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Was macht ein Krankenhaus exzellent? Wie gelingt es, erstklassige medizinische Versorgung mit einem Arbeitsumfeld zu verbinden, in dem Mitarbeitende nicht nur bleiben, sondern aufblühen? Die weltweit renommierte Auszeichnung Magnet® steht für Spitzenleistungen in der Pflege, hervorragende Arbeitsbedingungen und eine Kultur, die Mitarbeitende inspiriert und Patient:innen begeistert. Doch was steckt hinter diesem Erfolg? Die Autor:innen gehen der Frage nach, wie Krankenhäuser auch in Europa vom Konzept der Magnet®-Krankenhäuser profitieren können – und zeigen warum es der Weg zu einer besseren Gesundheitsversorgung ist. Dieses Buch rückt bewusst die Pflege in den Mittelpunkt, ohne dabei andere Gesundheitsberufe aus dem Blick zu verlieren. Exzellenz entsteht nur, wenn alle an einem Strang ziehen. Ziel ist eine Kultur, in der hochwertige, patientenzentrierte Versorgung zur Selbstverständlichkeit wird und gleichzeitig ein nachhaltiges, effizientes Gesundheitssystem entsteht. Aus der langjährigen Zusammenarbeit des Herausgeber-Teams mit ihrem Netzwerk auch im Rahmen des EU-Projekts Magnet4Europe ist ein Buch entstanden, das Krankenhäuser bei der Transformation zur Exzellenz unterstützen soll. Mit praxisnahen Beispielen, innovativen Konzepten und bewährten Erfolgsstrategien bietet das Buch:
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Seitenzahl: 317
Veröffentlichungsjahr: 2025
H. Maucher | S. Dienst | J. Prölß (Hrsg.)
Exzellenz im Krankenhaus
Optimale Arbeitsbedingungen als Schlüssel zu herausragender Patientenversorgung
mit Beiträgen von
C. Bamberg | D. Block | P. Blumenberg | R. Busse | J. Deerberg-Wittram | S. Dienst | L. Enz | T. Fleckenstein | A. Friedrich | M. Horneber | N. Kasper | J. Kleine | C. Köppen | S. Lehringer | L. Leppla | S. Lüngen | C. Maier | H. Maucher | J. Oberfeld | C. Pioch | J. Prölß | G. Quernheim | C. Reidt | M. Richter | S. Schafmeister | H. Schiffer | M. Schmedders | M. Schmidt | A. Schmidt-Rumposch | J. Schobel | D. Seydel | P. Stratmeyer | W. Swoboda | C. Tegtmeier | T. van den Hooven | M. van Loo | B. Vogt | J. von Schledorn | S. Weidlich | M. Werners | A. Würfel | E. Wuzel-Samimi | U. Zerhusen
Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft
Das Herausgeber-Team
Dr. rer. cur. Helene Maucher, RN, M.Sc.
RKU – Universitäts- und Rehabilitationskliniken Ulm gGmbH
und
Sana Kliniken AG Ismaning
Unternehmensstrategie Pflege
Dipl.-Pflegewirt Sebastian Dienst
Deutsches Herzzentrum der Charité Berlin
Pflegedirektion
Joachim Prölß, M.A.
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
Direktion für Patienten- und Pflegemanagement;
Vorstand
MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG
Unterbaumstr. 4
10117 Berlin
www.mwv-berlin.de
ISBN 978-3-95466-981-3 (eBook: PDF)
ISBN 978-3-95466-990-5 (eBook: ePub)
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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Informationen sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
© MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Berlin, 2025
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Die Verfasser haben große Mühe darauf verwandt, die fachlichen Inhalte auf den Stand der Wissenschaft bei Drucklegung zu bringen. Dennoch sind Irrtümer oder Druckfehler nie auszuschließen. Daher kann der Verlag für Angaben zum diagnostischen oder therapeutischen Vorgehen (zum Beispiel Dosierungsanweisungen oder Applikationsformen) keine Gewähr übernehmen. Derartige Angaben müssen vom Leser im Einzelfall anhand der Produktinformation der jeweiligen Hersteller und anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Eventuelle Errata zum Download finden Sie jederzeit aktuell auf der Verlags-Website.
Produkt-/Projektmanagement: Anja Faulenbach, Sarah Nienas, Berlin
Copy-Editing: Monika Laut-Zimmermann, Berlin
Layout, Satz und Herstellung: zweiband.media, Agentur für Mediengestaltung und -produktion GmbH, Berlin
E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH, Rudolstadt
Cover: shutterstock –© Alphavector
Zuschriften und Kritik an:
MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, Unterbaumstr. 4, 10117 Berlin, [email protected]
Liebe Leserinnen und Leser,
mit diesem Buch wollen wir mit Ihnen gemeinsam der Frage auf den Grund gehen, wie eine exzellente (stationäre) Versorgung unserer Patienten bei gleichzeitig höchster Zufriedenheit der Mitarbeitenden gelingen kann.
Die Idee für dieses Buch ist durch unsere eigene intensive Auseinandersetzung mit dem US-amerikanischen Konzept des Magnet®-Krankenhauses entstanden. Der Kern des Konzeptes ist ein komplexes Modell aus Faktoren, den sogenannten Magnetkräften, die einen wesentlichen Beitrag zu einer exzellenten Patientenversorgung leisten können. In der Mission des „Magnet Recognition Programs“ steht die kontinuierliche Verbesserung der Patientenversorgung klar im Vordergrund. Dabei wird den Pflegefachpersonen – in Zusammenarbeit mit interprofessionellen Teams – ein Umfeld geschaffen, das durch Führungsstärke, wissenschaftliche Entdeckungen sowie die Verbreitung und Umsetzung neuen Wissens ermöglicht den Standard für Exzellenz zu setzen.
