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Dieses Fachlexikon ist ein bisher einmaliges Nachschlagewerk zum altsprachlichen Unterricht. Es verbindet erstmals Latinistik, Gräzistik und altsprachliche Fachdidaktik konsequent miteinander und integriert Erkenntnisse anderer für den Latein- und Griechischunterricht wichtiger Disziplinen. Zahlreiche namhafte Autor:innen aus Universität, Lehrerbildung und Schule behandeln in 110 Lemmata die zentralen Themen des altsprachlichen Unterrichts. Dazu zählen Bildungsziele, Digitalisierung, Sprach- und Lektüreunterricht, Übersetzung und Wortschatzarbeit, aber auch Artikel zu allen gängigen Schulautoren auf dem neuesten Stand fachwissenschaftlicher und fachdidaktischer Forschung. Ausführliche Literaturangaben ergänzen jedes Lemma, ein detailliertes Register mit zusätzlichen Schlagwörtern erleichtert die Detailsuche. Das Lexikon bietet Lehramtsstudierenden, Referendar:innen und Lehrer:innen der Fächer Griechisch und Latein Informationen und Hilfe bei der Unterrichtsvorbereitung zu allen wichtigen Themen ihres Fachs.
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Seitenzahl: 1630
Veröffentlichungsjahr: 2023
Stefan Kipf / Markus Schauer (Hrsg.)
Fachlexikon zum Latein- und Griechischunterricht
Narr Francke Attempto Verlag · Tübingen
Prof. Dr. Stefan Kipf lehrt Didaktik der Alten Sprachen an der Humboldt-Universität zu Berlin.
Prof. Dr. Markus Schauer ist Inhaber des Lehrstuhls für Klassische Philologie/Schwerpunkt Latinistik an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg.
Umschlagabbildung: © 2023 Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG
DOI: https://www.doi.org/10.36198/9783838558196
© 2023 • Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KGDischingerweg 5 • D-72070 Tübingen
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Internet: www.narr.deeMail: [email protected]
utb-Nr. 5819
ISBN 978-3-8252-5819-1 (Print)
ISBN 978-3-8463-5819-1 (ePub)
Guter Unterricht benötigt stets eine gute wissenschaftliche Fundierung, und zwar aus Fachwissenschaft, Fachdidaktik und Bildungswissenschaft. Hierzu soll das nun vorgelegte Fachlexikon zum Latein- und Griechischunterricht einen wichtigen Beitrag leisten. Es bietet in seiner Breite und Tiefe ein bisher einmaliges Nachschlagewerk zum altsprachlichen Unterricht. Dabei ist es erstmals gelungen, Latinistik, Gräzistik und altsprachliche Fachdidaktik konsequent miteinander zu verbinden. Zusätzlich wurden Erkenntnisse anderer, auch für den Latein- und Griechischunterricht wichtiger Disziplinen eingebunden.
79 namhafte Autorinnen und Autoren aus Universität, Lehrkräftebildung und Schule behandeln in 111 Lemmata die zentralen Themen des altsprachlichen Unterrichts. Hierzu zählen nicht nur Themen wie Bildungsziele, Digitalisierung, Sprach- und Lektüreunterricht, Übersetzung und Wortschatzarbeit, sondern auch Artikel zu allen gängigen Schulautoren, die den Leserinnen und Lesern den letzten Stand fachwissenschaftlicher und fachdidaktischer Forschung bieten. Die Lemmata sind lesefreundlich einspaltig gesetzt und bieten neben kompakten Beiträgen auch die Möglichkeit, zentrale Bereiche in größerem Zusammenhang auszuführen. Ausführliche Literaturangaben ergänzen jedes Lemma. Ein Register mit zusätzlichen Schlagwörtern erleichtert die Detailsuche.
Das Lexikon wendet sich an all diejenigen aus Schule, Studien- bzw. Fachseminar und Universität, die kompakte, praxisorientierte und aktuelle wissenschaftliche Informationen suchen.
Ein derartig großes Projekt kann nur gelingen, wenn viele Menschen beteiligt sind, denen wir hier unseren großen Dank abstatten möchten. Hierzu gehören natürlich zunächst unsere großartigen Autorinnen und Autoren, die sich nicht nur für das Projekt begeistern ließen, sondern auch mit Ihrem ganz besonderen Engagement zur Entstehung des Fachlexikons beigetragen haben. Die Zusammenarbeit mit ihnen war für die beiden Herausgeber eine große Freude und Bereicherung, wofür wir uns herzlich bedanken möchten.
Dieses Buch hätte jedoch niemals das Licht der Welt erblickt, wenn wir nicht die Unterstützung vieler Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an unseren Lehrstühlen gehabt hätten, die sich vor allem mit denjenigen Tätigkeiten große Verdienste erworben haben, die endlose Geduld, Genauigkeit und Frustrationstoleranz erfordern: Hierzu zählen z. B. das Korrekturlesen, die Überprüfung zahlloser Belegstellen und die Umsetzung des komplexen Stylesheets. Wir danken mit besonderem Nachdruck Cosima Felgentreu (Berlin), Celia Grabherr (Berlin), Nikolas Helbig (Berlin), Dr. Mayya Pait (Berlin), Florian Schubert (Berlin), Johanna Friedmann (Bamberg), Michaela Stefanie Krauß (Bamberg) und Alessa Vogt (Bamberg), ferner auch Anne Wernitz (Magdeburg).
Unser aufrichtiger Dank gilt schließlich dem Verlag Narr Francke Attempto dafür, dass er das Fachlexikon in sein renommiertes Programm aufgenommen hat. Großer Dank gilt auch Tillman Bub, der uns von den ersten Anfängen bis zum Druck kompetent als zuständiger Lektor begleitet hat.
Es ist uns wichtig, durch die sprachliche Ausdrucksform möglichst allen Menschen gerecht zu werden. Wir benutzen hierzu i. d. R. geschlechterübergreifende Begriffe (z. B. Lehrkräfte), Partizipien (z. B. Lernende) und Paarformen (z. B. Schülerinnen und Schüler).
Wir widmen das Fachlexikon zum Latein- und Griechischunterricht allen, die – egal an welcher Institution – Latein und/oder Griechisch lernen und noch lernen werden.
Bamberg und Berlin, im September 2023
allg.
allgemein
ant.
antik
att.
attisch
aU
altsprachlicher Unterricht
Aufl.
Auflage
Ausg.
Ausgabe
Bd./Bde.
Band/Bände
bes.
besonders
bspw.
beispielsweise
bzw.
beziehungsweise
ca.
circa
CDL 1
Clavis Didactica Latina 1
CDL 2
Clavis Didactica Latina 2
christl.
christlich
Dat.
Datum
d. h.
das heißt
DAZ
Deutsch als Zweitsprache
ders.
derselbe
didakt.
didaktisch
dies./diess.
dieselbe/dieselben
dt.
deutsch
Einf.
Einführung
Einl.
Einleitung
engl.
englisch
erg.
ergänze
et al.
et alii
etc.
et cetera
europ.
europäisch
evtl.
eventuell
f./ff.
folgend/folgende (ohne Spatium, nur bei Zahlen)
fr.
fragmentum
frz.
französisch
geb.
geboren
germ.
germanisch
gest.
gestorben
ggf.
gegebenenfalls
griech.
griechisch
GrU
Griechischunterricht
hist.
historisch
Hrsg., hrsg.
Herausgeber, herausgegeben
i. d. R.
in der Regel
indogerm.
indogermanisch
insbes.
insbesondere
insges.
insgesamt
ital.
italienisch
Jh.
Jahrhundert
Kap.
Kapitel
klass.
klassisch
Klass. Phil.
Klassische Philologie
lat.
lateinisch
Lit.
Literatur
literar.
literarisch
LU
Lateinunterricht
mlat.
mittellateinisch
n. Chr.
nach Christus
ndH
nichtdeutscher Herkunftssprache
nlat.
neulateinisch
Nr.
Nummer
o. g.
oben genannt
österr.
österreichisch
Pl.
Plural
Rez.
Rezension
röm.
römisch
S.
Seite
s.
siehe
sc.
scilicet
Sek. I
Sekundarstufe I
Sek. II
Sekundarstufe II
Sg.
