Fabeln, Märchen und Erzählungen für Kinder - Karoline Stahl - E-Book

Fabeln, Märchen und Erzählungen für Kinder E-Book

Karoline Stahl

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Beschreibung

Erleben Sie die Märchen und Sagen aus aller Welt in dieser Serie "Märchen der Welt". Von den Ländern Europas über die Kontinente bis zu vergangenen Kulturen und noch heute existierenden Völkern: "Märchen der Welt" bietet Ihnen stundenlange Abwechslung. Inhalt: Der erste April. Peter, oder die belohnte Ehrlichkeit. Karls Weihnachtsgeschenk. Der Fuchs und seine Brüder. Däumling. Die Gevatterinnen. Die Elemente. Beispiele von lächerlicher Furcht und Aberglauben. Das gehorsame Mäuschen. Prinzessin Elmine. Wiegenlied für eine Puppe. Die Müllerstöchter. Am Geburtstage der Mutter. Thörichter Muthwille. Die vier Brüder. Die Prinzessin Graziose. Die ungehorsamen Mäuschen. Strafe und Besserung. Abendlied. Die Kinder am Sarge der kleinen Schwester. Der Pomeranzenbaum und die Biene. Charade. Fritzens Wanderschaft. Der Knabe und der Kukuk. Die Haselnüsse. Unermüdete Beharrlichkeit. Im Sturm am Winterabend. Das Stäbchen. Die streitenden Kater. Das Häuschen von Zuckerwerk. Die Frösche und der Krebs. Voreilige Nachahmungssucht und ihre Folgen. Eine Mordthat durch eine Kröte entdeckt. Die guten Kinder. Der buckliche Liebling. Der treue Hund. Die Näscherinnen und das mäßige Kind. Charade. Die Hacke des Helim. Die Tulpe und die Nachtviole. Die treue Magd. Frühlingslied. Der unvermuthete Schatz. Das Steckenpferd. Die beiden Brüder. Bestrafter Ungehorsam. Die guten Kinder. Marie und Felix. Die bösen Schwestern und die gute. Der Zänker. Das gute Kind. Der edle Sohn. Die gute Margarethe. Der Besuch bei der reichen Fee. Elisens Versprechungen. Tollkühnheit. Man soll Niemanden verspotten, oder der edle Jud. Lottchens Geburtstagsfeier. Das ländliche Leben. Die Syrene. Beispiele von Geistesgegenwart und Muth. Der undankbare Zwerg. Unnützer Streit. Hortensia. Harte Strafe und Besserung.

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Fabeln, Märchen und Erzählungen für Kinder

Karoline Stahl

Inhalt:

Geschichte des Märchens

Der erste April.

Peter, oder die belohnte Ehrlichkeit.

Karls Weihnachtsgeschenk.

Der Fuchs und seine Brüder.

Däumling.

Die Gevatterinnen.

Die Elemente.

Beispiele von lächerlicher Furcht und Aberglauben.

Das gehorsame Mäuschen.

Prinzessin Elmine.

Wiegenlied für eine Puppe.

Die Müllerstöchter.

Am Geburtstage der Mutter.

Thörichter Muthwille.

Die vier Brüder.

Die Prinzessin Graziose.

Die ungehorsamen Mäuschen.

Strafe und Besserung.

Abendlied.

Die Kinder am Sarge der kleinen Schwester.

Der Pomeranzenbaum und die Biene.

Charade.

Fritzens Wanderschaft.

Der Knabe und der Kukuk.

Die Haselnüsse.

Unermüdete Beharrlichkeit.

Im Sturm am Winterabend.

Das Stäbchen.

Die streitenden Kater.

Das Häuschen von Zuckerwerk.

Die Frösche und der Krebs.

Voreilige Nachahmungssucht und ihre Folgen.

Eine Mordthat durch eine Kröte entdeckt.

Die guten Kinder.

Der buckliche Liebling.

Der treue Hund.

Die Näscherinnen und das mäßige Kind.

Charade.

Die Hacke des Helim.

Die Tulpe und die Nachtviole.

Die treue Magd.

Frühlingslied.

Der unvermuthete Schatz.

Das Steckenpferd.

Die beiden Brüder.

Bestrafter Ungehorsam.

Die guten Kinder.

Marie und Felix.

Die bösen Schwestern und die gute.

Der Zänker.

Das gute Kind.

Der edle Sohn.

Die gute Margarethe.

