Familie mit Herz 163 - Marlene Menzel - E-Book

Familie mit Herz 163 E-Book

Marlene Menzel

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Beschreibung

Alleinerziehend, im Job stets bemüht, die Beste zu sein, um mehr Geld zu verdienen, die eigenen Wünsche hintanstellend - Marion Bendling hat ständig das schreckliche Gefühl, an allen Fronten nicht genügen zu können. Besonders für ihren Sohn Tobias wäre sie gerne mehr daheim, um besser auf ihn eingehen zu können. Der ruhige, zurückhaltende Junge steckt mitten in der Pubertät und scheint zudem auch in der Schule Probleme zu haben, über die er nicht spricht. Marions Ex-Freund und Tobias‘ Vater Frederick ist ihr dabei keine Hilfe. Schon kurz nach Tobias‘ Geburt hat er sich aus ihrem Leben verabschiedet und nur finanziell getan, was er musste. Doch als Tobias eines Tages vor der Haustür brutal zusammengeschlagen wird, sieht Marion nur einen Ausweg: Frederick, der außerhalb der Stadt lebt, muss seinen Sohn aufnehmen, um ihn zu schützen. Doch diese Herausforderung bringt alle drei Beteiligten schnell an ihre Grenzen ...


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Inhalt

Cover

Der wilde Tobi

Vorschau

Impressum

Der wilde Tobi

Ein Außenseiter gerät in Schwierigkeiten

Von Marlene Menzel

Alleinerziehend, im Job stets bemüht, die Beste zu sein, um mehr Geld zu verdienen, die eigenen Wünsche hintanstellend – Marion Bendling hat ständig das schreckliche Gefühl, an allen Fronten nicht genügen zu können. Besonders für ihren Sohn Tobias wäre sie gerne mehr daheim, um besser auf ihn eingehen zu können. Der ruhige, zurückhaltende Junge steckt mitten in der Pubertät und scheint zudem auch in der Schule Probleme zu haben, über die er nicht spricht. Marions Ex-Freund und Tobias' Vater Frederick ist ihr dabei keine Hilfe. Schon kurz nach Tobias' Geburt hat er sich aus ihrem Leben verabschiedet und nur finanziell getan, was er musste. Doch als Tobias eines Tages vor der Haustür brutal zusammengeschlagen wird, sieht Marion nur einen Ausweg: Frederick, der außerhalb der Stadt lebt, muss seinen Sohn aufnehmen, um ihn zu schützen. Doch diese Herausforderung bringt alle drei Beteiligten schnell an ihre Grenzen ...

Tobias Bendling wartete geduldig auf der hölzernen Bank, bis sein Name aufgerufen wurde. Nervös warf er einen Blick auf seine Mitschüler, die sich nacheinander freuen konnten, in eine der beiden Fußballmannschaften aufgenommen zu werden. Er war der Meinung, dass es sich nur ein äußerst gemeiner Mensch ausgedacht haben konnte, Schüler abwechselnd wählen zu lassen. So blieb der schmächtige Dreizehnjährige meistens allein auf der Bank zurück und wurde jedes Mal nur gezwungenermaßen in die Mannschaft gewählt. Die missmutigen Mienen seiner Mitschüler sprachen Bände.

»Na, ob das was wird?«, fragte einer den anderen, als sei Tobias taub. Wahrscheinlich war es Dennis sogar egal, ob er ihn verletzte. Die anderen kicherten leise und verteilten sich auf dem Feld. Als sich Tobi zu ihnen in seine Position in der Abwehr stellen wollte, hielt Kapitän Dennis ihn zurück. »Du nicht.«

»Warum nicht? Immer spielt nur ihr, und ich sitze stattdessen auf der Bank«, wagte Tobi einen Widerspruch.

»Wir wollen ja auch gewinnen!«, rief jemand aus dem Hintergrund.

Was er danach sagte, ging im Pfiff des Lehrers unter, der das Spiel zwischen den beiden Mannschaften startete. Traurig setzte sich Tobias auf seinen Platz am Rand. Dass er eingewechselt wurde, kam nur dann vor, wenn sein Sportlehrer es bestimmte. Von selbst würde niemals jemand das Feld räumen und ihn spielen lassen. Nicht zuletzt, weil er vorige Woche ein Eigentor erzielt hatte, als der Ball an seinem abwehrenden Bein abgeprallt war.