Singular
sog.
sogenannt
s. a.
sub anno
u. a.
unter anderem
u. dgl.
und dergleichen
u. ö.
und öfter
u. U.
unter Umständen
u. v. m.
und viel mehr
urspr.
ursprünglich
usw.
und so weiter
Übers.
Übersetzung
v. a.
vor allem
v. Chr.
vor Christus
vgl.
vergleiche
wiss.
wissenschaftlich
z. B.
zum Beispiel
z. T.
zum Teil
Zs
Zeitschrift
A&A
Antike und Abendland
AAntHung
Acta Antiqua Academiae Scientiarum Hungaricae
AJPh
American Journal of Philology
Anr.
Anregung
AU
Altsprachlicher Unterricht (Zeitschrift)
ANRW
Aufstieg und Niedergang der Römischen Welt
BJL
Bulletin Jugend & Literatur
CPH
Classical Philology
CJ
The Classical Journal
CQ
The Classical Quarterly
DASiU
Die Alten Sprachen im Unterricht
DNP
Der Neue Pauly
DSW
Dialog Schule – Wissenschaft
FC
Forum Classicum
FLuL
Fremdsprachen Lehren und Lernen
GFA
Göttinger Forum für Altertumswissenschaft
Gymn.
Gymnasium (Zeitschrift)
HSPh
Harvard Studies in Classical Philology
HZ
Historische Zeitschrift
ICS
Illinois Classical Studies
JEAC
Journal of Ethics in Antiquity and Christianity
JHS
The Journal of Hellenic Studies
JRS
The Journal of Roman Studies
kjl&m
kjl&m – forschung.schule.bibliothek
KUSATU
Kleine Untersuchungen zur Sprache des Alten Testaments und seiner Umwelt
LGB
Latein und Griechisch in Berlin
LGBB
Latein und Griechisch in Berlin und Brandenburg
LGBW
Latein und Griechisch in Baden-Württemberg
LGNRW
Latein und Griechisch in Nordrhein-Westphalen
MDAV
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbands
MDAV-NRW
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbands Nordrhein- Westphalen
MH
Museum Helveticum
NJPhP
Neue Jahrbücher für Philosophie und Pädagogik
PegOn
Pegasus Onlinezeitschrift
PFLB
PraxisForschungLehrer*innenBildung. Zeitschrift für Schul- und Professionsentwicklung
RAC
Reallexikon für Antike und Christentum
RE
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
RhM
Rheinisches Museum für Philologie
SO
Symbolae Osloenses
TAPhA
Transactions and Proceedings of the American Philological Association
WHB
Wiener Humanistische Blätter
WJA
Würzburger Jahrbücher für die Altertumswissenschaft
ZfPäd
Zeitschrift für Pädagogik
Der Deutsche Altphilologenverband (DAV) versteht sich als Fachverband für die Fächer Latein und Griechisch an Schulen und Universitäten. Ihm können Lehrerkräfte aller Schularten, an denen eines dieser Fächer oder beide unterrichtet werden, beitreten, aber auch Personen, die in den Altertumswissenschaften an Hochschulen und Universitäten tätig sind, das gilt auch schon für Studierende. Darüber hinaus können auch Freunde und Förderer der alten Sprachen aufgenommen werden. Der Verband wurde im Zusammenhang einer Berliner Tagung des damaligen „Zentralinstituts für Unterricht und Erziehung“ vom 6. bis 9. April 1925 in Berlin gegründet, die unter dem allgemeinen Titel „Das Gymnasium“ stand (Morgenstern 1926). Zwar ging es auf dieser Tagung zunächst um die Klärung der Grundlagen und Aufgaben des damals so genannten „humanistischen Gymnasiums“, in dem die Sprachen Latein und Griechisch eine beherrschende Stellung einnahmen; doch sollte der neu gegründete Verband konkret die Ziele, Inhalte und Methoden des aU auch an anderen Schularten unter den gegebenen schulpolitischen Bedingungen formulieren und durchsetzen. Bei der genannten Tagung und bei der davon unabhängigen Gründung des Verbandes wurde von vornherein auf enge Zusammenarbeit von Wissenschaft und Schule geachtet. So wurde Emil Kroymann (1865–1951), der Schulleiter des Gymnasiums Steglitz (Berlin), zum ersten Vorsitzenden und Werner Jaeger (1888–1961), seit 1921 Professor an der Berliner Universität, zum zweiten Vorsitzenden gewählt. Jaegers „erneuerter Humanismus“, den Eduard Spranger (1882–1963) 1921 erstmals als „den dritten“ Humanismus bezeichnete (Spranger 1922:10), prägte die geistigen Grundlagen des Verbandes und seine bildungspolitischen Stellungnahmen (Jaeger 1926). In den folgenden Jahren wurden in zahlreichen Beratungen, Tagungen und Veröffentlichungen die Ziele, Inhalte und Methoden des aU diskutiert und neu definiert. 1935 wurde der Verband jedoch wie andere Fach- und Berufsverbände zwangsweise in den Nationalsozialistischen Lehrerbund eingefügt; darin wurde er als sog. Reichssachschaft für alte Sprachen geführt und verlor jede Eigenständigkeit (Kranzdorf 2018:172–176).
Nach dem Zusammenbruch der NS-Herrschaft bildeten sich in den neu entstehenden Bundesländern Initiativen zur Wiederbegründung des Verbandes, diese kam im Juni 1952 auf einer Tagung der Mommsen-Gesellschaft in Marburg zustande. Seitdem gliedert sich der Verband in Landesverbände. Ab 1958 erschien vierteljährlich das Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes, das 1997 in Forum Classicum – Zeitschrift für die Fächer Latein und Griechisch an Schulen und Universitäten umbenannt wurde und im Jahr 2023 im 66. Jahrgang erscheint. Die aktuelle Satzung, die Veranstaltungen, insbesondere die Programme zu den alle zwei Jahre in verschiedenen Universitätsstädten stattfindenden Kongressen lassen sich unter www.altphilolgenverband.de abrufen. Das Mitteilungsblatt bzw. Forum Classicum ist über die Heidelberger Universitätsbibliothek komplett digital erfasst.
Der Altphilologenverband ist keine berufsständische Vereinigung wie etwa der Philologenverband oder die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft, sondern kümmert sich vorwiegend um Ziele, Inhalte und Methoden des Fachunterrichts. Daher engagiert sich der Verband auch in der Vorbereitung und Aktualisierung der Lehrpläne in den einzelnen Bundesländern und bemüht sich um die Abstimmung der Anforderungen in den unterschiedlichen Lehrgangsformen. Der DAV ist als eingetragener Verein unabhängig von den Schulbehörden; seine Vertreter werden aber bei beabsichtigten Änderungen von Lehrplänen und Stundentafeln und bei der Zulassung neuer Lehrmittel von den Behörden gewöhnlich zur Beratung und Mitarbeit hinzugezogen.
Besondere Leistungen erbringt der Verband auf dem Gebiet der fachwiss. und fachdidakt. Fortbildung der Lehrkräfte. Mehrere Landesverbände geben zusätzlich zum Forum Classicum noch eigene Mitteilungsblätter heraus und können so die lokalen Themen und Probleme intensiver erörtern. Seit Bestehen des Verbandes bietet die sechs Mal im Jahr erscheinende Fachzeitschrift Gymnasium – Zeitschrift für Kultur der Antike und Humanistische Bildung einen Vorzugspreis für Mitglieder des DAV an. Sie erscheint im Universitätsverlag Winter, Heidelberg (2023 bereits im 130. Jahrgang).
Burck, Erich/Clasen, Adolf/Fritsch, Andreas (1987). Die Geschichte des Deutschen Altphilologenverbandes 1925–1985. FC 30 Sonderheft. Bamberg: Buchner.
Deutscher Altphilologenverband. Abrufbar unter: https://www.altphilologenverband.de (Stand: 15.04.2023).
Fritsch, Andreas (1999). Berufsverbände. In: DNP 13, 474–479.
Fritsch, Andreas (2001). Die altsprachlichen Fächer im nationalsozialistischen Schulsystem. In: Dithmar, Reinhard/Schmitz, Wolfgang (Hrsg.). Schule und Unterricht im Dritten Reich. Ludwigsfelde: Ludwigsfelder Verlagshaus, 153–188.