Der Besuch bei der reichen Fee.

Elisens Versprechungen.

Tollkühnheit.

Man soll Niemanden verspotten, oder der edle Jud.

Lottchens Geburtstagsfeier.

Das ländliche Leben.

Die Syrene.

Beispiele von Geistesgegenwart und Muth.

Der undankbare Zwerg.

Unnützer Streit.

Hortensia.

Harte Strafe und Besserung.

Der eitle Knabe.

Prinz Leander, oder die schwere Prüfung.

Pflichtgefühl, oder die guten Töchter.

Furchtsame Personen soll man nicht ängstigen.

Wilhelm.

Fabeln, Märchen und Erzählungen für Kinder, Karoline Stahl

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

Loschberg 9

86450 Altenmünster

ISBN: 9783849603212

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

Frontcover: © Sweet Angel - Fotolia.com

Geschichte des Märchens

Ein Märchenist diejenige Art der erzählenden Dichtung, in der sich die Überlebnisse des mythologischen Denkens in einer der Bewußtseinsstufe des Kindes angepaßten Form erhalten haben. Wenn die primitiven Vorstellungen des Dämonenglaubens und des Naturmythus einer gereiftern Anschauung haben weichen müssen, kann sich doch das menschliche Gemüt noch nicht ganz von ihnen trennen; der alte Glaube ist erloschen, aber er übt doch noch eine starke ästhetische Gefühlswirkung aus. Sie wird ausgekostet von dem erwachsenen Erzähler, der sich mit Bewußtsein in das Dunkel phantastischer Vorstellungen zurückversetzt und sich, vielfach anknüpfend an altüberlieferte Mythen, an launenhafter Übertreibung des Wunderbaren ergötzt. So ist das Volksmärchen (und dieses ist das echte und eigentliche M.) das Produkt einer bestimmten Bewußtseinsstufe, das sich anlehnt an den Mythus und von Erwachsenen für das Kindergemüt mit übertreibender Betonung des Wunderbaren gepflegt und fortgebildet wird. Es ist dabei, wie in seinem Ursprung, so in seiner Weiterbildung durchaus ein Erzeugnis des Gesamtbewußtseins und ist nicht auf einzelne Schöpfer zurückzuführen: das M. gehört dem großen Kreis einer Volksgemeinschaft an, pflanzt sich von Mund zu Munde fort, wandert auch von Volk zu Volk und erfährt dabei mannigfache Veränderungen; aber es entspringt niemals der individuellen Erfindungskraft eines Einzelnen. Dies ist dagegen der Fall bei dem Kunstmärchen, das sich aber auch zumeist eben wegen dieses Ursprungs sowohl in den konkreten Zügen der Darstellung als auch durch allerlei abstrakte Nebengedanken nicht vorteilhaft von dem Volksmärchen unterscheidet. Das Wort M. stammt von dem altdeutschen maere, das zuerst die gewöhnlichste Benennung für erzählende Poesien überhaupt war, während der Begriff unsers Märchens im Mittelalter gewöhnlich mit dem Ausdruck spel bezeichnet wurde. Als die Heimat der M. kann man den Orient ansehen; Volkscharakter und Lebensweise der Völker im Osten bringen es mit sich, daß das M. bei ihnen noch heute besonders gepflegt wird. Irrtümlich hat man lange gemeint, ins Abendland sei das M. erst durch die Kreuzzüge gelangt; vielmehr treffen wir Spuren von ihm im Okzident in weit früherer Zeit. Das klassische Altertum besaß, was sich bei dem mythologischen Ursprung des Märchens von selbst versteht, Anklänge an das M. in Hülle und Fülle, aber noch nicht das M. selbst als Kunstgattung. Dagegen taucht in der Zeit des Neuplatonismus, der als ein Übergang des antiken Bewußtseins zur Romantik bezeichnet werden kann, eine Dichtung des Altertums auf, die technisch ein M. genannt werden kann, die reizvolle Episode von »Amor und Psyche« in Apulejus' »Goldenem Esel«. Gleicherweise hat sich auch an die deutsche Heldensage frühzeitig das M. angeschlossen. Gesammelt begegnen uns M. am frühesten in den »Tredeci piacevoli notti« des Straparola (Vened. 