Falling Like Snow - Erin Doom - E-Book
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Falling Like Snow E-Book

Erin Doom

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Beschreibung

Nach dem Netflix-Erfolg: Die neue unwiderstehliche Enemies-to-Lovers-Romance von Erin Doom Ein Herz, so weiß wie Schnee. Eine Liebe, die wütet wie ein Schneesturm. Ein Geheimnis, das über den Tod hinaus gehütet werden muss. Ivy wächst in der unberührten Weite Kanadas auf. Nichts liebt sie mehr als die Stille, die sich über die zugefrorenen Seen und Wälder legt, wenn der Schnee fällt. Doch als Ivys Vater stirbt und damit ihre ganze Familie, muss sie ihre Herzenslandschaft hinter sich lassen. Ihr Patenonkel John und sein Sohn Mason sind bereit, sie in ihrem Zuhause an der Küste Kaliforniens aufzunehmen. Und so versucht Ivy, sich in den rauschenden Wellen ihres neuen Lebens über Wasser zu halten. Doch während die wunderschönen, aber eiskalten Augen ihres Stiefbruders sie um den Schlaf bringen, nimmt ein gefährliches Geheimnis aus der Vergangenheit Ivys Spur auf. Der zweite Bestseller vom italienischen Phänomen Erin Doom – der Autorin der Romanvorlage für den Netflix-Erfolg "The Tearsmith". Eine neue unmögliche Liebe, aufwühlende Geheimnisse und eine unwiderstehliche Enemies-to-Lovers-Romance. Ein Must-have für alle Romance-Fans: In wunderschöner, hochwertiger Ausstattung mit farbigem Buchschnitt in limitierter Erstauflage und farbigen Innenklappen. 

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 749

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Erin Doom

Falling Like Snow

 

Aus dem Italienischen von Barbara Neeb, Katharina Schmidt und Christina Neiske

 

Biografie

 

 

Erin Doom ist das Pseudonym einer jungen italienischen Schriftstellerin. Ihre internationale Erfolgsgeschichte begann sie bei Wattpad. Heute ist sie eine der erfolgreichsten Autorinnen Italiens.

Impressum

 

 

Erschienen bei Fischer Sauerländer E-Book

 

Die Originalausgabe erschien 2022 unter dem Titel »Nel modo in cui cade la neve« bei Magazzini Salani, einem Imprint von Adriano Salani Editore s.u.r.l., Milano.

 

Covergestaltung: Dahlhaus & Blommel Media Design, Vreden nach einer Idee von Francesca Leoneschi

Coverabbildung: Giovanna Ferraris/The World of Dot

ISBN 978-3-7336-0958-0

 

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Inhalt

[INHALTSHINWEIS]

[Widmung]

Prolog

1 DIE KANADIERIN

2 WO DU NICHT BIST

3 DER KOMPROMISS

4 UNTER EINEM DACH – NO WAY

5 DIE PARTY

6 DAS ASS IM ÄRMEL

7 WAS DIE AUGEN NICHT SAGEN

8 UNTER DIE HAUT

9 WIE EINE GEWEHRKUGEL

10 DER STRAND

11 BIS ZUM ÄUSSERSTEN

12 AUS SEINEN AUGEN

13 SIEGER UND BESIEGTE

14 ELFENBEIN

15 SEI STARK

16 VON ALL DEINEN GRÜNDEN

17 NICHT DEINE PUPPE

18 MECUM

19 UNAUFHALTSAM

20 DIE HETZJAGD

21 TARTARUS

22 SO WIE DER SCHNEE FÄLLT

23 AUS FLEISCH UND AUS GLAS

24 HIRAETH

25 FÜR IMMER BEI MIR

26 EINE ANDERE ART SCHICKSAL

27 VON ANFANG AN

Epilog

Dank

[Hinweis]

INHALTSHINWEIS

Dieses Buch kann sensible und potenziell triggernde Elemente enthalten.

Weitere Informationen dazu findest Du auf Seite 576.

(Achtung: Diese Hinweise enthalten Spoiler!)

Gewidmet all denen, die stark sein müssen. Immer.

Prolog

Man sagt, das Herz ist wie der Schnee.

Wagemutig und still und so beschaffen, dass es bei der ersten Wärme dahinschmilzt.

Da, wo ich herkomme, glauben das viele. Es ist der Spruch der Alten, ebenso der kleinsten Kinder und überhaupt aller, die das Glück feiern.

Jeder von uns hat ein Herz aus Schnee, denn die Reinheit der Gefühle macht es kristallklar und unschuldig.

Ich hatte nie daran geglaubt.

Auch wenn ich dort aufgewachsen war, auch wenn Eis uns in die Knochen ziseliert ist, war ich nie eine Freundin solcher Binsenweisheiten.

Der Schnee passt sich an, er ist freundlich, respektiert Ecken und Kanten. Er deckt sanft zu, ohne zu verformen, aber das Herz ist anders, es fordert. Das Herz schreit, kreischt und bäumt sich auf.

Doch dann, eines Tages, hatte ich es begriffen.

Ich hatte es begriffen, so wie man irgendwann begreift, dass die Sonne eigentlich ein Stern ist oder ein Diamant bloß ein Stein.

Es ist nicht wichtig, wie stark die beiden sich anscheinend unterscheiden. Wichtig ist nur, wie sehr sie sich ähneln.

Es ist nicht wichtig, wenn einer kalt und der andere heiß ist.

Es ist nicht wichtig, ob einer schreit und kreischt und der andere sich anpasst.

Ich hatte aufgehört, den Unterschied zu fühlen.

Mir wäre lieber gewesen, wenn ich es nicht hätte begreifen müssen. Hätte mich liebend gern weiter geirrt.

Aber nichts hätte die Zeit zurückgedreht.

Nichts hätte mir das zurückgegeben, was ich verloren habe.

Vielleicht stimmt es doch, was man sagt. Vielleicht haben die Leute ja recht.

Das Herz ist wie der Schnee.

Bei der ersten Dunkelheit gefriert es zu Eis.

1DIE KANADIERIN

»Ivy?«

Ich schaute von dem weißen Tischtuch auf. Die Welt drang wieder laut in meine Ohren. Erneut nahm ich die Stimmen um mich herum wahr, das Klappern von Besteck auf Porzellan.

Die Frau neben mir beobachtete mich höflich zurückhaltend. Und doch konnte ich zwischen den winzigen Falten ihres aufgesetzten Lächelns sehen, wie angespannt sie sich bemühte, ihr Unbehagen zu verbergen.

»Alles in Ordnung?«

Meine Finger waren verkrampft. Die Serviette war nur noch ein zusammengeknüllter Stofffetzen zwischen meinen weißen Handflächen. Ich legte sie auf den Tisch und strich darüber, in dem unbeholfenen Versuch, sie zu glätten.

»Keine Sorge, er wird jeden Moment hier sein.«

Ich war nicht besorgt. Ehrlich gesagt waren überhaupt kaum Gefühle in mir.

Die Begleiterin, der man mich anvertraut hatte, schien dagegen verstört darüber, dass ich keine Gefühlsregung zeigte. Sogar als wir am Flughafen angekommen waren, wo es unangenehm nach Kaffee und Einschweißfolie roch, hatte sie mich beobachtet, als erwartete sie insgeheim, dass mit dem Gepäck auf dem Förderband auch meine Gefühlswelt auftauchen würde.

Ich schob den Stuhl zurück und stand auf.

»Du gehst zur Toilette? Okay, klar. Also … ich warte dann hier auf dich …«

 

Ich hätte gerne gesagt, dass ich froh war, hier zu sein. Dass die Gewissheit, nicht mehr allein zu sein, diese endlose Reise wert gewesen war, dass ich im Grau meines Lebens die Chance auf einen Neubeginn sah. Doch als ich mich nun im Spiegel betrachtete, die Finger um den Waschbeckenrand gekrallt, schien ich eine Lumpenpuppe zu sehen, die sich jeden Moment in ihre unterschiedlichen Stofffetzen auflösen könnte.

Sei stark, Ivy. Sei stark.

Ich schloss die Augen, und mein Atem schlug gegen das Glas. Am liebsten hätte ich mich einfach hingelegt und geschlafen. Um vielleicht nie mehr zu erwachen, denn im Schlaf fand ich den Frieden, nach dem ich mich sehnte; die Wirklichkeit wurde dann ein fernes Universum, zu dem ich nicht mehr gehörte.

Ich schlug die Lider wieder auf und starrte auf den Dunstfilm, den mein Atem hinterlassen hatte. Ich öffnete den Wasserhahn, hielt meine Hände und Handgelenke unter den kühlen Strahl und verließ schließlich die Toilette.

Während ich zwischen den Tischen hindurchging, ignorierte ich die hier und da emporgereckten Köpfe, die mir hinterherschauten.

Dass ich noch nie durchschnittlich ausgesehen hatte, wusste ich. Dennoch hasste ich es über die Maßen, von den Leuten angestarrt zu werden.

Ich war mit einer ungewöhnlich hellen Haut auf die Welt gekommen. Ich hatte immer so wenig Melanin besessen, dass nur ein Mensch mit Albinismus vielleicht noch bleichere Haut haben konnte als ich.