Jaeger, Werner (1926). Antike und Humanismus. In: Morgenstern, Otto (Hrsg.), 1–11.
Kipf, Stefan (2006). Altsprachlicher Unterricht in der Bundesrepublik Deutschland: Historische Entwicklung, didaktische Konzepte und methodische Grundfragen von der Nachkriegszeit bis zum Ende des 20. Jahrhunderts. Bamberg: Buchner/Nachdruck 2020 Heidelberg: Propylaeum.
Kranzdorf, Anna (2018). Ausleseinstrument, Denkschule und Muttersprache des Abendlandes: Debatten um den Lateinunterricht in Deutschland 1920–1980. Berlin: De Gruyter Oldenbourg.
Morgenstern, Otto (Hrsg.) (1926). Das Gymnasium: Schulform und Bildungsziel. Leipzig: Quelle & Mayer.
Spranger, Eduard (1922). Der gegenwärtige Stand der Geisteswissenschaften und die Schule: Rede gehalten auf der 53. Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner in Jena am 27. September 1921. Leipzig und Berlin.
Wohl kaum einer der antiken Autoren hat uns ein derartig vielfältiges und themenreiches Corpus hinterlassen wie Aristoteles (A.), 384‒322 v. Chr. Da überrascht es, dass seine Schriften in den Rahmenlehrplänen für den aU der einzelnen Bundesländer deutlich unterrepräsentiert bzw. nicht explizit in den Unterricht integriert sind, sondern eher fakultativ empfohlen werden (vgl. etwa den Lehrplan Griechisch für das Land Hessen 2016 oder den Rahmenlehrplan des Landes Berlin 2007; der Bildungsplan von Baden-Württemberg 2016 und der Kernlehrplan für die Sekundarstufe II in Nordrhein-Westfalen 2014 nennen A. beispielsweise gar nicht). Dies mag zum einen daran liegen, dass die aristotelischen Texte in ihren Formulierungen teilweise verkürzt und dadurch kryptisch (zur Brachylogie des A. äußerten sich bereits die spätantiken A.-Kommentatoren), hinsichtlich ihrer Syntax schwierig zu durchschauen und bisweilen enorm voraussetzungsreich sind, und somit eine hohe Sachkenntnis erforderlich ist, um die Texte zu übersetzen und inhaltlich zu verstehen. Dieser Sachverhalt ist damit zu begründen, dass die erhaltenen Texte schulinterne (sog. esoterische) Schriften sind und nicht für eine Publikation bestimmt waren (zur Überlieferung der Schriften ausführlich Sharples 2007) und dementsprechend unterschiedlich stark ausformuliert und verständlich sind. Zum anderen muss festgehalten werden, dass A. seit langem nicht zu den gängigen Schulautoren zählt (er taucht in den Didaktiken von Eckstein 1887 und Dörwald 1912 nicht auf) und ihm im Vergleich zu Platon kein großer didakt. Wert beigemessen wurde (bezeichnend ist die Aussage bei Eckstein 1887:441: „Für die Philosophie habe ich natürlich nur Plato genannt.“).
Ein informativer Überblick über das Leben und Werk des A. findet sich bei Ackrill 1985, Barnes 1992, Flashar 2013 sowie Primavesi & Rapp 2016:10‒37; der umfassendste Handbuchartikel ist der von Flashar 2004. Im Folgenden sollen, anschließend an den Forschungsstand, ausgewählte Themenfelder skizziert werden, die im aU, auch in Kooperation mit anderen Schulfächern, behandelt werden können. Dabei konzentriert sich die Auswahl nur auf einen kleinen Ausschnitt. Zentrale Felder der A.-Forschung wie etwa die aristotelische Naturwissenschaft, die Ontologie sowie die Metaphysik bleiben dabei unberücksichtigt (ohnehin scheint geeignetes Unterrichtsmaterial zu diesen Themenfeldern und eine didakt. Reflexion hinsichtlich deren Nutzen bisher ein Desiderat darzustellen).
A. liefert in seiner Rhetorik (umfassend kommentiert bei Rapp 2002) eine erste Systematisierung zentraler Aspekte der Rhetoriktheorie wie den Aufbau einer Rede, die Aufgaben des Redners und die Unterteilung der Redegattungen (eine gute Übersicht dazu findet sich bei Hommel & Ziegler 1972:1411‒1414), die weitreichend auf die Rhetoriktheorie bei Cicero und Quintilian fortgewirkt hat (dazu Schulz 2019). Unter Rückgriff auf die in der aristotelischen Rhetorik entworfenen Systematisierungen können dann Reden im Unterricht unter gezielten Fragen (Welche Art der Rede liegt vor? Welche Argumentation wird an welcher Stelle erwartet?) analysiert werden.
Auch Überzeugungsmittel werden in der Rhetorik klassifiziert: Für eine gelungene Rede bietet A. drei Kategorien an, in die zur Persuasion eingesetzte Mittel eingeteilt werden:
Von den durch die Rede (λόγος) geschaffenen Überzeugungsmitteln (πίστεις) gibt es drei Arten: Sie sind zum einen im Charakter (ἦθος) des Redners angelegt, zum anderen in der Absicht, den Zuhörer in eine bestimmte emotionale Lage (πάθος) zu versetzen, zuletzt in der Rede (λόγος) selbst, indem man etwas nachweist oder zumindest den Anschein erweckt, etwas nachzuweisen. (rhet. I 2, 1356a1‒4)
Demnach können Persuasionsstrategien einerseits die Vernunft des Empfängers adressieren und diesen durch Fakten und logische Schlüsse überzeugen (λόγος). Hierzu gehört auch der rhetorische Beweis in Form eines verkürzten Syllogismus, das sog. Enthymem (dazu Rapp 2002, Bd. I:323–335 und Bd. II:223–240). Andererseits bedient sich der Redner der Erzeugung von Emotionen als Mittel der Überzeugung (πάθος; dazu auch rhet. I 2, 1356a14‒20). Ein letzter Punkt betrifft den Charakter des Sprechers (ἦθος): jemand, der vertrauenswürdig und glaubhaft erscheint, wird einen höheren Persuasionserfolg haben (vgl. auch rhet. II 1, 1377b24‒31). Bei der Persuasion kommt es besonders darauf an, bei jeder Sache das möglicherweise Überzeugende zu finden (rhet. I 2, 1355b26f.) und die drei verschiedenen Strategien entsprechend einzusetzen. Zu diesen drei Mitteln auch Stroh 2011 und aktuell Schulz 2019, die auch die einschlägigen Stellen bei Cicero (vor allem Brut. 185, de orat. 2, 115) anführt, in der diese drei Persuasionsbereiche beschrieben werden (zu den drei Bereichen siehe auch Quint. inst. 8, 7‒8); zum ἦθος des Redners finden sich weitere Anregungen bei Knape 2012 mit Bezug zur modernen Rhetoriktheorie. Unter Rückgriff auf diese Dreiteilung ist es möglich, auch Texte anderer Gattungen kategoriengeleitet zu analysieren (für einführendes Material und Beispiele aus der röm. Lit. siehe Humar 2017). Vor dem Hintergrund dieser Kategorien können dann sowohl in Prosa als auch in der Dichtung ausgewählte Reden besprochen werden (es eignen sich z. B. die Rede der Athene in Hom. Od. 1, 55‒79 oder zahlreiche Stellen aus der Apologie, etwa apol. 24b‒27e). Auch Werbeplakate, deren Ziel ebenfalls die Persuasion des Betrachters ist, lassen sich in die aristotelischen Kategorien einordnen (Beispiele bei Humar 2017); somit erweist sich die aristotelische Rhetorik als anschlussfähig an die Moderne. Daneben ließe sich auch die Bedeutung der Rhetorik in der modernen Politik untersuchen und Bezüge zu A. herstellen (zur aristotelischen Rhetorik in der politikwiss. Diskussion siehe Jörke 2010:158f.).