1550), im »Pentamerone« des Giambattista Basile (gest. um 1637 in Neapel), in den »Gesta Romanorum« (Mitte des 14. Jahrh.) etc. In Frankreich beginnen die eigentlichen Märchensammlungen erst zu Ende des 17. Jahrh.; Perrault eröffnete sie mit den als echte Volksmärchen zu betrachtenden »Contes de ma mère l'Oye«; 1704 folgte Gallands gute Übersetzung von »Tausendundeiner Nacht« (s. d.), jener berühmten, in der Mitte des 16. Jahrh. im Orient zusammengestellten Sammlung arabischer M. Besondern Märchenreichtum haben England, Schottland und Irland aufzuweisen, vorzüglich die dortigen Nachkommen der keltischen Urbewohner. Die M. der skandinavischen Reiche zeigen nahe Verwandtschaft mit den deutschen. Reiche Fülle von M. findet sich bei den Slawen. In Deutschland treten Sammlungen von M. seit der Mitte des 18. Jahrh. auf. Die »Volksmärchen« von Musäus (1782) und Benedikte Naubert sind allerdings nur novellistisch und romantisch verarbeitete Volkssagen. Die erste wahrhaft bedeutende, in Darstellung und Fassung vollkommen echte Sammlung deutscher M. sind die »Kinder- und Hausmärchen« der Brüder Grimm (zuerst 1812–13, 2 Bde.; ein 3. Band, 1822, enthält literarische Nachweise bezüglich der M.). Unter den sonstigen deutschen Sammlungen steht der Grimmschen am nächsten die von L. Bechstein (zuerst 1845); außerdem sind als die bessern zu nennen: die von E. M. Arndt (1818), Löhr (1818), J. W. Wolf (1845 u. 1851), Zingerle (1852–54), E. Meier (1852), H. Pröhle (1853) u. a. Mit M. des Auslandes machten uns durch Übertragungen bekannt: die Brüder Grimm (Irland, 1826), Graf Mailath (Ungarn, 1825), Vogl (Slawonien, 1837), Schott (Walachei, 1845), Asbjörnson (Norwegen), Bade (Bretagne, 1847), Iken (Persien, 1847), Gaal (Ungarn, 1858), Schleicher (Litauen, 1857), Waldau (Böhmen, 1860), Hahn (Griechenland u. Albanien, 1863), Schneller (Welschtirol, 1867), Kreutzwald (Esthland, 1869), Wenzig (Westslawen, 1869), Knortz (Indianermärchen, 1870, 1879, 1887), Gonzenbach (Sizilien, 1870), Österley (Orient, 1873), Carmen Sylva (Rumänien, 1882), Leskien und Brugman (Litauen, 1882), Goldschmidt (Rußland, 1882), Veckenstedt (Litauen, 1883), Krauß (Südslawen, 1883–84), Brauns (Japan, 1884), Poestion (Island, 1884; Lappland, 1885), Schreck (Finnland, 1887), Chalatanz (Armenien, 1887), Jannsen (Esthen, 1888), Mitsotakis (Griechenland, 1889), Kallas (Esthen, 1900) u. a. Unter den Kunstpoeten haben sich im M. mit dem meisten Glück versucht: Goethe, L. Tieck, Chamisso, E. T. A. Hoffmann, Fouqué, Kl. Brentano, der Däne Andersen, R. Leander (Volkmann) u. a. Vgl. Maaß, Das deutsche M. (Hamb. 1887); Pauls »Grundriß der germanischen Philologie«, 2. Bd., 1. Abt. (2. Aufl., Straßb. 1901); Benfey, Kleinere Schriften zu Märchenforschung (Berl. 1890); Reinh. Köhler, Aufsätze über M. und Volkslieder (das. 1894) und Kleine Schriften, Bd. 1: Zur Märchenforschung (hrsg. von Bolte, das. 1898); R. Petsch, Formelhafte Schlüsse im Volksmärchen (das. 1900).

Fabeln, Märchen und Erzählungen für Kinder

Der erste April.

