Fantasy als Parodie - Nicole Walther - E-Book

Fantasy als Parodie E-Book

Nicole Walther

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Beschreibung

Diplomarbeit aus dem Jahr 2007 im Fachbereich Bibliothekswissenschaften, Information Science, Note: 2,3, Rheinische Fachhochschule Köln, Sprache: Deutsch, Abstract: Die vorliegende Arbeit befasst sich mit den Discworld-Romanen des britischen Schriftstellers Terry Pratchett. Nach der Vorstellung des Autors sowie weiterer Personen, welche das Bild der Discworld entscheidend mitprägen, wird den medialen Transformationen der Bücher besonderes Augenmerk geschenkt. Der Schwerpunkt der Arbeit besteht in der Analyse von Pratchetts Verfremdung bekannter Motive durch die Verlegung in eine phantastische Welt und gleichzeitiger humoristische Beleuchtung. Dabei wird zunächst auf zwei ausgesuchte Figurenkonstellationen und die Darstellung wiederkehrender Themen in den jeweiligen Serien eingegangen. Darauf folgend werden wiederum zwei ausgewählte Themenbereiche im Bezug auf ihre Präsentation durch Pratchetts parodistisch-phantastische Verfremdung untersucht. Zum Schluss werden die Ergebnisse interpretiert und zusammengefasst, gefolgt von einer Übersicht des Gesamtwerks des Autors.

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Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Biographien
2.1 Terry Pratchett
2.2 Stephen Briggs
2.3 Colin Smythe
2.4 Josh Kirby
2.5 Paul Kidby
2.6 Jack Cohen
2.7 Ian Stewart
2.8 Bernard Pearson
3. Mediale Transformationen
3.1 Radio und Hörbücher
3.2 Theater
3.3 Animationsfilme
3.4 Kino und Fernsehen
3.5 Spiele
4. Ausgewählte Figurenkonstellationen der Discworld Romane
4.1 Death
4.1.1 Death und die Menschen
4.1.2 Death, Arbeit und Verantwortung
4.2.1 Die City Watch Romane als Kriminalparodie
4.2.2 Die City Watch Romane und Politik
5. Ausgewählte Themenbereiche der Discworld Romane
5.2 Die Rolle der Frau in den Discworld Romanen
6. Schlussbemerkungen
7. Bibliographie
7.1 die Discworld Reihe
7.1.1 Discworld Romane
7.1.2 The Science of Discworld
7.1.3 weitere Discworld Publikationen
7.2 Bücher für jüngere Leser
7.2.1 Discworld
7.2.2 Roundworld
7.3 Andere Werke
7.3.1 Romane
7.3.2 Kurzgeschichten, Gedichte und Essays
8. Quellenverzeichnis

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Page 2

Die vorliegende Arbeit befasst sich mit den Discworld-Romanen des britischen Schriftstellers Terry Pratchett.

Nach der Vorstellung des Autors sowie weiterer Personen, welche das Bild der Discworld entscheidend mitprägen, wird den medialen Transformationen der Bücher besonderes Augenmerk geschenkt. Der Schwerpunkt der Arbeit besteht in der Analyse von Pratchetts Verfremdung bekannter Motive durch die Verlegung in eine phantastische Welt und gleichzeitiger humoristische Beleuchtung. Dabei wird zunächst auf zwei ausgesuchte Figurenkonstellationen und die Darstellung wiederkehrender Themen in den jeweiligen Serien eingegangen. Darauf folgend werden wiederum zwei ausgewählte Themenbereiche im Bezug auf ihre Präsentation durch Pratchetts parodistisch-phantastische Verfremdung untersucht. Zum Schluss werden die Ergebnisse interpretiert und zusammengefasst, gefolgt von einer Übersicht des Gesamtwerks des Autors.

Pratchett, Terry ; Discworld ; Fantasyliteratur; Parodie ; Belletristik ;

Page 5

1. Einleitung

Und sie bewegt sich doch.