In der Poetik wird zum ersten Mal die Dichtkunst systematisch erfasst und beschrieben (umfassender Kommentar und Übersetzung zur Poetik: Schmitt 2008 und Hose 2023). Die Gattungen Tragödie, Epik und Lyrik werden unter spezifischen Aspekten wie Handlung, Aufbau und Funktion näher erläutert. Besonders bei der Analyse von (antiken) Dramen ist ein Rückgriff auf die aristotelische Poetik gewinnbringend. So zeigen exemplarische Belege, wie mit Bezug zur Poetik antike Dramen (Sauer 1978, Waack-Erdmann 2010) analysiert werden können. Die beiden zentralen Begriffe der aristotelischen Poetik sind μίμησις und κάθαρσις. Denn Kunst, auch die Dichtkunst, ist nach A. eine Form der Nachahmung; die Freude an der Nachahmung lässt sich auf den dem Menschen eigenen Lerntrieb zurückführen (metaph. 980a21, vgl. Primavesi & Rapp 2016:110). Mit dem Begriff der κάθαρσις wird der Zweck der Tragödie beschrieben. Das Betrachten von tragischen Handlungen führt zu einer Reinigung und hat somit einen affektentladenden Effekt (poet. 6, 1449b24‒28:
Die Tragödie ist […] Nachahmung [μίμησις] von Handelnden und nicht durch Bericht, die Jammer [ἔλεος] und Furcht [φόβος] hervorruft und hierdurch eine Reinigung [κάθαρσις] von derartigen Erregungszuständen bewirkt (Übersetzung nach Fuhrmann, modifiziert).
Diese Deutung des Tragödiensatzes ist nur eine mögliche, da die Diskussion um den genauen Inhalt dieser Aussage viel Raum in der A.-Forschung einnimmt (eine konzise Zusammenfassung findet sich bei Küpper 2006; zur Katharsis ausführlich Hose 2023:49–57). Als zentrale Emotionen der Tragödie gelten ἔλεος und φόβος (dazu auch poet. Kap. 14, zu den Emotionen siehe neben Schmitt 2008:124f. auch Zierl 1994, zur problematischen Übersetzung der beiden Termini siehe Hose 2023:51), die durch die Handlung der Tragödie erzeugt werden müssen. Durch die öffentliche Vorführung der Tragödien kann dieser Gattung eine wichtige erzieherische und (im weiteren Sinn) politische Wirkung zukommen, die im Unterricht deutlich herausgearbeitet werden kann (dies kann auch unter Bezugnahme auf moderne Gewaltdarstellungen erfolgen, vgl. dazu die Anregungen in Otto 2013). Zur politischen Deutung der Tragödie siehe u. a. Rösler 1980 (mit weiterer Lit.) und Meier 1988.
Auch das Nachwirken der aristotelischen Dichtungstheorie auf die Autoren nach ihm (dazu Fuhrmann 1992), besonders Horaz, kann in den Unterricht verbindend zum LU einfließen (exemplarischer Versuch bei Zielinski 1986). In Kooperation mit dem Deutschunterricht wäre eine Auseinandersetzung mit der Rezeption der Poetik bei Lessing (Kommerell 1940, Schadewaldt 1955), Schiller (Schmitt 1992) und Goethe (Boyle 2010) oder der Beziehung zum modernen Drama (Seeck 1976) fruchtbar. Besonders einzugehen wäre auf die von Brecht 1931 publizierten Anmerkungen zur Oper Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny, die die Abgrenzung vom dramatischen zum epischen Theater thematisieren und die Akzentverschiebungen innerhalb beider Theatertypen deutlich machen.
Nach A. ist der Mensch ein ‚politisches Lebewesen‘ (pol. I, 2: πολιτικὸν ζῷον), wobei ‚politisch‘ hier nicht primär als ‚politisch aktiv‘, sondern eher als ‚auf die Gemeinschaft angewiesen‘ verstanden werden sollte. Dies wird unter anderem mit dem ‚sozialen Instinkt‘ (ἡ ὁρμὴ ἐπὶ τὴν τοιαύτην κοινωνίαν) und der Fähigkeit zur Sprache begründet. Daraus ergeben sich vielfache Forderungen nach dem Leben in der Gemeinschaft und dessen Organisation, die an verschiedenen Stellen der Politik thematisiert werden (ausführlicher Kommentar bei Schütrumpf 1991‒2005, etwas knapper: Davis 1996). Ausgewählte Stellen ließen sich im Unterricht intensiver besprechen: So wäre die Organisation des Staatswesens als zentraler Aspekt und ihre Regierungsformen (pol. III, 6‒7) und deren Umwälzungen (pol. V, 1‒5), eventuell in Abgrenzung zu den Verfassungsdebatten bei Herodot (3, 80‒82) und dem Kreislauf der Staatsformen bei Platon (rep. VIII) sowie den Verfassungsmerkmalen in Cic. rep. I (bes. 44–45) ein mögliches Themenfeld. Vergleichend kann auch Ath. Pol. 41, 1‒2 mit den Umwälzungen der Staatsformen, μεταβολαί, behandelt werden, wobei darauf hingewiesen werden sollte, dass die Autorschaft dieses Textes umstritten ist. Die Definition und die Voraussetzungen der Demokratie (pol. VI, 2) ließen sich zur Moderne in Beziehung setzen. Bei der Besprechung demokratischer Instanzen können Partien aus Ath. Pol. als hist. Quelle nutzbar gemacht werden. Zur Entwicklung politischer Theorien (Platon, A., Cicero) siehe Meyerhöfer 1990. Auch die Rezeption der aristotelischen Politik kann in Kooperation mit den gesellschaftswiss. Schulfächern gewinnbringend behandelt werden (Anregungen finden sich im Band von Horn & Neschke-Hentschke 2008, siehe auch Gutschker 2004).
Von den ethischen Schriften des A. bietet die Nikomachische Ethik die wohl für den Schulunterricht relevantesten Partien. Die Ethik des A. ist, wie jede antike Ethik, auf die Eudaimonie (εὐδαιμονία) ausgerichtet (zur Frage nach der Eudaimonie siehe eth. Nic. X, 7). Wie im ersten Buch der Nikomachischen Ethik festgehalten, ist diese das höchste Gut, das der Mensch durch sein Handeln erreichen kann (eth. Nic. I, 4 1095a16). Daher bietet es sich an, in Zusammenarbeit mit den gesellschaftswiss. Schulfächern, den Begriff der Eudaimonie genau zu erfassen (ausführlich dazu Fröhlich 2012) und ausgehend von dieser Definition grundlegende Fragen der Lebensausrichtung zu thematisieren. Hierzu zählen insbes. die Frage nach dem Wesen der Freiheit (eth. Nic. III, 3‒7) und der Freundschaft (eth. Nic. VIII, 1‒4) sowie die Gerechtigkeit (dazu Horn 2006), die für das gelingende Leben wichtig sind. Darüber hinaus ließen sich die Ausführungen zur Verantwortung (eth. Nic. III, 1‒7) in Verbindung mit dem Ethik- bzw. Philosophieunterricht, aber auch in der Oberstufe der alten Sprachen einbringen. Eine allg. Einführung in die aristotelische Ethik bieten Wolf 2007 und Höffe 1995.