»Heut' ist der erste April; heut' führ' ich an, wen ich will.« So sang Ernst, und hurtig rief er den jüngern Bruder, Ludwig. O höre, sprach er, thu' mir doch den Gefallen und hole mir aus der Apotheke um einen Groschen Krebsblut. – Ludwig nahm sich nicht die Mühe über den Auftrag nachzusinnen, er eilte fort, blieb lange weg, und kehrte endlich weinend nach Hause. Ernst lachte ihn aus, aber er erwiederte, das verbitte er sich. Zuerst hatten ihm die jungen Leute in der Apotheke ins Gesicht gelacht, dann hatte ihn ein bejahrter Mann, der zugegen war, gefragt, ob er nicht wisse, daß die Krebse, statt des Blutes, eine weisse, kalte Feuchtigkeit hätten. Beschämt schlich Ludwig fort, und die Mutter gab ihm die Lehre, mehr nachzudenken, und nicht alles, was man ihm sagte, leichtsinnig nachzusprechen. Ernst lachte noch, als einer seiner Schulkammeraden eilig ins Zimmer trat, und ihm zurief: er solle gleich mitgehen, der türkische Kaiser wäre mit einem großen Gefolge angekommen, und auf dem Markte zu sehen. Ernst stürzte fort, kam aber nach einer Weile ganz kleinlaut zurück. Aha! rief Ludwig, lachend, bist du auch angeführt? – Es geschieht dir schon recht. O, einmal nur, versicherte Ernst: heute macht mir Niemand mehr etwas weiß. Und mir eben so wenig, sprach Ludwig. Hört Kinder, rief Marie, die ältere Schwester, schnell hereintretend, ich gebe einen jeden von euch ein großes Stück Kuchen, wenn ihr mir, so bald als möglich, dort von dem Krämer um zehn Groschen Mückenhaare holt. Vergessen war jeder Vorsatz nachzudenken bei den Knaben, und sie sprangen fort. Du hast uns schön angeführt, klagten sie zurückkommend; wir sind recht ausgelacht worden, und die Leute meinten noch, es sei Schande für so große Knaben, wie wir, solche dumme Sachen zu glauben. – Es war nur ein Spaß, entschuldigte sich Marie, aber wenn ihr mir etwas holt, das ich wirklich gerne hätte, so soll euch der Kuchen nicht entgehen. Ich wünschte ein Pfund Schwalbenhaare zu haben, könnt ihr mir das nicht von dem Mann, von dem die Mutter Roßhaare kaufte, verschaffen? Der kleine fünfjährige Theodor war zugegen, und als Ernst und Ludwig die Mützen ergriffen, fortzulaufen, fragte er zweifelnd: Ja, aber die Schwalben haben ja Federn und nicht Haare auf dem Kopfe, wo soll man denn die Schwalbenhaare herbekommen? – Erröthend schwiegen die Brüder, und legten die Mützen hin. – Aber jetzt, sprach Marie, holt mir im Ernst Dachtraufenöhl. Du Theodor, kannst danach gegenüber im Laden geh'n. Theodor lief bis an die Hausthiere, dann kehrte er um. Ja aber, aus der Dachrinne träufelt nur Wasser und nicht Oehl? – Du willst mich nur anführen. Die ältern Brüder merkten sich das, und dachten mehr über alles nach. So war ihnen der erste April ein nützlicher Tag.

Peter, oder die belohnte Ehrlichkeit.

B Peter, oder die belohnte Ehrlichkeit.

Peter war der ärmste Knabe,

Den es nur im Dorfe gab,

Seine ganze kleine Habe,

War nur, ach! ein Hirtenstab.

Aber treu und sorgsam hütet,

Er, der Schäfchen kleine Zahl.

Führt sie, wie sein Herr gebietet,

Täglich über Berg und Thal.

Dennoch immer unzufrieden,

Murrt der Herr fast Tag und Nacht,

Und verbittert Peters Frieden

Oft durch mancherlei Verdacht.

Traurig sitzt er einst und sinnet,

Wie in Noth und Mißgeschick

Seine Jugendzeit verrinnet,

Und es nässet sich sein Blick.

Plötzlich sprengen, in der Ferne,

Reuter aus dem Busch hervor,

Und ein Herr mit goldnem Sterne

Strahlet über sie empor.

Sieh! was blitzt dort, wo sie ritten,

Hell im lichten Sonnenschein?

Er erreichts mit wenig Schritten.

Ey! was wird es dann wohl seyn?

Eine Börse, voll Dukaten,

Wieget Peter in der Hand,

Die er, reich nun wie Magnaten,

Hier so unerwartet fand.

Aber Peter, ohne Säumen

Treibet seiner Schäfchen Schaar

Zu des Hauses sichern Räumen,

Läuft dann fort, so wie er war.

Alle Leute muß er fragen:

Ob den Herrn sie nicht gesehn?

Muß, ihm rastlos nachzujagen,

Wund sich seine Füße gehn.

