Farm der Tiere - George Orwell - E-Book

Farm der Tiere E-Book

George Orwell

0,0
6,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.

Mehr erfahren.
Beschreibung

Eine Farm. Eine Revolution. Ein Traum von Freiheit, der in Diktatur umschlägt.

Die Tiere auf der Farm des Säufers Mr Jones werden vernachlässigt, ausgebeutet und misshandelt – bis sie eines Tages beschließen zu rebellieren. Die Intelligentesten unter ihnen, die Schweine, führen den Aufstand an, vertreiben den menschlichen Peiniger und stellen neue Regeln für das Zusammenleben auf: Alle Tiere sind gleich! Ein glückliches Leben scheint bevorzustehen, doch allmählich bilden sich neue Machtstrukturen heraus … und aus ehemals Unterdrückten werden neue Gewaltherrscher.

George Orwells dystopischer Roman von 1954 ist erschreckend aktuell – und dabei in zeitgemäßer Neuübersetzung so zugänglich wie nie.

In einer Welt voller Fake News, Filterblasen und Führungsversagen hält Orwell uns den Spiegel vor. Ein Kompass für kritisches Denken mit Witz, Biss und bedrückender Klarheit.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 140

Veröffentlichungsjahr: 2025

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Cover

Titel

George Orwell

Farm der Tiere

Ein Märchen

Aus dem Englischen von Eike Schönfeld

Insel Verlag

Impressum

Zur optimalen Darstellung dieses eBook wird empfohlen, in den Einstellungen Verlagsschrift auszuwählen.

Die Wiedergabe von Gestaltungselementen, Farbigkeit sowie von Trennungen und Seitenumbrüchen ist abhängig vom jeweiligen Lesegerät und kann vom Verlag nicht beeinflusst werden.

Um Fehlermeldungen auf den Lesegeräten zu vermeiden werden inaktive Hyperlinks deaktiviert.

Die englische Originalausgabe erschien 1945 unter dem TitelAnimal Farm. A Fairy Story bei Martin Secker & Warburg Ltd, London.

eBook Insel Verlag Berlin 2025

Der vorliegende Text folgt der deutschen Erstausgabe, 2025.

© der deutschsprachigen AusgabeInsel Verlag Anton Kippenberg GmbH & Co. KG, Berlin, 2025

Der Inhalt dieses eBooks ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten. Wir behalten uns auch eine Nutzung des Werks für Text und Data Mining im Sinne von § 44b UrhG vor.Für Inhalte von Webseiten Dritter, auf die in diesem Werk verwiesen wird, ist stets der jeweilige Anbieter oder Betreiber verantwortlich, wir übernehmen dafür keine Gewähr. Rechtswidrige Inhalte waren zum Zeitpunkt der Verlinkung nicht erkennbar. Eine Haftung des Verlags ist daher ausgeschlossen.

Umschlaggestaltung: Eva Mutter, Barcelona

Umschlaggestaltung von Eva Mutter, Barcelona, unter Verwendung des Originalumschlags, © Read & Co. Books, 2021, reproduced with permission; Abbildung hinten: foxysgraphic/Freepik

eISBN 978-3-458-78494-4

www.insel-verlag.de

Übersicht

Cover

Titel

Impressum

Inhalt

Informationen zum Buch

Cover

Titel

Impressum

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

Informationen zum Buch

Farm der Tiere

1. Kapitel

Mr Jones vom Herrenhof hatte die Hühnerställe für die Nacht abgeschlossen, war jedoch zu betrunken, um daran zu denken, auch die Klappen zu verriegeln. Der Lichtkreis seiner Laterne tanzte hin und her, als er über den Hof wankte und dann vor der Hintertür die Stiefel auszog. Aus dem Bierfass in der Spülküche goss er sich ein letztes Glas ein, bevor er nach oben zum Bett ging, in dem Mrs Jones schon schnarchte.

Das Licht im Schlafzimmer war kaum erloschen, als es überall in den Wirtschaftsgebäuden scharrte und flatterte. Über den Tag hatte sich herumgesprochen, dass der alte Major, der prämierte Middle-White-Eber, in der vorigen Nacht einen merkwürdigen Traum gehabt habe und diesen den anderen Tieren mitteilen wolle. Man war übereingekommen, dass alle sich in der großen Scheune versammelten, sobald Mr Jones sicher von der Bildfläche verschwunden war. Der alte Major (wie er stets genannt wurde, obgleich er unter dem Namen Willingdon Beauty zur Schau gestellt worden war) genoss auf dem Hof eine hohe Wertschätzung, sodass alle sehr bereitwillig auf eine Stunde Schlaf verzichteten, um sich anzuhören, was er zu sagen hatte.