Als weiteren Aspekt der aristotelischen Philosophie soll abschließend die Emotionstheorie des A. hervorgehoben werden (systematisch beschrieben bei Krewet 2011, ein aktueller Überblick findet sich bei Humar 2019), die seit einigen Jahren in den Fokus der A.-Forschung gerückt ist. Im Kontext der Behandlung der Dreiteilung der Seele bei Platon (rep. IV, 35c‒e, 439d‒e und 440a‒b) und der damit verbundenen Implikationen für eine Theorie der Emotionsregulation wäre ein Exkurs zur Emotionstheorie des A. sicher gewinnbringend. In der grundlegenden Arbeit von Fortenbaugh (1975, 2002) ist der Nachweis erbracht, dass nach A. die Gefühle (πάθη) kognitiv vermittelt werden. Das heißt, jedem Gefühl liegt eine Beurteilung zugrunde (vgl. Fortenbaugh 2002:9‒12, 94‒103). Dies wird besonders in rhet. II 1, 1378a19‒22 deutlich: „Es sind die Gefühle, durch welche sich [die Menschen], indem sie sich verändern, hinsichtlich ihrer Urteile unterscheiden, die Dinge, denen Lust und Leid folgt.“ Die Urteile (κρίσεις) sind demnach Bedingung für das Entstehen von Gefühlen. (Nussbaum 1996:309‒312). Dagegen siehe etwa Rapp (2008:56), der hinsichtlich des Verhältnisses von Urteil und Emotionen betont, dass das Urteil „lediglich den Gegenstand der Emotionen näher beschreibt, aber dass nicht jeder, der die betreffende Emotion hat, tatsächlich ein entsprechendes Urteil gefällt hat“. In diesem Kontext ist auch die Emotionsregulation ein interessanter Aspekt: A. lehnt das Entstehen von Gefühlen nicht ab, sondern sieht im Gegensatz zur stoischen Affektenlehre die Notwendigkeit eines gemäßigten bzw. angemessenen Umgangs mit ihnen vor. Exzessive Gefühle, die das vernünftige Maß überschreiten, sind abzulehnen. Diese Lehre der μεσότης ist besonders in eth. Nic. II 6, 1106b14‒34, 1106b36‒1107a8 ausgearbeitet und beschreibt die emotionale Reaktion auf einen Sachverhalt dann als angemessen, wenn dieser eine richtige Meinung und ein korrektes Urteil hinsichtlich der Situation vorausgeht; dies scheint für A. ein Ideal darzustellen, wie neuere Arbeiten zeigen (vgl. Krewet 2011:564ff., Rapp 2008:66f.). Dabei ist ebenso wichtig festzuhalten, dass für A. die Emotionen individuelle Phänomene sind, da sie von den jeweiligen Dispositionen der Person abhängen, die sie erfährt (vgl. dazu Rapp 2008:61). Hier zeigt sich eine große Übereinstimmung zur modernen Emotionsforschung, die ebenfalls Emotion und Kognition verbindet. Ein Rückgriff auf diese Theorie, die hier nur knapp skizziert wird, könnte einen Beitrag zur Psychoedukation im Unterricht leisten und mit Hilfe der aristotelischen Theorie das Wesen einer Emotion näher beleuchten (die „philosophische Analyse von Emotionen“ wird etwa im Kerncurriculum für Hessen 2016:44 erwähnt).
Hessisches Kultusministerium (Hrsg.) (2016). Kerncurriculum gymnasiale Oberstufe: Griechisch. Wiesbaden. (Abrufbar unter: https://kultusministerium.hessen.de/sites/kultusministerium.hessen.de/files/2021-07/kcgo_gr.pdf Stand: 15.04.2023)
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Bereits in der Antike hat man sich im Sinne der primus-inventor-Frage über die Ursprünge der Rhetorik Gedanken gemacht. Diese nach Sizilien zu verlegen passt zur sagenhaften Insel im Westen; ob aber tatsächlich, wie Cicero überliefert, es die Eigentumsfragen gewesen sind, die nach Beseitigung der Tyrannis in Syrakus den Bedarf nach Rhetoren für das dikanische Genos weckten, sei dahingestellt (Cic. Brut. 46). In der Schildbeschreibung der Ilias (18,497–508) bietet das Bild der Stadt im Frieden den Rechtsstreit mit Ankläger und Angeklagtem in einem Blutschuldsprozess: in der Mitte stehen zwei Talente Gold, die demjenigen Richter zustünden, der am besten Recht spreche. Das zeigt den agonalen Zug der dikanischen Rhetorik, aber auch die Bedeutung der Rechtsprechung für soziale Gebilde. Aber erst mit den in Athen wirkenden Rednern werden Individuen fassbar, deren Leben und Reden uns einen wichtigen Aspekt der Rhetorik in der Antike geben. Die Kanonisierung fällt grundsätzlich in die Zeit des gelehrten Hellenismus (vgl. Smith 1995, siehe auch Douglas 1956), als man daran ging, Vorbilder zu schaffen, die es nachzuahmen galt. In der antiken Lit. ist die Kanonisierung ein ganz wesentlicher Zug, der zumal für die Überlieferung entscheidend war. Möglicherweise ist jedoch die philologische Kanonisierung der Redner in den Rhetorenschulen unbeachtet geblieben (Smith 1995). Einige att. Redner sind uns als kanonisch überliefert, während die sogenannten Redner der asianischen Redeform durch den Klassizismus, der bereits um die Zeitenwende einsetzte, ausgesondert wurden und nur noch fragmentarisch fassbar sind. Die Sammlung der kanonischen zehn att. Redner in der Ps.-Plutarchischen Schrift nennt folgende: Antiphon, Andokides, Lysias, Isokrates, Isaios, Aischines, Lykurgos, Demosthenes, Hyperides und Deinarchos (Plutarch 2017:9–15). Quintilian geht in seiner Leseliste der auctores imitandi ebenfalls auf diesen Kanon ein:
Es folgt die gewaltige Schar der Redner, von denen ja schon ein Zeitalter in Athen zehn hervorgebracht hat. Unter diesen war Demosthenes bei weitem der bedeutendste (longe princeps) und fast die Gesetzesnorm aller Redekunst (lex orandi). (Quint. inst. 10,1,76; Übers. Rahn)
Quintilian behandelt aber nur fünf, nämlich Lysias, Demetrius, Isokrates, Demosthenes und Aischines; während Antiphon, Andokides, Isaios, Lykurgos und Deinarchos fehlen. Aber es sind die systematischen Eckpunkte benannt: Alle genera dicendi: Lysias für das genus subtile, Demetrius für das genus medium, Isokrates für das genus robustum, das freilich (mit anderen Vorgaben) auch Demosthenes für sich beanspruchen kann (vgl. Quint. inst. 12,10,58–63); alle genera causarum: genus demonstrativum durch Isokrates, genus deliberativum durch Demosthenes, genus iudiciale durch Lysias.
Unter den systematisch-methodischen Vorgaben der Rhetorik im Rahmen der altsprachlichen Fachdidaktik ergeben sich für die einzelnen Redner folgende fachlichen Gründe einer Behandlung im aU:
Beschränkt man sich auf den rhamnusischen Redner, der auch Lehrer des Thukydides gewesen sei und von Platon im Menexenos 236a als Rhetoriklehrer genannt wird, so sind seine erhaltenen drei Reden in Mordprozessen (phoinikoí lógoi) für die Entwicklung des technischen Beweises wichtig, der sich hier in Faktizitätsfragen (status coniecturalis) herausbildet und damit zeigt, welche Rolle das rationale Argument (im Rahmen von Wahrscheinlichkeitsfragen, eikós) in der griech. Aufklärung spielt. In noch höherem Maße gilt dies für die Tetralogien, drei Gruppen von vier Übungsreden, in denen je zwei Anklage- und Verteidigungs-Reden zu einem Fall gehören. Themen dieser schwierigen Fälle sind wiederum Konjekturalfälle (1. Tetralogie), aber auch Fragen von Vorsatz und Fahrlässigkeit (2. Tetralogie) und Gegenklage (anténklēma; 3. Tetralogie). Aufgrund der Tatsache, dass es sich um fiktive Übungsreden handelt, die auch nicht allzu umfangreich sind, eigneten sie sich eigentlich sehr als Unterrichtsgegenstand. Eine zweisprachige Reclam-Ausgabe erleichtert Zugang und kursorische Lektüre, die dann an einzelnen Stellen zu vertiefen wäre (z. B. Schirren & Zinsmaier 2003:132–179). Einschlägig sind die ebenfalls übersetzten Fragmente des Sophisten Antiphon als mögliche Referenzen zur Rekonstruktion des sophistischen Kontextes, wobei die Frage der Identität der Autoren übergangen werden kann (vgl. Schirren & Zinsmaier 2003: Nr. 2–3, 17–37).
Obwohl von hohem alt- und auch kulturhist. Interesse, wird man die sehr umfangreiche Rede Über die Mysterien wohl kaum im Unterricht behandeln können. Dieser Redner, geb. 440 v. Chr. in Athen, bietet uns den seltenen Fall, dass zu einer Verteidigung eine Anklagerede erhalten ist, auch wenn diese möglicherweise nicht echt ist und ganz sicher nicht von Lysias stammt (Lys. or. 6). Vor allem gehört er wie auch Antiphon in die Zeit des Peloponnesischen Krieges und könnte begleitend zur Lektüre der Historiker herangezogen werden: so z. B. Lys. or. 1,11–18 (Anzeigen wegen religiöser Frevel); 103–112 (Umgang mit Exilierten in Krisen).