Ich hasse Mannschaftsspiele!, dachte er zornig und verschränkte die Arme.

Seine dunkelbraunen runden Augen sahen sich um. Er hörte das Quietschen der Schuhsohlen auf dem Linoleumboden und die Anweisungen des Lehrers, der sich für gewöhnlich nicht mehr als von der Bank zur Umkleidekabine und zurück bewegte. Sein Wohlstandsbauch wölbte sich deutlich unter einem Achtzigerjahre-Trainingsanzug. Zwischenzeitlich nahm er sein Smartphone zur Hand und interessierte sich kaum für seine Schülerschar, die spätestens nach dem nächsten Foul wieder außer Rand und Band sein würde.

Gelangweilt wanderte Tobis Blick Richtung Dach. Dort waren die einzigen Fenster verbaut und ließen Tageslicht in die Halle. Er sehnte sich nach frischer Luft und seinem neuen Abenteuerroman, in dem er in jeder freien Minute versank.

Dann wandte er sich wieder seiner Klasse zu, die wenigstens etwas Spaß am Sportunterricht hatte. Als er bemerkte, dass Dennis erst seinen Lehrer und dann ihn mit verengten Augen sondierte, war es bereits zu spät.

Mit voller Wucht drosch der Mannschaftskapitän seinen Fuß gegen den Ball und schoss diesen in Tobis Richtung. Das Spielgerät traf den Teenager mitten an der Stirn und ließ den zierlichen Jungen hart gegen die Wand prallen. Tobias sah schwarze und weiße Punkte vor seinen Augen und verlor beinahe das Bewusstsein. Ihm wurde sofort übel, doch er riss sich zusammen.

Die Mannschaft jubelte und johlte, als habe sie ein Tor erzielt. Man lachte ihn aus. Und natürlich hatte sein Lehrer nichts von dem Unglück bemerkt, sondern sah nur das Ergebnis davon.

»Tobias? Ist alles in Ordnung? Ist dir übel?«, fragte er ihn. »Was ist denn passiert?«

»Nichts, mir ist nur schlecht«, tat der Angesprochene den Vorfall als Beiläufigkeit ab, um keine Schwäche zu zeigen.

Tobi sah das überhebliche Grinsen seines Klassenkameraden noch immer. Dennis amüsierte sich köstlich über seinen Treffer und ließ sich von seinen Freunden feiern, während Tobi hinausgeführt wurde.

»Am besten, du holst dir ein Kühlpack aus dem Sekretariat. Du scheinst einen Ball abbekommen zu haben«, meinte sein Sportlehrer noch und schloss die Tür vor seiner Nase.

Klein, unbedeutend und abgeschoben fühlte sich Tobias in diesem Moment. Nichts, was er nicht längst kannte. Niemand brauchte ihn in der Mannschaft oder wollte sich mit ihm abgeben. Er wusste bis heute nicht, was er den Leuten eigentlich getan hatte. Tobias war immer nett gewesen und ein wenig schüchtern. Vielleicht war gerade das der Fehler gewesen. Teenager wie Dennis wurden bewundert und respektiert, obwohl sie sich grobschlächtig und abscheulich verhielten. Hach, wäre er nur wie sie ...

♥♥♥

Tobias schlenderte durch die Schule, auf deren Gängen Ruhe herrschte, solange sich alle im Unterricht befanden. Statt das Sekretariat aufzusuchen, nutzte er die Zeit, holte sich seinen Rucksack aus der Umkleidekabine und verdrückte sich damit hinter einen Schuppen auf dem Pausenhof. Von hier aus hatte er einen guten Blick auf den langsam fließenden Bach neben der Schule, in dem Vögel tranken und manchmal Fische zu sehen waren. Das leise Plätschern des Wassers und das Rauschen des Windes in den Baumkronen beruhigten Tobis Inneres.

Er schnappte sich seinen Roman und vertiefte sich in die Geschichte, die von einem Herumreisenden handelte, der auf Elfen und Trolle in einer weit entfernten Welt stieß. Eine Mischung aus Fantasy und Science-Fiction, wie Tobias sie liebte.