Bisher hatte ich kein Problem damit gehabt: Ich war in der Nähe von Dawson City in Kanada aufgewachsen. Dort schneite es drei Viertel des Jahres, und im Winter konnte es schon mal dreißig Grad unter null geben. Wer wie ich an der Grenze zu Alaska lebte, für den war Sonnenbräune kein vertrauter Anblick.

Trotzdem war ich von klein auf von den anderen Kindern gehänselt worden. Sie sagten, ich sähe aus wie das Gespenst einer Ertrunkenen, denn ich hatte weißblonde Haare, dazu noch fein wie Spinnenfäden, und Augen in der Farbe eines zugefrorenen Sees.

Vielleicht hatte ich auch deswegen mehr Zeit im Wald als im Ort verbracht. Dort, zwischen Moosen und Tannen, die den Himmel berührten, gab es niemanden, der über mich urteilen wollte.

Als ich an den Tisch zurückkehrte, war meine Begleiterin aufgestanden.

»Ach, da bist du ja!« Sie lächelte mich an. »Mr Crane ist soeben eingetroffen.«

Sie trat einen Schritt beiseite. Und da sah ich ihn.

Er sah genauso aus, wie ich ihn in Erinnerung hatte.

Kantiges Gesicht, leicht ergraute, braune Haare, die Andeutung eines gepflegten Barts. Die lebendigen, vertrauensvollen Augen, um die herum sich ständig irgendwelche ausdrucksstarken Fältchen bildeten.

»Ivy.«

Seine Stimme ließ plötzlich alles furchtbar falsch erscheinen.

Ich hatte sie nicht vergessen: Sie war immer noch warm, fast väterlich, unverkennbar. Und doch zerriss dieses vertraute Timbre die Schutzhülle meiner Gefühllosigkeit und konfrontierte mich radikal mit der Wirklichkeit.

Ich war tatsächlich hier, und es war kein Albtraum.

Es war real.

»Ivy, du bist groß geworden!«

Über zwei Jahre waren vergangen. Manches Mal hatte ich mich, während ich durch das beschlagene Fenster schaute, gefragt, wann er wohl wieder am Ende der Straße auftauchen würde, mit seinen Stiefeln, die im Schnee versanken, und seiner roten Mütze aus grober Wolle auf dem Kopf. Immer mit einem gut verschnürten Päckchen in den Händen.

»Hallo John!«

Sein Lächeln zerrann zu einer bitteren Falte. Ehe ich wegschauen konnte, war er bei mir und umfing mich mit seinen Armen. Sein Geruch drang in meine Nase, der leichte Duft nach Tabak, der ihm immer anhaftete.

»Wie schön du geworden bist«, murmelte er, während ich steif wie eine Puppe blieb und seine Umarmung nicht erwiderte. Sie war so fest, als wollte er mir damit Halt bieten. »Zu schön. Ich hatte dir doch gesagt, dass du nicht groß werden sollst.«

Ich senkte den Blick und tat so, als hätte ich nicht gehört, wie er leise schniefte, als er sich endlich von mir löste und mir sacht über die Haare strich.

Dann richtete er sich wieder auf und wandte sich in einem sachlichen Ton an die Sozialarbeiterin.

»Entschuldigen Sie, ich habe mich noch nicht vorgestellt.« Er streckte die Hand aus. »Ich bin John Crane, Ivys Patenonkel.«

 

Es hatte immer nur Dad und mich gegeben.

Kurz vor Moms Tod hatte er sich aus seinem ursprünglichen Beruf zurückgezogen, und wir waren nach Kanada in die Kleinstadt Dawson City gezogen. Mom war gestorben, bevor ich irgendwelche Erinnerungen an sie haben konnte, und so hatte Dad mich allein großgezogen: Er hatte eine Blockhütte am Waldrand gekauft und sich ganz auf mich und die Natur dieser Region konzentriert.

Er hatte mir beigebracht, die Schönheit der verschneiten Wälder zu schätzen: die hohen Baumwipfel, die verborgenen Pfade und die eisumwickelten Äste, die im Sonnenuntergang wie Edelsteine glitzerten. Ich hatte gelernt, die Fährten der Tiere im Schnee zu erkennen und das Alter eines Baumes an einem frisch gefällten Stamm abzulesen. Und zu jagen. Vor allem zu jagen.

Dad hatte mich jeden Tag mitgenommen, sogar als ich noch zu klein war, um ein Gewehr zu halten. Mit der Zeit war der Umgang damit für mich so vertraut geworden, wie es sich keiner von uns beiden, vor allem nicht er, je hätte vorstellen können.

Ich erinnerte mich an die Zeit, als er mich zum Taubenschießen in flacheres Gelände mitnahm. Wir warteten im hohen Gras, und im Laufe der Jahre hatte ich gelernt, nie mein Ziel zu verfehlen.

Wenn ich an Kanada dachte, kamen mir kristallklare Seen und Wälder über nebelverhangenen Fjorden in den Sinn.

Als ich jedoch jetzt aus dem Autofenster nach oben schaute, sah ich nur Palmenwipfel und am Himmel Kondensstreifen von Flugzeugen.

»Wir sind gleich da«, sagte John.

Träge verfolgte ich, wie die Häuser in einer eintönigen, weißen Reihe an mir vorüberzogen wie Hühnerställe. Im Hintergrund glitzerte das Meer unter einer sengenden Sonne.

Während ich die Kinder auf Inlineskates und die Geschäfte voller Surfbretter betrachtete, fragte ich mich, wie ich an einem Ort wie diesem leben sollte.

Das hier war Kalifornien.

Hier wussten sie nicht einmal, was Schnee war, und ich hatte gewisse Zweifel, ob sie einen Bären von einem Vielfraß würden unterscheiden können.

Die Hitze war höllisch, und der Asphalt stank fürchterlich.

Ich würde es niemals schaffen, mich hier zu integrieren.

John musste gemerkt haben, was mich beschäftigte, denn er schaute immer wieder zu mir herüber.

»Ich weiß, es ist alles so anders.« Offenbar wollte er mich aufheitern. Er sprach aus, was mir durch den Kopf ging. »Aber ich bin sicher, dass du dich mit ein wenig Geduld daran gewöhnen wirst. Gib dir einfach etwas Zeit.«

Ich legte die Finger fest um mein Kettchen und stützte den Kopf auf die Hände. Er versuchte es mit einem Lächeln.

»Endlich kannst du mit eigenen Augen all das sehen, wovon ich dir immer erzählt habe«, meinte er sanft.

Ich erinnerte mich daran, dass er mir bei jedem Besuch in Kanada Postkarten aus Santa Barbara mitgebracht hatte.

»Hier lebe ich«, erklärte er dann immer, während er an einer Tasse mit heißer Schokolade nippte, und ich betrachtete die Strände, die perfekten Palmenhaine und diese dunkelblaue Masse im Vordergrund, deren unermessliche Weite ich mir überhaupt nicht vorstellen konnte.

»Wir reiten auf diesen Wellen und zwar auf langen Brettern«, und ich fragte mich, ob das Zähmen der Wellen, von dem er sprach, wohl dasselbe wäre wie das Zähmen eines Pferdes. Ich sagte ihm, okay, kann ja sein, dass der Ozean groß ist, aber auch wir haben Seen, bei denen man nicht bis zum Grund sehen kann und wo man im Sommer fischen und im Winter Schlittschuh laufen kann.

Dann lachte Dad und holte den Globus hervor. Er nahm meinen Finger, führte ihn darüber und zeigte mir, wie klein wir auf dieser Pappmachékugel waren.

Ich erinnerte mich an seine warmen Hände. Wenn ich die Augen schloss, konnte ich immer noch spüren, wie sie sich um meine Finger legten, mit einer Zärtlichkeit, die man so schwieligen Händen gar nicht zugetraut hätte.

»Ivy«, sagte John, als ich meine Augen schloss und mir dieses Gefühl zu ersticken wieder die Kehle zuschnürte. »Alles wird gut.«

Alles wird gut, hörte ich auch in meinem Kopf wieder, und ich sah dazu ein helles, diffuses Licht und in der Luft hängende Plastikschläuche. Ich hatte wieder den Geruch der Desinfektionsmittel und der Medikamente in der Nase, und ich sah wieder dieses beruhigende Lächeln, das niemals erlosch, solange er mich ansah.

»Alles wird gut, Ivy. Ich verspreche es.«

Und so schlief ich ein, gegen das Seitenfenster gelehnt und versunken in Erinnerungen aus Nebel und Armen, die ich niemals loslassen wollte.

 

»Hey.«

Etwas berührte meine Schulter.

»Ivy, wach auf. Wir sind da.«

Etwas benommen hob ich den Kopf. Das Kettchen löste sich von meiner Wange, und ich kniff die Augen zusammen.

John war bereits ausgestiegen und hantierte im Kofferraum. Ich löste den Sicherheitsgurt, schob die Haare nach hinten und setzte meine Cap mit der Sonnenblende auf.

Als ich aus dem Auto stieg, klappte mir die Kinnlade nach unten: Was ich vor mir sah, war keiner von den Reihenhühnerställen, die ich entlang der Straße gesehen hatte, sondern ein großes Jugendstilhaus, vielleicht eher eine Villa. Der weitläufige Garten – denn genau in so einem stand ich und hatte es nicht einmal bemerkt –leuchtete in einem saftigen Grün, und die Kiesauffahrt sah aus wie ein kleiner Fluss, der sich zwischen Einfahrtstor und Haustür dahinschlängelte. Weiße Säulen, an denen Ranken voller kleiner Jasminblüten emporwuchsen, umrahmten die Veranda, ein großer Balkon aus makellosem Marmor krönte die Fassade und verlieh dem Gebäude ein elegantes, raffiniertes Aussehen.