Lysias selbst, 459/8 bis ca. 380 v. Chr., berichtet, dass Perikles seinen Vater aus Syrakus nach Athen eingeladen habe (or. 12,4) und dieser dort 30 Jahre gelebt habe. Obwohl der Vater wohlhabend war, blieb er Metöke, also ohne Bürgerrecht in Athen. Er ermöglichte dem Sohn eine ausgezeichnete Bildung im Kreise der jeunesse dorée der Stadt. Um 430 mag Lysias nach Thurioi ausgewandert sein, wo er sich der rhetorischen Ausbildung zuwandte; die antiken Quellen nennen (den fast schon mythischen) Teisias und (einen unbekannten) Nikias (Ps.-Plut. 835D) als seine Lehrer. So vage diese Angaben sind, es spricht alles dafür, dass Lysias mit der sizilisch-unteritalischen Rhetorik in Berührung kam, von der er sicherlich durch Gorgias schon in Athen gehört hatte. Im Folgenden aber wird sein Leben von den politischen Wirren bestimmt: Das Scheitern der sogenannten sizilischen Expedition zwingt ihn 413 zur Rückkehr nach Athen, weil man ihn des Attikismos, des Parteigängertums mit Athen, zeiht. Noch aber ist sein beträchtliches Vermögen, das der Vater den drei Kindern hinterlassen hat, unangetastet. Er soll sich der rhetorischen Theorie zugewandt haben, doch sei er Logograph, professioneller Verfasser von Gerichtsreden für andere, geworden, nachdem ihn Theodoros von Byzanz in der Theorie übertroffen habe (Cic. Brut. 12,48). Als 404 v. Chr. die Dreißig in Athen die Macht erringen, wird das Familienvermögen konfisziert, der Bruder Polemarchos ermordet und Lysias selbst gelingt nur mit knapper Not die Flucht nach Megara. Nach der Rückkehr der Demokraten 403 klagt er gegen Eratosthenes als Verantwortlichen, und zwar im Zuge eines euthýnai-Verfahrens (Rechenschaftsablegung zur Amtsführung). Die Reden des Lysias wurden in der Antike wegen ihrer att., d. h. einfachen und schnörkellos direkten Form geschätzt, die aber trotzdem höchst kunstfertig ist. Insbesondere seine Fähigkeit, das Ethos des Redenden zu performieren (ēthopoiía) wurde gelobt. Dagegen steht die scharfe, wenn auch ironisch formulierte Kritik, die Platon im Phaidros durch Sokrates vortragen lässt. Die Kritik an der heúresis aufgrund mangelnder dialektischer Durchdringung des Redegegenstands ist vor dem Hintergrund der auch von Aristoteles später erhobenen Forderung einer rational vorgehenden téchnē zu sehen. Denn eine gute Rede müsse wie ein Lebewesen gebaut sein, mit Kopf und Fuß, d. h. ein funktionaler Organismus sein (Plat. Phaidr. 262e–264c, zu weiteren antiken Urteilen s. Schirren 2019c). Besonders für den Unterricht geeignet scheinen die politischen Prozesse, die mitten in die Frage der Vergangenheitsbewältigung führen. Der erste Prozess, den der junge Mann führt, ist eine Anklage gegen Eratosthenes, den er beschuldigt, für die Ermordung seines Bruders verantwortlich zu sein. Die Rede bietet eine spannende narratio und bewegende Appelle an die Richter, sich der Verbrechen der Vergangenheit anzunehmen, auch wenn es eine Generalamnestie gegeben habe, die die Dreißig ausdrücklich ausnahm, es sei denn sie unterzogen sich den euthýnai. Es geht also um den Zusammenhang von Gedächtnis und Sühne einerseits und dem Bestreben, nach einer Diktatur wieder einen gesellschaftlichen Zusammenhalt durch Amnestie herzustellen. Aufschlussreich für die lange Tradition der sogenannten Epitaphien-Reden ist die unter dem Namen des Lysias überlieferte auf die im Korinthischen Krieg Gefallenen (or. 2). Die Topik dieser epideiktischen Reden verhindert zwar geradezu eine spezifische Darstellung der Umstände der Schlacht, aber reiht sich insofern auch in viele andere Reden dieser Art ein und kann so Reflexionen über das Unvermögen und die Notwendigkeit kollektiver Trauer anleiten (Vgl. Shear 2013, Goldmann 2018).
Der wohl berühmteste Schüler des Sophisten Gorgias hatte im 19. und noch lange im 20. Jh. eine unumstrittene Position im Lektürekanon der Universität inne, während er in der Schule umstritten war und wohl nur am Rande gelesen wurde (vgl. Eckstein 1887:448ff., Dörwald 1912:139). Das rührte vor allem von dessen Bildungsprogramm der philosophía, in das sich die alten Sprachen, besonders das Griechische, leicht einfügten und welches sie zum Distinktionsmerkmal der höheren Bildung werden ließ. In der althist. Forschung hat man den Redner als Exponenten einer elitären Bewegung gesehen, der sich mit seinen politischen Sendschreiben an Meinungsführer konservativer Kreise, die den radikalen Demokraten äußerst kritisch gegenüber waren, wandte und dabei auch ein neues Medium entdeckte und entwickelte: die politische Publizistik im Allgemeinen und den sogenannten Fürstenspiegel im Besonderen (vgl. Eder 1995). Von Interesse in der Schule sind aber auch seine Schaustücke wie Busiris (or. 10) und Helena (or. 11), weil sie die paradox entfalteten Argumentationsformen der Sophisten zeigen, die wir sonst nur fragmentarisch besitzen. Das Lob Athens als Kulturmetropole im Panegyrikos § 43–50 mit der Anthropologie des Logos als universalen Kulturstifters ist lesenswert wie auch die implizite Auseinandersetzung mit der Kritik im platonischen Gorgias in der Antidosis.
Plat. Gorg.
Antidos.
456d
keine Verantwortung des Lehrers
252
Auch Fechtlehrer sind für Schüler nicht verantwortlich
464bff.
Seele & Körper
181
Paideia der Seele
485 a
Propädeutik
266–8
Propäd. Gymnastik
502
Erziehung
132ff.
Problem des Redners
504 d–e
Nomos
84
konsensuelle Gerechtigkeit
Man hat die Antidosis immer schon als ein autobiographisches Dokument gesehen, in dem der über Achtzigjährige Rückschau auf seine Wirkung als Intellektueller in Athen hält; neuere Forschungen betonen freilich die Frage der Identität als eines Programms, das hier formuliert wird (Too 1995, 2008). Isokrates selbst spricht davon, dass die Rede als Bild seines Selbst ein besseres Kommunikationsinstrument sei als die plastischen Ehrenbilder verdienter Bürger (§ 7). Von sich selbst als einem philosophischen Lehrer zu sprechen, der sich gegen Verleumdungen wehren muss, impliziert freilich auch die Frage nach der Moral des Redens, also die moralischen Implikationen sprachlicher Kommunikation. Das passt zur allgemeinen Struktur der Rede, die sich intertextuell immer wieder auf die platonische Apologie bezieht. Die Verteidigung des Timotheos (§ 101–139) als eines Paradigmas seiner philosophía lógōn (Bildung zum Reden) ist ebenfalls eine Antwort auf die Kritik der Rhetorik im platonischen Gorgias. Ähnlich wie im Panegyrikos schließt die Rede mit einem anthropologischen Preis der Rede (lógos):
Denn mit [der Rede wetteifern] wir in Debatten und mutmaßen im Bereich dessen, was uns verschlossen ist; durch die Beweise, mit denen wir auch die anderen kommunikativ überzeugen, genau mit denen gehen wir nämlich auch zu Rate und wir nennen Rhetoriker solche Männer, die in der Versammlung sprechen können, für wohlberaten halten aber diejenigen, die mit sich selbst am besten in der Lage sind, über Sachlagen zu diskutieren. (§ 256; Übers. Thomas Schirren)
In der guten und gerechten Rede sprechen die Vernunft, die höhere Erziehung und der gesellschaftliche Ausgleich unterschiedlicher Interessen. Man braucht gar nicht nach deren Inhalt fragen: es ist die einfache, durch die Rede vollzogene soziale Praxis, die sie in ihr Recht setzt. Das hält der Redner den „Eristikern“ entgegen, als die er die Konkurrenten der Platonischen Akademie bezeichnet (§ 264–265). Isokrates bleibt beim common sense. In gerade dieser Übernahme konventioneller Positionen liegt aber auch ein Argument für den unmittelbaren praktischen Nutzen seines Unterrichts, der eben nicht wie die Platonische Akademie sich von allgemeinen Wertbegriffen der Polis distanziert. Die ‚Haarspaltereien‘ der Akademiker werden allenfalls als nützliche Propädeutik zugelassen. In dieser Haltung spricht sich eine Skepsis gegen wiss. Forschungen einer bestimmten Form aus, die noch lange zu hören sein wird, weit über die Antike hinaus. Damit wird über die Sophistik zurück auf ein altes Ideal zurückgegriffen, das wir auch in der Tritogeneia des Demokrit fassen:
Tritogéneia wird gemäß Demokrit die Besonnenheit genannt. Es entstehen aus dem Besonnensein folgende drei: sich gut beraten, unfehlbar sprechen und tun, was nötig ist. (Diels & Kranz 68 B2 (=VS 2,132); Übers. Thomas Schirren).