Aus der Zusammenarbeit der Herausgeber im Magnet4Europe Projekt der EU ist die gemeinsame Idee für dieses Buch entstanden. Wir sind begeistert von dem Magnet®-Konzept, setzen uns aber auch mit vielen Faktoren und Facetten kritisch auseinander. Im Mittelpunkt steht für uns dabei das Streben nach Exzellenz in der Versorgung und weniger die Bewertung eines Zertifizierungsmodells. Um das zu erreichen, sind wir mit vielen Mitstreitern in Kontakt getreten und konnten zahlreiche Beiträge und Diskussionsansätze für dieses Buch zusammentragen. An dieser Stelle möchten wir unseren Autorinnen und Autoren sehr herzlich für die großartige Zusammenarbeit danken.
Dieses Buch soll Akteuren des Gesundheitswesens Mut machen, notwendige Veränderungen anzugehen und trotz vieler Unsicherheiten eine zuversichtliche Zukunft beschreiben. Der Spirit einer gemeinsamen Vision und das kollektive Netzwerk bieten die Chance, von den Besten zu lernen.
Das Buch bietet allen im Gesundheitssystem tätigen Health Professionals in Pflegepraxis, Pflegewissenschaft, Management und Pädagogik, sowie Entscheidern aus Politik und Wirtschaft Inspiration und konkrete Handlungsempfehlungen, um für die eigene Einrichtung einen Business-Case zu erstellen.
Im Zentrum des Buches steht auch das Lernen aus erfolgreichen Ansätzen (Best Practice und Proving Outcome), um Kräfte für die Durchsetzung in der eigenen Organisation zu mobilisieren. Es wird vermittelt, wie Arbeitsbedingungen und eine Kultur geschaffen werden können, in der die patientenzentrierte, qualitativ hochwertige Versorgung für alle Berufsgruppen selbstverständlich ist und damit ein Beitrag für ein effizientes und effektives Gesundheitssystem geleistet wird.
Wir wünschen allen Leserinnen und Lesern viel Freude und einen hohen Erkenntnisgewinn mit diesem Buch. Wir wünschen uns ganz ausdrücklich den Austausch mit Ihnen und würden uns daher sehr freuen, wenn Sie Ihre Gedanken und Rückmeldungen mit uns teilen würden.
Helene Maucher, Sebastian Dienst und Joachim Prölß
Im März 2025
IChancen und Begrenzungen des Magnet®-Konzeptes
1Das Magnet®-KonzeptHelene Maucher, Sebastian Dienst und Joachim Prölß
IIPersonelle Exzellenz
1Mitarbeiterzufriedenheit – ein (kulturelles) Ziel im Krankenhaus der Zukunft?Sven Lüngen
2Transformationale vs. transaktionale Führung? Oder doch nur zwei Seiten einer Medaille?Andrea Schmidt-Rumposch und Sonja Lehringer
3Neue Arbeitsformen in einer hochdynamischen WeltMichael van Loo
4Interprofessionalität als Schlüssel für personelle Exzellenz – was die Medizin vom modernen Fußball lernen kannJens Deerberg-Wittram
5Employer Branding – Mitarbeitendenzentrierung macht den UnterschiedUlrich Zerhusen
IIIStrukturelle und prozessuale Exzellenz
1Aufbau- und Ablauforganisation – verhindert der duale Konflikt die Exzellenz?Sebastian Dienst
2Die produktive Station als Baustein von PflegeexzellenzTessa Fleckenstein, Christian Bamberg und Nico Kasper
3Rollenkonzepte in der Pflege – ein Kompetenz- und Karrieremodell für Pflegefachpersonen mit FachführungHelmut Schiffer, Sandra Weidlich und Lynn Leppla
4Shared Governance – das Rückgrat von PflegeexzellenzHelene Maucher und Dania Block
IVPatientenorientierung als neue Exzellenz
1Die Rolle von Patient:innen im WandelJoan Kleine, Carolina Pioch, Marcus M. Werners und Reinhard Busse
2Patientenorientierung – mehr als KundenorientierungPeter Stratmeyer
3Der Patient im SystemSebastian Dienst
4Netzwerkkompetenz für die Zusammenarbeit in der KrankenhauslandschaftAlexander W. Friedrich und Jörg Oberfeld
5Patientenorientierung in räumlichen StrukturenMatthias Schmidt und Martin Richter
VMessung der Exzellenz
1Qualitätsmessung im Wandel – Exzellenz ist kein Ziel, sondern eine ReiseElena Wuzel-Samimi
2Fehler führen zu Exzellenz – Einführung einer positiven FehlerkulturPetra Blumenberg
3Mit Daten überzeugen – Exzellenz sichtbar machenBirgit Vogt
4Rahmenbedingungen für exzellente Pflege schaffenMechtild Schmedders
VIDer Weg zu Exzellenz
1Change Management – Step by Step zur Pflegeexzellenz im Hinblick auf die Magnet®-Zertifizierung und dessen Auswirkungen auf den WandelThomas van den Hooven
2Mit „Joy of Nursing“ zur PflegeexzellenzGerman Quernheim
3Potenzialentfaltung durch Förderung der psychischen Gesundheit – Pflegepersonal im Krankenhaus stärkenJulia Köppen, Charlotte Reidt und Claudia B. Maier
4Coaching, Mentoring und Residency-Programme – Bausteine zur PflegeexzellenzLouise Enz
5Innovation durch Partizipation – Ideen von Mitarbeitenden für nachhaltige Veränderung nutzenDominique Seydel und Julia von Schledorn
6Nutzung von Künstlicher IntelligenzWalter Swoboda, Alexander Würfel, Sylvia Schafmeister und Johannes Schobel
7Ökonomische Exzellenz und NachhaltigkeitMarkus Horneber und Christine Tegtmeier
Das Konzept „Magnet®-Krankenhaus“ entstand in den frühen 1980er-Jahren in den USA als Reaktion auf eine zunehmende Krise im Gesundheitswesen, die sich in einem signifikanten Mangel an qualifizierten Pflegefachpersonen manifestierte. Hinzu kam die Verschlechterung der Versorgungsqualität, erkennbar und messbar an schlechten Outcomes. Zu dieser Zeit entwickelte sich zwischen den vielen Krankenhäusern in den USA ein Wettbewerb darin qualifiziertes Pflegepersonal zu gewinnen und zu binden. Bei den Häusern mit großen Personalproblemen verschlechterten sich nicht nur die Pflegequalität, sondern auch die Arbeitsbedingungen.
