Falkensteinkinder - Barbara Ehrhard - E-Book

Falkensteinkinder E-Book

Barbara Ehrhard

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Beschreibung

Seit Urzeiten sind sie auf magische Weise miteinander verbunden, die Sichtbarwelt und die Unsichtbarwelt. Wege von der einen in die andere Welt sind nicht leicht zu finden oder gar zu begehen. Lana und Jona, dickste Freundinnen, ahnen davon nichts, bis Lana immer häufiger seltsame Träume erlebt. Dann findet sie sich in einer ganz anderen, fremden Welt wieder, die von einer dunklen Gefahr bedroht wird. Aber was geht das Lana eigentlich an? Die Antwort findet sie in einem uralten Buch, das sich als Schlüssel erweist - zu einer zuvor unsichtbaren Welt voller Magie und phantastischer Wesen, unzähliger Geheimnisse und Gefahren. Und Lana muss feststellen, dass sie und alle ihre Brüder ein magisches Erbe in sich tragen, auf das sie niemand vorbereitet hat. Der erste Roman um die Falkenstein-Kinder, die zwischen den Welten ihre Bestimmung suchen.

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Für das vierblättrige Kleeblatt,

das auf ewig in meinem Herzen lebt.

Ich bin so stolz auf Euch.

Und für meinen Sonnenschein,

ohne den ich dieses Buch vielleicht nie geschrieben hätte.

Danke für die Ermutigung und den Zuspruch.

Ich danke allen Testlesern für die Unterstützung,

besonders Iris Siewert und Sabine Meyer Ulke.

(Barbara Ehrhard)

›Wenn du es dir vorstellen kannst,

kannst du es auch machen.‹

(Walt Disney)

Inhalt

Eine magische Familie

Goran, der Hüter der Steine und Sprachen

Die Warnung

Finstere Grenzjäger

Die Doppelzeit

Der Bach zu Avery

Martins Geheimnis

Aufbruch in die Unsichtbarwelt

Ein verhängnisvoller Auftrag

Schnick Schnack Schnuck

Die Schlucht der Drachen

Oma Berta

Im Bann des Drachen

Ein Mädchen

Der Rote Fluch

Das magische Erbe

Die Bestie und der Drachenhund

Ein Hinweis

Professor Spiros Simitius

Averys Reich

Der Flüsternde Kreis

Angriff auf Mohengard

Am Ziel

Der Kampf mit dem Fürchterlichen Ooht

In Gefangenschaft

Der Stein von Ur

Ein Ende und ein Anfang

Über die Autorin

1

Eine magische Familie

Die Luft war heiß und stickig. Staubtrocken flimmerte sie über den Asphalt der Straßen von Hattingen. Etwas kühler war es im Schatten der großen, alten Bäume, die in der Nähe der Siedlung im Naturschutzgebiet standen. Allerlei Vögel zwitscherten im Schutz ihrer dichten Wipfel.

Lana und ihre Freundin Jona liefen zwischen den Bäumen um die Wette. Wolf, ein Neufundländermischling, jagte ihnen voraus. Abrupt blieb Lana stehen.

»Warte!«, rief sie Jona zu und pfiff nach dem Hund.

Der schwarze Vierbeiner machte sofort kehrt. Auch Jona stoppte, drehte sich um und rückte ihre Brille zurecht, die ihr im schweißnassen Gesicht von der Nase zu rutschen drohte.

»Was ist?«, keuchte sie.

»Sieh dir das an!« Außer Atem zeigte Lana auf eine alte Süntelbuche.

»Übel!«, meinte Jona, die nähergekommen war.

Der Stamm war beschädigt.

»Sind das Ziffern?«, fragte sie.

Lana verengte die Augen zu Schlitzen. »Ja. 5 – 7 – 71«, las sie laut vor.

»Das ist ja heute«, wunderte sich Jona. »Und wie stümperhaft das gemacht ist.«

Zäh, wie dickflüssiger Honig, zog sich aus tiefen Kerben das farblose Baumblut von den Ziffern den Stamm hinunter, wo es einem unvorsichtigen Käfer zur klebrigen Falle geworden war. Schnell sammelte Lana kleine Moosteppiche, von denen sie einige ihrer Freundin reichte. Gemeinsam bedeckten sie damit die Wunden und befestigten das Moos mit einem Stück Angelschnur, das Lana aus ihrer Hosentasche gekramt hatte, am Stamm.

Zufrieden betrachteten sie ihr Werk.

»Na, Wolf, wie haben wir das gemacht?«, fragte Jona den Hund, der am Fuße des Stammes einen länglichen, hellgrauen Stein beschnüffelte.

Lana hob ihn auf. »Was hast du denn da?« Sie betrachtete den Stein von allen Seiten. Er sah aus wie eine bleistiftgroße Figur, die so breit war, dass Lana gerade mit ihren Fingern die Schultern umfassen konnte. Sie strich sich einige Strähnen ihrer langen, braunen Haare aus dem verschwitzten Gesicht und runzelte die Stirn.

»Könnte ein missglückter Gartenzwerg sein.« Die Figur war barfuß. Latzhose und Hemd bestanden aus dem gleichen Gestein wie der Körper. Im wirren Haar aus Wurzelgestrüpp, das sich am runzeligen Gesicht vorbei zu einem langen Bart verwuchs, entdeckte Lana eine grüne Raupe, die zielstrebig auf eine der buschigen Brauen aus vertrocknetem Moos zusteuerte.

Jona schüttelte den Kopf. »Ein Gartenzwerg? Glaub ich nicht. Eher ein Mitbringsel aus dem Gebir...«

»Was ist?«, fragte Lana.

Jona schaute die Figur an, sah weg und sah wieder hin.

»Was hast du denn? Das ist doch nur eine Steinfigur. Hier, nimm sie mal!« Lana streckte ihr die Figur entgegen.

Jona wich ein Stück zurück. »Nein, leg den Stein wieder auf den Boden und lass uns verschwinden.«

»Wieso?« Lana sah zwischen Jona und der Figur hin und her.

»Der Stein, er ist ... er könnte ...« Jona suchte nach Worten. »Ich glaub, das ist ein Steingeist.«

»Was?« Lana lachte. »Wie kommst du denn darauf? Geister gibt es nicht!«

»Ich habe mal was über Steingeister gelesen und dieser Stein könnte einer sein. Er wechselt ständig sein Aussehen. Hast du das noch nicht bemerkt?«

Jona drückte mit dem Finger ihr Brillengestell zurecht.

Skeptisch betrachtete Lana die Figur. »Ein bisschen kommt es mir auch so vor, aber das ist bestimmt Einbildung.«

Vorsichtig nahm sie die Raupe hoch, die inzwischen die Augenbraue erobert hatte, und setzte sie ins Unterholz.

Jona schüttelte den Kopf, sagte aber nichts mehr.

Lana nahm ihren Rucksack vom Rücken und verstaute die Figur darin. »Das Männlein wird mein Talisman.«

***

Lana erwachte am frühen Morgen und blinzelte durch ihren Pony, der ihr in wilden Fransen über die Augen fiel.

Die Sonne drang durch die Vorhänge und färbte das Zimmer in ein sanftes Beige. Die alte Standuhr gegenüber vom Bett zeigte 06:06 Uhr. ›Komisch, schon wieder eine Doppelzeit‹, dachte Lana und lächelte.

Es war in letzter Zeit öfter vorgekommen, dass sie zu einer Doppelzeit auf die Uhr gesehen hatte. Erst am Abend zuvor war es exakt 19:19 Uhr gewesen.

Wie jeden Morgen drang der Tumult ihrer fünf Brüder in ihr Zimmer. Martin, der ein Jahr älter war als Lana, und der elfjährige Adrian schienen in einen Streit verwickelt zu sein. Der zehnjährige David rief laut nach der Mutter. Dazwischen mischte sich das muntere Geplapper der beiden jüngsten Brüder Falvin und Insan.

Noch müde blickte sie durchs Zimmer. Das Männchen aus Stein, das sie gestern mit Jona im Wald gefunden hatte, stand auf der alten Kommode vor dem Fenster. Lana runzelte die Stirn. War das Männchen gestern im Wald nicht kleiner gewesen? Mit einem Ruck schlug sie die Decke zurück und sprang aus dem Bett.

Während sie zur Kommode ging, legte sie den Kopf schief. ›Vielleicht hat Jona recht‹, dachte sie, ›ein Steingeist. Warum eigentlich nicht?‹

Sie lächelte die Figur an. »Guten Morgen, Steingeist. Ich hoffe, du hattest eine angenehme Nacht?«

Stumm starrte das Männlein sie an.

Für einen Moment glaubte Lana, die Figur wäre nicht nur gewachsen, sondern würde auch anders aussehen als gestern, irgendwie grimmiger. Ihr wurde ein bisschen mulmig zumute. Forschend betrachtete sie das runzlige Gesicht. Nervös versuchte sie, das aufkommende Unbehagen wegzureden.

»Ah, ich glaub, ich weiß, was dich ärgert. Wir haben uns noch gar nicht bekannt gemacht.« Sie verbeugte sich ein wenig. »Lana Falkenstein. Und wie heißt du?«

Das Steinmännchen blieb stumm.

»Du bist wohl schon ziemlich alt, was?«, redete Lana weiter auf den Knirps ein. »Ich bin zwölf Jahre alt und du vermutlich hundert.«

Sie beugte sich nah zum Gesicht des Steingeistes. »Ich hab hier was für dich. Siehst du? Es ist dein Lachen.«

Lana machte ihre witzigsten Grimassen. Schließlich stupste sie mit dem Zeigefinger gegen die wulstige Nase und erschrak. Hatte das Männchen sich bewegt?

