und Überzeugendes zu erfahren als über den von Mensch und Pflanze oder gar von Mensch und Mineral. Und so ist es auch aussichtsreicher, über den Zusammenhang von Mineral und Pflanze etwas zu erfahren als über den von Mineral und Tier oder gar Mineral und Mensch.

In dieser mittleren Partnerschaft fehlt das Übergewicht des einen oder des anderen Partners. Die Verhältnisse sind ausgewogen und im Gleichgewicht. Das Polare zwischen beiden Reichen ist groß, aber nicht zugunsten oder ungunsten des einen oder anderen Partners verschoben. Dieses Gleichgewicht spricht für das verbindende und ausgleichende Wesen der Mitte schlechthin. Es wurde schon gesagt, daß eine Steigerung der polaren Verhältnisse von Pflanze und Tier zu der extremen Polarität von Mineral und Mensch hinführt. Hier wiederholt sich das Gleichgewicht, das in der mittleren Partnerschaft schon vorgebildet ist. Denn trotz extremer Verschiedenheit sind beide Reiche doch die polare Umkehr voneinander, zeigen innere Strukturen, die aufeinander bezogen werden können. Das wird sich im Verlauf der Arbeit noch zeigen (Kapitel 10).

Die Mitte als Ursprung getrennter Wege

Aus dieser Dreiheit von Partnerschaften ergibt sich die Möglichkeit, die architektonischen Formen und die entwicklungsgeschichtlichen Wege von der Mitte aus zu verstehen und von dieser Mitte aus in zwei polar verschiedene Richtungen zu gehen. Der eine Weg führt aufsteigend zum Menschen, zu einer Steigerung des Individuellen, des Wesenhaften, der andere absteigend hin zum Mineralreich, zu einer Steigerung des Universellen, des Welthaften. Doch bleibt unentschieden, wo denn genau diese Mitte liegt. Geht man von der Pflanze aus, so ist die gesuchte Mitte nach unten hin überschritten; geht man dagegen vom Tier aus, so ist sie nach oben hin überschritten. Die Mitte liegt, genau betrachtet und streng genommen, zwischen Pflanze und Tier, dort also, wo wir nichts finden. Doch fragen wir einmal, was denn dort liegen könnte oder liegen müßte? Eine Durchdringung und Einheit beider Pole, ein Pflanzenhaftes mit tierischen Merkmalen, ein Tierhaftes mit pflanzlichen Merkmalen, eine Zwischenwelt von Pflanze und Tier, die beide ungeschieden ineinander liegen. In Urzeiten der Erde hat es dieses Zwischenreich gegeben. Blasse Andeutungen und Erinnerungen daran finden sich heute noch. Niedere Tiere zeigen oft pflanzenhafte Züge und niedere Pflanzen tierische Eigentümlichkeiten. Die Entwicklungswege müssen von solch einer Mitte ausgegangen sein. Was aber von der einen, der mittleren Partnerschaft gesagt werden kann, darf den anderen nicht vorenthalten werden. Auch hier muß mit einer Mitte gerechnet werden, unten zwischen Pflanze und Mineral, oben zwischen Tier und Mensch. Dann hätte sich aus einem Mittelreich zwischen Tier und Mensch aufsteigend der heutige Mensch entwickelt und absteigend die höhere Tierwelt. Der Aufstieg brachte Gewinn eines neuen Wesensgliedes, der Abstieg war verbunden mit dem Verlust einer Offenheit für das Neue, brachte Zerstreuung und Zersplitterung in eine Unzahl von Formen und Typen gegenüber der Einheitsgestalt des einen Typus Mensch, der einen Sonderart als Repräsentanten eines ganzen Reiches. Und ein Zwischenzustand zwischen Mineral und Pflanze muß der Ausgangspunkt zweier Wege gewesen sein, von denen der eine abwärts führte zum anorganischen Mineralreich heute, der andere dagegen aufwärts zur Formenfülle der heutigen Pflanzenwelt. Auch hier kam es beim Abstieg zur Isolierung und Zerstreuung in die Fülle einzelner mineralischer Substanzen. Geht man in allen drei Partnerschaften von diesen drei Mitten aus, so entsteht ein sehr kompliziertes und doch wieder sehr übersichtliches Bild uralter Entwicklungswege. Um sie auch zeichnerisch sichtbar zu machen, verlegen wir diese drei Quell- und Mittelpunkte nach links hin, von wo aus die Wege polar zu den vier Reichen heute divergieren (Fig. 4).