In diesem Kontext führte die American Academy of Nursing (AAN) im Jahr 1983 eine wegweisende Studie durch, die sich darauf konzentrierte, Krankenhäuser zu identifizieren, die trotz des allgemeinen Pflegenotstands erfolgreich Pflegefachpersonen anziehen und halten konnten (McClure et al. 1983). Diese Einrichtungen zeichneten sich durch bestimmte gemeinsame Merkmale aus, die sie besonders attraktiv für Pflegemitarbeitende machten, bei gleichzeitiger hoher Versorgungsqualität der Patient:innen. Diese Merkmale wurden als sog. „Forces of Magnetism“ bekannt, die für das spätere Magnet®-Konzept die Grundlage bildeten.
Im Jahr 1990 wurde das „Magnet Recognition Program“ offiziell durch das American Nurses Credentialing Center (ANCC), eine Tochtergesellschaft der American Nurses Association (ANA), ins Leben gerufen. Das Programm wurde entwickelt, um Krankenhäuser zu zertifizieren, die die hohen Standards in den Bereichen Pflegeführung, Arbeitsumgebung und Pflegequalität erfüllen, die in den ursprünglichen Magnet®-Kriterien identifiziert wurden. Ziel war es, eine positive Arbeitsumgebung für Pflegende zu schaffen, in der sie ihre beruflichen Fähigkeiten voll ausschöpfen können, was wiederum zu einer besseren Patientenversorgung führen soll. Dies führte dazu, dass Magnet®-Krankenhäuser als Vorbilder für die Implementierung von Best Practices im Pflegebereich angesehen werden. Der Erfolg des Konzepts in den USA hat dazu beigetragen, dass es mittlerweile als Goldstandard in der Pflege gilt und internationale Aufmerksamkeit erlangt hat. Aktuell wird das Modell breiter diskutiert, da die neusten Studien und Veröffentlichungen der WHO bzgl. der Entwicklung der Arbeitnehmerzahlen im Gesundheitssystem weltweit die Bedeutung von mehr Mitarbeiterorientierung – und diese Mitarbeiter:innen auch im System zu halten – deutlich unterstreicht (Zapata u. Langins 2022).
Der Ursprung und der Fokus des Magnet®-Modells liegt auf der Berufsgruppe der Pflege. Allerdings kann nach nun über 40 Jahren festgehalten werden, dass das Magnet®-Modell nicht ein Modell ausschließlich für die Pflege ist: Es ist vielmehr ein umfassendes Organisationskonzept, welches sich aus Elementen der klassischen Organisationslehre und des Exzellenzansatzes bedient und eine sehr hohe Outcome-Orientierung aufweist. Damit ist es für Krankenhäuser insgesamt interessant, auch wenn der Vorwurf, es sei zu „pflegezentriert“ nicht von der Hand zu weisen ist. Aber in den Augen der Herausgeber:innen dieses Buches ist dies auch kein Makel, da besonders die Forschung gerade im angloamerikanischen Raum deutlich macht, dass die Bedeutung der Pflege in Krankenhausorganisationen auf den Outcome für die Patient:innen nicht zu unterschätzen ist (Aiken et al. 2002).
Das Magnet®-Modell basiert auf fünf zentralen Prinzipien, die darauf abzielen, die Arbeitsbedingungen für Pflegefachpersonen zu verbessern und gleichzeitig die Qualität der Patientenversorgung zu steigern. Diese Kernprinzipien – transformational Leadership, strukturelle Ermächtigung, professionelle Praxis, neue Wissensentwicklung und Empirische Qualitätsresultate – sind eng miteinander verknüpft und bilden das Fundament für die Magnet®-Philosophie und zeigen bei genauerer Betrachtung, dass sich dies nicht nur in der Berufsgruppe Pflege realisieren lässt.
1. Transformational Leadership: Transformational Leadership ist das erste Prinzip des Magnet®-Modells und legt den Schwerpunkt auf eine Führung, die inspiriert, motiviert und Innovationen vorantreibt. In Magnet®-Krankenhäusern zeichnen sich die Führungskräfte, insbesondere die Pflegeleitungen, durch visionäres Denken und die Fähigkeit aus, positive Veränderungen zu initiieren. Sie handeln nicht nur als Vorgesetzte, sondern auch als Mentor:innen und Vorbilder, die das Pflegepersonal dazu ermutigen, sich weiterzuentwickeln und aktiv zur Verbesserung der Pflegepraxis beizutragen. Diese Führungsform zielt darauf ab, eine Kultur des Vertrauens, der Zusammenarbeit und der gemeinsamen Ziele zu schaffen, was letztlich die Mitarbeiterzufriedenheit und die Patientenversorgung verbessert (Bass 1985).