An einem Ende der großen Scheune, auf einer Art erhöhtem Podium, hatte der Major es sich unter einer Laterne, die von einem Balken herabhing, bereits auf seinem Strohlager bequem gemacht. Er war zwölf Jahre alt und in letzter Zeit recht füllig geworden, dennoch war er nach wie vor ein majestätisches Schwein und ungeachtet dessen, dass seine Hauer nie gestutzt worden waren, eine weise und gutmütige Erscheinung. Schon bald trudelten nach und nach die anderen Tiere ein und machten es sich auf ihre jeweilige Art bequem. Erst kamen die drei Hunde, Blümchen, Jessie und Zwicker, dann die Schweine, die sich auf dem Stroh unmittelbar vor dem Podium niederließen. Die Hühner hockten sich auf die Fenstersimse, die Tauben flatterten auf die Dachsparren, die Schafe und Kühe legten sich hinter die Schweine und käuten wieder. Die beiden Zugpferde Boxer und Kleeblatt kamen zusammen herein, sie schritten sehr langsam und traten mit ihren riesigen haarigen Hufen sehr achtsam auf, falls ein kleines Tier im Stroh verborgen war. Kleeblatt war eine stämmige, mütterliche Stute, die sich den mittleren Jahren näherte und nach ihrem vierten Fohlen nicht mehr ihre Figur wiedererlangt hatte. Boxer war ein mächtiges Tier, nahezu achtzehn Handbreit hoch und so kräftig wie zwei gewöhnliche Pferde zusammen. Ein weißer Streifen von Stirn zu Nase verlieh ihm ein etwas dümmliches Aussehen, und tatsächlich war er auch nicht von erstrangiger Intelligenz, wegen seiner Charakterfestigkeit und gewaltigen Arbeitskraft jedoch allgemein geachtet. Nach den Pferden kamen Muriel, die weiße Ziege, und Benjamin, der Esel. Benjamin war das älteste Tier auf dem Hof und das übellaunigste. Er sprach selten, und wenn, dann meistens, um eine zynische Bemerkung zu machen – beispielsweise sagte er, Gott habe ihm einen Schwanz gegeben, um die Fliegen abzuhalten, aber lieber hätte er keinen Schwanz und keine Fliegen gehabt. Als einziges unter den Hoftieren lachte er nie. Auf die Frage, warum das so sei, sagte er, er sehe nichts, worüber er lachen könne. Dennoch war er, was er freilich nicht offen zugab, Boxer innig zugetan; zumeist verbrachten die beiden den Sonntag auf der kleinen Koppel hinter der Obstwiese, wo sie nebeneinander grasten und niemals redeten.

Die beiden Pferde hatten sich gerade niedergelegt, als etliche Entchen, die ihre Mutter verloren hatten, hintereinander schwach piepsend in die Scheune getrippelt kamen und auf der Suche nach einem Plätzchen, wo niemand auf sie treten würde, herumliefen. Kleeblatt schuf mit ihrem großen Vorderbein eine Art Wall um sie herum, in den sich die Entchen hineinschmiegten und sogleich einschliefen. Im letzten Moment kam Mollie, die törichte, hübsche weiße Stute, die Mr Jones' Einspänner zog, geziert hereingetänzelt, an einem Stück Zucker knuspernd. Sie stellte sich weit vorn hin und schwang ihre weiße Mähne in der Hoffnung, aller Aufmerksamkeit auf die roten Bänder zu lenken, die hineingeflochten waren. Ganz zuletzt kam die Katze, die sich wie üblich nach dem wärmsten Platz umsah und sich schließlich zwischen Boxer und Kleeblatt zwängte, wo sie dann während der gesamten Rede Majors, ohne auch nur auf eines seiner Worte zu achten, behaglich schnurrte.