»Hier lebst du?«, fragte ich und klang dabei so skeptisch, dass es mich selbst überraschte.

John stellte die Koffer auf den Boden und wischte sich die Stirn mit dem Handgelenk ab.

»Nicht schlecht, was?«, fragte er zurück und betrachtete die Villa. »Gut, es ist nicht aus Holzstämmen, und der Kamin ist nie benutzt worden, aber ich bin sicher, du wirst es ganz gemütlich finden.«

Er lächelte und drückte mir eine große Leinentasche in die Arme.

Ich sah ihn missmutig an.

»Wenn man dich so hört, könnte man glatt meinen, ich wäre in einem Iglu aufgewachsen.«

Mir war durchaus bewusst, dass mein bisheriger Lebensstil etwas … bizarr wirken konnte. Ich stammte aus einer Ecke der Welt, wo man uns zuerst das Überleben beibrachte und dann erst das Leben, nicht umgekehrt. All das hier war seltsam für mich.

John lachte und sah mich einen Moment lang zärtlich an.

»Ich bin froh, dass du hier bist.«

Vielleicht hätte ich »Ich auch« sagen sollen. Oder zumindest »Danke«, denn was er tat, war mehr, als ich mir je hätte vorstellen können. Ich war es ihm schuldig, weil er mich nicht im Stich gelassen hatte.

Doch ich schaffte es bloß, mir einen Seufzer zu verkneifen und einen Lippenwinkel zu etwas zu verziehen, was man als Lächeln hätte interpretieren können.

Nachdem er das gesamte Gepäck auf die Veranda geschleppt hatte, zog John einen Schlüsselbund heraus und öffnete die Tür.

»Oh, er ist schon wieder da«, rief er, nachdem er das Haus betreten hatte. »Prima! Dann könnt ihr euch gleich kennenlernen. Komm, Ivy.«

Wer ist schon wieder da?, überlegte ich, als ich ihm ins Haus folgte. Angenehme Kühle schlug mir entgegen.

Ich ließ den Rucksack auf den Boden fallen und sah mich um. Die Decke war hoch und verputzt, und in ihrer Mitte hing ein wunderschöner Kronleuchter aus funkelnden Kristallglastropfen.

Den Auftakt zu diesem weitläufigen Haus bildete eine elegante Eingangshalle, die durch hohe Fenster und die perlmuttfarbenen Adern im Marmorfußboden in ein helles Licht getaucht wurde. Etwas weiter auf der linken Seite öffneten sich zwei monumentale Türflügel zu einem herrlichen Wohnzimmer, während sich auf der rechten Seite ein Barbereich mit Polsterhockern auf glänzenden, hohen Beinen an der schmalen Seite der Küche anschloss und den erlesenen modernen Stil unterstrich.

Geradeaus führte im Hintergrund eine herrschaftliche Treppe mit üppigem, schmiedeeisernem Geländer nach oben, eine Augenweide aus ineinander verwundenen Schnörkeln.

Kein Vergleich zu meiner gewohnten Blockhütte.

»John? Wo …?«

»Mason! Wir sind zu Hause!«

Mein Verstand setzte aus. Ich erstarrte mitten in der Eingangshalle zu einem ausgestopften Waschbär.

Nein.

Das konnte doch nicht wahr sein.

Hatte ich etwa Johns Sohn vergessen?

Ich schlug mir mit der Hand gegen die Stirn und fühlte mich wie eine komplette Vollidiotin.

Nein, das durfte nicht wahr sein …

Wie hatte mir das bloß passieren können?

Während der ganzen Reise hatte ich nichts anderes getan, als darüber nachzudenken, wie sehr sich mein Leben veränderte. Ich hatte mich ganz auf mich selbst konzentriert und mich mit dem Gedanken angefreundet, dass jemand bereit war, mich bei sich aufzunehmen.

Dieser Jemand war John gewesen, und mein Verstand hatte alles andere ausgeblendet.

Aber John hatte einen Sohn, und ich wusste das, verdammt noch mal.

Als ich klein war, hatte er mir das Foto gezeigt, das er stolz in seiner Brieftasche immer bei sich trug. Und er hatte dabei gesagt, dass wir gleich alt wären.

»Mason ist das reinste Erdbeben«, hatte er mir verraten, während ich diesen Jungen mit dem Lächeln voller Zahnlücken betrachtete. Er stand neben einem Fahrrad mit kunststoffüberzogenem Lenker, und um seinen Hals baumelten zwei Boxhandschuhe, die er offenbar mit einem gewissen Stolz trug. Und während ich für uns heiße Schokolade machte, sagte John Sätze wie: »Er ist schon so groß wie ich«, oder »Er hasst Mathe«, oder »Er ist jetzt Mitglied im Boxclub«, und dann erzählte er lang und breit von all den Kämpfen, zu denen er ging. Dabei hörte man ihm die Erleichterung darüber an, dass sein Sohn einen Sport gefunden hatte, bei dem er sein Temperament austoben konnte.

»Ivy.«

John lugte um eine Ecke, und ich fuhr zusammen.

»Komm mit. Lass das Gepäck einfach liegen.«

Ich blickte mich unsicher um und folgte ihm schließlich, ohne mich weiter um meine Sachen zu kümmern.

In diesem Moment wurde mir klar, dass nicht einmal Dad Johns Sohn je persönlich gesehen hatte. Und jetzt sollte ich ihm zum ersten Mal begegnen. Ohne ihn …

»Mason!«, rief John und öffnete ein Fenster. Er schien eifrig bemüht, das Haus so wohnlich wie möglich zu machen, wahrscheinlich für mich. »Warte hier«, bat er mich und verschwand in einem Gang.

Die Weite um mich herum war beeindruckend. Mein Blick glitt über die Bilder mit moderner Kunst und die zahlreichen gerahmten Fotos hier und da, Momentaufnahmen ihres Alltags.

Ich musterte gerade den großen Plasmafernseher, als eine Stimme die Stille im Haus durchbrach.

»Hey!«

Ich fuhr herum zur Treppe.

Ein Junge kam herunter. Mir fielen sofort das ziegelfarbene Tanktop und die raspelkurzen Haare auf.

Er war so kräftig, dass die Muskeln in seinen Armen wirkten, als würden sie gleich explodieren. Sein Gesicht war breit und etwas grob, es hatte so gar nichts von Johns Zügen.

Aufmerksam versuchte ich, in seinen Bewegungen etwas von dem Mann zu erkennen, den ich zeit meines Lebens kannte. Als er die letzte Stufe in seinen Flip-Flops herabschlappte, bemerkte ich das auffällige Tattoo auf einer Wade.

»Hallo.« Er lächelte freundlich. Zumindest vom Charakter her schien er ein wenig meinem Patenonkel zu ähneln.

»Hallo.«

Ich war noch nie gut darin, mit Leuten ins Gespräch zu kommen. Es ist schwierig, ein Gespür für menschliche Beziehungen zu entwickeln, wenn du unter Bären und Karibus lebst. Doch er sah mich so penetrant an, dass ich hinzufügte: »John hat mir so viel von dir erzählt.«

Ein amüsiertes Funkeln blitzte in seinen Augen auf.

»Ach ja?« Er sah aus, als würde er gegen ein Lachen ankämpfen. »Er hat dir von mir erzählt?«

»Ja. Du bist Mason.«

Da konnte er nicht mehr an sich halten und prustete los. Ich starrte ihn ausdruckslos an, während sein Gelächter durchs ganze Haus schallte.

»Oh, tut mir leid«, presste er zwischen zwei Lachsalven hervor, »ich kann es einfach nicht glauben.«

Mir fiel auf, dass seine Haut unter dem Tanktop einen völlig unnatürlichen Farbton hatte. Er erinnerte mich an Brandy. Ich hatte schon Elche gesehen, deren Fell heller war als diese Haut.

Es dauerte eine Weile, bis er beim Versuch, etwas zu sagen, nicht mehr in Lachen ausbrechen musste. Als er sich endlich gefasst hatte, lag in seinen Augen immer noch dieses heitere Funkeln.

»Ich glaube, hier liegt ein Irrtum vor«, sagte er schließlich. »Ich heiße Travis.«

Wieder starrte ich ihn an, diesmal war ich verwirrt. Er räusperte sich.

»Also …«

»Ich bin Mason.«

Mein Blick ging wieder zur Treppe hoch, und irgendwie erwartete ich, einen stämmigen Kerl mit Stiernacken, einer kantigen Stirn und einer an mehreren Stellen gebrochenen Nase zu sehen. Aber der Junge, der da die Treppe herunterkam, sah so gar nicht wie ein Boxer aus.

Ich hatte immer geglaubt, Kalifornier seien alle blond, groß und braun gebrannt, mit vom Sonnenöl glänzenden Muskeln und vom zu vielen Surfen wettergegerbter Haut.

Mason jedoch war nichts von alledem. Er hatte dichtes braunes Haar, und seine Augen waren ganz gewöhnlich haselnussbraun. Unter seinem T-Shirt zeichnete sich eine starke, durchtrainierte Brust ab, und seine Haut war nicht wie die von Travis, sondern einfach nur … Haut. Keine unnatürliche Bräune, nur der Farbton, den ein Mensch haben sollte, der in einem sonnigen Klima lebt.

Er war ein ganz normaler Junge. Auf jeden Fall normaler als ich, die aussah wie die Schneekönigin aus Andersens Märchen. Und doch … als er auf der letzten Stufe stehen blieb und mich von oben herab betrachtete, wurde mir klar, dass »gewöhnlich« das letzte Adjektiv war, mit dem ich ihn beschreiben konnte.

Ich wusste nicht, warum, aber als ich ihn sah, musste ich an Kanada denken.

Das eben nicht nur Wald war, nicht nur Schnee, Berge und Himmel. Nein, denn es hatte das gewisse Etwas, das es so zauberhaft machte wie nichts anderes auf der Welt, mit seinen unwegsamen Pfaden, seinen unglaublichen Polarlichtern und seinen Sonnenaufgängen über eisbedeckten Berggipfeln.

Und so wirkte Mason auf mich. Die Schönheit seiner Gesichtszüge mit den vollen Lippen und dem ausgeprägten Kinn machten den Rest nebensächlich. Er hatte eine gerade, schmale Nase, und ich hätte nie gedacht, dass jemand, dem ständig ins Gesicht geschlagen wurde, eine so ebenmäßige Nase haben könnte.

Vor allem aber fielen mir seine Augen auf: Abgrundtief lagen sie unter geschwungenen Brauen und waren starr auf mich gerichtet.

»Oh, da bist du ja endlich!«

John kam zu uns und wandte sich mit einem Lächeln an seinen Sohn. Dann legte er eine Hand auf meine Schulter.

»Ich möchte dir Ivy vorstellen.« Er drehte sich zu mir und neigte den Kopf zu meinem Gesicht herunter. »Ivy, das ist Mason. Erinnerst du dich an ihn?«

Ich hätte John gerne gesagt, dass Mason ein wenig anders aussah als das zahnlückige Kind auf den Fotos und dass ich mich bis vor ein paar Minuten nicht einmal an seine Existenz erinnert hatte, doch ich schwieg.

»Ivy?«, wiederholte Travis fragend. Vielleicht hatte ein so ungewöhnlicher Name seine Neugier geweckt. Jedenfalls schien John seine Anwesenheit erst jetzt zu bemerken. Sie begannen zu reden, aber ich bekam nichts mit.

Masons Augen wanderten über mein kariertes Hemd, das mir etliche Nummern zu groß war, und kehrten danach langsam zu meinem Gesicht zurück. Kurz blieb sein Blick an meiner Wange hängen, und mir wurde klar, dass ich dort wahrscheinlich noch den Abdruck der Halskette auf meiner Haut hatte. Schließlich landete sein Blick auf meiner Cap. Mit dem aufgestickten Elchkopf auf der Vorderseite war sie eines der wenigen Dinge, die mir wirklich etwas bedeuteten. An der Art, wie er meine Cap anstarrte, spürte ich, dass diese Begegnung nicht optimal verlaufen würde.

Erst als John uns beide ansah, zog Mason einen Mundwinkel nach oben und lächelte mich an.

»Hallo.«

Sein Blick auf meine Schulter, genau dorthin, wo zuvor die Hand seines Vaters gelegen hatte, war mir dabei nicht entgangen.

 

Nachdem Travis sich verabschiedet hatte, trug ich die Koffer ins Haus.

»Die Zimmer sind oben«, stieß John hervor, als er ein paar Kartons in der Halle abstellte. »Du kannst schon mal anfangen, die Sachen hochzubringen. Ich bin gleich wieder da.«

Er zog die Autoschlüssel aus seiner Hosentasche, wahrscheinlich um das Auto von der Einfahrt wegzufahren, und deutete Richtung Treppe.

»Mason, hilf ihr bitte! Zeig ihr doch ihr Zimmer, das am Ende des Flurs.« Er lächelte mich verlegen an. »Bis jetzt war es das Gästezimmer, aber nun ist es deins.«

Ich schaute kurz zu Mason und bückte mich dann nach ein paar vollgestopften Leinenbeuteln und einem Koffer. Er schnappte sich einen großen Karton, den ich keine paar Zentimeter von Boden hochbekommen hätte: Darin befanden sich meine Malutensilien, und allein die Farben wogen eine Tonne.

Als ich ihm die Treppe hinauf folgte, betrachtete ich seinen breiten Rücken und seine selbstsicheren Bewegungen; schließlich blieb er vor einem Zimmer stehen und ließ mich vorbei.

Der Raum war groß und hell. Die Wände waren in einem zarten Pastellblau gestrichen, und als ich den cremefarbenen Teppichboden betrat, hatte ich das Gefühl, auf einer Baumwollwolke zu laufen. Außerdem war da ein Wandschrank, und das Fenster ging auf den hinteren Teil des Gartens, wo John gerade das Auto rückwärts einparkte.

Es war schlicht. Nichts Überkandideltes, keine mit Glühbirnen umrahmten Spiegel oder anderer Schnickschnack. Und doch hätte der Unterschied zu meinem alten Zimmer nicht größer sein können.

Ein heftiges, dumpfes Geräusch ließ mich zusammenzucken. Ich fuhr herum, dabei rutschte mir der Koffer aus der Hand und landete auf meinen Turnschuhen.

Eine Farbdose kullerte über den Teppich. Pinsel ragten aus dem Karton, der vor Masons Füßen aufgeplatzt auf dem Boden lag.

Ich sah zu ihm auf. Seine Arme waren immer noch ausgebreitet, und seine Augen starrten mich ausdruckslos an.

»Ups.«

Er ging. Seine Schritte verhallten hinter der Tür.

 

Später kam John vorbei, um sich zu vergewissern, dass alles in Ordnung war.

Er fragte mich, wie mir das Zimmer gefalle und ob ich etwas umstellen wolle. Eine Weile blieb er bei mir und sah zu, wie ich langsam meine Koffer auspackte. Dann ging er, offenbar wollte er mir Zeit geben, mich einzurichten.

Als ich meine Sachen in den Schubladen verstaute, wurde mir klar, dass meine leichtesten Kleidungsstücke ein paar abgetragene Jeans und alte T-Shirts von Dad waren.

Ich holte ein paar Bücher, von denen ich mich nicht hatte trennen können, aus den Kartons, ebenso meine alte Sofortbildkamera, und setzte meinen Plüschelch aufs Bett.

Ein Wimpel mit der kanadischen Flagge fiel mir in die Hände, und kurz spielte ich mit dem Gedanken, ihn über dem Kopfende des Bettes aufzuhängen wie zu Hause. Dann überlegte ich, dass das Einschlagen von Nägeln etwas beängstigend Endgültiges haben würde, und ließ es bleiben.

Als ich schließlich fertig war, ging draußen bereits die Sonne unter. Ich brauchte unbedingt eine Dusche. Es war wirklich heiß, und ich war diese Temperaturen nicht gewohnt, also schnappte ich mir meine Duschsachen und frische Klamotten und ging auf den Flur hinaus.

Es dauerte eine Weile, bis ich das Badezimmer fand. Als ich die richtige Tür geöffnet hatte, schlüpfte ich hinein und wollte abschließen, aber das Schlüsselloch war leer. Ich beschloss, einfach mein T-Shirt vor die Tür zu hängen und mich schnell frisch zu machen, bevor es zu spät wurde.

Das Wasser wusch den Schweiß, die Erschöpfung und den Flugzeug- und Reisegeruch weg. Nachdem ich fertig war, trocknete ich mich ab und zog anschließend frische Sachen an.

Als ich aus dem Bad kam, duftete es appetitlich im Flur.

Ich folgte dem Geruch bis zur Küche, wo John mit brutzelnden Pfannen herumhantierte, von denen der Geruch nach gebratenem Fisch aufstieg.

»Oh, da bist du ja!«, rief er, als er mich in der Tür sah. »Ich wollte dich gerade rufen. Es ist so gut wie fertig.« Er schwenkte das Gemüse und streckte sich, um ein paar Gewürze vom Regal zu angeln. »Ich hoffe, du bist hungrig. Ich habe dein Lieblingsgericht gemacht!«

Der Geruch war so vertraut, dass er widersprüchliche Gefühle in mir auslöste. Unschlüssig blieb ich im Türrahmen stehen und blickte auf den für drei Personen gedeckten Tisch.

John ging zum Kühlschrank und nahm das Wasser heraus, aber nachdem er die Tür geschlossen hatte, hielt er verwundert inne.

»Hey, wo willst du denn hin?«

Mason lief an der Küche vorbei zur Haustür. Er hatte eine große Sporttasche über der Schulter und trug ein Sporttrikot zu einer grauen Hose. Im Gehen drehte er sich zu uns um und warf seinem Vater einen unergründlichen Blick zu.

»Ich muss zum Training.«

»Bleibst du nicht zum Abendessen?«, fragte John, was Mason doch zum Stehen brachte.

»Nein. Sonst komm ich zu spät.«

»Ich denke, ein Mal wird das nicht so schlimm sein«, versuchte John, ihn zu überzeugen, aber Mason schüttelte den Kopf und packte den Riemen seiner Tasche.

»Kannst du nicht wenigstens noch ein bisschen bleiben?«, beharrte John weiter. »Du könntest Ivy kurz durchs Haus führen! Nur ein paar Minuten, ihr zum Beispiel das Bad zeigen, damit sie sich auskennt!«

»Das ist nicht nötig, John«, mischte ich mich ein. »Ich habe es schon selbst gefunden.«

John drehte sich zu mir. Mason blieb hinter ihm im Zwielicht der Eingangshalle stehen. Der Blick, den er mir zuwarf, war so schneidend, dass ich fast zusammenzuckte. Dann drehte er sich um und ging ohne ein weiteres Wort.

»Oh, na ja …«, hörte ich John sagen. »Dann gibt es eben umso mehr für uns.«

Mit einer höflichen Geste forderte er mich auf, mich zu setzen, und nach einem letzten Blick zur Haustür ging ich an den Tisch.

Das Abendessen war sehr verlockend. John legte eine dampfende Lachsschnitte auf meinen Teller, und wir aßen schweigend.

Es war gut. Es war wirklich gut. Aber obwohl John das Gericht genau so zubereitet hatte, wie ich es mochte, schien es ohne die prickelnd-frische Luft der kanadischen Nächte anders zu schmecken.

»Ich habe bereits alles mit der Schule geregelt.«

Ich wischte mit einem Brokkoliröschen über meinen Teller, bevor ich es zum Mund führte.

»Du brauchst dich um nichts mehr zu kümmern«, fuhr er fort und löste mit der Gabelseite ein Stück Lachs. »Ich habe an alles gedacht. Morgen ist es ein bisschen früh zum Einsteigen, aber am Mittwoch könntest du schon am Unterricht teilnehmen.«

Ich sah auf und begegnete seinem aufmunternden Blick.

»Na, was meinst du?«

Nicht sonderlich überzeugt nickte ich. Tatsächlich war mir schrecklich unwohl bei dem Gedanken, an einer neuen Schule anfangen zu müssen. Ich spürte bereits die Blicke der anderen auf mir und hörte das Getuschel, das mich verfolgen würde.

»Vielleicht sollten wir dir etwas zum Anziehen kaufen«, fuhr John fort, »also etwas, in dem du nicht gleich einen Hitzschlag bekommst.«

Ich nickte wieder abwesend.

»Und ich lass dir ein paar Schlüssel nachmachen«, hörte ich ihn hinzufügen, während vor mir die Realität verblasste und ich wieder von meinen Gedanken verschlungen wurde. »Dann kannst du jederzeit und ohne Probleme kommen und gehen.«

Ich hätte mich gerne bei ihm für all das bedankt, woran er gedacht hatte. Oder mich zumindest um ein Lächeln bemüht, weil er mir schon so viel abgenommen hatte. Aber die Wahrheit war, dass mich das alles nicht interessierte.

Weder Schule, noch Kleidung, noch die Annehmlichkeit eigener Hausschlüssel.

Und während ich mit der nächsten Gabel weitere Erinnerungen in mir aufnahm, die immer noch zu sehr schmerzten, sah John mich an und lächelte zärtlich.

»Schmeckt der Lachs?«

»Er ist sehr lecker.«

 

Nach dem Essen kehrte ich in mein Zimmer zurück, setzte mich aufs Bett und umschlang meine Knie mit den Armen. Ich sah mich um und fühlte mich noch mehr fehl am Platz als beim ersten Betreten des Zimmers.

Ich überlegte, ob ich etwas zeichnen sollte, aber die Vorstellung, in meinem Skizzenbuch zu blättern, rief Erinnerungen wach, die ich nicht haben wollte.

Ich legte meinen Kopf auf das Kissen. Es war überraschend weich. Und bevor ich das Licht ausschaltete, griff ich nach der Halskette, die Dad mir geschenkt hatte.

Mehrere Stunden später lag ich jedoch immer noch wach im Bett und wälzte mich hin und her. Die Hitze ließ mich einfach nicht schlafen, nicht einmal die Dunkelheit konnte mir Schlaf schenken.

Ich setzte mich auf und strampelte die Laken weg. Vielleicht würde ein Glas Wasser helfen …

Ich stand auf und verließ den Raum.

Auf dem Weg zur Treppe versuchte ich, so leise wie möglich zu sein. Im Halbdunkel tappte ich ins Erdgeschoss und versuchte, mich daran zu erinnern, wo die Küche war. Als ich an der Tür war und das Licht einschaltete, bekam ich fast einen Schlag.

Mason.

Er lehnte am Waschbecken, hatte die Arme verschränkt und ein Glas Wasser in der Hand. Seine braunen Haare hingen in Strähnen rund um die Augen, was ihm einen fast wilden Ausdruck verlieh, und sein Gesicht war zur Seite geneigt.

Er hatte mich erschreckt. Was machte er dort im Dunkeln wie ein Dieb?

Als ich jedoch seinen Gesichtsausdruck bemerkte, waren alle Überlegungen weggewischt. In diesem Moment bekam ich die Bestätigung für etwas, das ich bereits geahnt hatte, etwas, das sich seit dem ersten Moment in diesem Haus in mir festgesetzt hatte. Es war ganz egal, was ich tun würde. Dieser Blick würde sich nicht ändern.

Mason leerte sein Glas und stellte es neben sich ab. Dann löste er sich ohne Hast von der Spüle und kam auf mich zu. Schließlich blieb er neben mir stehen, zwischen uns war gerade mal eine Hand breit Platz. Nah genug, dass ich seine imponierende Präsenz über mir wahrnahm.

»Damit das klar ist«, hörte ich deutlich, »ich will dich hier nicht haben.«

Er ging an mir vorbei, verschwand in der Dunkelheit und ließ mich allein in der Küchentür zurück.

Ach was. Das hatte ich auch so verstanden.

2WO DU NICHT BIST

In dieser Nacht tat ich kein Auge zu.

Mir fehlten mein Bett, mein Zimmer, die Natur in ihrer eisigen Stille draußen vor dem Fenster.

Es kam mir vor, als wäre nicht nur mein Körper am falschen Ort, sondern auch mein Verstand, mein Herz, mein Geist, alles: Ich war völlig aus der Bahn geworfen und fühlte mich eingeengt wie ein Dübel, der mit Gewalt in ein unpassendes Loch gezwängt wurde.

Als von draußen Licht durch die Vorhänge drang, begrub ich die Hoffnung, endlich einzuschlafen, und beschloss aufzustehen. Ich dehnte meinen Nacken, der die ganze Nacht nach einer kühlen Stelle an meinem Kissen gesucht hatte, und fuhr mit den Fingern durch mein feines Haar, das sich ganz zerzaust anfühlte. Nachdem ich eine Jeans und ein altes T-Shirt von Dad angezogen hatte, dessen Ärmel ich hochkrempelte und das ich in die Hose steckte, schlüpfte ich in meine Schuhe und ging die Treppe hinunter.

Im Erdgeschoss herrschte Stille.

Ich wusste nicht, was ich erwartet hatte. Vielleicht, dass John in der Küche sein würde, dass er Frühstück machte oder bei geöffneten Fenstern die Zeitung las, so wie er es immer getan hatte, wenn er bei uns zu Besuch war.

Doch alles war still. Kein einziger Laut war zu hören. Es war, als wäre alles um mich herum zu Eis erstarrt, allerdings ohne Anzeichen von Leben, ohne irgendetwas Vertrautes; da war nur ich.

Unwillkürlich kamen die Erinnerungen zurück und schoben sich vor die Realität. Ich sah wieder die Arbeitsplatte aus Eichenholz vor mir, einen Rücken vor dem Herd. Durchs offene Fenster wehte ein leichter Wind herein und brachte den Geruch von Baumstämmen und feuchter Erde mit sich.

Und da war er, stand da und pfiff vor sich hin. Er hatte seinen blauen Pullover an, und auf seinen Lippen lag ein Lächeln, als würde er nur darauf warten, mir Guten Morgen zu sagen …

Ich wich zurück und schluckte heftig. Dann riss ich mich von diesen Erinnerungen los und durchquerte die Eingangshalle so eilig, dass ich schon mit einem Fuß aus der Tür war, während ich noch den Schlüssel aus der Schale nahm.

Die Tür fiel hinter mir zu wie die einer Gruft. Und plötzlich schien sich die Luft zu verändern, das Atmen fiel mir leichter. Ich blinzelte ein paarmal und versuchte hastig, alles wieder aus meinem Kopf zu verbannen.

»Es geht mir gut«, beschwor ich mich im Flüsterton. »Es geht mir gut.«

Ich sah ihn einfach überall.

Auf der Straße.

In diesem Haus.

In wildfremden Menschen am Flughafen.

In spiegelnden Schaufenstern und in Geschäften, hinter Häuserecken oder auf dem Bürgersteig.

Jeder hatte etwas von ihm.

Jeder hatte irgendetwas an sich, das mein Herz berührte, es zum Stillstand brachte und mich im Innersten erschütterte.

Es machte mich völlig fertig.

Ich fasste mir an die Nasenwurzel und schloss die Augen. Mühsam riss ich mich zusammen, kämpfte dagegen an, dass meine Schläfen pochten oder meine Kehle sich zuschnürte wie eine Schlinge. Ich schluckte, dann holte ich tief Luft, richtete den Blick auf den Garten und ging auf das Tor zu.

Johns Haus lag in einem ruhigen, höhergelegenen Viertel mit weißen Zäunen und Briefkästen entlang der sanft abfallenden Straße.

Die erste Morgensonne schien auf die Dächer der Häuser, wie Korallen leuchteten sie unter den Sonnenstrahlen. Und am Horizont glitzerte der Ozean.

Auf der Straße war kaum jemand zu sehen. Ich begegnete nur dem Postboten und einem sorgfältig frisierten Jogger, der mir einen flüchtigen Blick zuwarf.

In Kanada hatten die Geschäfte morgens um sechs bereits die Rollläden geöffnet und die Ladenschilder beleuchtet.

Die Sonnenaufgänge dort waren unglaublich. Der Fluss strömte dahin wie flüssiges Blei, und der Nebel auf dem Fjord war so dicht, dass er wie ein Tal voller Watte aussah. Es war wunderschön …

Zu meiner Überraschung entdeckte ich schon von Weitem einen kleinen Laden, dessen Rollläden tatsächlich bereits geöffnet waren. Als ich näherkam, staunte ich noch mehr.

Es war ein Geschäft für Bastelbedarf. Das Schaufenster war voll mit Zeichen- und Malutensilien: Bleistifte, Radiergummis, Schattierstifte, eine prächtige Ansammlung von Pinseln mit glänzenden Beschlägen. Neugierig betrachtete ich dieses Wunderwerk und versuchte, in den Laden hineinzuspähen. Er war klein und eng, aber als ich eintrat, empfing mich eine angenehme Kühle.

Ein kleiner, älterer Mann mit Brille lächelte mich an.

»Guten Morgen!«

Er war so winzig, dass ich auf ihn hinunterblickte, als er zu mir kam. »Kann ich dir behilflich sein?«, fragte er höflich.

Es gab hier so viele Farben, Schreibfedern und Kohlestifte, dass ich mich gar nicht entscheiden konnte.

Solche Läden gab es bei uns zu Hause nicht: In Dawson hatten wir nur ein kleines Schreibwarengeschäft gehabt, und einen Teil meiner Mal- und Zeichenutensilien hatte Dad für mich aus größeren Städten besorgt.

»Ich hätte gern einen Stift«, sagte ich, als ich meine Stimme wiedergefunden hatte. »Einen Rötelstift.«

»Oh!«, erwiderte er strahlend und sah mich bewundernd an. »Eine Traditionalistin!« Er beugte sich vor, um eine Schublade zu öffnen, und ich hörte ihn mit Schachteln herumhantieren. »Alle wahren Künstler haben einen Rötelstift, wusstest du das?«

Nein, das wusste ich nicht, aber ich hatte mir immer einen gewünscht. Eine Zeit lang hatte ich sogar versucht, mit einem roten Buntstift zu zeichnen, aber es war nicht dasselbe: Der Rötelstift war einfach auf besondere Weise weich, sodass man seine Farbe sehr leicht verwischen und wunderbare Effekte erzielen konnte.

»Hier, bitte sehr«, sagte er. Ich bezahlte, und er gab mir das Wechselgeld, dann steckte er den Stift in eine Papiertüte.

»Und probier ihn auf grobem Papier!«, riet er mir, als ich schon an der Tür war. »Rötel macht sich besser auf rauem Untergrund.«

Dankend nickte ich ihm zu und ging hinaus.

Ich sah auf die Uhr, denn ich wollte vermeiden, dass John aufwachte und ich nicht zu Hause war. Sicher wäre er vom Schlimmsten ausgegangen, und ich wollte nicht, dass er gleich am frühen Morgen einen Herzinfarkt bekam. Also kehrte ich um und machte mich auf den Heimweg.

Als ich über die Schwelle trat, war alles noch still. Ich legte die Schlüssel in die Schale an der Haustür und betrat die Küche, getrieben von einem leichten Hungergefühl. Sie war sehr hochwertig und modern eingerichtet, mit dunklen Farben und klaren Linien. Der glänzende Herd und der massive, mit Magneten bestückte Kühlschrank waren nicht nur äußerst dekorativ, sondern strahlten auch Gastfreundschaft aus. Ich ging hinüber und öffnete die Edelstahltür des Kühlschranks. Im Seitenfach entdeckte ich drei Milchflaschen: eine mit Erdbeergeschmack, eine mit Vanillegeschmack und die letzte, mit einem bräunlichen Deckel, mit Karamellgeschmack. Ich schürzte die Lippen angesichts dieser ungewohnten Aromavarianten. Schließlich nahm ich die mit Vanillegeschmack, in meinen Augen noch das geringste Übel, und suchte nach einem Topf, den ich schließlich in einem Schrank fand. Während ich die Milch hineingoss, ging mir ein Gedanke durch den Kopf.

Sollte ich John sagen, dass Mason mich nicht leiden konnte?

Im Laufe meines Lebens hatte ich gelernt, mir nichts aus dem Urteil anderer Leute zu machen. Doch dieses Mal war es anders. Mason war nicht irgendjemand, er war Johns Sohn. Darüber hinaus war er das Patenkind meines Vaters, auch wenn sie sich nie kennengelernt hatten.

Ich würde wohl damit leben müssen, ob es mir passte oder nicht. Und der Teil meiner Seele, der sich am meisten mit den beiden verbunden fühlte, schmerzte bei dem Gedanken, dass er mich verachten könnte.

»Ich habe Mason deine Zeichnung gegeben«, hatte John mir vor langer Zeit erzählt, als ich noch klein genug war, um auf seinen Schoß zu klettern. »Er findet Bären toll und hat sich sehr darüber gefreut!«

Was hatte ich nur falsch gemacht?

»Oh, guten Morgen!«

Das Gesicht meines Patenonkels tauchte in der Tür auf, und ich sah ihm an, wie glücklich er darüber war, mich hier in seiner Küche vorzufinden, wo ich mir selbst meine Milch warm machte.

»Hallo«, begrüßte ich ihn, als er sich zu mir gesellte, noch im Schlafanzug.

»Wie lange bist du schon wach?«

»Eine Weile.«

Ich war noch nie sehr gesprächig gewesen. Ich drückte mich mehr mit Blicken als mit meiner Stimme aus, und John kannte mich schon lange und hatte gelernt, mich zu verstehen. Er stellte mir ein Glas Honig auf den Tresen, weil er wusste, dass ich ihn mochte, und griff nach der Kaffeedose.

»Ich war heute Morgen schon draußen.«

Er erstarrte. Dann wandte er mir das Gesicht zu, die Dose fest umklammernd.

»Ich habe einen Spaziergang bei Sonnenaufgang gemacht.«

»Alleine?«

Etwas an seinem Tonfall ließ mich die Stirn runzeln. Ich sah ihn an, und er musste meine Gedanken erraten haben, denn er leckte sich nervös über die Lippen und wandte den Blick ab.

»Du hast doch gesagt, du gibst mir einen Schlüssel«, erinnerte ich ihn und fragte mich, ob das ein Problem darstellte. »Damit ich rein- und rauskann, wann immer ich will.«

»Klar«, stimmte er zu, mit einem Zögern, das ich von ihm nicht kannte. Was war nur mit ihm los? Ich war zwar noch nie bei ihm zu Gast gewesen, aber ich kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass er kein spießiger, ängstlicher Vater war. Warum machte er jetzt den Eindruck, als wollte er seine eigenen Worte zurücknehmen?

Er schüttelte den Kopf.

»Nein, ist schon gut. Das war völlig in Ordnung«, sagte er mit einem unsicheren Lächeln. »Im Ernst, Ivy … Es ist nur so, dass du ja erst gestern angekommen bist und … ich habe mich noch nicht daran gewöhnt.«

Ich beobachtete ihn aufmerksam. Als er zum Kühlschrank ging, fragte ich mich, warum er so besorgt war. Ich kannte John nur als einen sehr diplomatischen Menschen. Er hatte sich stets für mich eingesetzt, wenn mein Vater ihm erklärte, warum ich gerade sauer auf ihn war und mich lieber neben ihn setzte. Warum schien es jetzt anders zu sein?

»Ich bin gleich wieder da«, ließ er mich wissen, »ich gehe die Zeitung holen.«

Er verließ die Küche, und ich kümmerte mich um die Milch. Ich nahm eine der Tassen, die er auf den Tisch gestellt hatte – die mit der aufgemalten Haifischflosse –, goss die Milch hinein, und nachdem ich zwei Teelöffel Honig hineingetan hatte, hob ich sie an meine Lippen, um hineinzupusten.

Als ich aufsah, erblickte ich Mason.

Er stand in der Tür, sein wirres Haar berührte fast den oberen Rand des Türrahmens. Seine Erscheinung wirkte auf mich noch eindrucksvoller als am Tag zuvor. Die dunklen Wimpern warfen lange Schatten auf seine markanten Wangenknochen, und seine Oberlippe war zu einer verärgerten Grimasse verzogen.

Ich fühlte mich winzig, als er aus der Tür trat und langsam in meine Richtung kam. Selbst ich, die ich recht groß bin, reichte ihm kaum bis zum Hals.

Er kam mit lässigem, fast raubtierhaftem Gang auf mich zu und blieb so dicht vor mir stehen, als wollte er mich einschüchtern. Ohne ein Wort griff er nach der Tasse, die ich umklammert hielt. Es war zwecklos, sie festhalten zu wollen –, er entriss sie mir mit solcher Entschlossenheit, dass ich gezwungen war, sie loszulassen.

Dann streckte er den Arm aus und kippte meine Milch in die Spüle.

»Die gehört mir.«

Er betonte das »gehört mir«, und ich hatte das Gefühl, dass er sich nicht nur auf den Gegenstand in seiner Hand bezog, sondern auf noch viel mehr.

Was zum Teufel war mit ihm los?

»Warum hat der Zeitungsjunge eigentlich nie Wechselgeld?«, beschwerte sich John, als Mason an mir vorbeiging. Nachdem er die Zeitung auf den Tisch gelegt hatte, bemerkte er seinen Sohn.

»Oh, hallo!«, rief er aus und wirkte gleich etwas fröhlicher. »Dann sind wir ja alle versammelt, wie schön!«

Wenn er mit »alle« mich, ihn und Mason meinte, dann waren wir für meinen Geschmack definitiv zu viele.

Dem feindseligen Blick nach zu erteilen, den Mason mir heimlich hinter der Speisekammertür zuwarf, sah er das wohl genauso.

Ich hatte geglaubt, mein Problem bestehe darin, dass ich mich an einen neuen Lebensstil gewöhnen musste, aber zwei Dinge hatte ich dabei nicht bedacht:

Das erste war dieser ebenso mürrische wie attraktive Junge, der mir soeben einen vernichtenden Blick zugeworfen hatte.

Das zweite war die Art und Weise, wie er mir aus jeder Pore zuzurufen schien: »Du hast hier nichts verloren.«

 

Nach dem Frühstück fuhr Mason zur Schule, und ich ging auf mein Zimmer. Erst jetzt merkte ich, dass es ein Fehler gewesen war, das Fenster offen zu lassen, denn es herrschte eine brütende Hitze.

Als John hereinkam, lag ich auf dem Teppich, alle viere von mir gestreckt. Mein Haar war noch nass vom Duschen, und ich hatte nur ein T-Shirt an, das mir bis zu den Oberschenkeln reichte.

»Was machst du da?«, fragte er.

Er war vollständig bekleidet. Ich legte den Kopf in den Nacken und starrte von unten zu ihm hoch.

»Ich sterbe vor Hitze.«

Er sah mich verwundert an. »Ivy, aber … es gibt doch eine Klimaanlage. Hast du die Fernbedienung nicht gesehen?«

Wir sahen uns lange an.

Klimaanlage?

Mal davon abgesehen, dass ich keine Ahnung hatte, wie eine Klimaanlage aussah – warum sagte er mir das erst jetzt, nachdem ich in den letzten vierundzwanzig Stunden mehr geschwitzt hatte als in meinem ganzen bisherigen Leben?

»Nein, John«, antwortete ich und versuchte, die Fassung zu bewahren. »Ich habe sie nicht gesehen.«

»Sie ist hier, siehst du?«, sagte er sanft und kam mit der Aktentasche in der Hand herein. »Ich zeige dir, wie sie funktioniert.«

Er nahm eine kleine, weiße Fernbedienung vom Schreibtisch und erklärte mir, wie man die Temperatur einstellt, dann ließ er es mich ausprobieren. Ich richtete sie auf eine Art Kasten über dem Schrank, der daraufhin piepte. Im nächsten Moment begann das Gerät, mit einem leisen Summen kalte Luft auszustoßen.

»Ist es jetzt besser?«

Ich nickte langsam.

»Perfekt. Ich muss nämlich los, ich bin schon spät dran. Ein paar Dinge kann ich auch von hier aus erledigen, also bin ich am Nachmittag zurück, okay? Der Kühlschrank ist voll, falls du dir etwas zu essen machen willst.«

Er zögerte, und in seinen Augen konnte ich wieder diese Besorgnis erkennen, mit der er mich so oft ansah.

»Vergiss nicht zu essen. Und wenn etwas ist, ruf mich an.«

Nachdem er gegangen war, verbrachte ich die restliche Zeit mit Zeichnen.

Ich liebte es, einzigartige Szenen zum Leben zu erwecken und dabei ganz die Zeit zu vergessen. Es machte mir nicht nur Freude – es war eine Notwendigkeit. Auf diese Art konnte ich mich ganz vertraut in aller Stille von der Welt abschotten und ihr Chaos ausblenden. Es erlaubte mir, mich zu spüren. In Kanada hatte ich mich oft mit meinem Skizzenbuch und einem Bleistift ausgerüstet und alles skizziert, was ich sah: Blätter, Berge, tiefrote Wälder und Gewitter. Ein Haus, das sich gegen den Schnee abzeichnete, und zwei graue Augen, identisch mit meinen …

Ich schluckte. Meine Augenlider zitterten, und ich atmete gepresst, wie gegen Glas. Den Rötelstift fest umklammert, spürte ich, wie die Dunkelheit in mir für einen gefährlichen Augenblick vibrierte. Sie beschnupperte mich, wollte mich streicheln, aber ich hielt ganz still, stellte mich tot, ließ mich nicht von ihr packen. Im nächsten Augenblick blätterte ich, angetrieben von einer unsichtbaren Kraft, ein paar Seiten weiter.

Und auf einmal begegnete ich seinem Blick, er war auf das Papier gebannt. Schweigend starrte ich ihn an, unfähig, ihn auch nur zu berühren.

So ging es mir jedes Mal.

Ich war wie gelähmt, konnte nicht lächeln, nichts fühlen, manchmal konnte ich nicht einmal atmen. Ich kam einfach nicht damit klar, dass er nicht mehr da war, und suchte überall nach ihm – aber nur in meinen Träumen sah ich ihn wirklich wieder.

Dann sagte er zu mir: »Sei stark, Ivy«, und der Schmerz, den ich empfand, war so real, dass ich mir wünschte, ich wäre wirklich dort, bei ihm, in einer Welt, in der wir noch zusammen sein könnten.

Nur in diesen Träumen bekam ich ihn kurz zu fassen: Einen Augenblick lang streckte ich die Hand aus und berührte ihn, bevor die Dunkelheit ihn wieder verschluckte und ich mit panischem Keuchen erwachte, in dem Wissen, dass ich seine Wärme nie wieder spüren würde.

 

John kehrte am frühen Nachmittag zurück.

Als er zu mir kam, um mich zu begrüßen, war seine Krawatte gelockert und ein paar Knöpfe an seinem Hemd geöffnet.

»Ivy, ich bin zurü… Mein Gott!« Er riss die Augen auf. »Hier drin ist es ja eiskalt!«

Ich blickte von meinem Skizzenbuch auf und sah ihn verwirrt an. Endlich herrschte meine Wohlfühltemperatur.

»Hallo.«

John fröstelte und starrte fassungslos zur Klimaanlage, die auf vollen Touren lief.

»Das ist ja wie bei den Pinguinen! Auf wie viel Grad hast du sie denn eingestellt?«

»Zehn«, antwortete ich wahrheitsgemäß.

Er schaute mich entgeistert an. Allerdings sah ich überhaupt kein Problem. Es fühlte sich richtig gut an, dass ich ein langärmeliges Oberteil hatte anziehen müssen, weil ich eine leichte Gänsehaut auf den Armen bekam.

»Und dir ist nicht kalt so?«

»Jedenfalls ist mir so nicht mehr heiß.«

»Ach du meine Güte! Du willst sie doch nicht etwa die ganze Nacht anbehalten?«

Ich hatte definitiv vor, sie die ganze Nacht anzulassen, aber ich beschloss, dass er das nicht unbedingt wissen musste. Also antwortete ich nicht und widmete mich wieder meinen Zeichnungen.

»Hast du wenigstens etwas gegessen?«, fragte er resigniert, als er sah, dass ich nicht vorhatte, ihm zu antworten.

»Ja.«

»Gut.« Mit einem letzten besorgten Blick auf die Klimaanlage ging er sich umziehen.

Mason hingegen tauchte den Rest des Tages nicht mehr auf. Er rief John an, um Bescheid zu sagen, dass er bei einem Freund zu Abend essen würde, mit dem er noch weiterlernen müsse. Ich hörte, wie sie sich lange am Telefon stritten, und zum ersten Mal kam mir etwas in den Sinn, worüber ich mir bis zu diesem Moment überhaupt keine Gedanken gemacht hatte.

Wo war eigentlich Masons Mutter?

Und warum hatte John sie nie erwähnt?

Ich wusste, dass er alleinerziehend war, aber in diesem großen Haus klaffte eine Leerstelle, die man nicht ignorieren konnte. Es fühlte sich an, als wäre etwas mit einem Radiergummi wegradiert worden, etwas, das einen verblassten Abdruck hinterlassen hatte.

»Heute Abend sind wir noch mal zu zweit«, teilte er mir schließlich mit, als er in der Tür auftauchte. Ich musterte sein Gesicht, und er lächelte, aber ich bemerkte dennoch einen Hauch von Unmut.

War er es gewohnt, von Mason enttäuscht zu werden?

Wartete er abends oft zu Hause auf ihn, in der Hoffnung, etwas Zeit mit ihm zu verbringen?

Wartete er vergeblich?

Ich hoffte von ganzem Herzen, dass die Antwort Nein lautete.

 

»Und, hast du alles?«, fragte John mich am nächsten Morgen.