2. Strukturelle Ermächtigung: Strukturelle Ermächtigung bezieht sich auf die Schaffung von Rahmenbedingungen, die es Pflegenden ermöglichen, ihr volles Potenzial zu entfalten. Dies beinhaltet den Zugang zu Ressourcen, Unterstützungssystemen und Bildungsangeboten, mit denen berufliche Ziele erreicht und eine hohe Pflegequalität gewährleistet werden können. In Magnet®-Krankenhäusern werden Pflegefachpersonen ermutigt, aktiv an Entscheidungsprozessen teilzunehmen, sei es in klinischen Fragen, bei der Gestaltung der Arbeitsumgebung oder in organisatorischen Belangen. Diese Beteiligung stärkt das Gefühl der Eigenverantwortung und fördert eine Kultur der kontinuierlichen Verbesserung (Rappaport 1981).
3. Professionelle Praxis: Professionelle Praxis ist das Herzstück des Magnet®-Modells und umfasst die Förderung einer hohen Pflegequalität durch evidenzbasierte Pflegepraktiken. Magnet®-Krankenhäuser legen großen Wert auf die kontinuierliche Weiterbildung und professionelle Entwicklung ihrer Pflegenden. Die Pflegepraxis in diesen Einrichtungen basiert auf den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen und Best Practices, was zu besseren Patientenergebnissen führt. Ein wesentlicher Aspekt der professionellen Praxis ist die Förderung von interdisziplinärer Zusammenarbeit, bei der Pflegefachpersonen eng mit anderen Professionen zusammenarbeiten, um eine ganzheitliche und patientenzentrierte Versorgung zu gewährleisten.
4. Neue Wissensentwicklung und Innovation: Das Prinzip der neuen Wissensentwicklung und Innovation betont die Bedeutung von Forschung und kontinuierlichem Lernen in der Pflegepraxis. Magnet®-Krankenhäuser fördern aktiv die Entwicklung und Implementierung neuer Pflegekonzepte und Technologien, um die Qualität der Patientenversorgung zu verbessern. Pflegende werden ermutigt, sich an Forschungsprojekten zu beteiligen und innovative Ansätze in ihrer Praxis zu integrieren. Durch die Schaffung einer Kultur, die Innovation und Wissensaustausch unterstützt, tragen Magnet®-Krankenhäuser dazu bei, die Pflegepraxis kontinuierlich weiterzuentwickeln und auf zukünftige Herausforderungen vorbereitet zu sein. Dazu heißt es „Magnet®-Organisationen haben eine ethische und professionelle Verantwortung zu Patientenversorgung, Organisation und zum Beruf in Bezug auf neues Wissen, Innovationen und Verbesserungen beizutragen. Unsere derzeitigen Systeme und Praktiken müssen neugestaltet und neudefiniert werden, wenn wir in Zukunft erfolgreich sein wollen“. 1
5. Empirische Qualitätsresultate: Das Prinzip der empirischen Qualitätsresultate stellt sicher, dass die Maßnahmen und Strategien, die in Magnet®-Krankenhäusern implementiert werden, zu messbaren Verbesserungen in der Patientenversorgung führen. Diese Resultate werden durch eine systematische Erfassung und Analyse von Daten in Bereichen wie Patientensicherheit, klinischen Ergebnissen und Mitarbeiterzufriedenheit dokumentiert. Diese Fokussierung ermöglicht es Magnet®-Krankenhäusern, ihre Leistungen objektiv zu bewerten, zu vergleichen und kontinuierlich zu optimieren. Die Erfolge, die durch diese evidenzbasierte Praxis erzielt werden, dienen als Beweis für die Wirksamkeit des Magnet®-Modells und unterstützen dessen Weiterentwicklung und Verbreitung. Allerdings heißt es im Magnet®-Modell: „Der heutige Magnet®-Erkennungsprozess konzentriert sich in erster Linie auf Struktur und Prozesse, mit der Annahme, dass gute Ergebnisse folgen werden. Derzeit werden die Ergebnisse nicht spezifiziert und minimal gewichtet“. 2
Die Kernprinzipien des Magnet®-Modells bilden ein integratives und dynamisches Rahmenwerk, das die Pflegepraxis auf ein neues Niveau hebt. Sie haben dazu beigetragen, das Magnet®-Modell weltweit als Vorbild für Exzellenz in der Pflege zu etablieren. Es bleibt der Vorwurf, dass sich das Model zu einseitig auf den Pflegeberuf konzentriert. Neuere Ansätze betonen allerdings, dass diese Prinzipien nicht nur in einer Berufsgruppe in einer Organisation herzustellen sind. Das Konzept bietet eine große Chance, die Magnet®-Kultur in die Gesamtorganisation hineinzutragen und dort auch zu manifestieren. Die bisherige Erfahrung besonders in Amerika zeigt, dass hier zwar eine Fokussierung auf den Pflegedienst vorhanden ist, dieser aber auf die gesamte Organisation ausstrahlt und „ansteckend“ ist (Barden et al. 2011).
Das Magnet®-Konzept hat in den USA eine Reihe positiver Effekte in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen hervorgebracht. Diese Effekte erstrecken sich über verschiedene Bereiche, darunter die Mitarbeiterbindung, die Patientenzufriedenheit und die klinischen Outcomes.