Sie kam nicht mehr dazu, die Figur näher zu betrachten. Ihre Mutter, eine mollige Frau mit kinnlangem, dunklen Haar und grauen Augen, kam mit Falvin und Insan ins Zimmer.

»Lana, beschäftige dich mit den beiden Kleinen. Ich mache das Frühstück.«

»Warum immer ich? Martin muss nie die Kleinen beschäftigen.«

»Ich beeile mich«, überging die Mutter Lanas Protest und verließ das Zimmer.

Lana verzog die Mundwinkel. Dann seufzte sie. »Na kommt. Ich erzähle euch eine Geschichte.«

Insan an der linken, Falvin an der rechten Hand, schlenderte sie zur Küche. Grimmig schaute das Steinmännchen ihnen nach.

Martin und David stürmten an ihnen vorbei.

»Ich bin zuerst am Tisch!«, rief Martin.

Sein athletischer Körper schoss durch die Küchentür. Ehrgeizig blitzten seine ebenholzschwarzen Augen auf. David überholte ihn, doch Martin erwischte ihn an der Schulter und zog ihn zurück.

Zornig funkelte David seinen Bruder aus türkisblauen Augen an. Das weißblonde Haar umrahmte sein blasses Gesicht, das nicht mal jetzt im Zorn ein wenig Farbe annahm. Er wirkte für sein Alter sehr zart, aber nicht zerbrechlich.

»Ah, jetzt machen wir uns nicht mehr vor Angst in die Hose, was?«, stichelte Martin, der damit auf Davids nächtliches Geschrei anspielte. »Die Eule! Hilfe, die Eule kommt!«, spottete er.

Ein Ruck ging durch Davids zierlichen Körper. Die Eule. Sie war das pure Grauen für ihn. Fast jede Nacht hatte er diesen schrecklichen Traum, in dem sie mit ihrem Schnabel gegen das Fenster hackte und zwei Flammen in ihren Augen auf schaurige Weise durch die Scheibe glühten.

»Hört auf, euch zu streiten, sonst bekommt ihr Hausarrest!«, setze die Mutter der Zankerei ein Ende.

***

Nach dem Frühstück ging Lana in ihr Zimmer, um sich anzuziehen. Sie dachte an den Traum der letzten Nacht, an den sie sich lebhaft erinnerte.

Sie rannte durch einen stockfinsteren Wald. Nur das Licht des Vollmonds schimmerte durch die Wipfel der Bäume. Etwas jagte ihr nach. Es kam immer näher, so schnell sie auch lief. Sie wusste nicht, wer oder was sie verfolgte, aber sie spürte instinktiv Gefahr. Sie wollte schneller rennen, doch ihre Beine waren schwer wie Blei. Ziellos stolperte sie durch die Dunkelheit. Die Augen brannten vom Schweiß, der ihr von der Stirn rann.

Kraftlos erreichte sie eine Wiese. Mitten im Laufen blickte sie hinter sich und strauchelte. Sie fiel zu Boden. Eine tiefschwarze, bedrohliche Wolkenfront raste auf sie zu. Ihr Herz stockte. Verzweifelt kam sie wieder auf die Füße und kämpfte sich weiter. Die Angst schnürte ihr die Kehle zu.

Im Mondlicht entdeckte sie in der Mitte der Wiese ein Gebäude mit einer langen steinernen Treppe und einem gusseisernen Geländer. Sie jagte darauf zu. Ihre Lunge und ihr Bauch schmerzten. Den Rest ihres Körpers spürte sie nicht mehr.

Wie in Trance erreichte sie die Treppe und taumelte benommen nach oben. Völlig entkräftet zog sich Lana mit der linken Hand am Geländer die Stufen hoch. Die andere Hand lag quer über ihrem schmerzenden Bauch. Ihr kam es vor, als würde die Treppe nie enden. Mit übermenschlicher Kraftanstrengung schaffte sie es bis zur letzten Stufe.

Im Dämmerlicht des Mondes fiel ihr Blick auf zwei Füße, die in derben Lederstiefeln steckten. Eine Falle. Es war aus. Entsetzt sah sie nach oben und blickte in das markante Gesicht eines Mannes.

Er beugte sich zu ihr herunter, dabei fielen ihm einige Strähnen seiner hellen Haare ins Gesicht. Er packte ihren Arm und zog sie hoch.

Wild schlug sie auf ihn ein und versuchte zu schreien, doch ihre Stimme versagte.

Der Fremde hielt sie fest. »Beruhige dich, es wird dir nichts geschehen«, raunte er mit sanfter Stimme.

Seine Augen hielten ihren Blick gefangen. Sie spürte eine innere Ruhe in sich wachsen. Das Atmen ging leichter und sie fand ihre Stimme wieder. »Etwas ist hinter mir her.«

Ängstlich schaute Lana hinter sich. Der Fremde folgte ihrem Blick. Wie eingefroren schwebte das düstere Wolkenmeer in einiger Entfernung von ihnen über der Wiese. Fest blickte der Fremde hinein. Langsam wichen die schwarzen Schwaden zurück.

Lana sah ihn verwundert an. »Wer bist du?«

Der Fremde lächelte. »Nenne mich Logan.«

»Danke für die Rettung, Logan. Ich heiße Lana.«

Logan nickte. »Ich weiß.«

Gerade als Lana fragen wollte, woher er das wusste und warum er ihr geholfen hatte, war sie aus dem Schlaf erwacht.

Von den dunklen Wolken, die hinter ihr herjagten, träumte sie schon länger. Aber ihr Retter der letzten Nacht war zum ersten Mal aufgetaucht.

Während sie die Hosenbeine ihrer Jeans umkrempelte, dachte sie darüber nach, ob ihre Träume etwas zu bedeuten hatten. Adrian riss sie aus ihren Gedanken. Mit einer abgewetzten Lederaktentasche unterm Arm betrat er ihr Zimmer. Unzählige Sommersprossen zierten wie kleine Rostflecken sein rundliches Gesicht. Unter dem ebenso rostroten Haar, das in dünnen Strähnen bis auf die Schultern hing, lugten die größten Segelohren hervor, die ein Junge haben konnte. Seine munteren, rauchig-grünen Augen, um deren Pupillen sich ein feuerroter Kreis zog, schienen fortwährend in Bewegung zu sein. Auf kurzen O-Beinen wankte er wie ein alter Seemann durch den Raum und sah dabei einem Kobold verblüffend ähnlich.

»Bitte nehmen Sie Platz, gnädige Frau«, forderte er eine imaginäre Person auf und deutete mit der ausgestreckten Hand auf einen Hocker neben Lanas Schreibtisch. »Wann soll das Kind zur Welt kommen?«, fragte er wie beiläufig, während er die Aktentasche öffnete.

Lana wusste, dass ihr Bruder stets reale Erlebnisse und Geschehnisse im Spiel verarbeitete.

»Was redest du da? Wessen Kind?«, fragte sie ihn alarmiert.

Adrian antwortete nicht, er war zu sehr in seine Rolle als Rechtsanwalt vertieft. Erst als Lana ihn bei der Schulter fasste, wich die tiefe Konzentration aus seinem Gesicht.

»Lass mich los, ich muss zum Klo«, zischte er und versuchte, sich ihrem Griff zu entziehen.

»Musst du nicht. Los, sag schon, wer bekommt ein Kind? Du darfst auch eine ganze Woche meinen Schreibtisch nutzen, wenn du es mir sagst.«

Adrian hielt inne. Nachdenklich betrachtete er den großen, antiken Schreibtisch aus massivem Eichenholz. Beeindruckende Löwenköpfe aus Bronze, die mit aufgerissenen Mäulern den Inhalt des Schreibtisches hüteten, dienten als Griffe an Türen und Schubladen. Nur Lana hatte so einen Schreibtisch in ihrem Zimmer stehen. Der Vater hatte ihn nach einem Erbfall dort abgestellt und Lana überlassen.

»Versprichst du es?«

»Ich verspreche es.«

»Ich hab gestern gehört, wie Mama zu Papa gesagt hat, dass sie noch ein Kind bekommen«, flüsterte Adrian. »Und Papa hat gesagt, dass er Mama jetzt mehr helfen will.«

Er riss sich los und stürmte in den langen Korridor, von dem aus man in jedes Zimmer der Wohnung gelangte. Dort trainierte Martin mit einem Sockenknäuel verschiedene Balltechniken. Die Wohnungstür und die Tür zum Elternschlafzimmer lagen sich in sechs Metern Entfernung gegenüber und dienten als Tore. Er dribbelte den Sockenball durch den Korridor. Adrian rannte mitten in das Fußballspiel.

»Verschwinde vom Spielfeld, los!«, maulte Martin.

Adrian war aber gerade kein Rechtsanwalt mehr und hatte darum nichts als Schabernack im Sinn.

»Diese Socken müssen sie kaufen, denn sie fliegen von ganz allein in das Tor!«, rief er und schoss das Sockenknäuel mit einem kräftigen Tritt gegen die Schlafzimmertür.

Martin wurde rot vor Zorn. Sein wütender Blick traf ein kleines Metallauto, das auf dem Fußboden lag. Wie von Zauberhand wurde es durch die Luft geschleudert und flog durch den Korridor.

»Spinnst du?«, schrie Adrian und wurde ebenfalls wütend.