Eine scheibenförmige Welt, getragen auf dem Rücken von vier Elefanten, die wiederum auf dem Panzer der gigantischen Sternenschildkröte Great A’Tuin stehen, welche gemächlich durch den Weltraum schwimmt. Zunächst klingt das nur nach einer weiteren Fantasywelt, aber auch dem Genre unerfahrenen Leser wird schnell klar, dass die Discworld einzigartig ist. Sie ist weit mehr als nur eine Welt in der Städte von Menschen, Zwergen und Untoten bevölkert werden, Hausdrachen im wahrsten Sinne des Wortes existieren und der Bibliothekar der Universität ein Orang Utan ist. Auf der Scheibenwelt werden Märchen wahr und Metaphern real. Die Zahnfee existiert, hat aber soviel Arbeit, dass sie ein Franchise-Unternehmen betreibt, die Barbarenhorde ist bereits im Rentenalter, und es gibt einen fünften Reiter der Apokalypse namens Ronny (der die Gruppe allerdings verließ, bevor sie berühmt wurde).

Die Discworld Romane werden primär dem Genre der Fantasy zugeteilt. Wikipedia definiert den Begriff Fantasy wie im Folgenden:

„Als modernes Subgenre der Phantastik stellt die Fantasy übernatürliche, märchenhafte und magische Elemente in den Vordergrund. Meist bedient sie sich der Motive alter Mythen, Volksmärchen oder Sagen. So tauchen Sagengestalten wie Zwerge oder Zauberer auf, aber auch neu erfundene Wesen oder mit menschlichen Eigenschaften ausgestattete Tiere. Für gewöhnlich wird die Handlung in eine fiktive Welt verlagert, die sich deutlich von der irdischen Realität unterscheidet. Das Fiktionale wird nicht mehr als ein solches behandelt, sondern gilt innerhalb dieser Welt als real.“1

Es lässt sich also festhalten, dass Literatur als Fantasy bezeichnet werden kann, wenn sich die Handlung in einer imaginativen Welt abspielt bzw. märchenhafte Erzählelemente vorhanden sind. Spielt die Handlung in unserer Welt, so müssen übernatürliche Elemente vorhanden sein (z.B. die Existenz der Magie in den „Harry Potter“ Romanen). In den meisten Fällen jedoch vollzieht sich das Geschehen auf einer andersartigen Welt, die zwar größtenteils auch magisch ist, aber stets eigene Regeln und eine eigene Realität besitzt. Diese Welten orientieren sich häufig an historischen

1[Artikel] Fantasy. http://de.wikipedia.org/wiki/Fantasy (10.03.2007)

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Epochen wie dem Mittelalter und wirken daher meist eher archaisch. Politisch gesehen bestehen die meisten Fantasywelten aus Feudalsystemen oder Monarchien, meist in einer Einheit mit dem jeweiligen religiösen System. Gut und Böse sind in vielen Romanen klar voneinander getrennt, und wie in den klassischen Abenteuerromanen gibt es auch hier die üblichen Klischees und Stereotypen, insbesondere da die Fantasyliteratur auf den bekannten Heldenepen beruht, wie etwa dem Nibelungenlied oder der Artussage. Als Begründer der modernen Fantasy gilt J.R.R Tolkien, dessen Werke (u.a. „Herr der Ringe“) in den späten Sechziger Jahren die Fantasy salonfähig machten. Weitere nennenswerte Schriftsteller, welche das Genre mitgeprägt haben, sind Fritz Leiber („Fafhrd und der Graue Mausling“), C.S. Lewis („Die Chroniken von Narnia“), und Marion Zimmer Bradley (die Reihen „Avalon“ und „Darkover“). In den letzten Jahren erhielt das Genre einen neuen Popularitätsschub durch die „Herr der Ringe“ Verfilmungen und das „Harry Potter“ Phänomen. Trotzdem gilt Fantasy immer noch als Trivialliteratur, deren Romane eine meist konservative und stark vereinfachende Weltordnung darstellen. Dies ist sicherlich oft zutreffend, aber gerade in den letzten zwei Dekaden werden zunehmend moralisch ambivalente Themen behandelt. Als Vertreter dieser anspruchsvolleren Fantasy gelten u.a. Tad Williams und George R. R. Martin.