1. Verbesserte Mitarbeiterbindung: Einer der bemerkenswertesten positiven Effekte des Magnet®-Konzepts in den USA ist die verbesserte Mitarbeiterbindung. Magnet®-Krankenhäuser zeichnen sich im Vergleich zu nicht-zertifizierten Einrichtungen durch eine deutlich niedrigere Fluktuationsrate unter Pflegenden aus (Lacey et al. 2007). Dies ist auf mehrere Faktoren zurückzuführen:
2. Gesteigerte Patientenzufriedenheit: Ein weiterer wesentlicher Vorteil des Magnet®-Konzepts ist die deutlich gesteigerte Patientenzufriedenheit. Studien haben gezeigt, dass Patientinnen in Magnet®-Krankenhäusern von einer höheren Zufriedenheit mit der Pflege und den allgemeinen Krankenhausleistungen berichten (McCaughey et al. 2020). Diese Zufriedenheit lässt sich auf mehrere Faktoren zurückführen:
3. Bessere klinische Ergebnisse: Die verbesserten klinischen Ergebnisse sind ein weiterer entscheidender Vorteil des Magnet®-Modells. Magnet®-Krankenhäuser weisen oft überdurchschnittlich gute klinische Resultate auf, was sich in verschiedenen Bereichen zeigt:
4. Wirtschaftliche Vorteile: Neben den direkten Effekten auf Mitarbeiter:innen und Patient:innen zeigen sich auch wirtschaftliche Vorteile in Magnet®-Krankenhäusern:
Das Magnet®-Konzept, das sich in den USA als erfolgreiches Modell für exzellente Pflege etabliert hat, bietet auch für europäische Krankenhäuser interessante Perspektiven. Dennoch gibt es erhebliche strukturelle und kulturelle Unterschiede zwischen dem amerikanischen und den europäischen Gesundheitssystemen, die die Übertragbarkeit des Konzepts beeinflussen. Für eine erfolgreiche Implementierung in Europa sind daher Anpassungen notwendig, die sowohl die spezifischen Arbeitsbedingungen als auch gesetzliche und kulturelle Unterschiede berücksichtigen. Zudem spielt die Akzeptanz des Konzepts durch Führungskräfte und Pflegepersonal eine entscheidende Rolle. Auch mögliche Widerstände aufgrund tief verwurzelter Traditionen und unterschiedlicher Bildungswege dürfen nicht ignoriert werden. Daher wurde lange an der Übertragbarkeit des Konzeptes nach Europa gezweifelt, wobei in der Diskussion nicht unterschieden wurde, ob eine Übertragung des Konzeptes nicht möglich ist oder nur das der eigentlichen Zertifizierung. Nach Haltung der Herausgeber:innen ist das Konzept von Magnet® durchaus übertragbar. Vielleicht sollte es weiterentwickelt und aktualisiert werden, kann aber in seinen Grundprinzipien und auch der konsequenten Patientenorientierung durchaus erhalten bleiben.
Ob die Zertifizierung so übertragbar ist steht auf einem anderen Blatt. Dass dies möglich ist haben erste Krankenhäuser in Europa bewiesen. Außerdem sind auch Veränderungen bei der ANCC zu sehen, einzelne Kriterien der Zertifizierung mehr dem internationalen Umfeld anzupassen. Ein wesentlicher Unterschied dabei ist, dass sich die Gesundheitssysteme in den USA und Europa grundlegend in ihrer Struktur und Finanzierung unterscheiden, was natürlich Auswirkungen auf die Übertragbarkeit des Magnet®-Konzepts hat. In den USA ist das Gesundheitssystem stark privatwirtschaftlich geprägt, mit einer hohen Abhängigkeit von Versicherungen und einer starken Betonung auf Wettbewerbsfähigkeit und Effizienzsteigerung, besonders bei privaten Krankenhäusern. Das Magnet®-Konzept wurde in diesem Kontext entwickelt, um die Qualität der Pflege und die Arbeitsbedingungen in einem stark marktgesteuerten Umfeld zu verbessern.
In Europa hingegen dominieren öffentliche Gesundheitssysteme, die überwiegend durch Steuergelder oder Sozialversicherungsbeiträge finanziert werden. In vielen europäischen Ländern wie Deutschland, Frankreich und den skandinavischen Staaten sind Krankenhäuser häufiger staatlich oder kommunal geführt, was eine andere Dynamik in Bezug auf Entscheidungsprozesse und Ressourcenverteilung mit sich bringt. In diesen Systemen stehen nicht Gewinnmaximierung, sondern die flächendeckende Versorgung und die Gleichheit des Zugangs zu Gesundheitsdienstleistungen im Vordergrund. Für Deutschland muss allerdings auch konstatiert werden, dass sich der Anteil der Krankenhäuser in privatwirtschaftlicher Trägerschaft auf mittlerweile 40 Prozent gesteigert hat (Statistisches Bundesamt 2024).
Darüber hinaus unterscheiden sich die europäischen Länder untereinander in ihren Gesundheitssystemen. Während einige Länder wie das Vereinigte Königreich ein stark zentralisiertes Modell verfolgen, in dem der Staat eine dominante Rolle spielt, existieren in anderen Ländern wie Deutschland dezentralisierte Systeme mit einer Vielfalt an Trägern und starkem Einfluss der Sozialpartner. Diese Diversität innerhalb Europas stellt eine zusätzliche Herausforderung für die Implementierung eines einheitlichen Modells wie des Magnet®-Konzepts dar. Aufgrund dieser strukturellen Unterschiede ist es notwendig, das Magnet®-Konzept an den europäischen Rahmenbedingungen anzupassen. Diese Veränderungen müssen auf mehreren Ebenen erfolgen:
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Übertragbarkeit des Magnet®-Konzepts auf Europa zwar vielversprechend ist, jedoch eine umsichtige Anpassung an die spezifischen strukturellen, rechtlichen und kulturellen Gegebenheiten erfordert. Die Bereitschaft zur Veränderung und die Fähigkeit, mögliche Widerstände zu überwinden, sind entscheidende Faktoren für den Erfolg des Modells in Europa.