Nun waren sämtliche Tiere versammelt bis auf Moses, den zahmen Raben, der hinter der Hintertür auf einer Stange schlief. Als Major sah, dass alle es sich bequem gemacht hatten und aufmerksam warteten, räusperte er sich und hob an:

»Genossinnen und Genossen, ihr habt ja schon von dem merkwürdigen Traum gehört, den ich letzte Nacht hatte. Aber auf den komme ich später zu sprechen. Davor habe ich etwas anderes zu sagen. Ich glaube nicht, Genossinnen und Genossen, dass ich noch viele Monate unter euch weile, und bevor ich sterbe, halte ich es für meine Pflicht, die Weisheit, die ich mir erworben habe, an euch weiterzugeben. Ich hatte ein langes Leben, ich hatte viel Zeit zum Nachdenken, wenn ich allein in meiner Bucht lag, und ich glaube sagen zu dürfen, dass ich die Natur des Lebens auf dieser Welt so gut wie nur ein jetzt lebendes Tier verstehe. Und darüber möchte ich zu euch sprechen.

Nun denn, Genossinnen und Genossen, welcher Art ist dies unser Leben? Seien wir ehrlich, unser Leben ist erbärmlich, mühselig und kurz. Wir werden geboren, wir erhalten gerade so viel Nahrung, dass uns der Atem nicht ausgeht, und diejenigen unter uns, die dazu fähig sind, werden gezwungen, bis zum letzten Atom ihrer Kraft zu arbeiten, und in dem Augenblick, in dem unsere Nützlichkeit ans Ende kommt, werden wir mit abscheulicher Grausamkeit geschlachtet. Kein Tier in England kennt die Bedeutung von Glück oder Muße, nachdem es ein Jahr alt geworden ist. Kein Tier in England ist frei. Das Leben eines Tiers ist Elend und Sklaverei: Das ist die schlichte Wahrheit.

Doch ist dies einfach Teil der natürlichen Ordnung? Ist dieses unser Land so arm, dass es denjenigen, die darauf weilen, kein anständiges Leben bieten kann? Nein, Genossinnen und Genossen, tausend Mal nein! Englands Erde ist fruchtbar, sein Klima ist gut, es kann einer ungeheuer größeren Zahl von Tieren als denen, die es heute bewohnen, reichlich Nahrung bieten. Dieser eine Hof, der unsere, würde ein Dutzend Pferde, zwanzig Kühe, Hunderte Schafe ernähren – und alle würden sie in Annehmlichkeit und Würde leben, wie wir es uns heute kaum vorstellen können. Warum also leben wir weiterhin unter diesen erbärmlichen Bedingungen? Weil uns fast der gesamte Ertrag unserer Arbeit von den Menschen gestohlen wird. Darin, Genossinnen und Genossen, liegt die Antwort auf alle unsere Probleme. Sie lässt sich in einem einzigen Wort zusammenfassen – Mensch. Der Mensch ist der einzige wirkliche Feind, den wir haben. Entfernen wir den Menschen von der Bühne, dann ist der wahre Grund unseres Hungers und unserer Überlastung auf immer abgeschafft.

Der Mensch ist das einzige Wesen, das konsumiert, ohne zu produzieren. Er gibt keine Milch, legt keine Eier, er ist zu schwach, um den Pflug zu ziehen, er kann nicht schnell genug laufen, um Hasen zu fangen. Und dennoch ist er der Herr über alle Tiere. Er lässt sie arbeiten, er gibt ihnen dafür das bloße Minimum, das sie vor dem Verhungern bewahrt, und alles Übrige behält er für sich. Unsere Arbeit bestellt die Erde, unser Mist düngt sie, und dennoch ist keiner unter uns, der mehr als seine nackte Haut besitzt. Ihr Kühe, die ich hier vor mir sehe, wie viele Tausende Liter Milch habt ihr im Lauf des letzten Jahres gegeben? Und was ist mit dieser Milch geschehen, die kräftige Kälber hätte aufziehen sollen? Jeder Tropfen davon ist durch die Kehlen unserer Feinde gelaufen. Und ihr Hennen, wie viele Eier habt ihr im letzten Jahr gelegt, und aus wie vielen dieser Eier sind Küken geschlüpft? Die restlichen sind allesamt auf den Markt gekommen, um für Jones und seine Männer Geld einzubringen. Und du, Kleeblatt, wo sind die vier Fohlen, die du ausgetragen hast, die dir Stütze und Freude im Alter hätten sein sollen? Ein jedes wurde mit einem Jahr verkauft – und keines wirst du jemals wiedersehen. Als Lohn für deine vier Niederkünfte und deine ganze Mühsal auf den Feldern, was hast du je davon gehabt außer deinen dürftigen Rationen und einer Box?