Kleine Funken mit winzigen Rauchwolken schossen aus den roten Kreisen in seinen Augen. Martin wich ihnen geschickt aus. Es sah aus, als würde ein junger Magier mit einem Feuerkobold kämpfen.

In solchen Momenten fand Lana ihre Brüder unheimlich. ›Kein Wunder‹, dachte sie, ›dass manche Nachbarn munkeln, unsere Familie sei verhext oder verflucht.‹

Sie stellte sich zwischen die Streithähne. »Schluss jetzt! Mama darf sich nicht aufregen, sie bekommt wieder ein Baby.«

»Lüg nicht, Märchentante!«, rief Martin und stieß sie grob zur Seite.

Wütend versetzte Lana ihm einen Stoß. Sie erstarrte vor Schreck, als der Bruder im hohen Bogen ein paar Meter rückwärts flog. Martin krachte mit Wucht gegen die Eingangstür und landete mit schmerzverzerrtem Gesicht auf seinem Hintern. Sprachlos starrte Lana ihn an.

Vom Krach alarmiert eilte die Mutter herbei. »Was ist passiert?«

»Ich bin ausgerutscht«, presste Martin zwischen den Lippen hervor.

»Kannst du aufstehen?«

Er nickte.

»Ausgerutscht? Schwindel mich nicht an«, tadelte die Mutter ihren Ältesten. »Ich habe euren Streit gehört. Was soll das?«, fragte sie streng und blickte dann zu Lana. »Ihr sollt doch vermeiden, wütend zu werden. Haben Papa und ich euch das nicht schon hundertmal gesagt?«

Lana schwieg trotzig. Auch ihre Brüder sagten nichts.

»Ihr werdet noch zu spät zur Schule kommen. Los, nehmt eure Jacken und Taschen und dann raus mit euch.«

Martin starrte Lana an, die langsam auf ihr Zimmer zusteuerte. »Hexe«, zischte er, als sie an ihm vorbeiging. »Das kriegst du zurück. Wart‘s ab.«

»So fest habe ich dich gar nicht gestoßen. Ich weiß nicht, wie das passieren konnte«, flüsterte sie.

»Märchentante«, ächzte Martin.

Adrian sauste in das Zimmer der Jungen, streifte im Korridor eine Vase, die klirrend auf den Boden aufschlug, schnappte sich seine Schultasche und flitzte zur Toilette.

Lana wollte noch schnell die Scherben wegfegen.

»Lass nur, du kommst sonst zu spät«, ermahnte die Mutter. »Beeil dich. Und vergiss das Kreuzzeichen nicht, bevor du rausgehst.«

Lana ließ Martin und David an der Wohnungstür den Vortritt. »In Gottes Namen gehe ich aus dem Haus«, murmelten sie und bekreuzigten sich, bevor sie gingen.

Adrian kam aus der Toilette geschossen, stolperte, fiel hin und sprang auf. »In Gottes Namen komme ich vom Klo und geh in die Schule. Tschüss!«

Kaum sichtbare Rauchwölkchen entwichen seinen Augen.

***

Nach der dritten Stunde gab es hitzefrei. Lana stürmte die vier Stockwerke des Mehrfamilienhauses hinauf und klingelte an der Tür. David öffnete.

Aus dem Zimmer der Jungen drang Adrians juristisches Gemurmel. »Ich vertrete Sie in allen Angelegenheiten der verdeckten Freiheitsberaubung, die hier durch die Verordnung von Hausaufgaben vorliegt.«

Lana ging in ihr Zimmer. Nachdenklich blieb sie in der Mitte des Raumes stehen. Sah das Steinmännchen nicht noch grimmiger aus als am Morgen? Und war es nicht doch ein Stück gewachsen? ›Sicher bilde ich mir das nur ein‹, dachte sie, ging zum Fenster und öffnete es. Der Duft von frisch gemähtem Gras und süßen Blumen strömte ihr entgegen.

»Ist das nicht herrlich, lieber Steingeist?«

Sie lächelte dem Steinmännchen zu und erschrak. Schon wieder sah die Figur anders aus. Ein Hauch von Traurigkeit lag auf dem Gesicht.

»Hallo«, flüsterte sie. »Bist du ... lebendig?«

Sie folgte dem Blick der Steinfigur, der sehnsüchtig in die Ferne gerichtet war. »Hast du Heimweh nach dem Wald?«

Lana war ratlos. Irgendwie tat ihr der steinige Zwerg leid.

***

Nach dem Mittagessen half Lana beim Abwasch. Sie war gerade fertig, als ein kräftiger Pfiff von draußen ertönte. Sie lief auf den Balkon. Die Sonne nahm ihr für einen Moment die Sicht. Unwillkürlich kniff sie die Augen zusammen und schützte sie mit einer Hand vor den grellen Strahlen. Vier Etagen tiefer stand Jona auf dem Rasen. Sie trug ihren Bogen und einen Köcher mit Pfeilen bei sich.

»Kommst du raus?« Triumphierend hielt sie einige Holzpfeile in die Höhe.

Lana lief zur Mutter. »Jona steht unten, darf ich raus?«

Die Mutter nickte. »Sei aber pünktlich um sechs zu Hause. Du sollst mir beim Abendbrot richten helfen!«

»Geht klar!«, versprach Lana.

Unten stürmte sie aus dem Haus und stieß beinahe mit Jona zusammen.

»Huch«, lachte ihre Freundin, »du hast es aber eilig.«

»Ich will noch Wolf abholen, bevor wir zum Wald gehen.«

Scherzhaft verdrehte Jona die Augen. »Du und dein Wolf.«

Lana ergriff Jonas Pfeile und betrachtete sie prüfend. »Die sind gut geworden.«

»Willst du welche abhaben?«

Lana schüttelte den Kopf. »Ich habe noch genug in meinem Versteck.«

»Dann steht einem Wettschießen ja nichts im Wege.«

»Wenn du unbedingt verlieren willst«, neckte Lana.

Jona grinste. »Verlieren? Ich?«

Kurz danach klingelten sie bei Dorfmanns, den Besitzern des Hundes. Sie rubbelten zur Begrüßung das Fell des Vierbeiners und machten sich auf ins Naturschutzgebiet. Nach wenigen Minuten waren sie schweißnass von der Hitze und Wolf hechelte. Schutz vor der Sonne fanden sie erst, als sie das Waldgebiet erreichten. Vom angrenzenden Sumpf drang der Geruch von feuchter Erde und wildem Grün herüber. Viele der uralten Bäume wirkten wie imposante Wächter des Waldes und verliehen ihm etwas Märchenhaftes.

Schließlich blieben sie im Schatten einer riesigen Steinlinde stehen, die Lana als Geheimversteck für ihre Schatzkiste diente. Der Baum wirkte, als wäre er schon immer da gewesen. Von außen war nicht zu erkennen, dass sein mächtiger Stamm hohl war, denn der Spalt, durch den Lana hineinschlüpfte, war durch einen riesigen Farn und einen herunterhängenden Ast gut verdeckt.

Sie zog ihre Schatzkiste, einen braunen, verschlissenen Koffer mit verrosteten Metallkanten und Scharnieren, aus dem Baumstamm. Trotz des Rostes ließ sich der Koffer mit wenig Nachdruck öffnen. Sie nahm einen Köcher mit Pfeilen, einen Bogen, Angelsehne, ein Klappmesser, eine Zwille, einige Kastanien und eine alte graue Mappe heraus. Dann verschloss sie den Koffer wieder und schob ihn zurück in die alte Steinlinde. Bogen und Köcher hängte sie sich über den Rücken, alles andere verstaute sie in ihren Hosentaschen.

Nur die Mappe trug sie in der Hand. Darin versteckte sie ihre selbst geschriebenen Geschichten und Gedichte. Ihre Mutter und Oma nannten sie eine Tagträumerin, die wertvolle Zeit vertrödelte, und von den Brüdern wurde sie spöttisch Märchentante genannt. Sie versteckte die Mappe voll Stolz vor ihnen, denn der Inhalt ging niemanden etwas an, der nichts vom Schreiben und Tagträumen verstand.

Nach einer Weile erreichten sie die verletzte Süntelbuche. Vorsichtig umarmte Lana sie.

Schon immer fühlte sie sich zu Bäumen hingezogen. Lana konnte sie reden hören, wenn sie sie umarmte. Dann durchströmte es sie wie ein rauschender Fluss, und es hörte sich an, als würde jemand weit aus der Ferne durch das Rauschen hindurch flüstern. Sie nannte es das ›Fließen‹.

»Hallo, lieber Baum. Ich werde dir eine meiner Geschichten vorlesen«, sagte sie.

Wolf stöberte durch das nahe Unterholz. Lana und Jona setzten sich auf den Waldboden. Lana begann vorzulesen.

»Die Geschichte ist wunderschön«, rief Jona, als Lana geendet hatte.

Sie erhoben sich und umarmten den dicken Stamm, so weit ihre Arme reichten.

»Morgen kommen wir wieder, dann lese ich dir eines meiner Gedichte vor«, versprach Lana.

»Auf zum Wettschießen!«, rief Jona.

***

Beim Abendessen grübelte Lana über die Steinfigur. Sie konnte sich ihr wechselndes Aussehen nicht erklären.

Die Mutter stellte eine Teekanne auf den Tisch, aus der es nach frischer Minze duftete. Lana füllte ihre Tasse und trank ihren Lieblingstee, jedoch ohne ihn zu genießen. Sie war so in ihre Gedanken vertieft, dass sie weder von der Unterhaltung am Tisch noch von den Albernheiten ihrer Brüder wirklich etwas mitbekam.

