Fantary — Versehentlich verflucht - Lisbeth Winter - E-Book

Fantary — Versehentlich verflucht E-Book

Lisbeth Winter

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Beschreibung

„Ich wollte das nicht. Ich wollte ihr doch nie wehtun, ich will niemandem wehtun. Wie kann ich eine Fähigkeit haben, die andere verletzen kann? Ich denke unsere Gaben sollen Gutes bewirken und alles ins Gleichgewicht bringen. So eine Macht will ich gar nicht in mir haben. Ich will das nicht, hörst du? Dann bin ich lieber wieder ein Niemand.“ Dionas Welt wird auf den Kopf gestellt, als sie erfährt, dass sie zur Hälfte eine Fee ist – eine sogenannte Fantary. Als wäre das nicht schon überwältigend genug, wird sie durch ein magisches Portal in das Feenreich geschickt, um einen verfluchten Feenprinzen vor der Dunkelheit zu retten. Praktischerweise befindet sich dieser gerade auf Brautschau und ehe Diona sich versieht, nimmt sie als Kandidatin an einer düsteren Version des Feen-Bachelors teil.

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Seitenzahl: 348

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Roman

© 2025 Lisbeth Winter

Softcover

978-3-384-63987-5

Hardcover

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E-Book

978-3-384-63989-9

Druck und Distribution im Auftrag des Autors:

tredition GmbH, Heinz-Beusen-Stieg 5, 22926 Ahrensburg, Germany

Kontaktadresse nach EU-Produktsicherheitsverordnung: [email protected]

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Autors, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice", Heinz-Beusen-Stieg 5, 22926 Ahrensburg, Deutschland.

Inhalt

Cover

Titelblatt

Urheberrechte

Kapitel 1 Prolog

Kapitel 2 Wer bin ich?

Kapitel 3 Ruf aus dem Feenreich

Kapitel 4 Übergang

Kapitel 5 Eine neue Welt

Kapitel 6 Wie wird man eine Fee?

Kapitel 7 Im Palast

Kapitel 8 Ankunft in Arogh Manor

Kapitel 9 Der Wettkampf beginnt

Kapitel 10 Prüfungen

Kapitel 11 Einzeldate

Kapitel 12 Schatten der Macht

Kapitel 13 Großes Finale

Kapitel 14 Rückkehr in den Palast

Kapitel 15 Heimkehr

Fantary — Versehentlich verflucht

Cover

Titelblatt

Urheberrechte

Kapitel 1 Prolog

Kapitel 15 Heimkehr

Fantary — Versehentlich verflucht

Cover

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Kapitel 1 Prolog

Eine Bewegung in ihrem Bauch ließ Faye zusammenzucken. Überrascht fiel ihr der Messbecher herunter, den sie in der Hand hielt. Jetzt musste sie mit dem Trank noch einmal ganz von vorn anfangen, obwohl es drei Tage gedauert hatte, bis er fertig war. Doch das war ihr in diesem Moment egal. Faye stelle sie sich vor den Spiegel, drehte sich in alle Richtungen und lächelte. Ihr Blick glitt über ihren Körper, während ihre Hände sanft über den flachen Bauch strichen. Noch war nichts zu sehen, doch eben hatte sie das erste Mal das Kind in ihrem Bauch gespürt. Ihr Kind. Sie wünschte, sie könnte es irgendjemandem erzählen, aber da war niemand. Ihre Mutter war vor einigen Wochen gestorben und Philipp war weit weg. Zu weit, um ihn erreichen zu können. Denn Menschen durften sich nicht im Feenreich aufhalten. Doch sie musste hier sein. Der Geburtstag des Prinzen stand bevor und Faye musste den Platz ihrer Mutter bei der Zeremonie einnehmen, obwohl sie nicht vorbereitet war. Ganz und gar nicht vorbereitet. Doch, wenn die eigene Familie im Dienst der königlichen Familie von Antara stand, hatte man keine Wahl. Der Trank, den sie zusammenmischte, erforderte ihre ganze Konzentration und ihr ganzes Können als Heilfee. Wieder und wieder hatte sie die Aufzeichnungen ihrer Mutter in den letzten Tagen gelesen. Die meisten der Kräuter und Pflanzen, die sie benötigte, hatte sie im Vorratsschrank gefunden, aber andere waren ihr noch gänzlich unbekannt. Und die Zeit lief ihr davon. Heute Nachmittag würde sie jemanden aus einem Nachbarort treffen, der ihr die fehlenden Zutaten besorgt hatte. In einer Woche würden die Feierlichkeiten vorbei sein und sie könnte zurück in die Menschenwelt. Zurück zu Philipp. Sie mussten endlich darüber sprechen, wie ihre gemeinsame Zukunft aussehen sollte. Ein trauriger Beiklang mischte sich in ihr Glücksgefühl. Die wenige Zeit, die sie sich in diese andere Welt stehlen konnte, ohne dass es jemand merkte, würde nicht ausreichen, um gemeinsam ein Kind aufzuziehen. Könnte sie ganz bei den Menschen leben? Für ihre eigene Familie wäre sie bereit ihr Leben als Fee aufzugeben, aber durfte sie ihrem Kind diese Möglichkeit nehmen? Und ihre Schwester zurücklassen? Faye schob die schweren Gedanken für einen Moment zur Seite. Eine Aufgabe nach der anderen, sagte sie zu sich und machte sich auf, die fehlenden Zutaten zu besorgen.