Schüler des Isaios, der insbesondere auf Erbrecht spezialisiert war. Gezwungen, sein veruntreutes Erbe von den Vormündern zurückzuverlangen, kam er schon früh mit dem Gerichtswesen in Berührung; doch wandte er sich nach seiner Tätigkeit als Logograph, d. h. professioneller Verfasser von Gerichtsreden für andere, der Politik zu. Nach dem Erstarken der Makedonen unter Philipp II. nach 352 v. Chr. wird er dessen schärfster Kritiker, wie seine berühmten Philippicae (sc. δηµηγορίαι Φιλιππικαί, or. 4; 6; 9; 10) dokumentieren. Von 343 bis zur Niederlage bei Chaironeia 338, an der er als Hoplit teilnahm, war er der prominenteste Außenpolitiker Athens. Durch die Anklage des Aischines gegen Ktesiphon erhielt er 330 Gelegenheit, seine Politik insgesamt zu rechtfertigen, was ihm nach Urteil der Richter auch gelang: Der Ankläger Aischines musste eine hohe Strafe zahlen, weil er sogar das notwendige Quorum von 20 % verpasste (or. 18; sog. Kranzrede). Doch geriet Demosthenes durch die Flucht des Harpalos, des Schatzmeisters Alexanders des Großen, nach Athen in einen Finanzskandal, in dessen Verlauf er schließlich verbannt wurde, bald aber zurückkehrte; von Demades nach der Niederlage von Krannon 323/2 im Lamischen Krieg in Abwesenheit zum Tode verurteilt, nimmt er sich im Poseidonheiligtum auf Kalauria das Leben, nachdem er dort aufgespürt worden war.
In der humanistischen Tradition waren die Redner, insbesondere aber Demosthenes im Lektürekanon der Schulen festgeschrieben (vgl. Kipf 1999:18ff., Eckstein 1887:452–456, Jaeger 1939:VII–VIII, 1959: bes. 345f., Huss 2013). Gerade seine politischen Reden gegen Philipp, die sog. Philippicae, waren sprichwörtlich. Diese Thematik wurde ideologisch genutzt, um einen politischen Diskurs des 4. Jh. v. Chr. nationalistisch umzuformen und an die jeweiligen Gegebenheiten zu adaptieren. Das Freiheitsstreben der Griechen, wie es Demosthenes zu verkörpern schien, konnte den unterschiedlichsten nationalen Interessen einen klassizistischen Anstrich verleihen. Es ist daher kein Wunder, dass unter den att. Rednern gerade Demosthenes in der Fachdidaktik der letzten Jahrzehnte nicht mehr relevant war, sondern eher Lysias und allenfalls Isokrates (nur Riemer 2005:9 erwähnt ihn). Und in der Tat ist es nicht ganz einfach, die kriegstreiberischen Ausfälle des Redners im Unterricht sinnvoll zu behandeln. Denn bereits Bessarion verwendete seine 1470 publizierte lat. Übersetzung der ersten Olynthie (or. 1) zu kriegspropagandistischen Zwecken, um zum Kreuzzug gegen die Osmanen aufzurufen. Ähnlich machte das Elisabethanische England nach der Übersetzung des gesamten Corpus Demosthenicum ins Englische gegen die spanische Krone mobil: Athen und London als Seemächte gegen das expansive Makedonien bzw. Spanien. In den antinapoleonischen Flugschriften Deutschlands sah man sich als vom selben patriotischen Geist wie der athenische Redner befeuert (vgl. Samotta 2010:118).
Will man sich im Unterricht nicht in diese Tradition der Rezeption stellen, so bliebe nur, dass man die Appelle zur Tat und gegen die Bequemlichkeit für andere politische Maßnahmen oder überhaupt ein demokratisches Bewusstsein liest. Doch dafür fehlen bislang fachdidakt. Überlegungen, aber nicht sinnvolle Themen. Am besten beginnt man mit den frühen politischen Reden, auf die in der Kranzrede (or. 18) wieder Bezug genommen wird.
1. Rede gegen Philipp (or. 4) Proömium 1–14; 2. Olynthische Rede (or. 3) § 14–20 Beschluss und Ausführung, auch mit allgemeinen Aspekten politischen Handelns; § 24–26 altathenische Politik (panhellenisches Engagement und Hegemonie); § 30–32 Gründe des gegenwärtigen Scheiterns der athenischen Außenpolitik; § 36–40 innenpolitische Gründe der gegenwärtigen Schwierigkeiten; 3. Rede gegen Philipp (or. 9) § 63–66 falsche Beweggründe der Olynthier, sich den Parteigängern Philipps anzuschließen. 4. Rede gegen Philipp (or. 10) § 3–6 Worte und Taten; § 46–48 mentale Ursachen der gegenwärtigen Krise; Rede für Ktesiphon über den Kranz (Einspruch des Aischines gegen eine beantragte Kranzehrung des Demosthenes, weil dieser sich keiner Rechenschaftslegung unterzogen habe, vgl. die Hypothesis des Libanios, Bd. 8 ed. Foerster 1915:629ff., Kranzrede: or. 18) § 1–8 Proömium (ungünstige Ausgangslage; Bitte um Wohlwollen); § 69–73 Rechtfertigung des Widerstandes gegen die Politik der Makedonen; § 87–89 Verdienste der Athener unter der Führung des Demosthenes; § 96–101 der Charakter der althellenischen Politik als Ansporn für die gegenwärtige panhellenische Politik; § 102–109 innenpolitische Maßnahmen des Demosthenes; § 174–178 aus der argumentatio seiner positiven außenpolitischen Strategie; § 192–195 zum Wesen des deliberativen Genus; Folgerungen für den konkreten Fall; § 207–210 man bringe Athen um die schönsten Erfolge, wenn man die Politik des Demosthenes verurteile; § 257–266 die gute Tyche des Demosthenes gegenüber Aischines (argumenta ad hominem); § 276–279 Exkurs über die Rednergabe; § 321–323 Pflichten des guten Bürgers. Lesenswert sind auch der epitáphios (or. 9 auf die Gefallenen von Chaironea), der eine typische Form der öffentlichen Trauer um die ‚Helden‘ der attischen Demokratie war, deren Ablauf wir aus Thukydides rekonstruieren können (Thuk. 2,34). Die uns verfügbaren anderen epitáphioi lassen eine festgelegte Topik erkennen, die jedoch gerade für das Selbstverständnis einer Gesellschaft höchst aufschlussreich ist. Überliefert ist auch eine Sammlung von ca. 56 Proömien, die allesamt zu politischen Reden gehören. Möglicherweise hatte sie der Rhetor vorbereitet, um einen Anfang zu haben, an den er dann anschließend extemporieren konnte. Einige Proömien sind nämlich auch in ganzen erhaltenen Reden zu finden (Pr. 1 = Pr. von or. 1; Pr. 7 = Pr. von or. 14; Pr. 8 = or. 16; vgl. Macdowell 2009: 6).