Endlich hat er ihn gefunden,

Mühsam hat er ihn erreicht;

Was er auf dem Weg gefunden,

Gern und freudig ihm gezeigt.

Und mit tief gerührten Blicken,

Nimmt der Prinz aus Peters Hand,

Was den Armen zu beglücken,

Sich auf seinem Wege fand.

Und er spricht mit edler Güte:

»Knabe! wie bin ich dir hold!

Ja! dein redliches Gemüthe,

Das bewährte dieses Gold.

Bleibe bei mir. Vatertreue

Schenke nun fortan ich dir,

Bleibe wie du bist, und weihe

Deine Dienste ferner mir.«

Peter horchet ihm mit Freuden,

Und begreifet kaum sein Glück.

Und verschwunden ist sein Leiden,

Seiner Kindheit Mißgeschick.

Aus dem armen Hirtenjungen,

War ein hochgeehrter Mann,

Der schon früh ein Glück errungen,

Wie nur Redlichkeit es kann.

Allen, die wie Peter denken,

Lohnet reich Zufriedenheit;

Denn nur edle Thaten schenken

Des Bewußtseyns Seligkeit.

Karls Weihnachtsgeschenk.

Karl war immer ungehorsam und unfolgsam, und kränkte seine Eltern dadurch unaufhörlich. Dabei war er grob und auffahrend und hatte immer Streit und Verdruß. Alle Warnungen der Eltern, waren in den Wind geredet, und sie mußten nun ernstliche und strenge Strafen anwenden, um ihn zu bessern. Er quälte alle Thiere, und schon als ein kleiner Bube, spießte er die Frösche und schleuderte sie umher in die Luft, riß den Maikäfern die Flügel und Füsse aus, und trieb so viele böse Streiche, die kein gutes Herz verriethen. Als er älter ward, machte er sich an größere Thiere, und einst an einen Hund, den er mit Steinen warf. Dieser nahm es aber nicht gut auf, und biß Karln so nachdrücklich in den Arm, daß er lange Zeit ihn nicht gebrauchen konnte, und viele Schmerzen leiden mußte. Ein anderes Mal jagte er die Schweine des Nachbars umher und schlug sie. Eins derselben fiel ihn an, und haute ihn, mit seinen großen Fangzähnen, ein tiefes Loch ins Bein, und wären nicht noch zum Glück Leute dazu gekommen, die das gereizte Thier verjagt hätten, so würde es ihm noch übler gegangen seyn. Einem Knaben schlug er einst, mit einem Stücke Holz, ein so großes Loch in den Kopf, daß man alle Mühe anwenden mußte, das hervordringende Blut zu stillen, und die Heilung der Wunde mußte Karls Vater bezahlen. Das Weihnachtsfest nahete bald nach diesem letzten Vorfalle und die Eltern beschloßen, ihn die Folgen aller seiner bösen Unternehmungen recht fühlen zu lassen, um ihn zum Nachdenken und zur Besserung zu führen, denn gute Eltern strafen, obwohl ungern, doch immer mit Ernst und Nachdruck das Vergehen der Kinder, um sie zu bessern. Am Weihnachtsabend versammelten sich die Geschwister Karls mit ihm, und harrten voll Freude ihrer Geschenke. Endlich gieng die Thüre auf und die Mutter rief sie herein. O, welche Freude! wie glänzten, von vielen Wachslichtern erhellt, die Spielsachen. Da gab es Kutschen und Pferde, ganze Regimenter von bleiernen Soldaten, Heerden von Schaafen und Kühen, dabei der wachsame Hund und der Schäfer, Puppen mit schönen Kleidern, und dergleichen Dinge für die Kleinern, und für die Größern Halstücher, Halsbinden, fertige Kleidungsstücke, Uhren, Brieftaschen, Geld und eine Menge Zuckerwerk. Voll Freude empfingen die Kinder ihre Gaben, aber als die Reihe an Karl kam, was erhielt er? – Ein Papier mit der Berechnung, wie viel die Kur der Wunde, die er dem benachbarten Knaben beibrachte, seinem Vater kostete, und noch, was ein kleines Geschenk für eben diesen Knaben, als ein Ersatz für die ausgestandenen Schmerzen, betrug. Das gab denn eine Summe die nicht unbedeutend war, und für welche Karl ein schönes Weihnachtsgeschenk hätte erhalten können.

Der Fuchs und seine Brüder.