Man sieht, daß Pflanzen- und Tierreich gar nicht so gleichartig und von gleicher Herkunft sind, wie es scheint. Sie müssen aus zwei Quellen gespeist worden sein, aus einem auf- und einem absteigenden Entwicklungsstrom. Denn es wiederholt sich für dieses Mittelreich das gleiche, was sich für die alte Einheit von Mensch und Tier ereignete. Wie dort der Mensch aufsteigend das Tier überwindet und das Tier absteigend sich vom Menschen entfernt und weitverzweigte eigene Wege geht, so überwindet ein Teil dieses alten Mittelreiches aufsteigend das Pflanzenhafte und wurde ganz Tier, ein anderer Teil überwindet absteigend und zurückbleibend das Tierhafte und wurde ganz Pflanze. Trotz dieser wechselseitigen »Reinigung« des einen vom anderen sind in niederen Tieren Anklänge an das Pflanzliche erhalten geblieben (Hohltiere, Hydren, Korallen) und in niederen Pflanzen Anklänge an das Tierhafte (z.B. in Algen und der geschlechtlichen Generation von Farnen und anderen Blütenlosen). Die höheren Pflanzen sind nicht die tiernahen, sondern gerade die tierfernen, in deren Bau ganz besonders das Wesen der Elemente, der Landschaft eingegangen und ausgeprägt ist: Blumen, Sträucher und Bäume. Die Sprache der Architektur fordert auf, beide Reiche, Pflanze und Tier, daraufhin genauer zu untersuchen.

Nun gibt es aber auch die extrem große Polarität von Mineral und Mensch, eine Partnerschaft größten Stiles. Auch hier muß es eine Mitte geben, einen Quellort uralter und ältester Gemeinsamkeit beider Reiche. Um ihn zeichnerisch sichtbar zu machen, muß man noch weiter zurückgehen in die Vergangenheit (nach links). Hier hätten wir die Mitte aller Mitten erreicht, einen Ur-Zustand der Erde, der noch ganz auch der Urzustand des Menschen war, einen Zustand des Menschen, der ganz noch der Uranfang der Erde war. Von dieser Mitte aller Mitten gehen dann aufsteigend und absteigend die beiden großen Achsen aller Wege aus. Welt und Wesen waren hier noch eins. Daß die Stilprinzipien der Weltarchitektur solche Ausblicke eröffnen, ist beglückend und ermutigend für das Bemühen, verborgene Wirklichkeiten verstehbar und einsichtig zu machen.

Mensch und Erde: die Ur-Einheit von Wesen und Welt

Der Einheit im Urbeginn entspricht heute das extreme Gegenüber von Erde und Mensch. Bei der fortschreitenden Trennung durch alle Stufen sind sie bis heute doch immer zusammengeblieben, füreinander gemeint und aufeinander bezogen. Schon die Polarität von Pflanze und Tier läßt eine Umstülpung ihrer gestaltlichen Verhältnisse erkennen. So muß eine Steigerung dieser Polarität in Mineral und Mensch auch eine gesteigerte, extrem geartete Umkehr des einen in das andere Reich sein.

Im Abstieg der Erde aus höheren Zuständen und Bereichen vollzog sich zugleich auch der Aufstieg aller Wesen, deren zentrale Achse der Mensch ist. Der Schritt vom Tier zum Menschen, genauer gesagt von der Tierstufe des Menschen zu seiner heutigen ichhaften Geiststufe ist nur die letzte, große Etappe auf den Wegen einer aufsteigenden Evolution der Wesen. Und der Schritt von der Pflanze zum Mineral, genauer gesagt von der pflanzlich-lebendigen Stufe der Erde zu ihrer erstorbenen Gegenwartsgestalt, ist nur die letzte Etappe auf den Wegen einer aus höheren Zuständen absteigenden Evolution der ganzen Erde. Mensch und Erde haben gemeinsamen Ursprung, sind deshalb auch die ältesten Reiche mit den längsten Entwicklungswegen.

Der heute immer noch vorhandene Nachklang dieser beiden großen, sich wechselseitig durchdringenden und bedingenden Evolutionswege ist in den beiden Tendenzen zu erkennen, die das strukturierende Gerüst der gesamten Architektur ausmachen (Fig. 1–3