Als sie an dem verabredeten Ort ankam, wartete dort schon Juniter, eine männliche Handelsfee, den sie vor ein paar Jahren kennengelernt hatte. Ihre Mutter hatte damals seinem Sohn das Leben gerettet und er war ihrer Familie noch etwas schuldig. Beim Näherkommen sah sie, dass sein Mantel zerrissen war und er Schürfwunden am Gesicht und Körper aufwies. „Juniter, was ist passiert?“ Schnell eilte sie zu ihm. Er strich sich etwas Dreck von der Hose und schüttelte beschwichtigend den Kopf. „Mir ist nichts weiter passiert. Ich wurde auf dem Weg hierher überfallen. Ein paar vermummte Feen und eine Horde Garglinge haben mir den Weg abgeschnitten und meine Kutsche und die darauf gelagerten Güter gestohlen.“ „Garglinge? In dieser Ecke von Antara? Wurdest du schwer verletzt?“ „Nein, zum Glück ist nichts weiter geschehen. Meine Familie holt mich auch gleich hier ab. Ich konnte den größten Teil der Pflanzen und Kräuter, die du benötigst retten, das hat sie nicht weiter interessiert. Aber das rote Schöllkraut war zu wertvoll. Das haben sie mitgenommen. Es tut mir leid.“ Entschuldigend zuckte er mit den Schultern und sah Faye traurig an. Sie musste sich setzen. Das war eine Katastrophe. Natürlich auch für Juniter, aber sie kam auf keinen Fall rechtzeitig an rotes Schöllkraut, um den Trank zu vollenden. Das wuchs nur an einem einzigen Ort in ganz Antara und es blühte auch nur einmal im Jahr. Von weitem sah sie eine Kutsche in ihre Richtung fahren. Das musste Juniters Familie sein. Wie schön, dass er jemanden hatte, der sich um ihn kümmerte, dachte sie sehnsuchtsvoll. „Wenigstens ist dir nichts geschehen.“ Sie rang sich ein Lächeln ab, so gut sie es vermochte. „Ich danke dir von Herzen und wünsche dir und deiner Familie alles Gute.“ Faye nahm den Beutel mit den geretteten Zutaten an sich und lief unglücklich nach Hause. Sie war eine der Taufpaten des Prinzen. Sie musste auch Philipp immer wieder erklären, was genau das bedeutete. Als Mensch konnte er die Tragweite nicht verstehen. Vom Zutun jedes einzelnen Taufpaten hing ab, was für ein König der kleine Tanis später werden würde. Die Fähigkeiten der Mitglieder der königlichen Familie wurden nicht, wie bei normalen Feen, durch das Herzbadritual im Laufe ihrer Jugend übergeben, sondern schon mit dem ersten Geburtstag. Sie hatten auch nicht nur eine Gabe, die sich erst entwickelte und erst mit voranschreitendem Alter zeigte, sondern bekamen mit der Taufe von acht Paten verschiedene Gaben und Stärken, die sie dabei unterstützten das Land zu regieren. Fayes Mutter war eine der bekanntesten Heilfeen im ganzen Reich, daher wurde sie auserwählt das Herz des Prinzen mit Güte und Kraft zu versehen. Als sie starb, hatte Faye ihre Gabe übernommen. Dabei war sie noch nicht so weit. Sie hatte noch gar nicht entschieden, ob sie überhaupt Heilerin werden wollte oder nicht lieber eine Blumenfee, wie ihre Schwester. Oder eine Baumfee. Diese Wahl blieb ihr nun nicht mehr. Es war niemand da gewesen, an den ihre Mutter sonst ihre Fähigkeit hätte übergeben können. Dafür ging alles zu schnell. Unwillkürlich musste sie wieder weinen, wie immer, wenn sie an die letzten Augenblicke mit ihrer Mutter dachte.

Zusammen mit ihrer Heilergabe hatte Faye auch den Platz unter den Paten des Prinzen übernommen und musste nun ein Ritual durchführen, welches sie noch nie zuvor geübt hatte und für das ihr nun auch noch eine Zutat fehlte. Was sollte sie nur tun? Faye sah sich um. Auf der Wiese um sie herum wuchs überall Schöllkraut. Zwar gelbes, aber ginge das nicht vielleicht auch? Rotes Schöllkraut war nur eine der vielen Zutaten, die verwendet werden musste. Und alles andere hatte sie vorrätig. Wenn sie dafür einfach ein bisschen mehr von dem gelben nehmen würde? Aber nicht zu viel. Denn Schöllkraut war in größeren Mengen giftig. Aber in kleinen Gaben wurde es häufig für die Behandlung der Galle und Magenbeschwerden eingesetzt. Es war riskant, aber Faye sah keine andere Möglichkeit. So würde sie es machen. Der Trank musste nun vierundzwanzig Stunden ziehen und morgen würde sie sich auf den Weg zum Palast machen. Wieder spürte sie, wie sich das Kind in ihr regte. Glücklich eine Lösung gefunden zu haben, schlief sie in dieser Nacht das erste Mal seit Tagen ruhig und fest.

Als Faye im Palast ankam, waren die Feierlichkeiten schon in vollem Gange. Aufgrund der Schwangerschaft hatte sie mehr Pausen einlegen müssen, als geplant. Äußerlich war ihr noch nichts anzusehen, aber die Schwangerschaftssymptome waren deutlich ausgeprägt und schwächten sie. Im Vorbereitungsraum hatte sie gerade noch Zeit ihre Festtagsgarderobe anzuziehen und den Trank in den dafür vorgesehenen Zeremonienbecher zu füllen. Am liebsten hätte sie sich noch etwas ausgeruht, doch dann wurde sie schon in die große Festtagshalle gerufen. Faye, die noch nie in der Hauptstadt Farland, geschweige denn in Farland-Castle gewesen war, sah sich überwältigt um. Die Halle war nicht, wie sie es erwartet hatte, in einem Gebäude, sondern bestand aus einer riesigen Kuppel aus Bäumen und Ranken mitten im Schlosshof. Überall verteilt saßen und standen Feen und Wesen. Auch einige Geschöpfe, die sie nicht benennen konnte, befanden sich unter den Gästen. Vermutlich Gesandte aus den Nachbarreichen. Faye nahm ihren Platz unter den anderen Paten ein. Durch das wenige Wissen, das ihre Mutter ihr mitgegeben hatte, konnte sie die Jahreszeitenfeen ausmachen, die den Prinzen mit der Verbundenheit zur Natur und dem tiefen Verständnis für alle Lebenszyklen ausstatten würden. Und auch einen Wächter des Sees, der ihm eine Verbindung zur Quelle des Sees der Prophezeiungen ermöglichen würde, war anwesend. Die unscheinbare Fee zu Fayes Linken, war vermutlich die zweite Heilfee, die den jungen Prinzen in seiner körperlichen Kraft und Ausdauer bestärken würde.