Die Magnet4Europe-Initiative war eine europaweit durchgeführte Studie, die darauf abzielte, das erfolgreiche Magnet®-Konzept aus den USA auf europäische Krankenhäuser zu übertragen und dessen Auswirkungen auf die Arbeitsbedingungen, Pflegequalität und Patientenzufriedenheit zu untersuchen. Initiiert wurde die Studie von einem Konsortium aus europäischen und amerikanischen Partnern, darunter Universitäten, Krankenhäuser und Forschungseinrichtungen, mit finanzieller Unterstützung durch das Horizon 2020-Programm der Europäischen Union.
Abb. 1 Die fünf Schlüsselkomponenten von Magnet4Europe 1
1https://www.magnet4europe.eu/at-a-glance.html (abgerufen am 18. Dezember 2024)
Die Magnet4Europe-Initiative basierte auf der Überzeugung, dass die Prinzipien des Magnet®-Konzepts – wie transformationales Leadership, strukturelle Ermächtigung und professionelle Praxis – auch in europäischen Krankenhäusern zur Verbesserung der Pflege und zur Stärkung der Pflegefachpersonen beitragen können. An der Magnet4Europe-Studie nahmen Krankenhäuser aus sechs europäischen Ländern teil: Belgien, Deutschland, Irland, Schweden, Großbritannien und Norwegen. Diese Länder wurden ausgewählt, um eine repräsentative Abdeckung unterschiedlicher Gesundheitssysteme und kultureller Kontexte in Europa zu gewährleisten. Insgesamt waren etwa 60 Krankenhäuser in das Projekt involviert, die anhand spezifischer Kriterien ausgewählt wurden. Die beteiligten Krankenhäuser umfassten sowohl große Universitätskliniken als auch kleinere regionale Krankenhäuser, um die Generalisierbarkeit der Ergebnisse zu gewährleisten. Erste Ergebnisse der Studie deuten darauf hin, dass das Magnet®-Konzept das Potenzial hat, auch in Europa positive Veränderungen zu bewirken, jedoch nur unter Berücksichtigung der regionalen Besonderheiten.
Die Einführung des Magnet®-Konzepts in Europa bietet eine Vielzahl von Chancen, aber auch Herausforderungen. Zu den wichtigsten Chancen gehört die Möglichkeit, die Arbeitszufriedenheit und die berufliche Autonomie von Pflegenden erheblich zu verbessern, was wiederum die Pflegequalität und die Patientensicherheit steigern kann. Die positiven Effekte, die in den USA beobachtet wurden, wie verbesserte Mitarbeiterbindung und gesteigerte Patientenzufriedenheit, sind auch in europäischen Krankenhäusern zu erwarten, sofern das Konzept erfolgreich angepasst wird.
Allerdings stehen diesen Chancen erhebliche Herausforderungen gegenüber. Die strukturellen und kulturellen Unterschiede zwischen den amerikanischen und europäischen Gesundheitssystemen erfordern notwendige Anpassungen des Magnet®-Modells. Unterschiede in den Arbeitsbedingungen, gesetzlichen Rahmenbedingungen und kulturellen Werten sind entscheidende Faktoren, die die Implementierung erschweren können. Zudem ist die Akzeptanz des Modells bei Führungskräften und Pflegepersonal nicht überall gleichermaßen hoch, was zu Widerständen führen kann.
Die Magnet4Europe-Studie hat einen wichtigen Grundstein für die weitere Erforschung und Anpassung des Magnet®-Konzepts in Europa gelegt. Zukünftige Entwicklungen könnten sich darauf konzentrieren, die gewonnenen Erkenntnisse weiter zu vertiefen und spezifische Best Practices für unterschiedliche europäische Kontexte zu entwickeln. Auch die laufende Krankenhausstrukturreform in vielen europäischen Ländern bietet eine Gelegenheit, das Magnet®-Konzept stärker zu integrieren. Die Reformen können genutzt werden, um strukturelle Veränderungen zu fördern, die die Einführung des Modells erleichtern. Zukünftige Forschungsrichtungen könnten sich darauf konzentrieren, die langfristigen Auswirkungen des Magnet®-Konzepts auf die Patientensicherheit, die finanzielle Nachhaltigkeit von Krankenhäusern und die berufliche Entwicklung von Pflegenden in Europa zu untersuchen. Darüber hinaus könnte die Forschung auch die interkulturellen Unterschiede und deren Einfluss auf die Implementierung des Modells weiter erforschen, um noch gezieltere Anpassungen vornehmen zu können. Schließlich könnte die Magnet4Europe-Initiative als Vorbild für ähnliche Projekte in anderen Regionen der Welt dienen, die ebenfalls daran interessiert sind, die Pflegequalität und die Arbeitsbedingungen im Gesundheitswesen zu verbessern.
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Dr. rer. cur. Helene Maucher, RN, M.Sc.
Helene Maucher ist seit 2020 Bereichsleitung der Unternehmensstrategie Pflege der Sana Kliniken AG Ismaning. Sie ist Pflegedirektorin am RKU seit 2013, seit 2020 zusammen mit Catharina Bothner. Das RKU nahm von 2019 bis 2023 an der Magnet4Europe-Studie teil und ist Initiativklinik von BIN – Pflege. Seit Mai 2024 ist Helene Maucher Mitglied im International Advisoryboard der ANCC, USA.
Joachim Prölß, M.A.
Joachim Prölß ist seit 2010 Direktor für Patienten- und Pflegemanagement sowie Personalvorstand des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf. Er ist Gesundheits- und Krankenpfleger, Fachkrankenpfleger für Anästhesie- und Intensivpflege und hat das Diplom-Studium „Pflegemanagement“ an der Katholischen Hochschule Köln sowie das Master-Studium „Sozial- und Gesundheitsmanagement“ an der TU Kaiserslautern absolviert.