Einst schlich im Mondschein Meister Fuchs

Sich hin zum Hühnerhause,

Und lauschte, schärfer als ein Luchs,

Nach einem leckern Schmause,

Kühn dringt er durch die schlechte Thür',

Daß sie ihn zu den Hühnern führ'.

Und es gelingt ihm auch sogleich,

Ein Hühnchen zu erhaschen.

So zart, so jung und weis und weich.

Er eilt davon zu naschen,

Und speißt mit solchem Appetit,

Daß er nichts weiter hört noch sieht.

Der Bauer merkt den fremden Gast

In seinem Hühnerhause,

Und ruft die Hunde, die ihn fast

Zerrissen, bei dem Schmause.

Mit großer Noth er noch entwich,

Doch ließ er seinen Schwanz im Stich.

Wie nekten seine Brüder ihn,

Daß seine Zier verschwunden,

Und daß er sie, nur zu entfliehn,

Feig' überließ den Hunden;

Bis endlich es den Fuchs verdroß,

Daß sich so reich ihr Spott ergoß.

»Laßts gut seyn. – Nur das ärgert mich,

Daß ich mit meinem Schwanze,

Als ich mit großer Noth entwich,

Gequetscht, wie eine Wanze,

Zugleich mein Fischernetz verlor.

EinUnglück bringt noch eins hervor.«

Die Füchse horchen hocherfreut:

»Was sprichst du da von Fischen?

Und von dem Netze, das dich reut,

Daß dir sie kann erwischen?

Erkläre deutlicher, dich Freund,

Was hast du eigentlich gemeint?«

Und Meister Fuchs, mit trüben Blick,

Läßt erst sich lange bitten;

Spricht viel von seinem Mißgeschick,

Und dem was er gelitten.

Fängt seine Rede an vom Ey,

Und spät erst kömmt das Ziel herbei.

»Die Probe machen wir sogleich,

Kommt, ohne Zeitverlieren,

Eh noch gefroren dort der Teich;

Ihr könnt es ja probieren.

Setzt euch ans Ufer reihenweis,

Ich ordne alles schon mit Fleiß.

Nun, so ists recht. – Die Schwänze laßt

Hinab ins Wasser fallen:

Die Fische kommen dann in Hast

Geschwommen zu euch Allen,

Und hängen sich am Schwanze an,

Daß man ihn nicht mehr regen kann.

Doch ist es nicht so bald geschehn;

Ihr dürfet nur nicht murren,

Wenn ein paar Stunden noch vergehn!

Erzählt indeß euch Schnurren

Von manchem schlauen Schelmenstreich

Und auch von manchem andern Zeug!«

Die Brüder, voller Lüsternheit,

Viel Fische zu erbeuten,

Thun gern, was Meister Fuchs gebeut,

Sein Wort nicht zu bestreiten.

Sie sitzen alle reihenweis,

Bis sich der Teich bedeckt mit Eis.

Doch Brüderchen, voll Schelmerei,

Schleicht sachte sich von ihnen,

Und ruft die Hunde straks herbei,

Mit schadenfrohen Mienen.

Die stürzen Schaarenweis, im Nu,

Lautbellend auf die Fischer zu.

Erschrocken wollten diese gleich

Aufspringen, und entfliehen;

Doch aus dem zugefrornen Teich

Kann keins den Schwanz mehr ziehen.

Und Mancher, der mit Noth entwich,

Ließ ihn in seiner Angst im Stich.

Trau nicht dem Schelme, wenn er auch

Zum Spotte selbst geworden.

Er hat es immer im Gebrauch,

Auch andrer Glück zu morden.

Laß nicht dem Spottgeist freien Lauf

Sonst reiz't du seine Bosheit auf.

Däumling.

Ein Mährchen.