Und selbst dem elenden Leben, das wir führen, ist seine natürliche Spanne verwehrt. Um meinetwillen klage ich nicht, denn ich bin einer der Glücklichen. Ich bin zwölf Jahre alt und hatte über vierhundert Kinder. Das ist das natürliche Leben eines Schweins. Doch letztlich entkommt am Ende kein Tier dem grausamen Messer. Ihr jungen Mastschweine, die ihr da vor mir sitzt, binnen eines Jahres werdet ihr, eins wie das andere, euer Leben auf dem Schafott brüllend beenden. Dieses Grauen wird uns alle ereilen – Kühe, Schweine, Hennen, Schafe, alle. Selbst die Pferde und die Hunde haben kein besseres Los. Und du, Boxer, an dem Tag, an dem deine großen Muskeln ihre Kraft verlieren, wird Jones dich an den Abdecker verkaufen, der dir dann die Kehle durchschneidet und dich für die Laufhunde einkocht. Und die Hunde, wenn die alt und zahnlos werden, dann bindet Jones ihnen einen Backstein um den Hals und ertränkt sie im nächsten Teich.

Ist es daher nicht sonnenklar, Genossinnen und Genossen, dass alle Übel dieses Lebens der Tyrannei der Menschen entspringen? Entledigt euch der Menschen, und der Ertrag unserer Arbeit bleibt unser. Fast über Nacht könnten wir reich und frei werden. Was also müssen wir tun? Nun, Nacht und Tag, mit Leib und Seele am Sturz der Menschenrasse arbeiten! Das ist meine Botschaft an euch, Genossinnen und Genossen: Rebellion! Wann diese Rebellion kommt, weiß ich nicht, es könnte in einer Woche sein oder in hundert Jahren, aber so sicher, wie ich dieses Stroh unter meinen Füßen sehe, weiß ich, dass der Gerechtigkeit früher oder später Genüge getan wird. Darauf, Genossinnen und Genossen, richtet den Blick während des kurzen Rests eures Lebens! Und vor allem, gebt diese meine Botschaft an jene weiter, die nach euch kommen, auf dass künftige Generationen den Kampf weiterführen, bis er mit dem Sieg gekrönt ist.

Und bedenkt, Genossinnen und Genossen, eure Entschlossenheit darf niemals nachlassen. Kein Argument darf euch in die Irre leiten. Hört nie hin, wenn sie euch sagen, dass Mensch und Tier ein gemeinsames Interesse haben, dass der Wohlstand des einen der Wohlstand des anderen ist. Das sind alles Lügen. Der Mensch dient den Interessen keines Wesens außer den eigenen. Und möge unter uns Tieren vollkommene Einigkeit herrschen, vollkommene Kameradschaft im Kampf. Alle Menschen sind Feinde. Alle Tiere sind Genossen.«

In dem Augenblick entstand ein gewaltiger Tumult. Während Majors Rede waren vier große Ratten aus ihren Löchern gekrochen und hörten ihm, auf den Hinterbacken sitzend, zu. Dann hatten jäh die Hunde sie erblickt, und nur durch einen raschen Sprung in ihre Löcher retteten die Ratten sich das Leben. Major hob einen Fuß um Ruhe.

»Genossinnen und Genossen«, sagte er, »hier haben wir nun etwas, was geregelt werden muss. Die wilden Geschöpfe wie Ratten und Kaninchen – sind das unsere Freunde oder Feinde? Darüber wollen wir abstimmen. Ich lege der Versammlung folgende Frage vor: Sind Ratten Genossinnen?«

Sogleich wurde abgestimmt, und eine überwältigende Mehrheit entschied, dass Ratten Genossinnen seien. Es gab nur vier Gegenstimmen, die drei Hunde und die Katze, die jedoch, wie sich später herausstellte, für beide Seiten gestimmt hatte. Major fuhr fort:

»Ich habe nur noch wenig zu sagen. Ich wiederhole lediglich, bedenkt stets eure Feindschaftspflicht dem Menschen und allen seinen Eigenheiten gegenüber. Alles, was auf zwei Beinen geht, ist ein Feind. Alles, was auf vier Beinen geht oder Flügel hat, ist ein Freund. Und bedenkt auch, indem wir gegen den Menschen kämpfen, dürfen wir ihm nicht ähnlich werden. Selbst wenn ihr ihn besiegt habt, übernehmt nicht seine Laster. Kein Tier darf je in einem Haus wohnen, in einem Bett schlafen, Kleider tragen, Alkohol trinken oder Tabak rauchen, Geld anfassen oder Handel treiben. Sämtliche Gewohnheiten des Menschen sind von Übel. Und vor allem, kein Tier darf jemals seinesgleichen tyrannisieren. Schwach oder stark, schlau oder schlicht, wir sind alle Geschwister. Kein Tier darf je ein anderes töten. Alle Tiere sind gleich.