Dann kam der Vater heim. Er war Stahlwerker und harte Arbeit gewöhnt. Sein graues, kurzärmeliges Hemd war halb geöffnet, was den Blick auf ein dünnes Unterhemd freigab, unter dem sich die drahtige Muskulatur seines Körpers abzeichnete. Trotz seiner müden Schritte wirkte er kraftvoll und respekteinflößend. Sein Blick aus ebenholzschwarzen Augen wanderte kurz von einem zum anderen.

»Hallo, Papa«, riefen Lana und die Jungen.

»Hallo«, erwiderte er müde, ging auf die Mutter zu, die gerade sein Essen auf den Teller füllte, und begrüßte sie mit einem Kuss.

»Marsch ins Bett mit euch«, sagte die Mutter.

Die Kleinen mussten nun schlafen, aber die Großen durften noch in ihren Betten lesen oder sich leise beschäftigen.

Lana ging in ihr Zimmer. Sie schloss das Fenster, zog die Vorhänge zu und nahm das Steinmännchen von der Kommode.

»Hallo, wie geht es dir?«

Es erschien ihr jetzt so grimmig, dass es unmöglich noch eine Steigerung geben konnte.

»Ich war heute bei dem alten Baum, unter dem ich dich gefunden habe. Es geht ihm schon besser.«

Das Gesicht der Steinfigur veränderte sich schlagartig und wirkte plötzlich tieftraurig.

»Das ... das gibt es doch nicht ... du bist ja ... lebendig.«

Mit dem Zeigefinger klopfte Lana der Figur auf die Schulter.

»Hallo? ... Kannst du auch reden?«

Keine Reaktion.

Nachdenklich legte sie das Männchen auf ihr Kopfkissen und zog unter ihrer Matratze ein dickes, uraltes Buch hervor. Es war in derbes, abgewetztes Leder eingebunden. In der Mitte des Buchdeckels befand sich ein Wappen mit einem walnussgroßen blauen Stein, in dem kleine goldfarbene Punkte wie Sterne am blauen Nachthimmel blitzten.

Das Buch hatte der Vater vor einiger Zeit, zusammen mit anderen Sachen, aus der alten Truhe im Schlafzimmer geholt, um es zu entsorgen. Es hatte vergilbte unlinierte Blätter und roch ein wenig muffig. Lana hatte den Vater so lange angebettelt, bis er ihr das Buch geschenkt hatte. Sie hatte sich schon immer ein Tagebuch gewünscht. Die Tagebücher der anderen Mädchen waren zwar zierlicher und hatten sogar ein Schloss mit einem winzigen Schlüssel, aber die alte Schwarte war besser als nichts.

Das erste Drittel des Buches, das mit einer dicken roten Kordel vom Rest getrennt war, konnte nicht beschrieben werden. Egal, welchen Stift sie verwendete, die Seiten blieben leer. Entfernen ließen sie sich auch nicht. Sie hatte mehrmals erfolglos versucht, sie herauszureißen oder zu zerschneiden. Erst die Seiten nach der Kordel hatte sie beschriften können.

Alles, was sie bewegte, schrieb sie darin auf. Jetzt begann sie mit der Neuigkeit, dass ein weiteres Geschwisterchen unterwegs war.

2

Goran, der Hüter der Steine und Sprachen

Mitten in der Nacht erwachte Lana. War da nicht ein Rascheln? Verwundert rieb sie ihre Augen. Das Licht der Nachttischlampe brannte noch. Sie musste während des Schreibens eingeschlafen sein.

Jetzt hörte sie das Rascheln deutlich. Sie blickte auf den Fußboden vor ihrem Bett und riss vor Schreck die Augen auf. Dort saß das Steinmännchen und blätterte im Tagebuch. Ihr Herz pochte laut, als säße es direkt in ihren Ohren. Sie wagte kaum zu atmen. Regungslos beobachtete sie den steinigen Knirps, der sich immer mehr in das Buch zu vertieften schien.

Allmählich wich ihr Schrecken einer aufkeimenden Empörung. In ihre erstarrten Glieder kehrte die gewohnte Lebendigkeit zurück.

»He, das ist privat!«

Sie sprang aus dem Bett.

Das Steinmännchen zuckte zusammen. Vor Schreck riss es die Arme vor sein runzliges Gesicht.

»AAAAHHHH!«

Lana legte einen Zeigefinger auf ihren Mund. »Schschschtttt! Mach nicht so einen Lärm!« Mit der anderen Hand hob sie das Buch auf.

Der Zwerg schrie weiter.

Nervös sah sie zur Tür.

»Sei doch still«, zischte sie. »Du weckst ja die ganze Familie auf.«

Der Knirps ließ langsam die Arme sinken.

»Du hast mich erschreckt!«

Seine Stimme klang kratzig, als wäre er heiser.

Lana setzte sich zurück in ihr Bett und blätterte in ihrem Tagebuch.

»Was hast du gelesen?«

»Alles!«, verkündete der Knirps aus sicherem Abstand.

»Alles?« Empört blickte Lana auf. »Hier stehen Dinge drin, die du nicht einfach lesen darfst.«

»Und warum nicht?«, krächzte das Männchen. Sein struppiger Wurzelbart wippte beim Reden.

»Na hör mal! Kennst du keine Privatsphäre? Das sind Dinge aus meinem Leben, die keinen etwas angehen.«

Grimmig schaute der Kleine sie an.

»Und was ist mit meinem Leben? Du hast mich einfach ... GEKIDNAPPT!«, schrie er und wuchs vor Wut um einige Zentimeter.

Lana traute ihren Augen nicht. Doch ehe sie darüber nachdenken konnte, schrie der steinige Kauz weiter.

»Seit Jahrtausenden lebe ich glücklich in den Wäldern der Welten. Dann kommst du des Weges und nimmst mich einfach mit, ohne nach meinen Gefühlen zu fragen.«

Seine Stimme überschlug sich fast.

»Falls du es nicht weißt, AUCH STEINGEISTER HABEN EINE PRIVATSPHÄRE!«

Jetzt hatte er eine Größe von gut einem Meter erreicht. Er verschränkte seine Arme vor der Brust und blickte beleidigt zur Zimmerdecke. Verstört sah Lana ihn an.

»Du bist ein ... Steingeist? Ich konnte nicht wissen, dass du ... lebendig bist.«

Sie fürchtete sich ein wenig vor ihm. Der seltsame Knilch schmollte weiter. Nervös drehte Lana eine Haarsträhne um ihren Zeigefinger.

»Wenn du willst, bringe ich dich morgen nach der Schule zurück.«

Das Gesicht des Steingeistes wirkte freundlicher. »Du bringst mich wirklich zurück?«

Er blickte sehnsüchtig zum Fenster. Lana nickte. Aber schon im nächsten Augenblick schrie er wieder los.

»Was hast du gesagt? Du konntest nicht wissen, dass ich lebendig bin? PFUI! Das ist doch die Höhe. Glaubst du, nur jemand, der so aussieht, denkt und fühlt wie DU, ist lebendig?«

Das ›Du‹ spuckte er regelrecht aus seinem steinigen Mund. Erschrocken zuckte Lana zusammen.

»Nein ... ich ...«

»ALLES ... ALLES ... AAALLEEESSS ist lebendig!«

Aus dem Mund des Zwerges rieselte feiner Sand zu Boden.

»Du meinst ... auch ... Steine?«

»OB ICH AUCH STEINE MEINE?«, schrie der Kauz am Rande eines Nervenzusammenbruchs, sofern Steingeister so etwas haben können. »NEIN, ICH MEINE NICHT AUCH, SONDERN GANZ BESONDERS STEINE!«

Wild fuchtelte er mit seinen Armen in der Luft herum und wuchs dabei immer weiter.

»Steine sind lebendig. Wovon ihr Menschen wohl nichts versteht. Sie können sogar DENKEN!«

Das Wort ›denken‹ kam mit Staub und kleinen Steinbrocken aus seinem Mund geschossen.

Fassungslos sah Lana den tobenden Gnom an, der jetzt fast so groß war wie sie. Sie nickte heftig.

»Ich werd‘s mir merken. Nur hör auf zu schreien! Bitte!«

Besorgt sah sie zur Tür.

Genauso schnell, wie der Wicht die Beherrschung verloren hatte, beruhigte er sich wieder.

»Gut«, grummelte er, »dann wär das ja geklärt.«

Lana atmete erleichtert auf.

»Freunde?«, fragte sie leise.

Der steinige Zwerg hüllte sich in Schweigen.

»Muss ja nicht sein«, murmelte sie enttäuscht und zuckte im nächsten Augenblick zusammen.

»HABE ICH NEIN GESAGT?«, explodierte der Kauz schon wieder. Er verschränkte die Arme vor der Brust und sah zur Zimmerdecke. »Ich denke nach«, fügte er etwas ruhiger hinzu. »Das wird ja wohl erlaubt sein.«

Verstört blickte Lana ihn an. Nie wieder würde sie auch nur ein einziges Wort mit diesem Pulverfass aus Stein reden. Gleich morgen würde sie ihn zurück in den Wald bringen und froh sein, diesen durchgeknallten Kerl endlich los zu sein.

»Freunde«, unterbrach der Wicht ihre Gedanken. »Aber hör auf, mich Steingeist zu nennen.«

Lana nickte, überzeugt davon, dass der Schreihals jeden Moment wieder loslegen würde.