Dipl.-Pflegewirt Sebastian Dienst
Sebastian Dienst hat eine Pflegeausbildung und ein Studium des Pflegemanagements an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Hamburg absolviert. Dort ist er bis heute als Dozent tätig. Seit 2018 ist er Pflegedirektor des Deutschen Herzzentrums der Charité (vormals Deutsches Herzzentrum Berlin), zuvor war er in großen Kliniken und Klinikverbünden tätig, u.a. auch als Prokurist und Geschäftsführer von Service- und Cateringgesellschaften sowie von Pflege-Akademien. Besondere Erfahrung besitzt Sebastian Dienst im Bereich des Magnet®-Konzeptes, welches aktuell in seinem eigenen Haus umgesetzt wird. Darüber hinaus engagiert er sich als Berater im Bereich Gesetzgebungsverfahren und Berufspolitik, ist ehrenamtlicher Commissioner der ANCC und Lehrtätiger an verschiedenen Hochschulen.
1https://www.nursingworld.org/organizational-programs/magnet/magnet-model (abgerufen am 18. Dez. 2024) (Übersetzung der Autor:innen)
2https://www.nursingworld.org/organizational-programs/magnet/magnet-model (abgerufen am 18. Dez. 2024) (Übersetzung der Autor:innen)
Natürlich sollten Mitarbeitende möglichst zufrieden sein. Dies hat nachweislich positiven Einfluss auf die Qualität und Produktivität ihrer Arbeit, senkt die Fehlzeiten sowie die Fluktuation und trägt damit schlussendlich auch zu einer Verbesserung des wirtschaftlichen Ergebnisses eines Krankenhauses sowie der Patientenzufriedenheit bei (Kauffeld 2019, S. 245; Picker 2013, S. 3). Doch rechtfertigt dieser Zusammenhang das aktuell in der Sozial- und Gesundheitsbranche wachsende Engagement von Krankenhäusern zur Stärkung der Zufriedenheit der Belegschaft?
Mitarbeiterzufriedenheit kann pragmatisch als Übereinstimmung der Erwartungen von Mitarbeitenden unter anderem mit der tatsächlich erlebten Arbeitslage (Bruggemann 1976, S. 71–74) wie z.B. Rahmenbedingungen der Arbeit, der Situation im Team, dem Verhalten der Vorgesetzten, der Chance eine gute Balance im (Arbeits-)Leben zu finden (Belastung und Regeneration), den zuteilwerdenden Benefits sowie der Bezahlung verstanden werden (s. Abb. 1). Dabei belegen Studien, dass aus Sicht der Mitarbeitenden selbst das Gehalt sowie nette Kolleginnen und Kollegen den wohl größten Einfluss auf das Wohlbefinden zu haben scheinen (AVANTGARDE Experts 2018, S. 5).
Legt man ein solches Verständnis zu Grunde macht es Sinn an beiden Seiten der Zufriedenheitsgleichung anzusetzen, wenn die Mitarbeiterzufriedenheit verbessert werden soll: An den Erwartungen sowie an den tatsächlich wahrgenommenen Aspekten der Arbeit.
Abb. 1 Mitarbeiterzufriedenheit
Was dürfen Mitarbeitende heutzutage erwarten? In Zeiten des Personalmangels und eines sich deutlich verschärfenden Wettbewerbs um Personal übertreffen sich Arbeitgeber mit Versprechungen und Zusagen. In Employer-Branding-Kampagnen werden auch in zahlreichen Krankenhäusern optimale Rahmenbedingungen suggeriert, tolle Teams präsentiert und attraktive Arbeitszeiten beschrieben. Benefit-Programme ergänzen das Ganze um Gesundheitsangebote, Job-Rad, Deutschlandticket, Arbeitsmarktzulagen oder Bonuszahlungen. Tatsächlich sind dies alles wahrscheinlich Angebote, die von vielen Menschen als attraktiv und angenehm empfunden und beschrieben werden. Doch es passiert hierdurch auch etwas wahrscheinlich nicht Beabsichtigtes – es verschiebt und erhöht die Erwartungen der heutigen und zukünftigen Mitarbeitenden und steigert somit das Risiko unerfüllter Erwartungen und damit von Unzufriedenheit.
Das Konzept des Magnet®-Krankenhauses fokussiert alle Bemühungen und das Engagement der Mitarbeitenden auf eine besonders hohe Pflegequalität.
Die Kriterien des Magnet®-Konzepts beinhalten nicht die Zufriedenheit der Mitarbeitenden, nicht deren Bindung und auch keine Fragen deren Rekrutierung. Ziel ist eine bestmögliche Pflege und Versorgung der Patientinnen und Patienten.
Die Anziehungskraft auf potenzielle Mitarbeitenden (sowie auf Patientinnen und Patienten) und die Zufriedenheit der Beschäftigten können eher als Resultanten verstanden werden. Sie entstehen, wenn in den fünf Magnet®-Komponenten engagiert gearbeitet und ein „ausreichendes“ Qualitätsniveau erreicht wird.
Fünf Komponenten (Schweiger 2017, S. 18–21)
1. Empirische Outcomes
2. Strukturelles Empowerment
3. Exemplarische professionelle Praxis
4. Neues Wissen, Innovationen und Verbesserungen
5. Transformationale Führung
Fokussiert ein Krankenhaus auf die 14 Magnet®-Kräfte (Schweiger 2017, S. 18–21) werden somit andere Erwartungen bei Menschen geweckt oder verstärkt, als in den üblicher Weise zu findenden Personalmarketingaktivitäten. Im Zentrum steht die Pflegequalität und deren Verbesserung. Es finden sich zwar auch Kriterien, die die Arbeitsbedingungen der Mitarbeitenden direkt betreffen, wie zum Beispiel: Managementstil (3), Personalpolitik (4), interdisziplinäres Arbeiten (13) oder berufliche Fort- und Weiterbildung (14), doch diese stehen immer in einem direkten Zusammenhang mit den betrieblichen Anforderungen.