Däumling war im achtzehnten Lebensjahre, ein fingerlanges Männchen, wohlgebildet und niedlich, aber winzig klein. Seine Geschwister zankten mit ihm, daß er nichts arbeiten und nichts verdienen könne, und das nahm der arme Schelm sich sehr zu Herzen. Oft gaben sie ihm das Wenige nicht, das er brauchte, um sich zu sättigen, und als er einst um ein neues Kleidchen bat, schlugen sie ihn und jagten ihn fort. Die Eltern waren schon lange todt, wo sollte nun Däumling hin? Weinend lief er auf der Strasse umher, da kam ein schöner Wagen und darin saß der König und die Königin. Der kleine Fußgänger hätte gerne einen Platz im Wagen gehabt, aber er konnte nicht hinauf. Zufällig zerbrach gerade etwas an einem Rade, und während der Schade verbessert wurde, klätterte Däumling hinauf und verbarg sich, zitternd vor Frost, in die Ecke neben der Königin. Da er ganz durchnäßt war, drang die kalte Feuchtigkeit durch das Kleid dieser Dame. Sie fühlte mit der Hand hin, um zu untersuchen, woher das käme, und ergriff das kleine Männchen. Mit einem Schrei fuhr sie auf und befahl, den Frosch neben ihr aus dem Wagen zu werfen und zu zertreten. Tödlich erschrocken, bat Däumling flehendlich um sein Leben, und versicherte weinend, er sei kein Frosch, sondern ein kleiner Mensch, in einen abgeschabten Röckchen. Sei du wer du bist, schrie die Königin, so mußt du deine Strafe für solchen Frevel leiden. Wie? meinst du, armseliger Wicht, es sei kein Verbrechen, eine hohe Majestät zu erschrecken und zu erkälten? Däumling gestand alles ein, was sie wollte, bat aber noch immer um sein Leben. Da war aber keine Gnade. Sie wiederholte den Befehl mit solchem Nachdruck, daß die Diener zugriffen und den kleinen Kerl beim Kopf erwischten. Wer sollte ihn aber zertreten? Es entstand ein Streit unter der Dienerschaft, denn jeder versicherte, er beschmutze sich die Stiefel mit dem Blut des winzigen Bösewichts und besudele so die Kutsche. Der König erwachte darüber aus seinem Mittagsschlummer, und fragte was es gäbe? Man eilte ihm die wichtige Nachricht mitzutheilen, und den Verbrecher vorzuzeigen. Lachend nahm der König das Männchen in die Hand, und betrachtete es. Däumling säumte nicht, sich niederzuknieen, und indem er die königlichen Finger küßte, bat er demuthsvoll um sein Leben. Nun, nun, sagte der gute König, du kannst noch ein bischen am Leben bleiben, es hat schon Zeit mit der Hinrichtung, denn die Diener machen sich nur die Stiefel schmutzig. Und so warf er ihn, trotz alles Streites und Grimmes der Königin, in den Winkel an seiner Seite. Däumling drückte sich zusammen, so gut er konnte, und verhielt sich ganz still, um von der Königin vergessen zu werden, sie beugte sich aber von Zeit zu Zeit hin und lauerte, mit todverkündenden Blicken, auf ihn, wie die Katze auf die Maus. Der König speisete indessen etwas gebackenes und reichte dem Schützling auch bisweilen einige Brocken, die dieser mit großem Appetit verzehrte. Endlich schlief der Schutzpatron wieder ein, und Däumling, um sicher zu seyn, kroch ganz nahe zu ihm hin. Beim Aussteigen winkte die Königin, aber husch! fuhr das Männchen in des Königs Rocktasche und so war es nicht wohl möglich, es zu erwischen. Im königlichen Pallaste kroch Däumling wieder heraus und freute sich über die Herrlichkeiten, die es da gab, ganz ohne Ende. Aber leider war er seines Lebens nicht sicher, denn die Königin, die so ziemlich einer Furie glich, zu der ihr nichts als die Schlangen, die diese statt der Haare haben sollen, fehlten, trachtete ihm nach dem Leben, und die bestochene Dienerschaft lauerte nur auf eine schickliche Gelegenheit, den armen Tropf aus dem Wege zu schaffen; das waren betrübte Aussichten für die Zukunft, denn, wenn er auch davon gehen wollte, wohin sollte er, und wovon leben? Der König ließ ihn nicht Noth leiden, und er durfte auf dem Sofa schlafen, doch aus Furcht schlich er sich des Abends ins Bette zu den Füssen seines Beschützers, der davon keine Notitz nahm, oder nehmen wollte. Einmal, als die Zimmer gereinigt wurden, und er aus einen ins andere floh, merkte er recht, welche Gefahr ihm drohe. Eine Scheuermagd fegte ihn mit dem Kehrbesen vom Ofen herab, auf welchem der arme Däumling Platz genommen, und schon wartete ein Bube mit einem Stiefelknecht auf seine Ankunft auf dem Fußboden, um ihn den Rest zu geben; aber glücklich kam er herab und rollte unter das Sofa. Bis man dieses wegräumte, um ihn zu haschen, erholte er sich wieder und entschlüpfte seinen Verfolgern, und huschte unbemerkt in ein Bette, wo er sich unter Decken verbarg, bis die Gefahr vorüber gegangen. Die Königin war so schlecht und boshaft, daß sie, um auf den Thron zu gelangen, den Kammerdiener des Königs bestach, daß er ihm Gift unter die Chokolade mischte. Däumling, der recht aufmerksam auf alles war, hatte bemerkt, wie der bübische Diener ein Pulver in die Tasse warf, und es dann mit dem Löffel zerrührte. Geschwind kletterte er auf den Tisch, und als der König eben davon trinken wollte, ergriff er die Schaale mit beiden Händen, und warf sie unter den Tisch, daß sie zerbrach. Der König fuhr auf und schalt ihn, und befahl dem ungezogenen Männchen sich fort zu packen. Däumling kroch erschrocken unter das Bett und versteckte sich da. Ein Hündchen leckte von dem verschütteten Getränk, bekam aber gleich Krämpfe und Verzuckungen und starb, ehe die Diener, die hinzu sprangen, noch Zeit hatten, es fortzuschaffen. Der König schüttelte den Kopf und seufzte, denn nun war es offenbar, daß man ihn hatte vergiften wollen. Dann rief er das getreue Männchen unter dem Bette hervor, und setzte es auf den Tisch, um es mit einer Menge Zuckerwerk zu erquicken. Auch befahl er dem Hofschneider, ihm ein scharlachrothes Röckchen, reich mit Gold gestickt, und blau sammtne Weste und Höschen, zu verfertigen. Gelbe Stiefel, ein Tressenhuth und eine Uhr, so groß wie eine Erbse, zierten noch überdem die kleine Person, und Däumling konnte gar nicht müde werden, sich im Spiegel selbst in diesem Staate zu bewundern. Er bat den König noch um einen Degen, den er auch erhielt. Dieses Waffenstück war so groß wie eine ziemliche Stecknadel, aber wohl geschliffen, und als einmal die Königin eine böse Katze in des Königs Zimmer verbergen ließ, um den Däumling durch sie zu vertilgen, wehrte er sich gegen das Thier so herzhaft mit dem Degen, daß die Katze ihm nichts anhaben konnte; einige Krallenhiebe ungeachtet, die aber des Königs Wundarzt glücklich heilte. In einer Nacht erwachte der Däumling von einem Geräusch und sahe, wie ein Mörder eben den König, der im tiefsten Schlafe lag, durchbohren wollte. Hurtig rannte ihm das Männchen seinen Degen in die Hand, daß der Bösewicht erschrocken zurück fuhr. Darüber erwachte der König und rief nach Hülfe. Der Mörder ward erwischt, und es entdeckte sich, daß die Königin ihn gedungen hatte, diese Schandthat zu begehen, und daß der Kammerdiener mit einverstanden war. Der letzte ward hingerichtet und das böse Weib in ein Loch, wohl fünfzig Klafter tief, hinein gethan. Däumling aber ward vom König hochgehalten und führte ein recht glückliches Leben.