»Wie soll ich dich nennen?«

Er verbeugte sich leicht. »Ich bin Goran, der Hüter der Steine und Sprachen.«

»Goran, der Hüter der Steine und Sprachen«, wiederholte Lana staunend.

Goran nickte. »Da wir nun alles geklärt haben und ich schon mal hier bin, will ich das Geheimnis deines Buches lüften.«

Lana starrte ihn an. »Was meinst du? Was für ein Geheimnis?«

Goran winkte sie heran. »Komm, ich zeig es dir!«

Neugierig setzte sie sich zu ihm auf den Fußboden. Goran, der zu Lanas Erleichterung allmählich wieder schrumpfte, ergriff das Buch.

»Der Stein in dem Wappen ist ein mystischer Stein. Er stammt aus Ur, der vermutlich ältesten Stadt aller Welten.«

Er berührte das Wappen und schob den Stein zur Seite. Eine Öffnung wurde sichtbar. Goran griff mit Zeigefinger und Daumen hinein und zog einen Anhänger an einer silbrig glänzenden Kette hervor.

Die Vorderseite zierte ein Symbol, das Lana im Halbdunkeln der Nachttischlampe nicht genau erkennen konnte. Auf der Rückseite war ein kleiner Spiegel eingelassen. Der Anhänger erinnerte sie an ein Amulett, in dem man etwas aufbewahren konnte. Lana verengte ihre Augen zu Schlitzen, um besser sehen zu können und wollte danach greifen, aber ein hysterischer Schrei aus Gorans steinigem Mund erschreckte sie fast zu Tode.

»NEEEIIIIN! ... NICHT BERÜHREN! ... FRECHHEIT! ... PFUI!«

Entsetzt zog Lana ihre Hand zurück.

Sofort beruhigte sich Goran wieder.

»Dieses Amulett besitzt Zauberkräfte.« Er hielt es in die Höhe. »Nur ein würdiges Wesen darf es berühren, sonst kann es sehr viel Schaden anrichten«, krächzte er.

Nachdenklich legte Lana ihren Kopf zur Seite. »Und woher weiß es, wer ein würdiges Wesen ist?«

Der Steingeist schlug das Buch auf. Er zeigte mit seinem steinigen Finger auf die leeren Seiten. »Alles, was das Amulett betrifft, steht hier geschrieben.«

Für einen Moment fragte Lana sich, ob Goran sie verschaukeln wollte.

»Ich sehe nur leere Seiten«, erwiderte sie skeptisch.

Das schien Goran zu amüsieren, denn zum ersten Mal lächelte er. Zugegeben, ein hässliches steiniges Lächeln, aber immerhin ein Lächeln. Er fuhr mit seiner groben Hand über die unsichtbaren Zeilen. »Alles, was hier geschrieben steht, wird sichtbar, wenn du es mit Urstaub bestäubst.«

»Die leeren Seiten sind wirklich beschrieben?«, fragte Lana aufgeregt.

Goran nickte. »Alles dort Geschriebene kann weder vernichtet noch überschrieben werden. Es steht unter einem großen Bewahrungszauber. Ohne Urstaub kann es nur der Verfasser lesen ... und ich.«

Lana runzelte die Stirn. »Du kannst lesen, was man nicht sieht?«

»Ich wäre nicht der Hüter der Steine und Sprachen, wenn ich es nicht könnte.«

»Was steht denn auf den leeren Seiten?«

Goran zuckte mit den Schultern. »Es nützt nichts, dir davon zu erzählen. Der Schweigebann, der auf diesen Seiten liegt, würde verhindern, dass du mich verstehst.«

Aufgeregt kräuselte Lana eine Haarsträhne um ihren Zeigefinger. »Was ist ein Schweigebann?«

»Ein Zauber, der verhindert, dass das Geschriebene weitererzählt werden kann. Alles was ich über die Seiten berichten würde, wäre Kauderwelsch in deinen Ohren. Nur der rechtmäßige Besitzer und die Schreiber des Buches stehen nicht unter diesem Bann.«

»Der rechtmäßige Besitzer? Wer ist das?«

»Wer das Amulett tragen kann, ohne vernichtet zu werden, kann es herausfinden«, raunte Goran.

Lana riss die Augen auf. »Das Amulett vernichtet Menschen?«, flüsterte sie.

Goran legte das Amulett zurück und verschloss das Wappen wieder. »Wie ich schon sagte, es hat Zauberkräfte. Es vernichtet nur den, der es sich unrechtmäßig aneignet und seinen Zauber missbrauchen will.«

»Wie kommt es in mein Buch?«, fragte Lana.

Goran hob seine steinige Hand. »Lies die Seiten.« Er zeigte wieder auf das Buch. »Es gibt Hinweise. Alles steht dort geschrieben. Auch über einen Ort.«

Lana starrte jetzt fast ein bisschen blödsinnig auf ihr Buch. »Wie soll ich leere Seiten lesen? Und was für ein Ort?«

Noch bevor Goran ihr antworten konnte, vernahm Lana die Stimmen der jüngeren Brüder. Erschrocken blickte sie zur Standuhr. 06:15 Uhr. Sie hatte gar nicht bemerkt, dass es draußen hell geworden war.

Die Tür öffnete sich. Falvin lief durchs Zimmer, gefolgt von Insan und der Mutter. Entsetzt starrte Lana auf Goran, der sich auf dem Fußboden ausgestreckt hatte.

»Keine Sorge«, rief er unbekümmert. »Sie sehen nur einen alten wurzel- und moosbedeckten Stein auf dem Boden liegen. Nur du kannst mich hören.«

Die Mutter schien jedenfalls nichts zu bemerken.

»Lana, kümmere dich bitte um die Kleinen, ich mache das Frühstück.«

»Ja, gleich.« Mit raschen Bewegungen verstaute Lana ihr Tagebuch unter ihrer Matratze. »Ich muss nur mal schnell zum Klo.« Sie hob Goran vom Boden und verließ mit ihm den Raum.

»Warum kann nur ich dich hören?«, flüsterte sie in der Toilette.

»Weil das Baumblut in dein Herz geflossen ist«, sagte Goran.

Lana verstand nicht, was er meinte, doch für Erklärungen reichte die Zeit nicht. Schon rüttelte Falvin an der verschlossenen Toilettentür. »Was ist Urstaub?«, fragte sie hektisch.

»Ich muss aufs Klo«, schrie Falvin und trat gegen die Tür.

»Der erste Staub des Seins«, antwortete Goran.

»Mist, ich muss mich um die Kleinen kümmern und danach zur Schule. Ich werde heute Mittag zurück sein«, flüsterte Lana.

»Vergiss nicht, dass du mich nach der Schule zurück in den Wald bringen willst.«

»Nein, vergesse ich nicht. Ehrenwort.«

***

Nach Schulschluss erzählte Lana Jona, was in der Nacht geschehen war.

»Ich hab gleich gesagt, dass das ein Steingeist ist«, sagte Jona.

»Ich weiß. Er ist aber völlig harmlos, nur ein wenig aufbrausend.«

»Und du willst diesen ... wie heißt er noch? Gorral? ... wieder in den Wald bringen?«

»Nicht Gorral. Goran! Ja, heute Nachmittag bringe ich ihn zurück. Kommst du mit?«

»Ich kann aber erst um vier.«

»Abgemacht! Ich hole dich ab.«

***

Zu Hause angekommen, erwartete Goran sie schon.

»Da bist du ja endlich«, rief er glücklich, als sie das Zimmer betrat. »Jetzt bringst du mich zurück in den Wald.«

Er klatschte in die Hände.

***

Um fünf vor vier packte Lana Goran in ihren Rucksack und machte sich auf den Weg zu Jona. Die Sonne brannte wieder heiß.

Nachdem sie Wolf abgeholt hatten, zogen sie los. Im Wald war es angenehm kühl. Sie liebten die Atmosphäre mit den vielen Bäumen, dem dichten Unterholz und dem erdigen Geruch des Sumpfes im Naturschutzgebiet. In der Mitte des Waldes nahm Lana ihren Rucksack vom Rücken und holte Goran heraus.

»Endlich wieder zu Hause«, rief er erfreut.

Jona starrte ihn an. »Lana, du hast recht. Der komische Stein redet wirklich.«

»Goran, hast du nicht gesagt, dass nur ich dich hören kann?«, wunderte sich Lana.

Das Männlein nickte. »Sicher. Aber, wenn sie mich hört, ist das Baumblut auch in ihr Herz geflossen.«

»Was?« Jona schüttelte den Kopf. »Wie ... wie soll das gehen?«

»Durch Liebe«, krächzte Goran. »Das Herz eines Menschen, das einem verletzten Baum sein Mitgefühl schenkt, ist gefüllt mit Liebe. Wenn Baumblut die Haut eines solchen Menschen berührt, fließt es direkt in sein Herz. Das geschieht nur selten, da es nicht viele Menschen gibt, die einem Baum helfen würden. Aber wenn es geschieht, mischt sich das Menschenblut mit dem Baumblut und die magischen Fähigkeiten der Bäume gehen auf den Menschen über.«

»Au Backe«, sagte Jona und rückte ihre Brille zurecht.

Lana fiel ein, was Goran ihr nachts erzählt hatte.

»Wo finde ich den Urstaub?«

Goran lachte heiser und winkte Lana zu sich.