In die Geschichte versunken bemerkte er nicht, wie es zur Pause läutete. Sicher hatte man sein Fehlen bemerkt, aber es kümmerte ihn genauso wenig wie die anderen. Tobias verweilte lieber in seiner Fantasie und entfloh dem nervenaufreibenden Alltag, so lange er konnte.

Er wurde brutal in die Realität zurückgeholt, als man ihm den Roman aus den Händen riss. Tobias sog die Luft zischartig durch die Zähne.

»Hier steckst du also!«, grölte Dennis. »Du weinerlicher Jammerlappen verkriechst dich hinterm Schuppen!«

Seine Gefolgschaft grinste ebenso fies und nickte bei allem, was er sagte. Sie waren ihm hörig, weil er groß und stark war. Der coole Dennis, der die angesagteste Markenkleidung besaß und schon mit dreizehn den ersten Ring im Ohr trug.

»Gib das wieder her!«, rief Tobias entsetzt und schnappte nach dem Hardcoverbuch, doch Dennis war einen Kopf größer als er. Tobis Herz raste, als er mit ansehen musste, wie schlecht Dennis mit seinem Schatz umging. »Das gehört mir!«

Es war dem anderen ein Leichtes, Tobias sein Eigentum vorzuenthalten. Er verengte die Augen, als er den Titel las.

»Was soll das sein?«

»Eine Fantasygeschichte«, antwortete Tobias kleinlaut.

»Fantasy? Bist du jetzt verweichlicht, oder was?« Nun runzelten selbst seine Freunde die Stirn. Offenbar war Dennis der einzige, der nichts damit anfangen konnte. »Pah, Mädchenkram!«

Mit diesem Urteil holte er aus und ließ Tobias vor Angst erstarren. Der Junge schaffte es gerade noch, seine Arme nach dem Roman auszustrecken, hatte jedoch keine Chance mehr. Im weiten Bogen flog das wichtige Buch in den Fluss und schwamm davon. Die Seiten saugten sich voll und kurz darauf sank es auf den Grund.

»Neeeein!«, schrie Tobias verzweifelt.

Ein Kloß schmerzte in seinem Hals. Es war zu spät. Wenn er seine Mutter schon wieder nach einem neuen Buch oder etwas Geld fragte, würde sie annehmen, dass er Drogen kaufte oder von jemandem erpresst wurde.

Aber Marion Bendling war ohnehin viel zu beschäftigt mit ihrer wichtigen Arbeit als Anwaltsgehilfin, um ihren Sohn zu beachten. Erst vorige Woche war sie befördert worden und hatte nun nichts weiter als das Büro im Kopf. Überstunden waren an der Tagesordnung, weil sie es allen recht machen wollte.

»Ich muss mich doch erst beweisen, ehe ich die Zügel lockern kann«, hallten ihre Worte in seinem Kopf wider. »Es wird auch wieder ruhigere Zeiten geben, und dann fahren wir zwei in den Urlaub. Versprochen.«

Ihre Versprechen hatte sie auch die letzten drei Jahre nicht halten können. Und von Frederick wollte Tobias gar nicht erst anfangen ...

»Das hast du verdient, du Heulsuse!«, bohrte Dennis weiter in der Wunde.

Er verstrubbelte dem Kleineren die braunen Haare. Tobias ließ es über sich ergehen. Es hatte keinen Sinn, sich gegen Dennis zu wehren. Das wusste er aus Erfahrung. Seine eigenen aschblonden Haare hatte der Mitschüler mit viel zu viel Gel nach hinten gestrichen. Neuerdings legte er auch ein widerliches Aftershave auf, obwohl er noch keinen Bartwuchs hatte. Seine wässrigen blauen Augen quollen jedes Mal hervor, wenn er den Schwächeren ärgerte.

Tobias suchte im Wasser nach dem Buch, doch es blieb verschwunden. Verloren. Dennis hatte seine schöne, unkomplizierte Welt ein weiteres Mal zum Einsturz gebracht. Wütend ballte Tobias die Fäuste, was die anderen nur noch mehr zum Lachen brachte.

Ehe er sich's versah, stellten sie sich im Kreis um ihn herum und schubsten Tobias so lange hin und her, bis er zu Boden fiel und zusammengekauert liegen blieb. Er hatte furchtbare Angst, dass sie ihn traten oder anspuckten. Seine blanke Panik entleerte seine Blase und sorgte für einen großen dunklen Fleck auf seiner Jeans.

»Seht ihn euch an! Heult wie ein Baby und pinkelt sich in die Hose! Was für ein Idiot!«, grölten sie durcheinander und filmten ihn mit ihren Handys.

Sicher würde eines der Videos irgendwo im Netz oder als Foto am Schulbrett landen.

Endlich ließen sie von ihm ab und suchten sich ihr nächstes Opfer. Vielleicht war auch ein Lehrer vorbeigekommen, der sie nicht bemerken sollte. Genau wusste es Tobias nicht.

Es war ihm furchtbar peinlich, sich so zu zeigen und mit seinem Malheur gleich noch durch die ganze Schule zu laufen. Der Teenager band sich seinen Pullover locker um die Hüfte und verdeckte den Großteil des Flecks damit.

Als es klingelte, wartete er, bis der Letzte vom Pausenhof verschwunden war. Erst danach setzte er sich in Bewegung und folgte den anderen zurück in den Unterricht.

Sein gerötetes Gesicht wusch er sich einmal am Waschbecken. Er weinte heimlich, still und leise. Seine braunen Augen starrten ihm traurig aus dem Spiegel entgegen. Tobias sah kaum noch Leben darin. Er fühlte sich einsam und unverstanden, hatte nicht einen einzigen Freund auf dieser Schule oder wenigstens einen großen Bruder, der ihn beschützte.

Er hatte nie darum gebeten, Feinde zu bekommen, hatte sich immer freundlich und hilfsbereit gezeigt, unangenehme Arbeiten übernommen oder von sich abschreiben lassen. Und dennoch gab es sie. Wie man es machte, machte man es falsch.

»Du elender Loser«, flüsterte er seinem Abbild zu und biss die Zähne fest aufeinander.

Sofort verschwamm seine Sicht wieder. Tränen der Wut sammelten sich in seinen Augen. Tobias hätte am liebsten auf sich selbst eingeprügelt, wenn das gegangen wäre. Er war dreizehn Jahre alt und ließ sich noch immer herumschubsen. Das musste endlich ein Ende finden!

Als die Tür aufflog und zwei ältere Schüler zum heimlichen Rauchen eintraten, huschte er unauffällig hinaus. Tobias war wie ein Schatten, den niemand bemerkte.

Niemand außer Dennis.

♥♥♥

Marion Bendling legte die letzten paar Mandantenakten auf den Schreibtisch ihres Vorgesetzten und erläuterte kurz, was er vor sich sah.

»Danke, Frau Bendling. Sehr gute Arbeit.«

»Das höre ich gern«, antwortete sie überwältigt. Es war die richtige Entscheidung gewesen, die Kanzlei zu wechseln und sich voll reinzuhängen. Inzwischen durfte sie zwei Mitarbeiter delegieren und war die erste Ansprechpartnerin für den erfolgreichen Rechtsanwalt. »Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?«

»Im Moment nicht, danke. Haben Sie schon das Mahnschreiben für Kuhlmanns und die Abrechnung für den Jahnstein-Fall aufgesetzt?«

»Beides vorhin erledigt«, bestätigte die Blondine stolz.

»Dann wünsche ich Ihnen einen schönen Feierabend, Frau Bendling. Grüßen Sie Ihren Mann und Ihren Sohn von mir.«

»Aber ich habe keinen ... Ja, das mache ich«, unterbrach sie sich selbst und verließ das geräumige Büro über den Dächern Frankfurts.

Marion beruhigte sich erst an ihrem Platz wieder. Wie oft hatte sie ihrem Chef schon gesagt, dass sie allein lebte und kaum Kontakt zu ihrem Ex-Freund Frederick hatte? Zudem waren sie nie verheiratet gewesen. Das alles lag bereits Jahre zurück, und doch ließ er ihn immer wieder grüßen, seit er zufällig auf einer Firmenfeier von ihm erfahren hatte. Sie beschwerte sich nicht. Marion war froh genug, dass sie seit ihrem Wechsel vom Unternehmens- zum Immobilienrecht nicht mehr mit sexueller Belästigung konfrontiert wurde und endlich eine wirkliche Chance auf einen Aufstieg hatte.

Eines Tages würde sie selbst so ein Büro besitzen und vor Gericht sprechen, schwor sie sich. Die Rechtsanwaltsfachangestellte war für die gesamte Korrespondenz verantwortlich, vereinbarte Mandantentermine und empfing die Auftraggeber vor Ort, archivierte und führte Akten und erstellte Dokumente sowie Briefe im Auftrag des selbstständigen Rechtsanwaltes. Das meiste ihrer Arbeit fand im Büro statt. Marion liebäugelte allerdings seit Längerem mit einer Weiterführung ihres Studiums. Ihr großes Ziel blieb es, Rechtsanwältin zu werden.

Tobis Geburt und die Trennung von Frederick hatten diesen Traum einst in weite Ferne gerückt, weshalb sie sich umorientiert hatte. Nun sah sie endlich wieder Licht am Ende des Tunnels.

Marion zog sich Mantel und Schal über, fuhr den Computer im Vorzimmer herunter und griff nach ihrer Handtasche. Vor dem Spiegel richtete sie die dunkelblonden Locken und kontrollierte ihr Make-up. Sie achtete penibel darauf, einen guten Eindruck vor den Mitarbeitern zu machen.

»Einen schönen Abend, Marion!«, wünschte ihr die fröhliche Susanne ein Zimmer weiter.

Ihre schwarzhaarige Kollegin Nicole sah lediglich kurz auf und nickte beschäftigt, während sie die Tastatur weiter malträtierte. Zwischen ihren Augenbrauen entstand eine Zornesfalte, weil das Gerät wieder einmal nicht so wollte wie sie. Wahrscheinlich kümmerte sie sich gerade um die Website der Kanzlei. Marion verließ das Gebäude, ehe Nicole sie mit Fragen aufhielt.

Ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass Tobias längst zu Hause sein musste. Sicher hatte er Hunger. Sie beeilte sich, zu ihrem Wagen zu kommen, und fuhr heim.

Als Marion in der leeren Wohnung stand und nach ihrem Sohn rief, seufzte sie tief. Auf dem Fahrtweg zur Schule zückte sie ihr Handy und verband es mit der Freisprechanlage.

»Hallo?«, meldete sich die warme Stimme ihres Ex-Freundes am anderen Ende der Leitung.

»Sag mir bitte, dass Tobias noch bei dir ist, und ich mache dich keinen Kopf kürzer, weil du vergessen hast, mir Bescheid zu geben«, ratterte sie herunter und packte das Lenkrad etwas fester.

Angespannt wartete sie auf seine Antwort, die erst nach einer Weile kam. Fredericks Stöhnen bestätigte ihre Befürchtung.

»Mist, ich habe völlig vergessen, dass ich heute dran war. Es tut mir wahnsinnig leid. Soll ich schnell losfahren?«

»Nicht nötig, ich bin schon auf dem Weg. Schade, dass dir deine Familie nicht so wichtig ist wie deine neue Freundin, aber anders kenne ich dich nicht.«

Sie legte auf, bevor er antworten konnte. Marion schäumte vor Wut. Wieder einmal hatte Frederick vergessen, dass er Tobias von der Schule abholen sollte. Sicher wartete ihr Junge einsam und verlassen vor dem Tor.

Sie sollte sich wirklich überlegen, ihm ein Handy zu erlauben. Seine Mitschüler hatten sicher längst eines, doch Marion war noch nie Fan davon gewesen, Kinder zu früh an diese Teufelsgeräte zu lassen. Sie stellten meistens ohnehin nur Unsinn damit an oder gerieten in den unschönen Sog von Social Media.

Tatsächlich wartete ihr Sohn als Letzter vor der leeren Schule. Die anderen waren längst nach Hause gefahren.

»Ich dachte, Frederick holt mich ab«, meinte er beim Einsteigen und klang enttäuschter denn je.