Der auffälligste Pate war in jeder Hinsicht der Zentaur. Normalerweise blieben sie in ihrem eigenen Reich und kümmerten sich kaum um die anderen Völker. Nur zu den Krönungen und Taufen hatten Feen und Zentauren einen gemeinsamen Bund, bei dem sie sich unterstützten. Der Zentaurenpate übertrug dem Thronfolger altes Wissen über alle lebenden Wesen, ihre Ursprünge und ihre Geschichte bis zum heutigen Tag. Diese Zeremonie bildete den Abschluss der Königstaufe. Und nur, wer auf diese Weise getauft wurde, durfte König oder Königin von Antara werden.

Das Königspaar erhob sich vom Thron und Königin Nimueh startete die Zeremonie mit einer Begrüßungsrede: „Liebe Untertanen, heute versammeln wir uns hier, um ein wahrlich freudiges Ereignis zu feiern. Es ist uns eine große Ehre und Freude, euch alle zum Herzbad unseres geliebten Sohnes, des Prinzen Tanis, willkommen zu heißen. Dieser Tag markiert nicht nur einen bedeutenden Meilenstein im Leben unseres Sohnes, sondern auch in der Geschichte unseres Königreiches. Von dem Moment an, als unser Sohn das Licht der Welt erblickte, hat er unser Leben mit unermesslicher Freude und Hoffnung erfüllt. Er ist das Symbol unserer Liebe und unserer gemeinsamen Zukunft. Wir sind zutiefst dankbar für die Segnungen, die uns zuteilwurden, und für die Unterstützung und das Wohlwollen, die ihr, unsere treuen Untertanen, uns stets entgegenbringt.“

König Orlagh übernahm nun den zweiten Teil der Begrüßung. „In einer Zeit, in der unser Reich sich stetig weiterentwickelt und wächst, sehen wir in unserem Sohn nicht nur unseren Nachfolger, sondern auch das Versprechen einer glänzenden Zukunft. Mit dieser Taufe setzen wir ein Zeichen der Hoffnung und des Glaubens. Möge unser Sohn mit Weisheit, Mut und Mitgefühl gesegnet sein, um eines Tages ein gerechter und weiser Herrscher zu werden.

Wir möchten diese Gelegenheit nutzen, um unserer Dankbarkeit Ausdruck zu verleihen. Dankbarkeit gegenüber unseren Ahnen, die dieses Reich aufgebaut haben, und Dankbarkeit gegenüber euch allen, die es jeden Tag aufs Neue mit Leben erfüllen. Und jetzt lasst die Rituale beginnen.“

Faye stand ganz hinten am Rand und konnte nur wenig von dem sehen, was um den Prinzen herum geschah. Erst nachdem die Jahreszeitenfeen ihre Rituale beendet hatten, konnte sie einen Platz weiter vorn ergattern. Nun war der Wächter des Sees an der Reihe. Er verneigte sich vor dem Königspaar und übergoss die Stirn des kleinen Prinzen mit Wasser. Das war es schon? Faye schaute sich verwundert um. Vielleicht steckte in diesem ganzen Ritus doch mehr Theater und Unterhaltung für die Gäste, um die Königsfamilie weiterhin geheimnisvoll und besonders erscheinen zu lassen. Und wenn dem so wäre, wäre es auch nicht schlimm, dass ihr Trank nicht ganz der Vorschrift entsprach. Faye atmete auf. Als Nächstes waren die Heilfeen an der Reihe. Almar, ihren Namen hatte Faye in der Pause erfahren, hatte eine Art Salbe hergestellt, die sie Tanis auf die Füße strich. Man merkte ihm langsam an, dass ihm die lange Zeremonie zu viel wurde. Er fing an sich in den Armen der Zeremonienmeisterin zu winden. Der arme Junge! Fayes Hand wanderte unwillkürlich zu ihrem Bauch. Erst ein Jahr war der kleine Prinz alt und doch musste er geduldig eine solch lange Zeit ausharren und alles Mögliche über sich ergehen lassen, obwohl er vermutlich noch gar nicht verstehen konnte, was da mit ihm geschah. Während sie noch darüber nachdachte, wie sie wohl den ersten Geburtstag ihres eigenen Kindes feiern würde, wurde ihr Name aufgerufen. Sie ging nach vorn, verbeugte sich ebenfalls vor dem König und der Königin. Einen Moment lang konnte sie Unsicherheit und Zweifel in den Augen von Königin Nimueh erkennen. Sie war wohl nicht darüber informiert worden, dass Faye den Platz ihrer Mutter eingenommen hatte. Doch als Königin durfte sie sich wohl nichts anmerken lassen, denn schnell wurde ihr Blick wieder konzentriert. Dabei konnte Faye ihre Sorge nur zu gut nachvollziehen und umso mehr hoffte sie, dass jetzt alles gut gehen würde. Die nächsten Schritte waren Faye kurz zuvor erklärt worden. Den Trank, den sie zubereitet hatte, musste sie an einen Vorkoster übergeben, der sicherstellte, dass kein Gift in ihm enthalten war. Obwohl Feen für ihre guten Herzen bekannt waren, gab es überall Ausnahmen und auch die Angriffe aus benachbarten Ländern hatten in den letzten Jahren zugenommen. Zitternd überreichte Faye dem Vorkoster den Becher. Dieser schüttete ein weißes Pulver in die Flüssigkeit, die sich daraufhin zunächst leicht gelb färbte, bevor sie wieder ihre ursprüngliche braune Farbe annahm. Dann goss er einen kleinen Schluck in ein extra Gefäß und trank ihn aus. Gebannt starrte ihm Faye ins Gesicht. Er wartete einen Moment ab, dann nickte er. Vor Erleichterung entwich Faye ein Seufzer. Argwöhnisch blickte die Königin nun zu ihr hinüber. Währenddessen wurde ein kleiner Teil des Trankes in einen goldenen Becher abgefüllt und dem Prinzen zu trinken gegeben. Zufrieden sah ihm Faye dabei zu, wie er auch noch den letzten Rest aus dem Becher schlürfte. Um den bitteren Geschmack zu überdecken und es ihm ein bisschen leichter zu machen, hatte sie ein wenig Honig beigemischt. Tanis lächelte ihr zu und Faye lächelte zurück. Es war nichts geschehen, dem zukünftigen König von Antara ging es gut. Sie nickte noch einmal und drehte sich um, um ihren Platz unter den Paten wieder einzunehmen und dem Zentauren-Ritual zuzusehen, als mit einem Mal ein Raunen durch die Menge ging. Sie fuhr herum und sah noch, wie der kleine Junge die Augen verdrehte und zu Boden fiel. Sie konnte gar nicht so schnell verstehen, was geschehen war, da packten sie schon grob die Männer der königlichen Armee und zerrten sie in einen kleinen Raum im Keller des Palasts. Eine ganze Zeit ließ man sie dort allein. Faye wusste nicht, was als Nächstes passieren würde. Zusammengekauert saß sie in einer Ecke und weinte. Sie machte sich große Vorwürfe und hoffte, dass dem Prinzen nichts Schlimmes passiert war. Die Unwissenheit zerriss sie innerlich. Es kam nicht oft vor, dass einer Fee ein Verbrechen vorgeworfen wurde, daher war ihr nichts über mögliche Strafen bekannt, die ihr durch ihren Fehler drohen könnten. Zur Nacht brachte man ihr einen Strohsack und etwas trockenes Brot, aber immer noch sprach niemand mit ihr. Am nächsten Morgen wurde sie in den Thronsaal geführt. König Orlagh und Königin Nimueh saßen auf dem Thron, der kleine Tanis war nirgends zu sehen. Sie selbst wurde auf einen hölzernen Stuhl gezerrt. „Was hast du mit meinem Sohn gemacht?“ Der Königin war anzusehen, dass sie sich nur mit Mühe zurückhalten konnte, auf Faye zuzustürmen. „Was ist passiert, wie geht es ihm? Ich wollte doch niemandem Schaden zufügen.“ Flehend sah Faye von einem zum anderen.