»Beuge dich zu mir herunter und halte deine Hand auf.« Er formte seine steinigen Hände zu einem Trichter und legte sie auf Lanas Hand. Dann pustete er einige Male kräftig hinein. Ein Häuflein grauer Sandstaub türmte sich auf. »Das ist mein Abschiedsgeschenk für dich. Pass gut darauf auf. Es übersetzt dir alle Sprachen. Du musst nur eine winzige Prise auf die Schriften streuen, die du übersetzen oder entschlüsseln willst.«

Er wandte sich zum Gehen.

»Man sieht sich«, krächzte er und winkte ihnen zu.

»Warte«, rief Lana. Sie richtete sich auf und schloss ihre Hand. »Wo finde ich den Ort aus dem Buch?«

Er blieb stehen und deutete nach Westen. »Such im Tal der Gesetzlosen nach einem Bach. Dort, wo er entspringt, wohnt Avery. Ihn musst du fragen.«

Jona wirkte verstört. »Urstaub? Ort?« Fragend sah sie von Lana zu Goran. »Wer ist Avery?«

»Du hattest bisher kein Baumblut in dir. Darum weißt du weder von ihm noch von den geheimnisvollen Dingen der Unsichtbarwelt, in der er lebt«, sagte Goran.

Lana lief zu Goran und bückte sich zu ihm.

»Wo liegt die Unsichtbarwelt?«

Gorans Lachen klang jetzt so heiser wie der Schrei eines Esels.

»Hier.« Er zeigte um sich. »Und dort.« Er deutete in die Ferne. »Und da ... und dort ... und da ... und dort.« Lachend zeigte er in alle Richtungen.

Lana war es schwer ums Herz. »Kannst du nicht bei mir bleiben?«

Goran schüttelte so energisch den Kopf, dass sein Wurzelbart hin und her wackelte. »Nein, das geht auf keinen Fall!«

Er wandte sich um und verschwand ins Unterholz.

Lana blickte auf ihre Hand. »Jona, in meiner Schatzkiste habe ich ein Holzröhrchen mit einem Schraubverschluss. Es gehörte zu einem Haufen alten Zeugs, das mein Vater von einer Haushaltsauflösung mitgebracht hat. Früher soll da mal eine Zigarre drin gewesen sein. Ich werde den Staub dort reintun, bevor wir zum kranken Baum gehen.«

Jona fasste sich an den Kopf. »Das alles ist ein bisschen viel für einen Tag. Langsam glaube ich, den Verstand zu verlieren.«

***

Nachdem der Staub sicher im Holzröhrchen verstaut war, holte Lana noch ein paar Sachen aus dem Koffer. Köcher, Pfeile und Bogen trug sie auf dem Rücken. Das Holzröhrchen kam neben Angelschnur und anderem Kleinzeug in die Hosentaschen. Die graue Mappe trug sie in der Hand. Jona entspannte sich in der Zwischenzeit allmählich.

»Wer zuerst da ist«, forderte sie Lana zum Wettrennen heraus und rannte los.

Atemlos erreichten sie den Baum und umarmten ihn, soweit ihre Arme reichten. Mit geschlossenen Augen konzentrierte Lana sich auf sein Fließen. Eine riesige Welle Energie durchströmte sie und plötzlich hörte sie die Süntelbuche leise flüstern.

»Hallo, Lana. Danke für eure Hilfe.«

Erschrocken trat Lana einen Schritt zurück.

»Jona, der Baum spricht.«

Jona hatte es sich bereits auf dem Boden bequem gemacht und wartete auf das Gedicht, das Lana dem Baum versprochen hatte.

»Das weiß ich doch. Du hast mir mal erzählt, das sie im Innern rauschen und flüstern.«

Lana schüttelte den Kopf. »So meine ich das nicht. Der Baum redet richtig zu mir. Steh auf und umarme ihn. Ich will wissen, ob du ihn auch hören kannst.«

Etwas zögernd stand Jona auf. Einen Augenblick sah sie Lana zweifelnd an. Doch dann umarmte sie die Buche.

»Du musst einen Moment warten. Schließ deine Augen, konzentriere dich nur auf den Baum.«

»Hallo, Jona«, raunte die alte Buche.

Wie vom Schlag getroffen sprang Jona einen Meter zurück.

»Mein Gott. Der Baum redet wirklich.« Sie rückte ihre Brille, die bei dem Sprung verrutscht war, wieder zurecht. »Das ist ... unmöglich.«

Lana lächelte. »Vielleicht liegt es am Baumblut.« Sie umarmte die Buche erneut.

Zögernd tat Jona es ihr gleich.

»Ich danke euch«, wisperte der Baum. »Ihr habt aus Mitgefühl meine Wunden versorgt, ohne zu wissen, dass mit meinem Blut die magischen Fähigkeiten der Bäume auf euch übergehen. Von nun an steht ihr unter dem Schutz der Bäume aller Welten. Mit unserem gesamten Wissen werden wir euch helfen und beschützen.«

Überwältigt lösten sie die Umarmung. Lana entfernte den alten Moosverband, setzte sich zu Jona auf den Waldboden und begann vorzulesen.

»Du kannst so super dichten«, freute sich Jona, als Lana geendet hatte. »Findest du nicht auch, lieber Baum?«

Die Süntelbuche nickte sanft mit ihrer mächtigen Krone. »Deine Zeilen kommen aus dem Herzen, Lana. Das ist mir schon bei deiner Geschichte aufgefallen.«

Diesmal hatten sie den Baum gehört, ohne ihn zu umarmen.

»Ich schreibe auch weniger schöne Geschichten und Gedichte. Manchmal Abenteuer, manchmal Gruselgeschichten oder etwas Lustiges. Ganz gemischt«, erwiderte Lana verlegen.

»Aber alle aus dem Herzen, Kind. Du schenkst deinen Geschichten und Gedichten die Freiheit, sich selbst zu entfalten. Ein guter Schreiber hört seinem Herzen zu und schreibt auf, was es ihm erzählt. Genau das tust du.«

Außer von Jona hatte Lana noch nie etwas Positives über ihre Werke gehört.

»Danke«, sagte sie und drückte ihre Mappe selig an sich.

Sie verabschiedeten sich von der Süntelbuche und streiften weiter durch den Wald.

3

Die Warnung

Am Abend hatte Lana es besonders eilig, ins Bett zu kommen. Sie war fest entschlossen, den Urstaub auszuprobieren. Nach dem Abendbrot ging sie in ihr Zimmer und schloss die Tür. Sie legte das Holzröhrchen aufs Kopfkissen und schob die Kommode vor die Tür. Dann holte sie ihr Tagebuch unter der Matratze hervor und legte es neben das Holzröhrchen. Nervös schaltete sie die Nachttischlampe ein und löschte das Deckenlicht. Nachdem sie ihren Schlafanzug angezogen hatte, kroch sie ins Bett.

Krampfhaft hielt sie das Röhrchen mit einer Hand fest, während sie aufgeregt das Buch auf ihrem Schoß betrachtete. Das Wappen mit dem magischen Stein, der unter Gorans Händen einfach zur Seite geglitten war, ließ das Buch plötzlich in einem ganz anderen Licht erscheinen, als würde sie es zum ersten Mal sehen. Lana spürte einen dicken Kloß im Hals und versuchte ihn wegzuschlucken, doch er bewegte sich nicht.

Vorsichtig schlug sie die erste Seite auf. Wie Hunderte Male zuvor war sie leer. Ihr Herz klopfte laut, als sie das Holzröhrchen aufschraubte. Sie zögerte kurz, aber dann schüttete sie etwas Urstaub auf ihren Nachtschrank. Sie wagte kaum zu atmen, aus Angst, der feine Staub könnte auffliegen. Sorgfältig verschraubte sie das Gefäß wieder. Zögernd nahm sie einige Staubkörner zwischen Daumen und Zeigefinger und verharrte damit über der ersten Seite. Nervös presste sie die Lippen aufeinander und für einen Moment überlegte sie, das Buch zu schließen. Doch ihre Neugierde siegte.

Sie hielt den Atem an. Die Staubkörner rieselten auf die Seite. Sekundenschnell veränderte sich das leere Blatt zu einer dicken Staubwolke, die sich nicht aus der Seite herausbewegte und innerhalb des Papiers in alle Richtungen ihre Wellen schlug.

Lana unterdrückte einen Schrei. Der staubige Nebel lichtete sich schnell und gab eine Schrift frei, die ihr fremd war, sich aber wie von allein in ihrem Kopf übersetzte.

Warnung!

lautete die Überschrift. Lanas Hände wurden feucht und der dicke Kloß in ihrem Hals dehnte sich zu einem zähen Klumpen aus. Sie schluckte und las tapfer weiter.

Wer die Zeilen auf den folgenden Seiten liest, übernimmt die Verantwortung für das Gelesene und erklärt sich bereit, alles in seiner Macht Stehende zu tun, um das Land hinter dem Jahrmarkt zu finden und es vor dem Fürchterlichen Ooht zu schützen.

Wer diese Vereinbarung nicht eingehen will, soll nicht weiterlesen, oder er wird verloren sein.

Gezeichnet

Der Flüsternde Kreis

Erschrocken knallte Lana das Buch zu. Was hatte das zu bedeuten? Wer oder was war das Fürchterliche Ooht? Alleine der Name jagte ihr einen eisigen Schauer über den Rücken. Sie würde auf keinen Fall irgendetwas vor dem Fürchterlichen Ooht beschützen, wer oder was das auch immer sein mochte, und schon gar nicht ein ganzes Land.

Damit war für Lana klar, dass sie nicht weiterlesen würde. Die Warnung auf der ersten Seite hatte ihren Berg an Neugierde mit einem Schlag in ein jämmerliches Häufchen Elend verwandelt. Sie legte ihren Kopf auf das Kissen und blickte nachdenklich zur Zimmerdecke.