Die Gevatterinnen.

Ein Mährchen.

Ein König der sehr gut war, lebte mit seiner Gemahlin recht glücklich, und der einzige Wunsch beider war, Kinder zu haben. Einst gieng die Königin am Ufer eines Flusses spazieren, da zog ein dicker Frosch ihre Aufmerksamkeit auf sich, und sie blieb am Ufer stehen, um ihn recht zu betrachten. »Was siehest du mich so starr an?« quakte der Frosch. Die Königin, sehr erstaunt ihn reden zu hören, erschrack, und antwortete: sie habe sich nur über seinen dicken Leib gefreut, denn seine Kameraden wären das Gegentheil von ihm, sie wären alle schlank und dürre. Es freut mich, sagte der Frosch, daß ich dir so wohl gefalle. Du gefällst mir auch, und so will ich dir einen Vorschlag thun. Du bekömmst bald eine kleine Tochter, und ich bitte mir es von dir aus, daß du mich zum Gevatter bei ihr nimmst. Von Herzen gern, erwiederte die Königin, die sehr munter und scherzhaft war. Wie soll ich dich aber wieder finden? »Schicke mir nur durch den Hofmarschall eine Einladungskarte, sprach der Frosch; er kann sie ins Wasser an diesem Orte werfen, so komme ich gewiß.«