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Fachkonferenz am 13. Oktober 2017 Vogelschutz an Höchstspannungsfreileitungen: Methoden, Spielräume und Realisierbarkeit
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Seitenzahl: 64
Veröffentlichungsjahr: 2018
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Vor dem Hintergrund der immer strenger werdenden umweltfachlichen Anforderungen an den Vogelschutz bei der Realisierung von Höchstspannungsfreileitungen sowie der aktuellen Entwicklungen in der Rechtsprechung zum Arten- und Gebietsschutz, hat der Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz Transmission GmbH am 13. Oktober 2017 eine Fachkonferenz zum Thema „Vogelschutz an Höchstspannungsfreileitungen – Methoden, Spielräume und Realisierbarkeit“ in Berlin ausgerichtet.
Eingeladen waren Vertreterinnen und Vertreter von Ministerien, Naturschutz- und Genehmigungsbehörden, Naturschutzvereinigungen, Vogelschutzwarten, Umweltplanungsbüros, andere Netzbetreiber sowie Juristen externer Kanzleien und aus Unternehmensrechtsabteilungen.
Die unterschiedlichen Perspektiven im Spannungsfeld zwischen den Anforderungen des Vogelschutzes einerseits und der praktischen Umsetzbarkeit in konkreten Bauvorhaben andererseits, sollten in einen Dialog gebracht und der aktuelle Kenntnisstand zusammengeführt werden.
Verschiedene Fachvorträge zu rechtlichen, methodischen, praxisbezogenen und projektspezifischen Fragestellungen bildeten die Grundlage für den Austausch zwischen den besten fachlichen Köpfen und engagierten Experten auf dem Gebiet des Vogelschutzes. Die Diskussion wurde von Dr. Christoph Ewen moderiert.
Der Dialog zwischen allen Teilnehmenden zeigte, dass die Umsetzung der Energiewende im Einklang mit dem Natur- und Artenschutz einer differenzierten Herangehensweise bedarf. Diese sollte vor allem nachvollziehbar, plausibel und nachhaltig sein.
Der vorliegende Konferenzband enthält die Vorträge der Referenten sowie eine Zusammenfassung der Diskussionsergebnisse.
Die Resonanz auf die Fachkonferenz war sehr positiv. 50Hertz bedankt sich noch einmal ganz herzlich bei allen Referenten, dem Moderator und den Teilnehmern für ihren Beitrag zum Gelingen der Veranstaltung.
Olivier FeixLeiter Naturschutz und Genehmigungen
Dr. Frank HölzerLeiter Recht
Berlin, im November 2017
Die Konferenz im Überblick – Zusammenfassung
Vogelschutz an Höchstspannungsfreileitungen –Methoden, Spielräume und Realisierbarkeit – Rechtliche Anforderungen an Methoden, Methodenfreiheit, Beurteilungsspielräume, Fachkonventionen
Prof. Dr. Olaf Reidt
Bewertung von Kollisionsrisiken an Freileitungen im Rahmen des europäischen Arten- und Gebietsschutzes
Dipl.-Ing. Dirk Bernotat
Herausforderungen bei der planerischen Umsetzung von Anforderungen an den Vogelschutz
Dipl.-Biol. Dr. Ulrich Mierwald
Vogelschutzmarkierungen – Status quo und FNN-Hinweis
Dr. Klaus Richarz
Studie zur Wirksamkeit unterschiedlicher Vogelschutzmarkierungen
Dipl.-Biol. Dr. Beate Kalz
Konferenzprogramm
Konferenzteilnehmer
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für beiderlei Geschlecht.
Boris Schucht begrüßte im Namen von 50Hertz alle Teilnehmer und bedankte sich für das zahlreiche Erscheinen. Er erläuterte, dass 50Hertz als Unternehmen den Auftrag habe, ein zuverlässiges und effizientes Stromtransportnetz für ein sicheres und nachhaltiges elektrisches System zu entwickeln und zu betreiben. Dazu gehöre auch, dass die notwendigen Leitungsbauprojekte gut geplant und umgesetzt würden. Das sei einer der wesentlichen Beiträge des Übertragungsnetzbetreibers (ÜNB) zum Gelingen der Energiewende.
In seiner Regelzone, im Norden und Osten Deutschlands, habe es 50Hertz mit besonderen Landschafts- und Naturräumen zu tun, in denen dem Vogelschutz eine besondere Bedeutung zukomme. Dort, wo 50Hertz Leitungsbauvorhaben plane, seien gleichzeitig wertvolle Schutzgebiete; zahlreiche Vogelarten hätten hier ihre Brut- und Nahrungsgebiete, und wichtige Vogelzugrouten führten über das Netzgebiet. Deshalb setze sich 50Hertz intensiv mit dem Spannungsfeld Vogelschutz einerseits und der praktischen Umsetzbarkeit in konkreten Vorhaben andererseits auseinander. Diese Notwendigkeit ergebe sich auch, aber nicht nur, aus immer strenger werdenden Anforderungen der Rechtsprechung zum Arten- und Gebietsschutz.
50Hertz tue schon viel: In den Leitungsbauprojekten würden umfassende umweltfachliche Gutachten erarbeitet. Dieses Vorgehen würde zum Beispiel durch weitergehende Untersuchungen begleitet. 50Hertz habe als erster Übertragungsnetzbetreiber bundesweit ein Konzept entwickelt, mit dem die Wirksamkeit von Vogelschutzmarkern artspezifisch abgeleitet werde. Zudem würden viele Kompensationsmaßnahmen umgesetzt, die dem Vogelschutz zugutekämen, wie Nisthilfen an Leitungsmasten, Artenschutztürme, Wildvogelpflegestationen für Störche und Freiflugvolieren für Greifvögel.