›Wenn doch Goran hier wäre. Was ist das für ein Land? Wer lebt dort? Und was ist ein Flüsternder Kreis? Kreise reden nicht und Kreise schreiben nichts in Bücher‹, grübelte sie. ›Wer diese Vereinbarung nicht eingehen will, soll nicht weiterlesen, oder er wird verloren sein‹, wiederholte Lana in Gedanken den letzten Satz der Warnung.

Ihr Mund war trocken. Sie fröstelte. Hastig verstaute sie das Buch und das Holzröhrchen unter ihrer Matratze und zog die Bettdecke bis zum Kinn. Nie wieder würde sie dieses Buch öffnen, so viel stand fest. Sie faltete die Hände zum Abendgebet und schlief kurz darauf ein.

Sie träumte von einer Lichtung. Ein verschwommen wirkender Wald befand sich auf der anderen Seite. Aus ihm stieg ein seltsam farbiger Nebel auf. Staunend setzte sie sich auf einen Felsbrocken und betrachtete fasziniert den Farbnebel auf der anderen Seite.

»Das ist Nalaftar, die Waldseele«, hörte sie plötzlich Logans Stimme und fuhr erschrocken herum.

Er stand hinter ihr und deutete mit dem Kopf zum Nebel.

»Wer die Waldseele sehen kann, hat das Blut der Unsichtbarwelt.«

»Hat was?«

»Feenblut oder Trollblut, Elbenblut oder Nymphenblut ...,

jedenfalls magisches Blut«, entgegnete er. »Oder ...«

Er sah Lana mit einem durchdringenden Blick an.

Sie legte den Kopf fragend zur Seite. »Oder?«

Logan zog eine Augenbraue in die Höhe.

»Oder er ist ein Weltenmischblut.«

»Was ist ein Weltenmischblut?«

Logan schaute in die Ferne. »Ein Nachkomme von Wesen verschiedener Welten. Besonders selten ist ein Mehrfachmischblut.«

»Mehrfachwas?«

»Mehrfachmischblut. So nennt man ein Weltenmischblut, das seine Vorfahren sowohl in der magisch hellen wie in der magisch dunklen als auch in der nichtmagischen Welt der Menschen hat. Alle Mehrfachmischblüter müssen sich vor dem Zorn des Fürchterlichen Ooht verstecken, seit das Orakel von Abraxas prophezeit hat, dass ein Nachkomme dreier Welten die Herrscherin von Ooht besiegen wird«, erklärte Logan.

Entsetzt starrte Lana ihn an.

Logan runzelte die Stirn. »Stimmt was nicht?«

»Der Zorn des ...« Lana brachte den Namen nicht über die Lippen.

»... Fürchterlichen Ooht«, vollendete Logan ihren Satz und deutet mit einer Kopfbewegung nach Norden. »Es handelt sich dabei um einen Ort, an dem die Gwoydors und ihre Herrscherin, Königin Nad, leben. Sie sind die unerbittlichsten Feinde der Mehrfachmischblüter.«

Der farbige Nebel war vergessen. Lanas Herz schlug ihr bis zum Hals. »Ich hab ... ein altes Buch. Es hat leere Seiten, die aber ... nicht unbeschrieben sind.« Sie holte tief Luft. »Dieses ... Ooht wird dort erwähnt.«

»Was steht noch auf diesen leeren Seiten?«, fragte Logan beiläufig.

Lana zog die Schultern hoch. »Ich weiß es nicht und ich will es auch nicht wissen.«

»Aber du kannst die Waldseele sehen, obwohl du in der Sichtbarwelt lebst und menschlich bist?«

Lana wickelte nervös eine Haarsträhne um ihren Zeigefinger. »Das kommt bestimmt vom Baumblut.«

»Alles zu seiner Zeit«, sagte Logan und wandte sich zum Gehen.

»Warte! Was meinst du damit?«

»Wenn es an der Zeit ist, wirst du es wissen.«

»Was? Sag schon!«

Logan lächelte. »Schließ jetzt deine Augen.«

Nur widerwillig folgte sie seiner Aufforderung. »Und wie lang soll ich sie geschlossen halten?«

Als sie keine Antwort erhielt, öffnete sie die Augen. Sie erblickte die alte Standuhr in ihrem Zimmer. Es war 06:06 Uhr.

Die Mutter rüttelte energisch an der Tür. Die Kommode, die noch immer davor stand, wackelte bedenklich.

»Lana! Aufmachen! Sofort!«

»Ja, einen Moment!« Schlaftrunken schleppte sie sich zur Tür und schob die Kommode zurück. Die Tür ging auf. Aufmerksam ließ die Mutter ihren Blick durch das Zimmer schweifen.

»Warum hast du die Tür verbarrikadiert?«, fragte sie alarmiert.

»Weil ...« Sie suchte nach einer Erklärung. »Ich habe etwas ... ausprobieren wollen.«

»Was wolltest du ausprobieren? Vielleicht wie es aussieht, wenn du die Möbel im Zimmer vor die Tür stellst?«

»Nein ... ich ...« Nervös wickelte Lana eine Haarsträhne um den Zeigefinger.

»Mama, ich hab Hunger«, jammerte Falvin.

Die Mutter sah zur Uhr. »Ach du liebe Zeit. Schon so spät.« Eilig lief sie zur Küche. Doch dann kam sie noch einmal zurück. »Und rücke nie wieder etwas vor die Tür. Hast du mich verstanden?«

»Ja, habe ich«, erwiderte Lana abwesend. Ihre Gedanken kreisten um den Traum.

Komisch, dass dieses Fürchterliche Ooht darin vorkam. Vermutlich lag das an der Warnung, die sie vor dem Einschlafen gelesen hatte. Jetzt, am Tag, empfand sie die Warnung nur noch halb so schaurig wie am Abend. Vielleicht sollte sie doch die anderen Seiten lesen. Immerhin ging es um ein Amulett, das sich in ihrem Besitz befand und dessen Besitzer sicher schon länger danach suchte.

Sie war gespannt, was Jona dazu sagen würde.

4

Finstere Grenzjäger

Am Nachmittag brach Lana mit Jona und Wolf in den Wald auf. Unterwegs erzählte sie ihrer Freundin, was sich in der Nacht zugetragen hatte.

»Bist du sicher, dass du die Warnung nicht auch geträumt hast?«, fragte Jona mit ungläubigem Blick.

»Hundertprozentig! Wenn du willst, zeige ich es dir gleich. Ich habe mein Buch und den Urstaub dabei.«

Jona nickte verhalten.

Bei der alten Steinlinde nahmen sie Lanas Sachen aus dem Baumstamm und setzten sich an einer gut verdeckten Stelle hinter dem Sumpfgebiet auf eine Wiese. Lana holte das Holzröhrchen aus ihrer Hosentasche und das Tagebuch aus dem Rucksack. Gespannt verfolgte Jona, wie sie den Urstaub auf die Seite rieseln ließ. Als die Staubwolke ihre Wellen schlug, schrie Jona auf und wich ein Stück zurück. Der Staub lichtete sich schnell. Die Schrift wurde sichtbar. Wie Lana erwartet hatte, übersetzte sich die Schrift nicht nur in ihrem Kopf.

»Das glaube ich alles nicht«, sagte Jona fassungslos, als sie die Warnung gelesen hatte.

»Sollen wir weiterlesen?« Lana war noch immer unschlüssig.

Jona schwieg einen Moment, kaute auf ihrer Unterlippe und rieb nervös die Hände an ihrer Jeans. »Was, wenn wir das Land finden? Womit sollen wir es beschützen?«

»Vielleicht finden wir es ja gar nicht, dann hätten wir auch keine Vereinbarung gebrochen«, erwiderte Lana.

»Ja, aber wenn wir es finden, sitzen wir in der Klemme«, mahnte Jona.

Lana seufzte. Unschlüssig betrachtete sie das Buch.

Jona nahm ihre Brille ab und putzte sie mit einem Zipfel ihres T-Shirts. »Und wenn wir erst den Bach suchen, von dem Goran sprach?«

»Klingt gut«, meinte Lana, »dann sollten wir jetzt aufbrechen.

Zügig marschierten sie los.

***

Im Tal umarmten sie eine alte Eiche.

»Ich spüre ihr Fließen«, raunte Jona.

Lana erging es ebenso. »Wir suchen den Bach zu Avery«, flüsterte sie dem Baum zu. »Weißt du, wo wir ihn finden?«

»Wer zum Bach will, muss kommen, wenn sich sein Wasser zeigt.«

»Wann ist das?«, fragte Jona.

Wind kam auf und ein Raunen und Wispern ging durch die umstehenden Bäume. »Ich darf es euch nicht sagen, sonst werdet ihr ihn niemals finden«, entgegnete der Baum. »Nur einen Hinweis kann ich euch geben. Während vierundzwanzig Stunden ist er vierundzwanzig mal zu sehen, so viele Sekunden, wie die Zeit sich zeigt.«

Sie bedankten sich und gingen weiter.

Jona runzelte die Stirn. »Während vierundzwanzig Stunden ist er vierundzwanzig mal zu sehen«, wiederholte sie. »Das kann nur zu jeder vollen Stunde sein. Damit ist klar, wann wir die Augen aufhalten müssen.«

»Denke ich auch«, meinte Lana, »aber vergiss nicht den zweiten Teil des Satzes. So viele Sekunden, wie die Zeit sich zeigt. Selbst wenn wir wüssten, wie lange das ist, würden wir nie innerhalb von Sekunden dieses Tal hier durchsuchen können.«

Lana schaute sich suchend um.