Diese Grundlagen (imaginative und altertümlich anmutende Welt, bekannte Erzählmuster) treffen sicherlich fast vollständig auf Pratchetts Romanreihe zu. Die fiktive Welt ist die Scheibenwelt; ein Zuhause nicht nur für Menschen, sondern auch für Zwerge, Zauberer, und viele andere sagenhafte Gestalten. Immer wieder bedient sich der Autor beliebter Erzählmuster und versetzt diese in eine fremdartige Umgebung. Schon der Aufbau der Discworld - eine scheibenförmige Welt, getragen auf dem Rücken von vier Elefanten, welche auf dem Panzer einer riesenhaften Schildkröte stehen - beruht auf einem Weltbild aus der indischen Mythologie. Auch wendet Pratchett immer wieder sein Augenmerk auf die politischen Systeme der verschiedenen Staaten der Scheibenwelt, und unbestritten bedient er sich durchaus der klassischen Klischees der heroischen Fantasyliteratur. Es ist sein spezieller Umgang mit diesen Klischees, der seine Romane so besonders macht. Er parodiert nicht nur die traditionelle Erzählweise des Genres, er lässt Allegorien und Metaphern real werden. Wenn die Einwohner der Scheibenwelt an etwas glauben (sei es Gott, Zahnfee, oder der gute Ausgang einer Geschichte), so wird es real.

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Wie viele Fantasyautoren hat Terry Pratchett eine große und obsessive Fangemeinde. Es existieren Unmengen an Discworld Merchandise, auf der ganzen Welt finden Conventions statt, und bis zum Siegeszug J.K. Rowlings war Pratchett der meistverkaufte Schriftsteller Großbritanniens. Dies spricht sicherlich zunächst dafür, dass Pratchett tatsächlich Trivialliteratur schreibt, und viele Leser nutzen seine Romane wohl wirklich zum reinen Eskapismus. Aber Pratchetts Romane haben eine zweite, anspruchsvolle Ebene. Seine Art, Geschichten zu erzählen, wird oft mit Tolkien verglichen, aber Pratchett ist witziger, schärfer, mehr interessiert an den Figuren als an der Geschichte selbst. Er spielt mit den erzählerischen Konventionen und verdreht sie immer wieder, wodurch der Leser stets aufmerksam bleiben muss, wenn er den Faden nicht verlieren will. Die Bücher vereinen Einflüsse von Autoren wie J.R.R. Tolkien und H.P. Lovecraft mit Volksmärchen, bekannten Legenden, Popkultur und Wissenschaft, und selbst das ist nur ein Bruchteil von Pratchetts schriftstellerischem Aktionsradius. Er vermischt alte Bilder mit modernen Motiven, wenn beispielsweise im Roman „Witches Abroad“ eine der (guten) Hexen auf der Reise entlang einer mit gelben Steinen gepflasterten Strasse fast von einem herabfallenden Haus erschlagen wird (eine Parodie auf „The Wizard of Oz“),2während die Rahmenhandlung darin besteht, zu verhindern, dass das Dienstmädchen den Prinzen heiratet - eine Umkehrung der altbekannten Geschichte. Pratchetts Welt ist leicht zugänglich - ihre eigenen Gesetze und Regeln sind unkompliziert und auch für den Einsteiger schnell erschlossen - und der Humor ist universal.

Seit dem ersten Roman aus dem Jahre 1983 hat sich die Reihe zu einer der beliebtesten Buchserien der Welt entwickelt, mit Unmengen von Merchandise, alljährlichen Conventions, Theateradaptionen und sogar einer TV-Verfilmung. Neue Romane erreichen sofort nach Erscheinen die oberen Plätze der Bestsellerlisten, und in Großbritannien ist Pratchett der meistverkaufte Autor der Neunziger Jahre. Regelmäßig gewinnen Pratchetts Romane Preise, unter anderem den British Fantasy Award, die Carnegie Medal, und den Bollinger Everyman Wodehouse Prize. Im Jahre 1998 wurde er vom Prince of Wales zum Officer of the Order of the British Empire ernannt, und er hat von bislang drei Universitäten den Ehrendoktorgrad erhalten.