König Orlagh räusperte sich. „Tanis geht es soweit gut. Er ist schnell wieder zu sich gekommen. Aber wir müssen von dir wissen, was genau du ihm da verabreicht hast, damit wir herausfinden können, wie groß der Schaden tatsächlich ausfallen kann. Rede. Und wehe du lügst.“ Nachdem Faye ihre Geschichte beendet hatte, steckten die anwesenden Berater und Heilfeen ihre Köpfe zusammen und beratschlagten sich. Nach einer nicht enden wollenden Ewigkeit trat einer von ihnen hervor. Er war schon alt und sein langer, weißer Bart endete erst kurz über seinen Knien. „Wir sind der Ansicht, dass die Gesundheit des jungen Thronfolgers keinen Schaden nehmen wird. Und auch sonst besteht die Hoffnung, dass nichts weiter geschehen wird.“ Erleichterung war im ganzen Saal zu spüren. „Aber“, Faye sah, wie die Königin zusammenzuckte und konnte es ihr nicht verübeln, „es existiert die Möglichkeit, dass sich das Herz des Prinzen im Laufe der Jahre immer mehr verdunkeln wird. Rotes Schöllkraut ist Bestandteil des Trankes um die Güte und das Mitgefühl im Herzen zu stärken. Gelbes kann genau das Gegenteil bewirken. Genau werden wir es aber erst wissen, wenn der Prinz zu einem jungen Mann herangewachsen ist.“ Faye sackte auf ihrem Stuhl in sich zusammen. So froh sie auch war, dass sie Tanis nicht ernsthaft geschadet hatte, war ihr dennoch bewusst, dass sie nicht ohne eine Strafe entlassen werden würde. Das Königspaar beriet sich nun wiederum mit einigen Mitgliedern des Rates. Schließlich war es wieder König Orlagh, der zu ihr sprach: „Wir gestehen dir aufgrund deines jungen Alters und den Umständen des Todes deiner Mutter eine gewisse Gnade zu. Aber dennoch können wir keine Fee in Antara behalten, die wissentlich oder unwissentlich ein Mitglied der Königsfamilie mit einem Fluch belegt. Deine Strafe wird die Verbannung sein.“ An diesem Punkt mischte sich eine vorher nicht dagewesene Härte und Bestimmtheit in seine Stimme. „Du wirst deine Fähigkeiten verlieren, sobald du die Grenzen des Landes verlässt. Solltest du es jemals wagen zurückzukehren, wird dich das teuer zu stehen kommen.“ Warnend blickte er Faye ins Gesicht, die daraufhin gequält zusammenzuckte. „Die Armee wird dich unverzüglich zum Passengers Place begleiten. Du kannst dort selbst entscheiden, in welchem unserer Nachbarreiche du zukünftig leben willst. Das schert uns nicht. Und nun verschwinde aus unseren Augen!“

Man ließ ihr keine Zeit mehr, sich von ihrer Schwester zu verabschieden oder noch einmal ins Haus ihrer Mutter zurückzukehren, sondern brachte sie sofort in einer Kutsche zum Übergangspunkt aller Reiche, einer übergroßen uralten Eiche. Flankiert von zwei bewaffneten Feen, stand sie nun am Portal, bereit ihr neues Leben zu beginnen. Während sie eine Hand auf den Stamm legte, die andere auf ihren Bauch, konnte sie nur an einen denken: „Philipp.“

Kapitel 2 Wer bin ich?