Jona machte ein gequältes Gesicht. »Das war‘s dann wohl mit Avery.«

Lana blieb stehen. »Vielleicht steht was im Buch. Sollen wir nachsehen?«

»Bist du verrückt? Doch nicht im Tal der Gesetzlosen!«

»Dann gehen wir eben zurück und lesen woanders.«

Jona war einverstanden.

Sie hatten das Tal schon zur Hälfte durchquert, als Lana auf einen leisen, seltsamen Ton aufmerksam wurde. Sie blieben beide gleichzeitig stehen.

»Was ist das?«, wollte Jona wissen.

Der Ton schien überall herzukommen, aus den vereinzelten Bäumen im Tal, aus den Blumen, den Pilzen, Steinen und dem Boden. Sie sahen sich verwundert nach allen Seiten um, konnten aber nichts Ungewöhnliches erkennen. Lana sah zu Wolf und atmete erleichtert auf. Der Hund verhielt sich, als wäre nichts.

Der Ton wurde lauter, blieb aber angenehm. Dann stieg farbiger Nebel vom Boden auf. Die Farben waren blass, wie schwache Regenbogenfarben. Sie wurden samt dem Tal darin eingehüllt. Plötzlich kam eine dunkle Wolkenfront auf sie zu, die sich immer mehr zu einer riesigen schwarzen Wand verdichtete und in einem schaurigen Kontrast zum ansonsten strahlend blauen Sommerhimmel stand.

»Wir müssen hier weg!«, rief Lana und lief los.

Sie hasteten quer durch das Tal der Gesetzlosen. Wolf jagte voraus. Es wurde immer dunkler.

»Was ist das?«, schnaufte Jona.

»Keine Ahnung, sieht aus wie in meinen Träumen«, presste Lana zwischen zwei Atemzügen hervor.

Die dunklen Wolken näherten sich rasch. Die Mädchen rannten, so schnell sie konnten, doch in der Sommerhitze ließen ihre Kräfte bald nach. Plötzlich strauchelte Lana und stürzte.

»Halt! Wartet!«, keuchte sie hinter Wolf und Jona her, doch ihr Rufen war zu schwach.

Mit rasender Geschwindigkeit erreichte die schwarze Wolkenfront Lana und hüllte sie in völlige Dunkelheit. Mit dem Mut der Verzweiflung sprang Lana auf und rannte weiter. Es war jetzt stockfinster, sie sah nichts, nicht einmal einen Schatten der Bäume. Mit ausgestreckten Armen rannte sie einfach drauflos und hatte schon nach wenigen Sekunden die Orientierung verloren. Voller Schrecken dachte sie an die Schlucht, die es im Tal der Gesetzlosen gab. Lag sie nicht vor ihr? Wenn sie bloß etwas sehen könnte.

Ein kalter Luftzug streifte ihren Kopf, gefolgt von einem schaurigem ›Uuuhuu‹. Wilde Panik durchfuhr sie.

Sie stürzte erneut. Ihre Hände und ein Knie bluteten, doch sie spürte keinen Schmerz. Mühsam versuchte sie aufzustehen. Ihr stockte der Atem, als sie zwei orange glühende Punkte sah, die sich nebeneinander schnell auf sie zu bewegten. Die feurigen Flecke waren kirschgroß, wurden jedoch stetig größer, je näher sie kamen. Dann waren sie bei ihr. Ein eisiger Luftzug streifte sie.

»Hilfe!«, hallte Lanas Schrei durch die Finsternis. Aus dem Dunkel erklang erneut der unheimliche Laut.

›Uuuhhuuu.‹

***

Atemlos blickte Jona im Laufen hinter sich und blieb ruckartig stehen. ›Lana!‹, dachte sie gehetzt, ›wo ist Lana? Und wo sind die dunklen Wolken?‹

Das Tal sah aus wie zuvor, als wäre nichts geschehen.

»LANA?«, rief sie besorgt.

Sie ging den Weg ein Stück zurück. »Wolf, hierher! Such! Such Lana!«, forderte sie den treuen Gefährten auf.

Wolf begann schwanzwedelnd zu suchen. Plötzlich blieb er stehen und winselte.

Jona war zum Weinen zumute.

***

Lana war am Ende ihrer Kräfte. Völlig erschöpft robbte sie über den Boden und suchte nach Halt. Ihre Hände ertasteten einen Baumstamm. Unter großer Anstrengung richtete sie sich an ihm auf und blickte direkt in die beiden orange glühenden Punkte, die jetzt groß wie Walnüsse waren. Lana kreischte wie von Sinnen, unfähig auch nur einen Schritt zu tun.

Die Punkte veränderten ihre Farbe von Orange zu Weiß und erhellten plötzlich die Dunkelheit. Das Licht blendete Lana für einen Augenblick. Aber dann konnte sie erkennen, dass die feurigen Punkte die Augen eines sehr großen Uhus waren.

Er saß im Baum, an dessen Stamm Lana sich aufgerichtet hatte, auf einem der unteren Äste und blickte sie stumm an. Seine Ohren hatten lange Federbüschel, die leicht schräg nach hinten abstanden und sein Gefieder flimmerte gold- und rostfarben. Seine Fänge, die so groß wie die Hand eines erwachsenen Menschen waren, hielten den Ast, auf dem er saß, fest umschlungen.

Plötzlich bebte der Boden unter Lana und lautes Schnaufen näherte sich. Es hörte sich an, als raste eine Herde Büffel durch die Dunkelheit auf sie zu. Der Uhu erhob sich und flog mit lautlosem Flügelschlag, der einen kalten Luftzug verursachte, an Lana vorbei. Seine Flügel hatten eine Spannweite von bestimmt zwei Metern und wiesen ihn mit majestätischer Anmut als König der Nacht aus. Er stieg ein Stück in die Höhe und kreiste über Lanas Kopf. Dann flog er ein Stück voraus, kehrte um, kreiste wieder über ihrem Kopf und flog davon.

Sie verstand, dass sie ihm folgen sollte. Vorsichtig setzte sie einen Fuß vor den anderen. Das Licht aus den Augen des großen Vogels leuchtete ihr den Weg. Der Uhu glitt lautlos voran. Er flog auf einen hellen Fleck in der Ferne zu, der bald größer wurde.

Lana erblickte eine taghelle Lichtung. Der Wald dahinter wirkte verschwommen und schimmerte in seltsamen Farben, so wie letzte Nacht in ihrem Traum. Der Uhu ließ sich auf einen Baum am Rand der Lichtung nieder.

Sie traute ihren Augen nicht. Neben dem Baum lag ein großer Steinbrocken und dahinter stand Logan. Wie in ihrem immer wiederkehrenden Traum drängte er die schwarzen Wolken, die Lana folgten, allein mit seinem Blick zurück.

Erleichtert lief Lana zu ihm.

»Warum wurde es so finster? Was bedeutet das?«, fragte sie ihn außer Atem.

Logan deutete auf den Stein. »Ruh dich erst mal aus.«

Er wandte sich dem verschwommenen Wald zu und murmelte fremdartige Laute, während er mit seinen Händen einen Kreis aus vibrierender Luft formte.

Der Kreis aus Luft wirbelte immer schneller zwischen Logans Händen, bis er schließlich ein Bild zeigte. Lana konnte jedoch nicht viel erkennen.

Logan wandte sich ihr zu.

»Das waren Grenzjäger der Königin. Sie reiten Patrouille auf Drachenpferden, deren Atem kilometerweit reicht und so schwarz ist wie ihr Körper und ihre Reiter. Alles, was den Weg dieser Ungeheuer kreuzt, hüllen die Atemschwaden in tiefste Finsternis. Sie haben den Auftrag, jeden zu ergreifen, der die Grenze zur Unsichtbarwelt überschreitet.«

»Was habe ich damit zu tun? Ich habe keine Grenze überschritten«, protestierte Lana.

»Wie kommst du dann hierher?« Logan zog eine Augenbraue in die Höhe.

»Keine Ahnung«, erwiderte Lana, »aber eine Grenze habe ich nicht gesehen.«

»Magische Grenzen sieht man nicht«, erklärte Logan bedeutungsvoll.

Das leuchtete Lana ein. Plötzlich schoss ihr ein Gedanke durch den Kopf. Sie sprang auf und schaute sich sorgenvoll um. »Jona und Wolf. Wo sind sie?«

»In der Sichtbarwelt, aus der du gekommen bist«, entgegnete Logan.

»Ich muss zu ihnen. Bitte!«

»Kein Problem.« Logan zeigte auf den Uhu. »Mirror wird dich zur Grenze bringen. Folge ihm. Unterwegs darfst du auf keinen Fall stehen bleiben oder einen anderen Weg nehmen.«

Mit einer Hand fuhr sich Lana über Stirn. Sie wirkte erschöpft.

Logan sah sie nachdenklich an. »Alles klar?«, fragte er, während er seinen Arm ausstreckte, den Mirror unverzüglich ansteuerte und sich darauf niederließ.

»Ja«, erwiderte sie müde.

Logan murmelte Mirror etwas ins Ohr. Der Uhu erhob sich lautlos und kreiste über Lana.

»Danke«, sagte sie und reichte Logan zum Abschied die Hand.

Er verbeugte sich ein wenig. »Es war mir eine Ehre.«

Mirror flog voraus, wie zuvor.

Lana beeilte sich hinterherzukommen.

***