Und nun, Genossinnen und Genossen, erzähle ich euch von meinem Traum von letzter Nacht. Es war ein Traum von der Erde, wie sie sein wird, wenn der Mensch verschwunden ist. Aber er hat mich an etwas erinnert, das ich schon lange vergessen hatte. Vor vielen Jahren, da war ich noch ein kleines Schwein, sangen meine Mutter und die anderen Sauen immer ein altes Lied, von dem sie nur die Melodie und die ersten drei Wörter kannten. Ich hatte die Melodie in meiner Kindheit gekannt, aber lange schon war sie mir entfallen. Doch letzte Nacht ist sie wieder in meinem Traum erklungen. Und mehr noch, auch der Text des Liedes ist mir eingefallen – ein Text, wie ihn gewiss die Tiere vor langer Zeit gesungen haben und der über viele Generationen hinweg aus dem Gedächtnis verschwunden war. Ich werde euch, Genossinnen und Genossen, das Lied nun vorsingen. Ich bin alt, und meine Stimme ist rau, aber wenn ich euch die Melodie beigebracht habe, könnt ihr es besser selbst singen. Es heißt ›Tiere Englands‹.«

Der alte Major räusperte sich und sang. Wie er gesagt hatte, war seine Stimme rau, dennoch sang er recht gut, und es war eine aufwühlende Melodie, etwas zwischen »Clementine« und »La Cucaracha«. Der Text lautete wie folgt:

Tiere Englands, Tiere Irlands,

Tiere weit und breit,

Höret meine frohe Kunde

Von der goldnen Zukunftszeit.

Bald oder spät wird kommen der Tag,

Da der Tyrann Mensch ist entthront

Und Englands fruchtbare Felder

Einzig von Tieren sind bewohnt.

Ringe sind fort von unseren Schnauzen,

Das Zaumzeug von uns ist gefallen,

Kandare und Sporn sollen auf immer rosten,

Grausame Peitschen nie mehr sollen knallen.

Reichtum, mehr als der Geist kann erfassen,

Weizen und Gerste, Hafer so fein,

Klee und Bohnen, Mangold und Heu

Sollen an dem Tag unser sein.

Hell leuchten werden Englands Felder,

Reiner das Wasser soll auch sein,

Lieblicher noch seine Winde wehen,

An dem Tag, an dem wir uns befrein.

Auf diesen Tag hin müssen wir arbeiten,

Und stürben wir auch vor seinem Beginn,

Kühe und Pferde, Gänse und Hennen,

Alle sagen: Der Freiheit ich dien!

Tiere Englands, Tiere Irlands,

Tiere weit und breit,

Hört und verbreitet meine Kunde

Von der goldnen Zukunftszeit.

Der Gesang dieses Liedes versetzte die Tiere in die heftigste Erregung. Noch bevor Major ans Ende gekommen war, hatten sie schon eingestimmt. Selbst die dümmsten unter ihnen hatten die Melodie und auch ein wenig Text erfasst, und die schlauen wie die Schweine und Hunde konnten das Lied schon binnen weniger Minuten auswendig. Und dann, nach ein paar wenigen Versuchen, brach der gesamte Hof in einem gewaltigen Gleichklang in »Tiere Englands« aus. Die Kühe muhten es, die Hunde jaulten es, die Schafe blökten es, die Pferde wieherten es, die Enten quakten es. So sehr erfreuten sie sich an dem Lied, dass sie es gleich fünfmal hintereinander sangen und es wohl noch die ganze Nacht hindurch gesungen hätten, wären sie nicht unterbrochen worden.

Leider hatte das Getöse Mr Jones geweckt, der daraufhin aus dem Bett sprang, um nachzusehen, ob ein Fuchs auf dem Hof war. Er nahm die Flinte, die stets in einer Ecke des Schlafzimmers stand, und feuerte eine Ladung Sechserschrot in die Finsternis. Die Schrotkugeln bohrten sich in die Wand der Scheune, worauf die Versammlung schleunigst aufgelöst wurde. Die Vögel hüpften auf ihre Schlafplätze, die Tiere legten sich ins Stroh, und im Nu war der ganze Hof eingeschlafen.