Versteht man Kultur als die Art und Weise, wie Menschen in Unternehmen „ticken“ und damit auch die Organisation als Ganzes „funktioniert“, lassen sich im Kontext „Erwartungen“ ein paar zentrale Schlussfolgerungen für Führungskräfte in Magnet®-Krankenhäusern (oder Häusern auf dem Weg dorthin) ziehen:
Es geht somit nicht nur darum die Erwartungen von Mitarbeitenden zu erfüllen, sondern jene möglichst sinnvoll „mitzugestalten“ und jenen auch betriebliche Erwartungen selbstbewusst gegenüberzustellen. Wer Erwartungen im Rahmen des Personalmarketings weniger „aufpustet“, senkt das Risiko unerfüllter (und vielleicht sogar unrealistischer) Erwartungen.
In Gesprächen mit unzufriedenen Mitarbeitenden ist immer wieder zuhören, dass andere Erwartungen in der Bewerbungsphase geweckt und einige der gemachten Versprechen durch den Arbeitsgeber nicht eingelöst wurden.
Wenn es jedoch gelingt Erwartungen so zu managen, dass diese auch verlässlich eingelöst oder sogar übererfüllt werden können, zieht dies nicht nur Mitarbeitende an, sondern hilft diese auch zufrieden in der Organisation zu halten.
Es macht daher Sinn keine zu großen Erwartungen zu wecken und zusätzlich die Ausrichtung der Erwartungen in den Blick zu nehmen. Sind diese zum Beispiel konsequent an der Idee des Magnet®-Krankenhauses ausgerichtet, entstehen wesentliche Vorteile.
Erstens: Während bei manchen Benefits die Erwartungen nur durch Führungskräfte oder gar den Arbeitgeber erfüllt werden können, sind Erwartungen wie eine bestmögliche Pflegequalität oder eine gelingende interdisziplinäre Zusammenarbeit Forderungen an alle. Natürlich haben auch hier die Führungskräfte eine besondere Verantwortung für einen Dialog auf Augenhöhe und wertschätzende Formen der Zusammenarbeit über die Berufsgruppen, die allseits beklagten Silos und die Hierarchie hinweg zu etablieren. Doch hier sollte jeder Mitarbeitende sich einbringen, eigenes Verhalten reflektieren und Kolleginnen und Kollegen mit ehrlichem Feedback begleiten. Nur wenn es gelingt dies als gemeinsames Verhaltensmuster und damit als Teil der Kultur der Zusammenarbeit fest zu verankern, wird interdisziplinäre Zusammenarbeit „gelebt“ und bleibt eine bestmögliche Pflegequalität nicht nur eine abstrakte Forderung oder Behauptung.
Zweitens: Steht die Pflegequalität wirklich spürbar im Alltag im Zentrum der Bemühungen und wird dies auch aktiv nach innen und außen kommuniziert, werden Menschen angezogen und in der Organisation gehalten, denen genau dies wichtig ist; Menschen, die eine innere Motivation verspüren, engagierte Leistungen für kranke oder verunfallte Menschen zu erbringen, Menschen, die einen Sinn in Ihrer täglichen Arbeit erkennen, Menschen, die mit anderen erfolgreich zusammenarbeiten wollen, sich mit den Perspektiven anderer aktiv auseinandersetzen und nach gemeinsamen Lösungen im Sinne der Patientinnen und Patienten suchen.
Werden Mitarbeitende so begleitet und gefördert, dass dieses „innere Feuer“ erhalten bleibt und nicht durch gut gemeinte Maßnahmen der extrinsischen Motivation zerstört wird (Franken 2016, S. 236), sind diese Menschen die kraftvollste Ressource für engagierte Arbeit und erfolgreiche Resultate. Dann entsteht ein „Engelskreislauf“ oder eine „Erfolgsspirale“. Die Menschen werden durch Bedingungen angezogen, die sie durch das eigene engagierte und professionelle Verhalten weiter verstärken. Und sie erkennen (an), dass die Erwartungen, die sie an ein Magnet®-Krankenhaus stellen auch gleichzeitig Anforderungen an das eigene professionelle Handeln sind.
Drittens: Die Magnet®-Komponente „4. Neues Wissen, Innovationen und Verbesserungen“ unterstützt die Etablierung einer umfassenden Lernkultur. Gemeinsames Lernen und die persönliche Weiterentwicklung werden zum Motor die Qualität kontinuierlich zu verbessern. Auch hier ist es wahrscheinlich so, dass sich jene Menschen durch eine solche Kultur angezogen fühlen, die den Wunsch nach eigener Entwicklung und neuem Erkenntnissen in sich tragen.
Viertens: Alle Investitionen in die Zufriedenheit, die Weiterentwicklung und die Qualität der Zusammenarbeit der Mitarbeitenden sind gleichzeitig immer Investitionen in den Zweck der Organisation und die pflegerischen und therapeutischen Ergebnisse für die Menschen. Sind die Erwartungen der Mitarbeitenden möglichst konsequent am Betrieb und den Gedanken des Magnet®-Krankenhauses ausgerichtet, haben alle eingesetzten Ressourcen eine mehrfache Wirkung. Zugespitzt könnte man sagen: Vom Job-Rad des Mitarbeitenden profitiert der Patient nicht, von der Forderung der Mitarbeitenden an beste Pflegequalität schon.
Auch hier lassen sich einige Schlussfolgerungen für Führungskräfte ziehen: