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Nur noch zwei Monate bis zu den Meisterschaften der Kunstturnerinnen. Die fünfzehnjährige Julia turnt ganz vorn mit. Im Kampf um den Meistertitel wird sie von ihrem besten Freund Sascha unterstützt. Als der Druck auf Julia steigt, taucht auch noch der attraktive Julian in ihrem Leben auf, der ihr momentanes Leben völlig durcheinanderbringt. Die Ereignisse überschlagen sich und Julia trifft eine folgenschwere Entscheidung. Gewinn und Verlust liegen manchmal sehr nah beieinander.
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Seitenzahl: 73
Veröffentlichungsjahr: 2022
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Für Pirmin
1977 – 1997
Die persönliche Playlist auf Spotify und YouTube:
»Alex Planet_Falsch verbunden«
1. Electric Love – BØrns
2. I Follow Rivers – The Magician Remix – Lykke Li, The Magician
3. What Am I – Why Don’t We
4. Take My Hand – 5 Seconds of Summer
5. Broken Parts – Clide
6. I’m So Tired – Lauv & Troye Sivan
7. When You’re Gone – Shaw Mendes
8. Wunder – Florian Künstler
9. Fool’s Gold – Dagny, BØrns
10. Freedom – Kygo, Zak Abel
KAPITEL 1
KAPITEL 2
KAPITEL 3
KAPITEL 4
KAPITEL 5
EPILOG
Bamm! Auf beiden Beinen gelandet. Julia sah sich benommen um.
»Meine Güte, Kindchen, wann willst du endlich kapieren, dass es nur noch zwei Monate bis zu den Meisterschaften dauert?« Ihr Trainer blickte sie streng an.
»Aber …«, flüsterte Julia.
»Nichts da! Wenn du den Titel holen willst, musst du dich viel mehr anstrengen!«
Heinz Rhyner ging fluchend zur Tür und verließ die Turnhalle. Julia keuchte noch mehr als ohnehin schon, die Hitze von der Übung wurde noch stärker und gleichzeitig lief es ihr kalt den Rücken hinunter. Im Bauch brannte es lichterloh und eine Träne der Hilflosigkeit, der Enttäuschung und Wut versuchte, sich aus ihrem Auge zu pressen. Julia wischte sie weg. Sie war zornig und gekränkt, fühlte sich hilflos. Die anderen Turnerinnen starrten sie fragend und gleichzeitig empört an. Ihre Blicke bohrten sich wie kleine Nadelstiche in ihr vegetatives Nervensystem, ihr schoss die Röte ins Gesicht.
Wieso nörgelte ihr Trainer immerzu an ihr herum? Wie viele harte Trainingsstunden hatte sie schon aufgewendet, um diese doofe Bodenübung zu perfektionieren? Und immer wieder hörte sie nichts anderes als Vorwürfe. »Knie strecken!«, »Mehr Schwung, wenn ich bitten darf!«, »Achte auf deine Kopfhaltung!«, »Schneller! Höher! Und steh!« Und jetzt noch diese überflüssige Bemerkung vor allen anderen.
Julia war klar, dass für sie der Meisterschaftstitel noch nie in so erreichbare Nähe gerückt war, aber wie sich Rhyner aufführte, ging gar nicht.
Julia begann erneut mit den Stretching-Übungen, dabei schielte sie hoch zur Zuschauergalerie. Jedes Mal, wenn sie Training hatte, sah ihr Sascha zu, doch heute war er anscheinend nicht gekommen.
Sie kannten sich schon lange. Seit der Grundschule. Er war ihr allerdings drei Klassen voraus. Anfangs mochte sie ihn nicht. Er war ein Junge, der früher andauernd beweisen musste, wie cool und stark er war. Doch mit der Zeit wurden sie beide älter und er vernünftiger.
Irgendwann hielt Julia einen Vortrag in der Schule über das Kunstturnen. Sascha half ihr bei den Vorbereitungen, denn für seine erhielt er immer gute Noten. Er zeigte sich dabei sehr interessiert und stellte viele Fragen über das Turnen.
Seitdem kam er jeden Montag und Dienstag zum Training, zwei von dreimal die Woche. Freitags ging Sascha zum Krafttraining und hatte deshalb keine Zeit. Im Januar machte er den Führerschein und brachte Julia die zwei Tage vom Training nach Hause. Im Sommer fuhren sie manchmal auf dem Nachhauseweg mit den Fahrrädern zum nahe gelegenen Café, um sich mit einem Vitamindrink zu erfrischen. Ab und zu lag sogar ein Eis drin, jedoch selten.
»Ach, komm schon, du magst bestimmt auch eines«, versuchte Sascha, sie zu überreden.
Doch im Kunstturnen musste sie sehr auf ihre Linie achten. »Ein paar Kilo zu viel und es ist aus«, erklärte Julia jedes Mal. Es fühlte sich wundervoll aufbauend an, einen älteren, fürsorglichen besten Freund zu haben, der immer zu ihr stand. »Rhyner kann so grausam sein! Am liebsten würde ich alles hin- oder ihn an die Decke schmeißen.« Wenn sie wieder mal Ärger mit Rhyner hatte, konnte sie mit Sascha darüber reden. Er war immer sehr geduldig mit ihr.
»Du bist klasse, Julia. Er weiß das genauso gut wie ich. Aber dein Trainer stellt hohe Anforderungen an dich. So wie du dir gegenüber auch. Aber du packst das. Die Riesendrehungen am Stufenbarren beherrschst du einfach perfekt.«
Sie hatte ihm damals direkt in seine Augen gesehen, die vor Begeisterung und Freude blitzten. Ihre Knie wurden für einen kurzen Moment weich und sie umarmte Sascha dankbar für seine Ehrlichkeit. Sie verband eine wundervolle Freundschaft! Er war ihr bester Freund. »Der beste, den man sich wünschen kann«, gestand sie ihm vor ein paar Wochen.
Heute war er nicht da. Sie fühlte sich noch kleiner und es gab keine Möglichkeit, sich an seinem aufmunternden Blick wieder aufzurichten. Julia strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
»Na, bist du zur Vernunft gekommen?«, fragte Rhyners hinter ihr.
Julia drehte sich um und musterte ihn von Kopf bis Fuß. Seit acht Jahren war er in diesem Verein tätig und vor zwei Jahren wurde er ihr persönlicher Trainer. Früher turnte er selbst an der Spitze, doch zu einem Titel hatte es bei ihm nie gereicht. Jetzt sollte dafür sein Schützling Gold nach Hause bringen. Sie.
Rhyner wirkte groß und sehr streng. Seine dunkelbraunen Augen konnten böse und gleich wieder fröhlich dreinschauen. Sie waren völlig unberechenbar. Manchmal nahm er Julia in die Arme und machte ihr Mut. Doch seitdem der Meistertitel auf dem Programm stand, hatte er wenig Zeit für Nettigkeiten übrig. Immer wieder zupfte er an der Nase herum oder raufte sich die Haare. Wenn er so weitermachte, würden ihm auch noch die letzten grauen Haare ausfallen.
»Also, Mädchen«, begann Rhyner, »schauen wir doch noch einmal die D-Teile in Ruhe an.« Seine Stimme war etwas freundlicher und er gab ihr einen kleinen, freundschaftlichen Klaps auf die linke Schulter.
Die verschiedenen Teile einer Übung waren in Buchstaben eingeteilt. D-Teile hatten den höchsten Schwierigkeitsgrad. Um in die vorderen Ränge zu gelangen, mussten solche in eine Übung eingebaut werden.
Seit ihrem fünften Lebensjahr turnte Julia mit Begeisterung. Ihr Lieblingsgerät war der Stufenbarren. Julia mochte es, von Holmen zu Holmen zu schwingen oder durch die Lüfte zu springen.
Unterstützt wurde sie bei ihrer Leidenschaft von ihrer Familie; diese stellte mit der Zeit sogar ihr ganzes Leben dafür um. Es musste sehr viel Aufwand betrieben werden, um vorn mit dabei zu sein.
Aber ihre Eltern taten all dies gern für sie. Julia war ihr einziges Kind und schon immer ihr Sonnenschein, wie sie Julia nannten. Wochenenden verbrachte die Familie bei Trainings, Wettkämpfen und Showturnieren, um Julia zu unterstützen. Auch die Ernährung hatten sie speziell für Julia angepasst.
Rhyner erklärte Julia nochmals die wichtigen Punkte für einen perfekten Ablauf ihrer Bodenübung. Dann machte sie sich bereit. Jemand stellte die Musikanlage an und schon erklang eine sanfte Gitarrenmelodie. Julia holte Anlauf für die erste Bodenreihe: Rondat, dreifacher Flick mit anschließend gedrehter Schraube.
Sie wirbelte durch die Luft. Die Musik nahm einen schnelleren Takt auf, begleitet von einem Schlagzeug und E-Piano.
»Höher!«
Von weit weg vernahm Julia Rhyners Rufe.
»Ja! Und steh!«
Sie benötigte absolute Konzentration und viel Kraft. Wer so turnte, war vor Unfällen nicht gefeit. Einen Bruchteil einer Sekunde lang nicht konzentriert und schon landete man auf dem Kopf oder auf einem durchgestreckten Bein. Julia keuchte vor Anstrengung, als sie auf dem viereckigen Turnmattenboden herumwirbelte. Schweiß rann ihr über die Stirn und jedes Mal verspürte sie einen heftigen Schmerz im Rücken, wenn sie nach einem Luftsprung wieder auf dem Boden landete. Sie setzte zur letzten Bodenreihe an und auch diese glückte ihr.
»Ja, genau so!«, lobte Rhyner sie. »Du kannst es also, wenn du willst.«
Julia sah ihren Trainer völlig verschwommen. Ihr war schwindelig. Kurz strich sie sich den Schweiß aus dem Gesicht und blinzelte wieder zur Zuschauergalerie. Sie lächelte. Dort stand Sascha und winkte ihr zu. Julia war erleichtert und freute sich riesig darüber, dass er doch noch gekommen war. Neben ihm stand ein junger Mann, den sie noch nie gesehen hatte. Die schwarzen nackenlangen Haare trug er modern, und er lächelte ihr zu. Julia wunderte sich darüber, dass Sascha jemanden mitgebracht hatte.
»So, Mädchen, für heute ist Schluss«, rief einer der Trainer und sofort begannen die Turnerinnen, die Geräte abzubauen. Zum Inventar gehörten die Bodenplatten, vier Schwebebalken in verschiedenen Höhen, der Pferdsprung und zwei Barren. Ganze zehn Minuten benötigten sie, um dies aufzuräumen. Danach rannte Julia in die Garderobe, zog sich schnell um und ging die Treppe zu Sascha hoch.
»Hey, du warst wieder klasse am Boden!«, begrüßte sie Sascha, legte eine Hand an ihre Schulter und gab ihr einen Kuss auf die Wange.
»Ich dachte schon, dass du nicht mehr kommst.«
»Wie könnte ich? Übrigens, das ist Julian.« Er klopfte dem jungen Mann neben sich auf die Schultern. »Ich habe dir mal erzählt, dass ich ihn letzten Monat während des Florian-Konzerts kennengelernt habe.«
Julia lächelte Julian verlegen an und versuchte, sich daran zu erinnern.
»Hallo, Julia, ich habe schon viel von dir gehört.«