2Pratchett, Terry: Witches Abroad. 10.Aufl. New York: HarperTorch, o.J., S. 164-167.

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Terry Pratchett hat mit seiner Romanreihe in mittlerweile einem Vierteljahrhundert eine Welt erschaffen, die der realen Welt (oft als Roundworld bezeichnet) erstaunlich ähnelt, aber gerade verfremdet genug ist, um mit unserer Sicht der Dinge zu spielen. Nicht umsonst wird er sowohl mit Tolkien und Douglas Adams als auch mit Charles Dickens oder Kurt Vonnegut verglichen - wer die Scheibenwelt als reine Fantasy sieht, unterschätzt Pratchett gewaltig. Sein wahres Metier ist der - gerade in den späteren Büchern stellenweise recht dunkle - Humor, die fortlaufende Parodie auf menschliche Sichtweisen und Traditionen. Indem er mit unseren Erwartungen spielt und erzählerische Gewohnheiten fortlaufend persifliert und umkehrt, ermöglicht er dem Leser eine neue Sichtweise auf Altbekanntes.

In meiner Arbeit möchte ich mich mit dieser Eigenheit Pratchetts befassen und aufzeigen, auf welche Weise er diese zwei Genres - Fantasy und Parodie - untrennbar zusammenführt. Dabei werde ich mich sowohl mit ausgewählten Charakteren der Discworld als auch mit bestimmten Themen und wie diese in den Romanen behandelt werden beschäftigen, und ferner untersuchen, wie Terry Pratchett durch seine fortlaufende Unterwanderung der narrativen Kausalität den Leser immer wieder zur moralischen Stellungnahme herausfordert.

Die folgenden zwei Kapitel sind als weitere Einführung in die Discworld gestaltet. Zusätzlich zu der Biographie Pratchetts stelle ich einige weitere Personen vor, die großen Anteil am Erfolg der Serie haben. Dieses Kapitel wird gefolgt von einem kurzen Abriss über die bisherigen Transformationen der Discworld Reihe, um einen Eindruck über Größe und Dynamik des Fandoms zu vermitteln. Danach folgt der Schwerpunkt meiner Arbeit mit einer genaueren Betrachtung einzelner Figurenkonstellationen und Themenbereichen. Für eine Übersicht auf das Gesamtwerk Pratchetts setze ich eine Bibliographie mit begleitenden Anmerkungen ans Ende meiner Arbeit.

Die deutschen Übersetzungen der Romane stammen von Andreas Brandhorst. Nun lassen sich Pratchetts Sprachspiele in den meisten Fällen nicht übersetzen, da er über einen sehr komplexen Schreibstil verfügt. Sein Wortwitz ist sehr pointiert und besteht häufig darin, ein Wort oder gar nur wenige Buchstaben einer im Englischen populären Formulierung zu ändern. In anderen Fällen kopiert er den Stil bekannter Autoren, spielt mit berühmten Zitaten, oder führt bekannte Szenarien ad absurdum - beispielsweise

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wenn sich ein Krieger darüber ereifert, dass sich nach einem gewonnenem Kampf am nächsten Tag die Mutter des getöteten Monsters bei ihm beschwert hat, was ein ironischer Verweis auf die Legende von Beowulf ist. Diese Witze und Anspielungen müssen vom Übersetzer verstanden werden, um differenziert behandelt werden zu können, denn wenn diese Feinheiten nicht auffallen, können sie nicht an den Leser weiter gegeben werden. Sicherlich ist es auch sinnvoller, im Zweifelsfall textgetreu zu übersetzen und einen Witz zu verlieren, anstatt - wie es leider auch vorkommt - den Text eigenmächtig so zu verändern, dass auch die Übersetzung komisch wirken soll, mit oft recht zweifelhaftem Ergebnis. Unerfreulicherweise treten auch überdurchschnittlich viele vermeidbare Fehler in der Übersetzung auf, weswegen die meisten deutschen Fans die Originalversion bevorzugen. Im Folgenden beziehe ich mich daher ausschließlich auf die englischen Originaltexte Pratchetts.

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