Ich nickte, ohne ihn anzusehen, während ich meine Cap am Riemen meines Rucksacks befestigte.

Normalerweise hätte ich zumindest versucht, seine Begeisterung zu teilen, aber ich war einfach nicht mehr in der Lage, Gefühle zu zeigen.

»Mason wird dir zeigen, wo die Kursräume sind«, fuhr er zuversichtlich fort, allerdings bezweifelte ich stark, dass das der Fall sein würde. »Es ist ziemlich weit zur Schule, aber keine Sorge, ihr fahrt ja zusammen mit dem Auto …«

Abrupt sah ich auf.

Zusammen?

»Danke«, antwortete ich, »aber ich gehe lieber zu Fuß.«

Er runzelte die Stirn. »Es ist ein langer Weg, Ivy. Mach dir keinen Kopf, Mason fährt ja ohnehin jeden Morgen zur Schule. Es ist besser so, glaub mir. Außerdem … wäre es mir lieber, wenn du bei ihm wärst«, fügte er hinzu, ein unausgesprochenes Flehen um Verständnis. »Ich möchte nicht, dass du den Weg allein gehst.«

Ich runzelte die Stirn. »Warum? Ich verlaufe mich schon nicht«, stellte ich ohne Überheblichkeit klar. John wusste sehr gut, wie problemlos ich mich orientieren konnte, selbst an Orten, die ich nicht gut kannte. Doch er schien mich nicht zu hören.

»Ach, da ist Mason ja schon«, fügte er hinzu und wischte damit meine Frage vom Tisch. »Es wird alles gut gehen, du wirst schon sehen. Ich bin sicher, du findest schnell Freunde.«

Das klang nach einer Lüge, doch als er sich von mir verabschiedete, wirkte er tatsächlich zuversichtlich. Ich warf ihm noch einen letzten Blick zu und machte mich dann auf den Weg hinaus in die Einfahrt zu Masons Auto.

Mit gesenktem Blick stieg ich ein und vermied es, ihn anzusehen. Die Aussicht, mit ihm zusammen zu fahren, gefiel mir ganz und gar nicht, aber ich schnallte mich an und stellte meinen Rucksack neben meinen Füßen ab, fest entschlossen, Mason zu ignorieren.

Der Kies knirschte unter den Reifen, als wir auf das Tor zurollten. Im Rückspiegel sah ich John, er stand auf der Veranda und winkte uns hinterher.

Ich schaute aus dem Fenster. Da waren Gruppen von Kindern auf ihren Fahrrädern und ein kleines Café, in dem sich zahlreiche Menschen tummelten, die frühstücken wollten. Einige liefen mit einem Sonnenschirm unter dem Arm herum, und hier und da sah ich hinter den Häusern im Hintergrund das Meer glitzern. In Santa Barbara schienen die Menschen sehr entspannt zu sein: Vielleicht lag es an der Hitze und am Sonnenlicht, dass alle so freundlich waren – jedenfalls wirkte es befremdlich auf mich.

Als der Wagen anhielt, hatte ich das Gefühl, wir wären gerade erst losgefahren. Dann fiel mein Blick auf den Bastelladen auf der anderen Straßenseite, und mir wurde klar, dass mich mein Eindruck nicht täuschte.

Wir waren wirklich gerade erst losgefahren.

»Steig aus.«

Ich blinzelte und drehte mich zu Mason, der seinen Blick nicht von der Straße abwandte.

»Wie bitte?« Ich ging davon aus, ihn falsch verstanden zu haben.

»Ich habe gesagt, du sollst aussteigen«, wiederholte er lapidar und richtete seine Augen auf mich.

Fassungslos starrte ich ihn an. Sein Blick war finster entschlossen, zweifelsohne würde er mich mit Gewalt dazu bringen, wenn ich nicht freiwillig ausstieg, und darauf wollte ich es lieber nicht ankommen lassen.

Ich schnallte mich also ab und stieg aus dem Auto. Kaum hatte ich die Tür geschlossen, legte er den Gang ein und fuhr los.

Ich stand mitten auf dem Bürgersteig und sah zu, wie der Wagen im Sonnenlicht verschwand.

 

Als ich eine halbe Stunde später durch das Schultor trat, war meine Cap umgedreht und der Schweiß lief mir in Rinnsalen den Rücken hinunter.

Ich wusste nicht einmal, wie ich es geschafft hatte, dorthin zu kommen: Unterwegs hatte ich immer wieder anhalten und nach dem Weg fragen müssen, bis ich irgendwann aus der Ferne ein paar Fahnen entdeckte und etwas, das wie ein Schulgebäude aussah.

Ein Junge rempelte mich mit der Schulter an und blieb stehen, um mich anzustarren, aber ich drehte mich nicht zu ihm um: Ich war so genervt, dass ich gar nicht darauf achtete.

Während ich den breiten Schulkorridor hinunterging, hoffte ich inständig, dass wenigstens eine Möwe auf Masons Auto geschissen hatte. Ich hatte zunehmend Mühe, mir einen Weg durch die Leute zu bahnen – es wimmelte hier von Rucksäcken, und das Stimmengewirr war, gelinde gesagt, ohrenbetäubend.

In Dawson gab es keine unterschiedlichen Kurse, Clubs oder Sportmannschaften. Wir hatten gerade mal eine Schulmensa, und die Köchin war so ruppig, dass man hätte meinen können, sie sei mit einem heimischen Grizzly verwandt. Neue Leute gab es eigentlich nie.

Hier dagegen herrschte das reinste Chaos.

Aber wie um alles in der Welt sollten all diese Schüler hier unterrichtet werden?

Einige blieben stehen, um mich zu mustern. Ich zog viele Blicke auf mich, immer wieder scannte jemand meine Kleidung und meine verkehrt herum aufgesetzte Cap, als wäre es seltsam, was ich anhatte oder wie ich es anhatte.

Ich vermied es, irgendwem in die Augen zu sehen, und ging auf direktem Wege zum Sekretariat, wo ich meine Spindnummer bekam. Es war nicht leicht, in dem Gedränge den richtigen Spind zu finden. Als ich es endlich geschafft hatte, öffnete ich die Tür und verbarg mein Gesicht drin im Dunkeln. Ich sehnte mich danach, wieder von Wäldern umgeben zu sein.

Seufzend nahm ich meine Cap ab, und in dem Moment fiel ein Schatten auf mich, und ein leichter Luftzug streifte meine Schultern.

»Halt dich bloß von mir fern.«

Ich drehte mich gerade noch rechtzeitig um, um Mason mit warnendem Blick vorbeigehen zu sehen.

Das Blut kochte in mir hoch.

Na klar, denn nachdem er mich mitten auf der Straße hatte stehen lassen, bestand ja immer noch die Gefahr, dass ich ihm hinterherlief, nicht wahr?

»Fahr zur Hölle«, zischte ich wütend und knallte die Spindtür zu. Er blieb stehen.

Um mir seinen Gesichtsausdruck zu ersparen, ging ich in die entgegengesetzte Richtung und drehte mich nicht mehr um.

Niemals hätte ich gedacht, dass mein erster Satz zu Johns Sohn die Aufforderung sein würde, zur Hölle zu fahren.

 

Im Klassenzimmer setzte ich mich ganz nach hinten, in die Nähe des Fensters.

Die Lehrerin stellte mich vor und bat mich aufzustehen, während sie einige Notizen im Klassenbuch las.

»Dawson City ist ganz schön weit weg, was?«, sagte sie scherzhaft, nachdem sie verkündet hatte, dass ich aus Kanada kam. »Willkommen hier bei uns, Miss Nolton …« Sie zögerte, und ich spürte, wie meine Haut im Nacken kribbelte. »Nolton, I…«

»Ivy«, unterbrach ich sie mit fester Stimme. »Nur Ivy.«

Sie rückte ihre Brille zurecht und lächelte.

»Nun, Ivy …« Sie faltete die Hände und bedeutete mir, mich zu setzen. »Wir freuen uns, Sie bei uns zu haben. Wenn Sie irgendwelche Informationen über den Unterricht brauchen, kommen Sie einfach zu mir. Ich helfe Ihnen gern.«

Als der Unterricht begann, hörten die anderen allmählich auf, mich zu beobachten. Nur der Typ neben mir schien den Blick kaum von der Bärentatzen-Anstecknadel an meinem Rucksack abwenden zu können.

Mason begegnete ich den ganzen Vormittag nicht.

Als ich ihn nach Unterrichtsschluss am Ende des Korridors entdeckte, von einem Schwarm Mitschülerinnen und Mitschüler umringt, wurde mir klar, dass ich keinen einzigen gemeinsamen Kurs mit ihm hatte. Immerhin etwas Erfreuliches.

»Hey«, ertönte plötzlich eine Stimme. »Hübsche Anstecknadel!«

Ich schob meine Spindtür halb zu und sah ein bekanntes Gesicht.

»Du bist Ivy, stimmt’s?« Der Junge lächelte mich an. »Ich bin Travis. Wir haben uns bei Mason zu Hause kennengelernt.«

Wie hätte ich so eine peinliche Situation vergessen können?

Ich nickte ihm zu und drehte mich wieder um, da ich nicht wusste, was ich sonst tun sollte. Als er merkte, dass ich nicht sonderlich gesprächig war, unternahm er einen weiteren Versuch.