Entgeistert starre ich in den Spiegel in unserem Flur, noch immer völlig verwirrt von dem, was ich eben erfahren habe. Nur um mich zu vergewissern, dass ich immer noch ich bin, unterziehe ich meinem Gesicht einer gründlichen Prüfung. Nein, ich sehe aus wie immer: blasse Haut, blaue Augen, die blonden Haare zu einem lockeren Zopf nach hinten gebunden, sodass meine Ohren einigermaßen bedeckt sind. Denn während ich sonst sehr durchschnittlich aussehe, haben meine Ohren eine ziemlich merkwürdige Form, mit der ich mich nie ganz anfreunden konnte. Nach oben hin laufen sie spitz zusammen und ich wurde in der Schulzeit mehr als einmal deshalb gehänselt. Sonst falle ich durch keine größeren Auffälligkeiten auf.

Wenn ich mit meiner besten Freundin Sofie unterwegs bin, nimmt niemand Notiz von mir, während sie andauernd angesprochen wird. Ich bin nicht unansehnlich, aber würde nicht als Hauptfigur in einem Film durchgehen. Wenn andere Frauen zum Beispiel in der freien Natur sind, kommen sie mit rosigen Wangen zurück und ihre Haare wurden vom Wind zu einer frechen Frisur verweht. Ich dagegen komme zurück mit roter Nase und verschmiertem Make-Up zurück und die Haare brauchen mindestens zwei Spülungen, bis sie sich überhaupt wieder kämmen lassen. Ansonsten bin ich eine normale junge Frau Anfang zwanzig. Zumindest dachte ich das bis heute morgen.

Der Tag startete eigentlich wie jeder Samstag in den letzten Jahren. Ich wachte früh auf, denn im Sommer wird es in meinem Zimmer unter dem Dach schon ziemlich früh sehr heiß. Die frühen Morgenstunden verbringe ich dann am liebsten im Garten. Unser Garten ist unglaublich schön. Meine Mutter hat hier ein wahres Paradies geschaffen. Kleine Wege aus weißen Kieseln führen in die unterschiedlichen Ecken, wo die Blumen jeweils in einer anderen Farbe leuchten. In der Mitte gibt es sogar einen kleinen Teich mit Seerosen, den ein Maler nicht hätte schöner darstellen können. Mein Lieblingsplatz ist eine Bank, versteckt hinter einem Sommerflieder, in dem sich zu dieser Jahreszeit die erstaunlichsten Arten von Schmetterlingen tummeln. Hier sitze ich fast jeden Morgen, genieße den ersten Kaffee des Tages und nehme all die Farben und Gerüche in mich auf. Vor allem die Gerüche.

Unter der Woche arbeite ich in einem Kino. Das heißt, ich rieche tagein tagaus fast nichts anderes als den süßen, buttrigen Geruch von Popcorn. Ich könnte mir natürlich eine andere Arbeit suchen, aber in einer so kleinen Stadt, wie Middlehaven, ist die Auswahl nicht besonders groß. Und im Grunde brauche ich auch nicht viel Geld. Ich zahle keine Miete, da ich noch immer in meinem Kinderzimmer wohne und benutze mein Gehalt hauptsächlich, um mein Kunststudium an der Fernuniversität zu bezahlen. Immer wenn Sofie und ich telefonieren, erzählt sie mir von Ashford, der großen, aufregenden Stadt, in die sie mittlerweile gezogen ist. Von den Möglichkeiten, die es dort für mich gäbe. Für uns. Sie wohnt in einer WG und möchte, dass ich das letzte freie Zimmer beziehe. Aber ich kann nicht. Ich kann meine Mutter nicht allein lassen. Sie hat nur mich. Ohne mich würde sie ihren letzten Lebensmut verlieren. Das kann ich nicht verantworten. Und so schlecht ist es hier schließlich nicht.

An den Wochenenden genieße ich es, in der Natur zu sein, wo es zwar auch süßlich riechen kann, aber nie nach Butter und Zucker. Und Kaffee. Ich liebe den Duft von frischgemahlenem Kaffee. Und eben den Platz auf der Bank unter dem Sommerflieder. Für mich gibt es keinen schöneren Start in den Tag. So hatte auch dieser Morgen begonnen. Mein Kater Black Jack gesellte sich eine Weile zu mir und ließ sein weißes Fell von der Sonne wärmen, während er wohlig dösend den Schmetterlingen zusah. Ich weiß gar nicht mehr, warum wir diesen Namen für ihn gewählt haben. Black Jack war schon immer da und hatte nie einen Namen. An einsamen Abenden habe ich mich zu ihm auf einen schwarzen Teppich gekuschelt. Der Kontrast von seinem weißen Fell und den schwarzen Teppichfasern hat mich irgendwie immer beruhigt und so ist er irgendwann zu seinem paradoxen Namen gekommen.

Den Rest des Tages hatte ich eigentlich damit verbringen wollen, nach Port Preston zu fahren, um meine Farben und Leinwände aufzustocken. Doch als ich in die Küche kam, saß meine Mutter völlig aufgelöst am Küchentisch und starrte auf die Tasse, die vor ihr stand. Das allein war noch nichts Besonderes. Ich kenne meine Mutter meist nur umgeben von einer Art tiefer Traurigkeit, die ich mir nie erklären konnte, doch in all der Zeit hatte ich sie erst einmal weinen gesehen. Einen Moment lang wusste ich nicht, wie ich reagieren sollte. Und so stand ich im Türrahmen und sah dabei zu, wie ihre Tränen sich mit dem verschütteten Tee auf der Tischplatte vermischten. Dann fasste ich mir ein Herz. „Mum?“ Langsam ging ich auf sie zu, „Was ist passiert?“ Erst jetzt bemerkte sie mich. „Ach Diona. Es ist so schrecklich. So unglaublich schrecklich. Ich bin schuld und ich weiß nicht, was ich jetzt tun soll. Ich bin schuld, ich bin schuld.“ Wieder und wieder murmelte sie diesen Satz. Verwirrt schaute ich sie an. Meine Mutter. Eine Frau, die viel älter aussah, als sie in Wirklichkeit war. Ihre Haare, die schon in jungen Jahren ergraut waren, die sie aber normalerweise immer zu einer adretten Frisur zurechtmachte, standen ihr wirr vom Kopf ab. Ihr Bademantel war halb geöffnet, das Nachthemd darunter zerknittert und ebenfalls von Tropfen durchnässt. Ob vom Tee oder den Tränen konnte ich nicht sagen. Dadurch konnte ich heute deutlich die spitzen Ohren sehen, die ich von ihr geerbt habe und die sie sonst immer mit einem Hut oder Tuch verdeckt, sobald sie das Haus verlässt. Noch nie hatte ich sie derart derangiert gesehen. Es musste etwas wirklich Schreckliches passiert sein. „Ist einer deiner Kunden gestorben?“ Nicht selten hatte Mum durch ihren Beruf mit alten und sehr kranken Leuten zu tun und nicht jedem konnte sie helfen, so sehr sie sich auch bemühte. „In der Apotheke? Nein. Nein. Es ist so viel wichtiger. So viel größer.“ Lange sah sich mich an, dann seufzte sie tief und begann zu erzählen:

Dass es im Wald hinter unserem Haus einen Durchgang gibt. Einen Durchgang in das Reich der Feen, Antara. Und dass sie selbst eine von ihnen war. Dann, wie sie meinen Vater Philipp, einen Menschen, kennenlernte und sie sich verliebten. Wie sie etwas später auserwählt wurde, Taufpatin des neugeborenen Feenprinzen zu werden, da ihre Mutter kurz zuvor verstorben war, die eigentlich für diese Rolle vorgesehen war. Und wie sie kurz vor dem großen Tag erfuhr, dass sie mit mir schwanger war, weshalb sie die Zeremonie vergeigte und versehentlich den Feenprinzen verfluchte. Dass sie dann aus Antara verbannt wurde und eine Tochter bekam und wie sehr sie die Verbannung in die Menschenwelt belastete. Und schließlich, wie mein Vater sie verließ, als ich drei war, weil er ihre ständige Trauer nicht mehr ertragen konnte.

„Als du ungefähr fünf Jahre alt warst, hat es meine Schwester Melinda geschafft Kontakt mit mir aufzunehmen. Das war das erste Mal, dass ich hörte, was in Antara passiert ist, seit ich gehen musste. Seitdem sprechen wir einmal im Monat und sie hält mich auf dem Laufenden. Nachdem ich Antara verlassen hatte, wurde überall im Land nach einer Möglichkeit gesucht den jungen Prinzen Tanis von meinem Fluch zu befreien. Doch niemand hat es geschafft. Nach und nach nahm die Verwandlung seinen Lauf und Tanis wurde zu der schlechtesten Version seiner selbst. Der König und die Königin verbannten ihn auf ein abgelegenes Bergschloss, doch nun steht sein fünfundzwanzigster Geburtstag an – der Tag, an dem der erstgeborene Prinz zum neuen König des Feenreiches ernannt wird, wenn er bis dahin eine Gemahlin gefunden hat.“ Sie seufzte scher. „Bis dahin ist nur noch ein Monat Zeit. Tanis hat alle weiblichen Feen, mit ebenso dunkler Seele, wie seiner, aufgerufen sich in seinem Schloss einzufinden, damit er eine von ihnen als zukünftige Königin auserwählen kann. Und wenn das geschieht …“ An dieser Stelle stockte ihre Stimme und sie musste sich einen Moment sammeln, bevor sie weitersprach. „Wenn das geschieht, ist das Feenreich dem Untergang gewidmet. Dann wird es dort keine Freude mehr geben. Die Natur wird verenden und alles wird in Dunkelheit begraben.“

Mehr bekam ich an dieser Stelle nicht aus ihr heraus. Wortlos starrte sie aus dem Fenster und ich verließ die Küche, um zu verarbeiten, was sie mir gerade erzählt hatte.

Meine Mutter ist also eine Fee und mein Vater, den ich nicht mehr gesehen habe, seit er uns damals verließ, ist ein Mensch. Das macht mich, nach Aussage meiner Mutter, zu einer Halbfee, einer sogenannten Fantary. Ich stamme aus einer Welt, die ich nicht kenne.

Auch wenn es vermutlich absoluter Quatsch ist, erlaube ich mir, einen Moment den Gedanken zuzulassen, dass all das wahr sein könnte. Es würde so vieles erklären. Und dass ich diesen Ort vielleicht besuchen könnte, meine Familie. Ich habe eine Familie. Und vielleicht, würde ich dort das finden, wonach ich mein Leben lang schon suche, ohne dass ich sagen könnte, was es ist. Schon immer merke ich nur, dass ein Teil von mir fehlt. Dass ich mich nicht vollständig fühle. Doch dann stocken meine Gedanken.

Und diese Welt, wenn es sie wirklich gibt, soll verloren sein? Ich soll niemals die Gelegenheit bekommen, sie kennenzulernen? In meinem Kopf dreht sich alles. Wenn meine Mutter verantwortlich ist für den Fluch, der all das ausgelöst hat, dann muss sie ihn doch brechen können. Sie muss es doch wenigstens versuchen. Obwohl ich selbst kaum glauben kann, was ich da denke und selbst merke, wie absurd sich das anhört, stürme ich zurück in die Küche. „Mum? Mum, hör zu. Wenn auch nur Etwas von dem stimmt, was du mir gerade erzählt hast, wie kannst du all das zulassen? Wenn dein Fluch, oder was auch immer, der Grund dafür ist, dass jetzt eine Katastrophe passiert, dann musst du doch etwas tun. Wie kannst du so ruhig hier sitzen?“

Meine Mutter sieht mich an, steht auf, baut sich vor mir auf und schreit mich fast an. „Glaubst du nicht, dass ich nicht seit über zwanzig Jahren jeden einzelnen Tag versucht habe, ein Gegenmittel zu finden? Glaubst du, dass mir mein Land, meine Familie und alle Feen darin egal sind? Glaubst du das wirklich? Jede Nacht, wenn du im Bett liegst, wälze ich Bücher, sammle Kräuter, teste Mixturen. Aber ich finde keine brauchbare Lösung. Egal, was ich zusammenmixe, es gibt immer einen Haken.“ Ihre Stimme wird wieder ruhiger. Dann bricht sie wieder auf ihrem Stuhl zusammen und flüstert: „Der letzte Trank sah eigentlich schon fast vielversprechend aus. Aber was soll uns der in der Menschenwelt nützen? Ich darf doch nicht zurück! Man würde nicht einmal über die Grenze lassen.“

Mehr als alles möchte ich ihr helfen, möchte ihr Mut geben, aber mir fällt nichts ein. „Vielleicht ist ja alles nicht so schlimm? Vielleicht hat mittlerweile doch jemand eine Möglichkeit gefunden.“ „Morgen ist wieder einer der Tage, an dem deine Tante Melinda Kontakt zu mir aufnehmen kann. Dann kannst du wenigstens sie kennenlernen. Und sie wird dir alles bestätigen.“

Vor meinen Augen dreht sich alles. Morgen. Morgen werde ich erfahren, ob ich wirklich eine Fee bin oder ob meine Mutter einfach einen Nervenzusammenbruch hat. Gerade weiß ich nicht, was mir lieber wäre. Ich frage mich auch immer wieder, ob mein Vater von all dem weiß und ich deshalb nur einmal im Jahr von ihm höre. Auf einer nichtssagenden Postkarte zu meinem Geburtstag. Ist er vielleicht mit all dem nicht klargekommen? Oder will er nichts von mir wissen, weil ich eine von ihnen bin? Weil ich eine Fee bin?

Ein Teil von mir reagiert mit dem üblichen kindlichen Trotz, der sich immer zeigt, wenn ich an meinen Vater denke. Ich bin ja nicht einmal eine Fee. Und offensichtlich auch kein Mensch. Ich bin gar nichts. Wie passend. Kein Wunder, dass ich nirgendwo dazu zu gehören scheine.

Den Rest des Tages sehe ich Mum nicht. Ich versuche, mich abzulenken und zu malen. Aber es will mir nicht gelingen. Auch in der Nacht schlafe ich schlecht und träume wild durcheinander in einzelnen Bildern. Wesen mit spitzen Ohren, Portalen in Bäumen, fliegenden Drachen und immer wieder höre ich meine Mutter in ihrem Zimmer schluchzen.

Am nächsten Morgen weiß ich nicht mehr, was eigentlich Traum war und was mir meine Mutter am Tag zuvor erzählt hat. Ich bin völlig gerädert und trinke noch mehr Kaffee als sonst.

Kapitel 3 Ruf aus dem Feenreich

Ich muss mich auf der Arbeit krankmelden, um dabei sein zu können, wenn Mum mit meiner Tante Melinda spricht. Angeblich ist das nur am Zwölften des Monats um zwölf Uhr mittags möglich. Das klingt immer noch alles wie in einem Roman.

Mum und ich sind im Hinterzimmer ihrer Apotheke. Während es zu Hause stets ordentlich ist und nicht einmal eine schmutzige Tasse im Spülbecken stehen darf, sieht es hier aus, als wäre gerade eingebrochen worden. Überall reihen sich offene Fläschchen und Dosen aneinander, aufgeschlagene Bücher liegen herum und der Boden ist bedeckt von getrockneten Kräutern und Blüten. Die Luft ist durchzogen von einer wilden Mischung exotischer Düfte. Einen Platz zum Sitzen gibt es nicht. Als Kind habe ich diesen geheimnisvollen Ort geliebt. Die Zeit nach der Schule habe ich oft hier verbracht, um Blüten und Kräuter in den unterschiedlichsten Büchern zu bestimmen und Mum zu helfen, daraus Mixturen für ihre Kunden herzustellen.

Während ich mich umsehe und den Geruch meiner Kindheit einatme, versucht Mum auf dem alten Sekretär in der Ecke etwas Platz zu machen. Auf die freie Fläche stellt sie eine alte, verbeulte Waschschüssel und wirft ein paar Bergkristalle ins Wasser. „Das stärkt die Verbindung“, erklärt sie mir. Mich wundert schon gar nichts mehr. Es ist fünf Minuten vor zwölf. In Gedanken gehe ich schonmal die Nummer des Notarztes durch, denn entweder es passiert gleich nichts und dann muss meine Mutter dringend in eine Klinik, um ihren Geisteszustand untersuchen zu lassen. Oder alles, was sie erzählt hat, ist wahr und dann brauche ich vermutlich einen Nervenarzt. Gebannt starre ich auf die Wasseroberfläche. Aus dem Verkaufsraum tönt der Gong der alten Apothekeruhr. Es ist zwölf.

Nichts passiert.

Ich wusste es.

Doch dann sehe ich, wie sich kleine Wellen auf der Wasseroberfläche bilden. Das Wasser verändert seine Farbe. Erst wird es dunkel, fast schwarz, dann erscheinen kleine grüne Lichtflecken und immer deutlicher ist ein Gesicht zu erkennen. Ein Frauengesicht. Etwas älter als meine Mutter, aber unglaublich ähnlich. Beide Frauen halten einen türkisenen Stein in der Hand und werfen ihn gleichzeitig ins Wasser. „Für die Kommunikation“ flüstert mir Mum zu.

Jetzt kann ich tatsächlich Geräusche hören. Die Luft vibriert, erfüllt von einem tiefen, unbestimmbaren Brummen. Im Hintergrund ist ein leises Murmeln zu hören, wie das leise Summen eines entfernten Insektenschwarms. Die Geräusche klingen nach und nach ab und ich höre klar eine Stimme.

„Faye. Meine liebe Schwester, wie geht es dir?“

„Melinda. Es ist so schon dich zu sehen“, seufzt meine Mutter. „Ich kann dir gar nicht beschreiben, wie es mir geht.“

Eine Weile sehen sich beide mit Tränen in den Augen an. Dann scheint sich Mum daran zu erinnern, dass ich ja auch noch da bin. „Melinda, ich möchte dir heute jemanden vorstellen.“ Sie wendet sich mir zu und schiebt mich aufmunternd näher heran. „Das ist Diona. Deine Nichte. Sie weiß jetzt alles. Diona,“ sie nickt mir zu und schiebt mich näher an den Sekretär, „das ist deine Tante.“

Immer noch überfordert von der ganzen Situation, winke ich in die Waschschüssel. Ich winke in eine Waschschüssel. Vielleicht sollte ich doch nochmal über eine Einweisung in eine Klinik nachdenken. Das kann ich doch niemandem erzählen.

„Oh Diona, endlich sehe ich dich! Wie erwachsen du bist. Und so hübsch! Du siehst deiner Großmutter sehr ähnlich. Das muss ja alles schrecklich viel für dich sein, du armes Wesen. Und doch ist es Schicksal, dass du jetzt eingeweiht bist.“

Ein ernster Ausdruck, den ich nicht zu deuten vermag, liegt auf ihrem Gesicht. Es ist seltsam, wie vertraut mir diese völlig fremde Frau vorkommt. Sie hat so viel von Mum, dass ich schon das Gefühl habe, sie zu kennen. „Faye, es gibt Hoffnung“, wendet sich Melinda nun wieder meiner Mutter zu. „Der See der Prophezeiungen hat gesprochen, es gibt eine neue Weissagung. Und sie betrifft euch.“

Ich kann nur auf den Kopf gefallen sein und liege jetzt im Koma. Der See hat gesprochen? Kann es noch verrückter werden? Aber doch, das kann es. „Ich wurde heute beauftragt, mit euch Kontakt aufzunehmen,“ fährt Melinda fort. „Ich wurde in den Palast bestellt und dachte, ich werde vielleicht bestraft, weil dort herausgefunden wurde, dass wir bereits in Kontakt stehen. Aber stattdessen wurde ich gefragt, ob ich weiß, wo du dich aufhältst und habe den Auftrag bekommen mit dir und Diona zu sprechen.“

Neben mir höre ich meine Mutter deutlich den Atem anhalten.

„Die Wächter des Sees haben, wie gesagt, eine Prophezeiung erhalten und diese besagt, dass Tanis gerettet werden kann. Durch den Mut einer Fee, die alles verloren hat. Und sie denken, das bist du.“

Mum schluckt. „Aber ich habe meine Kräfte damals verloren! Ich kann doch gar nichts tun!“ „Nein, sie meinen nicht dich, sondern Diona.“

„Diona?“

„Ich?“ Jetzt ist es an mir zu schlucken. „Ich weiß doch gar nichts. Ich habe keine Kräfte, ich bin doch nur eine, eine, wie heißt das?“ Hilfesuchend blicke ich zu Mum. „Ja, sie ist doch eine Fantary, also nicht einmal eine richtige Fee“, bestätigt sie. Jetzt lächelt Melinda „Faye denk doch mal nach, eine Fee kann ihre Kräfte nicht verlieren, sondern nur an eine andere Fee abgeben, die noch keine Kräfte besitzt. Und an wen hast du deine Kräfte abgegeben?“ Mein Blick wechselt gespannt zwischen den zwei Frauen hin und her.

„Beim heiligen Baum.“ Mum starrt mich an. Ich verstehe jetzt gar nichts mehr.

Melinda übernimmt wieder das Gespräch. „Diona, deine Mutter hat all ihre Kraft an dich übertragen, da sie mit dir schwanger war, als sie in die Menschenwelt überwechseln musste. Du warst jedoch geschützt. Und damit bist du wohl die ersehnte Retterin von Tanis Seele. Ich wurde beauftragt, dich zu finden und sofort nach Farland zu bringen. König Orlagh und Königin Nimueh wollen dich sehen und entscheiden, ob sie dich auf die Rettungsmission schicken.“

Noch nie habe ich einen Stuhl so sehr gebraucht, wie in diesem Moment. Ich habe den starken Drang, mich zu setzen, vor meinen Augen verschwimmt alles. Vor gerade einmal achtundvierzig Stunden war ich eine popcornverkaufende Studentin, deren Freizeit größtenteils daraus bestand, einseitige Gespräche mit ihrem Kater zu führen oder ihrer Mutter in der Apotheke zu helfen. Jetzt soll ich ein ganzes Reich vor dem Untergang retten? Ein Reich, das ich nicht kenne, in dem Feen mit merkwürdigen Fähigkeiten und wer weiß was noch leben? Dort soll ich sogar den König und die Königin treffen?

Ich verstehe gar nichts mehr. Mir fällt auf, dass Mum ganz ruhig geworden ist. „Heißt das,“ flüstert sie, „wenn Tanis gerettet werden kann, könnte ich zurückkehren? Zurück nach Antara?“ Ihre Stimme zittert und mir entgeht nicht der sehnsuchtsvolle Blick in ihren Augen. „Das weiß ich nicht,“ antwortet Melinda ruhig. „Ich weiß nur, dass Diona in den Palast kommen soll.“ Mum sieht mich flehend an. „Bitte. Wirst du es versuchen?“

Kapitel 4 Übergang

Ich muss wohl ja gesagt haben, denn einige Stunden später befinde ich mich inmitten des Waldes hinter unserem Haus. Mum hat den ganzen Abend auf mich eingeredet, bis ich schließlich zugestimmt habe, nach Antara zu reisen. Warum sollte ich es auch nicht versuchen? Außer Mum habe ich nicht wirklich jemanden, der mich hier hält und nach dem, was ich über mich erfahren habe, will ich jetzt einfach noch mehr wissen. Vielleicht erhalte ich in Antara endlich Antworten auf all die Fragen, die ich in mir habe, aber nie in Worte fassen konnte.

Mum begleitet mich zu irgendeinem Portal, das ich durchschreiten muss, um ins Reich der Feen zu gelangen. Es klingt immer noch so surreal. Ich bin aufgeregt und zugleich verzweifelt. Ich bin doch nur ich – ich weiß nichts über Feen.