Für den Übertragungsnetzbetreiber sei der Austausch mit den besten fachlichen Köpfen und engagierten Experten auf dem Gebiet des Vogelschutzes besonders wichtig, um auch weiterhin das eigene Vorgehen in den Projekten optimieren zu können. Nicht zuletzt solle von der Konferenz das Signal ausgehen, dass alle Beteiligten ihr Bestes geben, um die Energiewende im Einklang mit Natur- und Artenschutz voranzubringen.
Aus Sicht des NABU stelle die Energiewende eine Herausforderung für alle gesellschaftlichen Akteure dar. Gleichwohl, so Eric Neuling, sei sie unentbehrlich in allen Energiebereichen, also auch bei der Effizienz und Einsparung, sowie neben Stromproduktion auch bei Verkehr, Wärme und Konsum. Dem NABU und anderen Naturschutzverbänden werde insbesondere abverlangt, eine Gewichtung zwischen Klimaschutz und Naturschutz bzgl. ihrer Dringlichkeit und Priorität vorzunehmen. Infrastrukturelle Veränderungen (Windräder, Straßen, Stromleitungen) in unserer Landschaft bedeuteten auch Auswirkungen auf die Natur: So veränderten sich Lebensstätten und leider auch das tatsächliche Lebensrisiko für Tiere. Ungestörte Rückzugsräume würden kleiner.
Im Siedlungsraum würde eine Großzahl von Vögeln Opfer von Hauskatzen oder sie fänden an Glasscheiben ihren Tod. Ihre Zahl sei um ein Vielfaches größer als die Zahl der Kollisionsopfer an Stromleitungen. Jedoch mache es populationsökologisch einen Unterschied, ob ein Schwarzstorch, von dem es nur knapp 1 000 Brutpaare mit ein bis zwei Nachkommen pro Jahr gebe, mit einer Freileitung kollidiere oder eine von einer Million Singdrosseln mit vielen Nachkommen, die an einer Glasfläche stürbe. Deshalb seien Stromleitungen ein spezifisches, aber sehr relevantes Risiko für bestimmte Arten.
Die Möglichkeiten beim Netzausbau für den Erhalt von Populationen und Artenvielfalt seien vielfältig (Trassenumfahrung, Ökologisches Schneisenmanagement, Erdkabel statt Freileitung, Mastdesign, Vogelschutzmarker) und flexibler einsetzbar als bspw. bei der Windenergieerzeugung. Diese planerische und technische Flexibilität solle von den ÜNB genutzt werden. Der NABU unterstütze gern dabei. Bei der Betrachtung der notwendigen Anpassungen der politischen Grundlagen und Zuständigkeiten würde der NABU sehr deutlich differenzieren. Nicht der ÜNB, sondern die Politik sei hier der Ansprechpartner für die NABU-Forderung der ergebnisoffenen Erdkabelprüfung bei jeder Netzausbauplanung auf der vorgelagerten Ebene, deren mögliche Umsetzung ausschließlich auf fachlichen Gründen basieren müsse.
Weiterhin führte Eric Neuling aus, dass Verbesserungen des Vogelschutzes im Bestandsnetz stärker adressiert werden müssten. Dort verlangten vor allem die derzeitigen Schutzgebietsausweisungen ein großes Engagement von den einzelnen Übertragungsnetzbetreibern, aber auch von regionalen Energieversorgern im Mittelspannungsbereich. Ein hohes Engagement der ÜNB sei diesbezüglich bei der „Renewables Grid Declaration“, in der Projektumsetzung von BESTGRID, dem Vogelschutz und Ökologischen Schneisenmanagement bei Amprion und 50Hertz hervorzuheben. So werde u. a. das NABU-Projekt der Einführung einer bundesweiten Hotline „Vogelfund und Stromleitung“ von allen ÜNB, so auch 50Hertz als RGI-Mitglied, unterstützt und mit wichtigen Impulsen bei der Konzeption begleitet.
„Vogelschutz an Höchstspannungsfreileitungen –Methoden, Spielräume und Realisierbarkeit – Rechtliche Anforderungen an Methoden, Methodenfreiheit, Beurteilungsspielräume, Fachkonventionen“
Rechtsanwalt Prof. Olaf Reidt referierte zu den rechtlichen Anforderungen an Methoden, Methodenfreiheit, Beurteilungsspielräume und Fachkonventionen im Zusammenhang mit dem Vogelschutz an Höchstspannungsfreileitungen. Er erläuterte, dass Zulassungsentscheidungen grundsätzlich gerichtlich voll überprüfbar seien, jedoch die Rechtsprechung anerkenne, dass unbestimmte Rechtsbegriffe wegen der hohen Komplexität und der besonderen Dynamik der geregelten Materie so vage und ihre Konkretisierung im Nachvollzug der Verwaltungsentscheidung so schwierig seien, dass die gerichtliche Kontrolle an die Funktionsgrenzen der Rechtsprechung stoße. In solchen Fällen, und dazu gehörten insbesondere Prognoseentscheidungen oder Risikobewertungen im Bereich des Umweltrechts, stehe den Behörden ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Seinen Grund habe dies in der notwendigen Einbeziehung außerrechtlicher, naturschutzfachlicher Maßstäbe. Man könne hier auch von einer Methodenfreiheit der Behörden sprechen.