Aischines war der große Gegenspieler des Demosthenes. Ohne rhetorische Ausbildung aus der Schauspielkunst kommend, doch der politisch-militärischen Elite Athens entstammend, hat er (ohne auch jemals für andere Reden verfasst zu haben) nur drei Reden publiziert; sein sophistischer Biograph im 3. Jh. n. Chr., Philostrat, glaubt, dass er nur solches publizieren wollte, das nicht hinter dem Konkurrenten Demosthenes allzu sehr zurückstehe (Philostr. soph. 1,482). Seine Stimme und sein Auftreten waren besonders wirkungsvoll. Die Rede gegen Timarchos ist ein einzigartiges Dokument zum Umgang mit männlicher Homosexualität in der Polis. Darin gelingt es ihm erfolgreich, Demosthenes zu treffen und sich selbst zu verteidigen, indem er den Timarchos verunglimpft. Sie hat seinen Ruhm als eines atmosphärisch geschickt agierenden Sprechers begründet. Mit der Verteidigungsrede gegen Demosthenes über die Gesandtschaft im Jahre 346 und der Anklage gegen Ktesiphon (or. 3; 330 v. Chr.) haben wir jeweils Reden, die in Beziehung zu Demosthenes stehen. Sie sind einer der wenigen Fälle, in denen Angriffs- und Verteidigungsreden zusammen überliefert sind, und besonders aufschlussreich, weil es darin auch um eine Bewertung der athenischen Politik der vergangenen Dezennien geht. Was die Rede Über den Kranz betrifft, unterlag Aischines dem Demosthenes sogar so sehr, dass er Athen verlassen musste, da er die Strafe nicht zahlen konnte, die dem Ankläger für eine so große Niederlage drohte, und in Rhodos eine Rednerschule eröffnete. Lesenswerte Passagen: or. 1,40–70 Leben des Timarchos als jungen Mannes; 71–93 Problem der Zeugen, die nicht öffentlich auftreten wollen in den zu beweisenden Tatbeständen, weil sie selbst darin Verwickelte sind; or. 2,1–11 prooemium; narrationes der beiden Gesandtschaften 2,11–56 und 97–118. 177–184 Fazit und Epilog, mit deutlicher Polemik gegen Demosthenes. or. 3, 1–8 prooemium; § 62–70 narrationes der Friedensverhandlungen; § 137–167 pathetische Darstellung der vermeintlich größten Vergehen des Demosthenes.
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Der aU hat in einigen Ländern Europas einen festen Platz in den Curricula der Schulen, während er in anderen Ländern inzwischen seine selbstverständliche Position im Bildungskanon eingebüßt hat, teilweise sogar gänzlich bedroht ist.
Global betrachtet verfügen der LU und der GrU in Deutschland, Österreich, den Niederlanden, Italien, Griechenland und Frankreich über eine starke Präsenz in der Schule, obwohl in Frankreich Reformen im Gange waren, die den Unterricht in den alten Sprachen zurückdrängen wollen, da sie in weiten Kreisen als zu schwierig und elitär angesehen werden. Für die Collèges trifft dies schon zu, für die Lycées wird eine entsprechende Anpassung in den nächsten Jahren erwartet (Bulwer 2018). In jüngster Zeit gibt es dennoch Versuche des französischen Bildungsministeriums, die grundlegende Bedeutung des aU in Frankreich wieder aufzuwerten, so z. B. durch eine internationale Tagung am 16.11.2021 in Paris unter dem Titel „Europe et langues anciennes“. In Österreich ist es durch neue modulare Lehrpläne, Nutzung moderner Unterrichtsmaterialien, eine neue Leistungsbeurteilung und die Umsetzung einer neuen, zentralen Reifeprüfung gelungen, für die klass. Sprachen wieder mehr Schülerinnen und Schüler zu interessieren (Lošek 2016). In Italien ist die Tradition der klass. Bildung nach wie vor so lebendig, dass der LU in allen Formen des Liceo (Sekundarstufe II), dem Liceo classico mit Latein und Griechisch, dem Liceo linguistico mit dem Schwerpunkt auf modernen Fremdsprachen und dem Liceo scientifico mit verstärktem Unterricht in den Naturwissenschaften, seinen festen Platz hat. Diskutiert wird aktuell nur, ob die traditionelle Übersetzung aus dem Lateinischen in der Maturità (Abitur) durch modernere Formen wie z. B. Kontexteinordnung und Verständnisfragen zum Text ersetzt werden soll (Bulwer 2018, Perra 2012). In Griechenland gibt es eine traditionelle Konzentration auf die altgriech. Sprache und Lit. sowie die Betonung der griech. Kultur in einem europ. Rahmen. Latein wird in Griechenland trotz neuerer Bemühungen, wie z. B. der Beteiligung an der Pariser Tagung vom 16.11.2021 und der Verabschiedung eines neuen Curriculums für Latein (https://www.minedu.gov.gr Stand: 15.04.23), immer noch kaum unterrichtet, viele zentrale lat. Autoren sind bis zum heutigen Tag nicht in das Neugriechische übersetzt (Bulwer 2018).
In Portugal und Spanien ist die Vermittlung beider klass. Sprachen dagegen unter Druck geraten (Bulwer 2018). In beiden Ländern gibt es daher innovative Ansätze, um Lernerinnen und Lerner zu gewinnen. In Portugal, wo die Nützlichkeitsdiskussion die klass. Sprachen in eine elitäre Nische abgedrängt haben (Pereira do Couto et al. 2012), setzt das PI-Projekt (PI = Pequena Infância) auf die Kraft des antiken Dramas zu therapeutischen Zwecken bei Kindern und Jugendlichen, die entweder im Krankenhaus medizinisch versorgt oder aus Fürsorgegründen in Pflegefamilien untergebracht werden (Santos & Rodrigues 2011). In Spanien, wo Latein als Muttersprache des Spanischen, nicht aber Griechisch, bis zur Einführung der Demokratie in den 1980er Jahren einen festen Platz im Fächerkanon der Schulen hatte (Navarro 2012), setzt man neben dem Praktizieren des Lateinischen als gesprochener Sprache auf die Vermittlung der röm. Kultur z. B. in der Domus Baebia im spanischen Sagunto, dem antiken Saguntum. Dort wird röm. Leben lebendig durch Zubereitung röm. Essens, Schreiben mit Materialien nach röm. Art, Kämpfen in röm. Militärausrüstung und Flanieren in röm. Kleidung. Diese Angebote richten sich sowohl an Klassen der Grundschule wie auch der Sekundarstufen. Nebenbei wurden internationale Kurse eingerichtet, z. B. die Academia Saguntina (ein Projekt der Euroclassica) für Schülerinnen und Schüler und ihre Lehrkräfte (Bulwer 2018).
Während in Dänemark (Nedergaard 2012) in der Sekundarstufe II klass. Sprachen neben dem obligatorischen Kulturkursus noch unterrichtet werden, haben sie in den anderen skandinavischen Ländern nur ein ganz marginales Dasein (Schough Tarandi 2012).
In Belgien (Waumans et al. 2012, Paternotte et al. 2012), Luxemburg und der Schweiz blieben Latein und Griechisch trotz entsprechender Reformen in den Stundenplänen. In Belgien wurde überdies mit dem CIRCE-Projekt vor einigen Jahren ein europ. Angebot für Lateinlehrkräfte aus ganz Europa gestartet, um digitale Technologien auch in den klass. Sprachen im Unterricht zu etablieren. In Russland, Litauen, Kroatien, Mazedonien, Polen, Slowenien, der Tschechischen Republik und Malta werden die klass. Sprachen nur an einzelnen Schulen angeboten (Bulwer 2018).
In den europ. Schulen wird Latein ab dem zweiten Unterrichtsjahr, Griechisch ab dem vierten Unterrichtsjahr der Sekundarstufe (https://www.eursc.eu/de/European-Schools/studies/studies-organisation