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Sie war eine Prinzessin. Dann eine Gefangene. Dann eine Gejagte. Und am Ende wird sie Königin sein!
Eigentlich stand das Schicksal von Prinzessin Elowen unter einem guten Stern: Zu ihrer Geburt bekam sie fünf Dracheneier geschenkt, und als die Drachen schlüpften, erkannten sie Elowen als ihre Herrin an. Doch der König von Imirath fürchtete, seine Tochter könnte ihn vom Thron stoßen, sobald sie ihre volle Macht erlangt, also sperrte er das Mädchen ins Verlies. Jahre später gelang Elowen mithilfe ihres Onkels die Flucht. Seither leben die beiden im Verborgenen und haben dort ein Königreich der Ausgestoßenen und Verdammten errichtet. Wenn ihr Vater sie findet, ist sie tot, so viel ist Elowen klar. Als ihr Cayden Veles, der größte Feind ihres Vaters, ein Bündnis anbietet, geht Elowen darauf ein, auch wenn sie seine großkotzige Art nicht ausstehen kann. Doch ein Bündnis mit Veles ist die einzige Chance, ihren Thron zurückzubekommen – und ihre Drachen …
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Seitenzahl: 612
Veröffentlichungsjahr: 2025
Das Buch
Wo ich hingehe, dorthin geht auch er.
Wohin er geht, dorthin gehe auch ich.
Eigentlich stand das Schicksal von Elowen Atarah, der Kronprinzessin von Imirath, unter einem guten Stern: Zu ihrer Geburt bekam sie fünf Dracheneier geschenkt, und als die Drachen schlüpften, erkannten sie Elowen als ihre Herrin an. Doch ihr Vater Garrick fürchtete, seine Tochter könnte ihn vom Thron stoßen, sobald sie ihre volle Macht erlangt, also warf er Elowen ins Verlies.
Jahre später gelingt Elowen mithilfe ihres Onkels die Flucht. Seither leben die beiden im Verborgenen und haben ein Königreich der Ausgestoßenen und Verdammten errichtet. Wenn Garrick sie findet, ist sie tot, so viel ist Elowen klar. Als ihr Cayden Veles, der größte Feind ihres Vaters, ein Bündnis anbietet, geht Elowen darauf ein, auch wenn sie seine überhebliche Art nicht ausstehen kann. Doch ein Bündnis mit Veles ist die einzige Chance, ihren Thron zurückzubekommen – und ihre Drachen.
Was als Zweckbündnis beginnt, wird für Elowens Herz schon bald zur Herausforderung, denn sie fühlt sich unwiderstehlich zu dem düsteren Cayden hingezogen. Doch Cayden ist nicht nur arrogant und überheblich, er ist auch skrupellos und gefährlich …
Die Autorin
Olivia Rose Darling wuchs in New York und Manchester, Vermont, auf. Schon als Kind entdeckte sie ihre Begeisterung für das Schreiben und notierte in ihren Schulbüchern Gedichte und Kurzgeschichten. Sie studierte Kreatives Schreiben an der Pace University und erfüllte sich mit ihrem Debütroman Fear the Flames ihren großen Traum von einem Leben voll Geschichten und Magie.
OLIVIA ROSE DARLING
DIE DRACHENKÖNIGIN
Roman
Aus dem Amerikanischen übersetztvon Katharina Herzberger
Die amerikanische Originalausgabe erscheint unter dem Titel
FEARTHEFLAMES
bei Delacorte Press, New York,einem Imprint von Penguin Random House
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Redaktion: Tamara Rapp
Copyright © 2022 by Olivia Iraci
Copyright © 2025 der deutschsprachigen Ausgabe und derÜbersetzung by Wilhelm Heyne Verlag, München,in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,Neumarkter Straße 28, 81673 München
(Vorstehende Angaben sind zugleichPflichtinformationen nach GPSR)
Karte: Andrés Aguirre
Umschlaggestaltung: Das Illustrat GbR, München,unter Verwendung mehrerer Motive von Shutterstock
Satz: Schaber Datentechnik, Austria
ISBN 978-3-641-32330-1V002
www.heyne.de
Für euch, die ihr mit einem Lächeln das Gewicht der Welt auf den Schultern tragt und eure Träume nie aufgebt, auch wenn andere sie unrealistisch finden, zu groß oder zu umständlich. Jedes Wort ist für euch. Eure Träume leben, genau wie die Drachen.
Dieses Buch beinhaltet Berichte über sexuelle Gewalt, Kindesmissbrauch, Folter, physische wie psychische Misshandlung und einvernehmliche, aber explizite Sexszenen.
Es war einmal eine Prinzessin, die in einer klaren Winternacht geboren wurde und genug Feuer im Herzen hatte, um es mit dem Frost aufzunehmen, der die Erde bedeckte. Der Himmel weinte mit ihr, und als sie die Augen zum ersten Mal öffnete, leuchteten die Sterne heller.
Seit die Gottheiten unter den Menschen lebten, waren in Ravaryn keine Drachen mehr gesichtet worden, zumindest besagten das die Legenden. Die Gottheiten hatten fünfhundert Jahre lang geruht, und doch erwachten die Seelen der Drachen zum Leben und schufen Licht, wo zuvor Dunkelheit geherrscht hatte.
Die Prinzessin mit dem nachtdunklen Haar und Augen wie glühenden Kohlen, die das Feuer tief in ihrem Innersten reflektierten, war ein kleines Ding, und niemand hätte geglaubt, dass eine solche Person das Schicksal der Welt verändern konnte. Aber sind es nicht gerade die Unauffälligen, die Außergewöhnliches vollbringen?
An ihrem ersten Geburtstag veranstalteten der König und die Königin von Imirath eine Feier zu Ehren ihrer Tochter. Nach jahrelangen Versuchen hatten sie endlich eine Erbin hervorgebracht und liebten ihr Kind aus vollem Herzen. Gemäß altem Brauch luden sie die Herrscherfamilien von Galakin, einem weit entfernten Königreich am anderen Ende des Dolent-Meers, zu den Feierlichkeiten ein.
Sie kamen mit ihrem Gefolge und brachten Dracheneier, was manche später als hübsch verpackten Beginn der ganzen Tragödie betrachten sollten. Die Königin von Galakin traf mit ihrer Seherin ein, um dem Kind Glück vorherzusagen, so wie es der Tradition entsprach. Die Seherin behauptete, die Götter seien ihr im Traum erschienen, um von den Dracheneiern zu berichten, die nun, nachdem sie von Generation zu Generation weitergereicht worden waren, der Prinzessin gehörten. Die Eier waren alt genug, um als Fossilien durchzugehen, doch in der Nacht, da die Prinzessin geboren wurde, hatten sie zu poltern begonnen. Und genau in dem Moment, als die Eier vor die Prinzessin gelegt wurden, schlüpften fünf strahlend bunte Babydrachen heraus und nahmen am Rande der Wiege Platz.
Die Prinzessin und ihre Drachen waren eins.
Ihre Seelen miteinander verbunden.
Hätte die Seherin an dieser Stelle geendet, hätte sich vielleicht alles zum Guten gewendet, aber nicht alle Geschichten können glücklich ausgehen. Die Seherin verkündete, die Seele der Prinzessin sei aus dem Feuer der Gottheiten geschmiedet und ihren Bund mit den fünf Drachen würden kein Sterblicher und keine Gottheit je trennen können – deshalb würde die Prinzessin entweder zum Ruin oder zum Ruhm ihres Königreichs werden.
Das Kind wuchs heran, genau wie die Drachen, und zeigte sich oft auf Spaziergängen durch das Schloss, bei denen sie mit ihren winzigen Biestern sprach oder schmuste. Sie schliefen, wenn die Prinzessin schlief. Sie aßen, wenn die Prinzessin aß. Und wenn die Prinzessin spielte, taten sie es ihr nach. Die Prinzessin und ihre Drachen waren unzertrennlich. Ihre Liebe war wie keine andere.
Oft fühlen sich Menschen von der Liebe bedroht, wenn sie entweder ihre Abwesenheit oder ihre Macht bemerken. Denn was ist die Liebe, wenn nicht die einzige Sache auf dieser Welt, die sich jeglicher Logik erwehrt? Liebe ist das einzige Gefühl, das Menschen sehenden Auges mitten in die Gefahr laufen lässt; fühlt man sich hingegen von ihr bedroht, kann man durchaus selbst zur Gefahr werden.
Eines Tages, kurz vor dem fünften Geburtstag der Prinzessin, bekam sie einen Wutanfall ob des Gewandes, das sie zum Abendessen tragen sollte, und ihr Dienstmädchen holte den König herbei. Sicherlich würde er seine geliebte Tochter beruhigen können. Aber die Prophezeiung beherrschte sein Denken, er beobachtete seine Tochter und ihre Drachen grundsätzlich mit Misstrauen, Angst und Neid. Als sie auch ihm trotzte, holte er aus – und der grüne Drachen biss ihm mit einem Happs den kleinen Finger ab.
Von diesem Augenblick an wurde das Schloss zu einem Gefängnis.
Die Prinzessin wurde sofort in Fesseln gelegt, die Drachen aus der Luft gepflückt und in Käfige gesteckt, weil sie ihr nicht von der Seite weichen wollten. Die Prinzessin kämpfte mit aller Kraft, schnitt sich die Haut am Metall und scharrte so heftig mit den Fingernägeln über den Boden, um zu ihren Drachen zu gelangen, dass sie Narben davontrug, die ihr ein Leben lang erhalten bleiben sollten.
Diejenigen, die sie zuvor mit Güte und Rücksicht behandelt hatten, schlugen sie nun für ihren angeblichen Verrat.
Der Bund war ein Fluch für Imirath, aber ganz egal, was ihr geschah, die kleine Prinzessin konnte darin nie etwas anderes sehen als einen Segen. Die Prinzessin bedeutete ihren Eltern alles … bis sie nichts mehr bereuten als die Existenz ihres Kindes. Und in den Kerkern von Imirath verwandelte sich das glückliche Mädchen in ein Geschöpf der Dunkelheit. Sie wurde zum leibeigenen Monster ihres Vaters, doch verlor sie nie ihr freundliches Herz, auch wenn es Schaden davontrug. Sie sammelte all den Schmerz, der ihr entgegenschlug, und bündelte ihn zu einer Waffe, die sie eines Tages gegen ihr Königreich richten wollte, um alle unter ihrem Zorn leiden zu lassen für das, was man ihr genommen hatte.
Rache ist ein Schwur, der mit Blut besiegelt wird, doch die Prinzessin glaubte, in ihr fließe das Blut der Drachen. Die Drachen waren ihre Familie, und es gab keine Grenze, die sie nicht überschreiten würde, um diese Familie zu befreien.
Der Pakt
Regen und Wind peitschen mir ins Gesicht, als ich mein Pferd noch schneller durch den dunklen Wald treibe, nur Mondlicht und Blitze erhellen mir den Weg. Der Donner grollt im Gleichtakt mit den aufschlagenden Pferdehufen. Es gibt viele Gründe für eine Mission unter gefährlichen Bedingungen – Geheimhaltung, Verzweiflung, Neugier, Rache und Eile, um nur einige zu nennen. Schon vor Jahren habe ich es aufgegeben, das Durcheinander meiner Gefühle zu verstehen, aber ich kann nicht leugnen, welch überwältigende Neugier mich heute Nacht durchströmt.
Der steile Berghang ähnelt einem Labyrinth aus gefallenen Bäumen, unebenen Pfaden und glatten Felsen. Mein Umhang kann die Kälte kaum davon abhalten, bis zu meinen Knochen durchzudringen, und einige Haarsträhnen haben sich aus dem Zopf in meinem Nacken befreit und kleben mir im Gesicht wie von Honig getränkt. Aber ich schlage nie eine Möglichkeit aus, mehr über die aufkommenden Spannungen zwischen Vareveth und Imirath zu lernen.
Wenn ich an meine gefangenen Drachen denke, fließt purer Hass durch mich und verzerrt mein Gesicht zu einer Grimasse. König Garrick wird für das, was er getan hat, mit Blut bezahlen, und selbst das wird nicht ausreichen. Meine Patrouille benachrichtigte mich, weil sie Soldaten aus dem verfeindeten Königreich meines Vaters gesichtet hatten, und ich will wissen, was sie so weit weg von zu Hause treiben, warum sie durch eines der gefährlichsten Gebiete des Kontinents reisen.
Der Wald von Terrwyn ist voller Biester, Banditen und giftiger Gewächse, und die Nebelschwaden aus den Berggipfeln können selbst die erfahrenste Entdeckerin von einer steilen Klippe stürzen lassen. Aber verliert man nicht den Kopf und folgt dem leisen Rieseln des Wassers, findet man mein Königreich, Aestilian, versteckt in einem Tal neben den Syssa-Fällen.
Finnian lässt sein Pferd das Tempo anziehen, um an meiner Seite zu reiten. Seine roten Locken fallen ihm flach in die Stirn, und seine Porzellanhaut leuchtet beinahe in der Dunkelheit. »Erzählst du mir endlich, warum du wie ein geistesgestörter Goblin in mein Haus gerannt kamst und mich herausgezerrt hast?«, ruft er gegen den Sturm an.
Genau genommen habe ich Finnian noch nie einen Grund genannt, wenn wir wieder einmal losritten; mit solchen Kleinigkeiten halten wir uns schon seit Jahren nicht mehr auf.
Wohin ich gehe, dorthin geht auch er.
Wohin er geht, dorthin gehe auch ich.
»Ein geistesgestörter Goblin?«
»Ja.« Als er sich räuspert, ist mir klar, dass er mich gleich nachahmen wird. »Finnian, beeil dich! Schwing den Arsch aufs Pferd! Selbst ein Leichnam ist schneller als du!« Beim letzten Wort bricht seine Stimme, was mich nur noch lauter lachen lässt.
»Soldaten aus Vareveth wurden in einer Taverne in der Nähe gesichtet, und für ein Bier wäre das eine ziemlich lange Strecke.«
Wir zügeln unsere Pferde, um durch ein verwittertes Gatter zu reiten, ihre Hufe platschen über den matschigen Weg. Der Geruch von Salz schwebt in der Luft, zieht vom Meer herüber. Dieses Dorf habe ich schon einmal besucht; in der Dunkelheit sehen die dunklen Holzhäuser, Läden und Tavernen noch trostloser aus.
Ich folge Finnian in Richtung des rustikalen Etablissements voller Soldaten, und wir binden unsere Pferde an einem Pfosten fest. Zwar haben wir eine ganze Auswahl an Waffen dabei, doch da wir keine Rüstung tragen, werden wir nicht wie normale Reisende wirken. Messer schmücken mein Korsett und meine Beine bis runter zu den Stiefeln; der einzige Hinweis auf meine Identität sind die beiden Drachendolche, die ich immer bei mir habe.
Laternenlicht tanzt über Finnians sommersprossige Wangen. »Was ist unser Plan?«
»Du bleibst unten und versuchst, was von den Soldaten zu erfahren, die schon zu tief ins Glas geschaut haben. Ich gehe hoch und spioniere die höheren Ränge durch die Dielen aus.«
Er nickt und streicht seine rote Tunika glatt, ehe er in der Taverne verschwindet.
Wenige Minuten später versinke ich in einem Meer dissonanter Musik, während die quietschende Tür hinter mir ins Schloss fällt. Ich war noch nie eine Liebhaberin lauter Orte, aber Finnian blüht dort regelrecht auf. Deshalb funktionieren wir so gut zusammen. Ich spähe durch die Menschenmassen und entdecke ihn am Tresen, umgeben von dunkelgrünen Umhängen. Mit einem wilden Lachen wirft er den Kopf in den Nacken; zwar kann ich ihn nicht hören, doch die Melodie seines Lachens ist tief in mein Gehirn gebrannt.
Ich finde mein Gleichgewicht auf dem unebenen Boden, bahne mir mit eingezogenem Kopf einen Weg zur dunklen Treppe in der Ecke und zwänge mich dabei an den zusammengewürfelten Tischen voller Soldaten beim Kartenspiel oder auf der Suche nach der nächsten Getränkerunde vorbei. Niemand dreht sich nach mir um. Sie sind alle zu tief in das versunken, was sich direkt vor ihnen befindet.
Von innen ist die Taverne genauso unansehnlich wie von außen. Viel Schnickschnack braucht es nicht, wenn sowieso alle nur aus einem Grund hierherkommen – um sich auf der Durchreise zu betrinken. Dicke Holzbalken stützen das Obergeschoss, und bis auf die rostigen Laternen samt ihren Wachspfützen sind die Wände völlig kahl.
Endlich habe ich den kleinen Raum mit seinen dicken Wolken aus Pfeifenrauch, die meine Augen tränen lassen, durchquert. Die Schatten entlang der Wand bieten mir Schutz, und ich nehme die erste Stufe der klapprigen Treppe. Sie knarzt so laut, dass ich fürchten würde, das Holz würde unter meinem Gewicht nachgeben, wenn ich diesen Aufstieg nicht schon unzählige Male hinter mich gebracht hätte. So setze ich meinen Weg fort, ohne weiter darüber nachzudenken, und weiche lediglich den Spinnweben aus.
Auf dem Treppenabsatz halte ich inne und spitze die Ohren für irgendein Anzeichen von Bewegung oder Atemzüge, doch ich höre nichts. Getreidesäcke, Fässer voller Wein und Bier, staubige Möbel und alles Weitere, was man in der Taverne brauchen könnte, füllen den offenen Dachboden. Der perfekte Ort für Spielchen im Schatten. Hier dringt nur das Mondlicht durch die Löcher im Dach und das Laternenlicht durch die Dielenspalten.
Ich gehe vorsichtig weiter, auch wenn mich bei all dem Lärm niemand hören wird. Das Letzte, was ich will, ist ein kleiner Staubregen in die alkoholgefüllten Gläser unter mir, der mich verraten würde, bevor ich irgendetwas in Erfahrung bringen kann. Ich schleiche über die Dielen, während ich mir die Aufteilung der Taverne ins Gedächtnis rufe – bis ich über dem Bereich ankomme, wo die Generäle sitzen. Hoffentlich kann ich etwas herausfinden, was es wert ist, auf dem Dachboden zu hocken. Beim Anblick des mit Staub und Dreck übersäten Dielenbretts, an das ich üblicherweise mein Ohr presse, verziehe ich das Gesicht. Es ist sogar noch dreckiger als sonst.
Ich nehme ein Messer von meinem Oberschenkel, wische es an meinem Umhang ab und schiebe den Kopf an den kleinen Spalt zwischen den Dielen. Der Stahl in meiner Hand ist angenehm vertraut. Seit meiner Flucht aus Imirath trage ich jeden Tag ein Messer bei mir – und tat das schon, bevor ich wusste, wie man damit umgeht. Ich schließe die Augen und lasse all die anderen Geräusche verschwinden, konzentriere mich nur auf das eine Gespräch, das zusammen mit den Rauchschwaden zu mir emporschwebt.
»König Eagor mag ein Schwächling sein, aber in dieser Sache wird er nicht aufgeben«, donnert eine tiefe Männerstimme.
»Er weiß, es dient den Interessen von Vareveth, aber Cayden lässt ihn nicht«, antwortet eine scharfe Frauenstimme.
Cayden.
Cayden Veles, Kommandant von Vareveth, ist mit seinen neunundzwanzig Jahren der jüngste und dabei meistgefürchtete Kriegsherr des Kontinents. Er ist so reich wie ein gieriger Gott und so moralbewusst wie ein Dämon. Manche nennen ihn sogar den Dämonenkommandanten oder den Dämon von Ravaryn.
»Er hat es satt, Soldaten in irgendwelchen sinnlosen Schlachten an der Grenze zu verlieren. Die Spannung kocht beinahe über.« Dieselbe Männerstimme durchschneidet die Musik.
»Ja, aber dieser Krieg wird vorüber sein, ehe er begonnen hat, sollte König Garrick eine Möglichkeit finden, die Drachen zu kontrollieren.« Ich reiße die Augen auf, Schock rast durch meinen Körper. Mein Herz schlägt so schnell, dass ich fürchte, es könnte wie eine Faust auf den Boden einhämmern. Garrick hat nie auch nur ein Wort über die Drachen verloren. Dass sie leben, weiß ich nur, weil ich ihren Tod gespürt hätte. Mein Bund mit ihnen wäre zerbrochen, und ich hätte unerträgliche Qualen erlitten. Schon die bloße Existenz der Drachen hält ganz Ravaryn von Garricks Grenzen fern.
Zu meinem ersten Geburtstag veranstalteten meine Eltern einen Ball, um die Erbin Imiraths zu feiern, und alle Königreiche waren eingeladen, auch Galakin. Königin Cordelia erschien in Begleitung ihrer Hofseherin, um meinen Eltern zu Ehren ihrer Babyprinzessin eine glückliche Vorhersage zu schenken. Ans untere Ende meiner Wiege wurden Dracheneier gelegt, die längst nicht mehr als Steine sein sollten, doch stattdessen schlüpften fünf Drachen.
Die Prophezeiung besagte, meine Seele sei aus Flammen geschmiedet und an fünf Drachen gebunden. Ich würde Imirath entweder Zerstörung oder unermesslichen Ruhm einbringen.
Ich war vier Jahre alt, als man mir meine Drachen entriss und ich über Nacht von einer Prinzessin zur Gefangenen wurde.
Mit einem Kopfschütteln konzentriere ich mich wieder auf das Gespräch unter mir.
»Cayden hat einen Plan. Du weißt ja, er heckt immer irgendwas aus«, bemerkt die Männerstimme.
»Nun, wir werden sehen, was wirklich passiert. Vielleicht ist Prinzessin Elowen ja tatsächlich irgendwo dort draußen.«
Ein kaltes Prickeln breitet sich auf meinem Rücken aus, und ich atme so scharf ein, dass meine Maske mich beim Luftholen behindert. Ich umklammere den Griff meines Messers und ziehe mir die Maske unters Kinn.
Die Soldaten von Vareveth sind hier … weil sie mich suchen.
»Na, was Spannendes gehört, kleiner Schatten?«, raunt eine tiefe Stimme auf dem Treppenabsatz.
Schnell zerre ich die Maske wieder hoch und springe auf. Mein Blick schweift durch den großen Raum, bleibt an einer großen, männlichen Gestalt hängen, die im Eingang lehnt. Er löst sich vom Türrahmen und kommt langsam auf mich zu, unter seinen schweren Schritten knarzt das Holz.
»Nicht wirklich.« Schulterzuckend wende ich das Messer in meiner Hand.
»Also bleibt dir von langweiligem Tratsch wohl öfter mal die Luft weg?«, fragt er und bleibt nur wenige Schritte vor mir stehen. Ein Mondlichtsplitter tanzt über seine scharfen Wangenknochen, als streckte es sich sehnsüchtig nach ihm aus, um ihn zu berühren. Von seinem rechten Augenwinkel zieht sich eine zackige Narbe aus roten Striemen über die Wange bis zu seinen vollen Lippen.
»Ich hab bloß eine Spinne gesehen«, antworte ich. Mit dem schwarzen Lederbrustschutz und passendem Umhang, Hose und Stiefeln sieht er aus wie ein Assassine. Sein riesiger Körper ist mit Waffen geradezu übersät. An seinen Beinen hängen mehrere Messer, an seiner Hüfte ein Kurzschwert und eine Axt, auf seinem Rücken ruht ein Breitschwert.
»Hmm«, überlegt er. »Leider weiß ich, dass du lügst, denn ich weiß genau, wem du zugehört hast.«
Verfluchte Götter. »Vielleicht solltest du zu ihnen zurückkehren. Sie vermissen dich bestimmt um einiges mehr, als ich es tun werde.«
»Dachtest du wirklich, ich würde dich nicht bemerken?«, fragt er und ignoriert meinen Vorschlag.
Mich hat noch nie jemand bemerkt. Selbst Finnian meinte einmal, dass ich mich wie ein Geist durch eine Menschenmenge bewegen kann.
Der Kerl steht zwischen mir und dem einzigen Weg vom Dachboden. Als Alternative bleibt mir nur das Fenster. Ich bin schon aus größeren Höhen gesprungen, aber Finnian ist noch unten, und zwischen ihm und dem Ausgang der Taverne stehen zu viele Soldaten. Immer noch drehe und wende ich mein Messer, während ich ihn genau studiere … Ja, er ist so groß, dass ich mein Kinn heben muss, aber ich habe es schließlich auch schon mit Monstern aufgenommen.
Ich packe das Messer fester und greife im nächsten Moment an, nur einen Sekundenbruchteil vor ihm. Ich ramme meine Faust gegen seinen Kiefer und ignoriere den hämmernden Schmerz, der sich in meinen Fingerknöcheln ausbreitet. Er zuckt kaum zusammen und erwischt mein Handgelenk. Ich schiebe mein Knie nach vorne, um ihn zwischen den Beinen zu treffen, aber er ahnt meine Absicht voraus und dreht sich zur Seite. Dann nutzt er meinen schrägen Stand aus und entwindet mir das Messer. Nachdem er es beiseitegeworfen hat, reißt er mich an sich, umfasst auch mein anderes Handgelenk und knallt mich mit dem Rücken gegen die Wand.
»Das wäre erledigt, also kannst du mir jetzt erzählen, was du gehört hast.« Es ist gerade hell genug, dass ich sein arrogantes Grinsen und seinen eindringlichen Blick erkennen kann.
»Du hättest mich in einem größeren Raum festnageln soll. Hier ist nicht genug Platz für dein Ego.« Ich wehre mich gegen seinen Griff.
Er hebt eine dunkle Augenbraue, sein Grinsen wird breiter. »Messer, Spionage und eine spitze Zunge. Du spielst ein gefährliches Spiel, denn mein Interesse hast du.« Sein Blick tanzt über mein Gesicht und bleibt an der Maske hängen. »Darf ich die abnehmen?«
Mein Herz macht einen Satz, aber ich lasse es mir nicht anmerken. Ich weiß schon, worauf er hinauswill. Wenn ich widerspreche, weiß er genau, dass ich nicht identifiziert werden möchte – was nicht ganz der Wahrheit entspricht. Vielmehr möchte ich unter meinen eigenen Bedingungen ins Spiel einsteigen. Schließlich ist mir klar, dass er Teil des Bataillons ist, das nach mir sucht.
»Du hast mich überwältigt, und jetzt fragst du, ob du mir die Maske abnehmen darfst?«
»Etwas Ritterlichkeit kann doch nicht schaden.« Er hält mich noch fester und rückt auf mich zu. Falls er denkt, ich würde unter seinem Druck nachgeben, liegt er leider falsch.
Er schiebt meine linke Hand über die Wand, näher zu meiner rechten. Für einen Augenblick lockert sich seine Umklammerung, und ich entreiße mich seinem Griff und stoße ihn weg. Mit dem Knie treffe ich ihn an der Stelle, wo es ihn am meisten schmerzt, und trete ihm sofort danach die Beine weg. Hoffentlich hört unten niemand, wie er zu Boden poltert.
Dann klettere ich auf ihn und zwänge seinen Brustkorb zwischen meine Beine. Noch immer sind wir von Dunkelheit umhüllt, doch sein kalkulierender Blick strahlt durch die Schatten. Ich benutze eines der anderen Messer von meinem Bein und presse es ihm an die Kehle.
»Diese Stellung gefällt mir viel besser.« Die freie Hand auf seiner Brust lehne ich mich nach vorne, um ihm direkt ins Gesicht zu blicken.
»Ich kann mich nicht beschweren.« Lässig legt er die Hand hinter den Kopf, und in seiner Stimme klingt nicht ein Funke der Angst an, die eine andere Person vielleicht hätte, würde sie eine Messerklinge an der Kehle spüren.
Ich ignoriere seinen Kommentar und konzentriere mich wieder auf mein Vorhaben. »Was hat dein Kommandant mit der Erbin von Atarah vor, Soldat?«
Auf seinem Gesicht zeigen sich keinerlei Emotionen. »Warum sollte ich dir erzählen, was mein Kommandant will?«
»Du kennst die Erbin von Atarah nicht; ich schon. Der Grund liegt also auf der Hand, selbst für einen wie dich.«
Er schiebt die Zunge in die Wange. »Die Erbin könnte im bevorstehenden Konflikt von Nutzen sein.«
»Inwiefern?« Ich drücke die Klinger fester gegen seine Haut, ohne sie jedoch zu verletzen.
»Du sagst, du kennst sie?« Seine rechte Braue hebt sich leicht, die Narbe bewegt sich mit.
»Ja.«
»Wäre sie bereit, sich mit meinem Kommandanten zu treffen?«
Ein Knoten aus Neugier, Angst und Aufregung kullert durch meinen Körper. Ich könnte tatsächlich den Kommandanten von Vareveth treffen – den Feind meines Vaters.
Aber vielleicht sind sie nur auf ein Lösegeld aus?
»Noch nicht.«
Er kneift die Augen zusammen, wartet darauf, dass ich meine Bedingungen nenne. Ich öffne den Mund und will sie gerade auflisten, aber ich werde von einem unmenschlichen Knurren auf dem Dach abgelenkt. Leider kenne ich dieses Geräusch nur zu gut.
Ein Schattenmahr.
Das tödliche Wesen springt durch das größte Loch an einem der Giebel und landet auf dem Dachboden. Diese Kreaturen können menschliches Blut noch aus fünf Meilen Entfernung riechen, und sie dürsten danach, mehr als nach Wasser. Es ist ein gigantisches Biest mit einem dicken weißen Pelz und blutroten Augen. Wenn der Schattenmahr heranwächst, wachsen auch die beiden gewölbten Hörner auf seinem Schädel. Damit kann er einen Menschen problemlos aufspießen. Aus seinem Maul hängt eine gespaltene Zunge, von der schaumiges Gift tropft. Es ist ein Monster wie aus einem Albtraum, genau wie die Bestien, die durch Sweven, Terrwyn und das Seren-Gebirge streifen.
Hastig stehe ich auf und presse mich an die Wand, während er sich erhebt. Er zieht das Breitschwert von seinem Rücken und schnappt sich eines der Wurfmesser von seinem Bein, den Blick scharf auf die Bestie gerichtet.
»Zu welchen Bedingungen?«, sagt er, ohne den Schattenmahr aus den Augen zu lassen. Die Kreatur hat den Soldaten ebenfalls fest im Blick und schleicht auf ihn zu. Ich schiebe mich an der Wand entlang in Richtung Treppe. Ich muss zu Finnian.
»Wo der Fintan in den Neera-See mündet, gibt es eine Lichtung. Triff mich dort morgen Nacht mit einem Beweis deiner guten Absichten.« Das Biest bewegt sich an mir vorbei, ohne den Soldaten aus den Augen zu lassen.
»Ein Beweis meiner guten Absichten?« Er schmunzelt. »Meine Absichten würden die meisten kaum für gut befinden.«
»Ich werde die Erbin nicht zu dir schicken, um sie später freikaufen zu lassen. Zeig mir, dass du mit ihr arbeiten willst, dann entscheide ich, ob du sie treffen wirst. Ich bin nicht gerade angetan von dir, also sei beim nächsten Mal etwas charmanter, Soldat.« Jetzt stehe ich direkt hinter dem Schattenmahr. Er bietet die perfekte Ablenkung für meine Flucht, aber ich kann den Soldaten nicht sterben lassen, weil ich dann nicht herausfinde, was Vareveth will. Ich versenke das Messer im Hinterbein der Bestie, und sie kreischt auf. Dann wirble ich herum und stürme zur Treppe.
»Es gibt keinen Ort auf dieser ganzen Welt, wo du dich vor mir verstecken kannst. Verstanden?«
Sein Ton lässt mich innehalten. Ich recke gerade rechtzeitig den Hals, um zu sehen, wie er das Schwert auf die Bestie richtet und sich in eine perfekte Defensivposition bringt. »Wenn du wegrennst, finde ich dich«, verkündet er und wirft mir einen letzten Blick zu, ehe er sein Schwert der springenden Bestie entgegenschwingt.
»Komm allein!«, rufe ich noch und flüchte vom Dachboden.
Alle müssen das Knurren des Schattenmahrs gehört haben, denn die meisten Gäste drängen Richtung Ausgang. Mein Blick rast durch den Raum, um Finnian in diesem Chaos auszumachen. Nicht zum ersten Mal finde ich ihn nicht, aber die Unruhe, die seine Abwesenheit in mir auslöst, verschwindet nie. Dabei haben wir eine Vereinbarung: Bevor wir Zeit damit verschwenden, uns im Chaos zu suchen, treffen wir uns einfach am Ausgangspunkt.
Ich schiebe mich durch die Massen, die sich mir entgegen in Richtung Dachboden bewegen. Der Soldat muss von hohem Rang sein, wenn ihm so viele zu Hilfe eilen. Auch wenn es nicht schien, als bräuchte er Unterstützung. Er hat eine tödliche Ruhe ausgestrahlt, die nur besonders erfahrene Soldaten nach jahrelangen Kämpfen erlangen.
Sollte das der Fall sein, wird er nicht lange brauchen, um einen verwundeten Schattenmahr zu töten. Ich muss morgen möglichst früh auf der Lichtung sein, um sicherzustellen, dass er allein kommt. Als ich draußen Finnian auf seinem Pferd erblicke, durchströmt mich eine Welle der Erleichterung, die meine Sorgen fortschwemmt. Die Zügel meines Pferdes hat er in der Hand.
»Gerade wollte ich wieder rein und nach dir suchen.« Er lässt die Zügel fallen, sobald ich nahe genug bin. »Ein Schattenmahr?«
»Ja, riesig«, antworte ich und schwinge mich aufs Pferd. Über uns dröhnt der Donner, während das Knurren zu einem Winseln wird. Dann wird es leise auf dem Dachboden. Der Soldat hat den Schattenmahr erledigt, bevor wir überhaupt losreiten konnten.
»Ich weiß gar nicht, ob ich das wissen will, aber in wie viel Scheiße hast du dich wieder reingeritten?«, fragt Finnian.
»In nicht mehr als sonst.« Gelogen. In Wirklichkeit fürchte ich, dass es sich um eine gewaltige Menge Scheiße handelt. Ich lenke meine Stute zum Tor und stupse sie in die Flanken.
»Wenn du wegrennst, finde ich dich.«
Mir läuft es kalt den Rücken runter, aber dieses Mal hat das nichts mit dem Regen zu tun. Auch wenn ich mich nicht umdrehe, könnte ich schwören, seinen brennenden Blick auf meinem Rücken zu spüren. Wir treiben unsere Pferde weiter durch den dunklen, regennassen Wald, bis wir uns sicher sind, keine Verfolger zu haben.
»Es gibt nicht einen einzigen Ort auf dieser ganzen Welt, wo du dich vor mir verstecken kannst. Verstanden?«
Wieder läuft es mir kalt den Rücken runter.
Wir schaffen es bis an den Rand von Terrwyn, ehe wir die Pferde langsamer laufen lassen. Das Plätschern des Caleum bedeutet: Hier beginnt unser Aufstieg in die Berge. Ich steige ab und lasse meine Stute trinken, nachdem sie eine Stunde lang rennen musste.
Seit wir die Taverne verlassen haben, kaue ich ohne Unterlass auf meiner Lippe und schmecke jetzt kupfriges Blut. Zu viele Gedanken schießen mir durch den Kopf. Zu viele mögliche Szenarien, in denen ich am Schluss sterbe oder noch schlimmer, wieder in einer Gefängniszelle in Imirath ende. Ich hocke mich an den Fluss, um mir kaltes Wasser in das halb erfrorene Gesicht zu spritzen, dann streiche ich durch mein feuchtes Haar.
Einfach atmen.
Ein und aus. Ein und aus.
Finde einen Weg, die Situation in den Griff zu kriegen, ehe sie dich im Griff hat.
Ich spüre Finnian schon neben mir, ehe er den Mund öffnet. »Wenn du weiter so auf deiner Lippe rumbeißt, müssen wir das noch nähen lassen.«
Mir entschlüpft ein halbherziges Lachen. »Was hast du rausgefunden?«
Seufzend geht er in die Knie und streicht über einen seiner Pfeile. »Ihr Kommandant lässt sie nach etwas suchen, aber was genau, haben sie nicht gesagt.«
»Sie suchen nach mir, Finnian«, flüstere ich.
Er muss sich am schlammigen Flussufer abstützen, um nicht vornüberzukippen. »Ein Großteil des Kontinents – der ganzen Welt – hält dich für tot«, protestiert er. »Die Assassinen deines Vaters haben dich nur außerhalb unserer Grenzen gefunden und schon vor Jahren aufgegeben.« Insgesamt gab es ganze vier Mordversuche, während ich durch namenlose Dörfer wanderte, als Finnian und ich getrennt worden waren.
»Ja, ein Großteil«, argumentiere ich.
»Hast du das mitangehört, oder war jemand mit dir auf dem Dachboden?«
Ich wähle meine Worte mit Bedacht. »Ein Soldat ist mir gefolgt.«
»Weiß er denn, dass du die verlorene Prinzessin bist?«, fragt Finnian und springt auf, ist mit einem Mal wieder größer als ich.
»Nein«, sage ich und rapple mich ebenfalls auf. Er überragt mich zwar noch immer, aber Finnian überragt alle. »Ich habe lediglich aus ihm rausbekommen, dass Vareveth nach der Erbin von Atarah sucht. Der Schattenmahr hat unser Gespräch unterbrochen, bevor ich mehr Fragen stellen konnte.«
Bei dieser Erklärung entspannt Finnian sich sichtlich. Schuldgefühle nagen an mir, weil ich das kommende Treffen vor ihm geheim halte. Ich weiß, wie unklug es ist, im Alleingang zu handeln, aber ich kann Finnian nicht dem Risiko eines Überfalls aussetzen. Ich vertraue dem Soldaten nicht, also werde ich dafür sorgen, dass Finnian nichts mit ihm zu tun kriegt.
»Was hast du denn von den Soldaten unten gehört?«, fragte ich einerseits aus Neugier, aber auch, um von mir abzulenken.
»Vareveth ist fest entschlossen, in den Krieg zu ziehen. Sie haben es satt, sich um Frieden zu bemühen.«
»Also haben sie endlich einen Kommandanten, der verstanden hat, dass man mit einem Tyrannen keinen Frieden schließen kann. Schön für sie.« Jedes meiner Worte trieft vor Sarkasmus.
Finnian spricht weiter, während wir zu unseren Pferden gehen, die sich aneinanderschmiegen. »In diesem Teil des Kontinents werden sie sich noch etwa zwei Wochen aufhalten. Ihr Kommandant ist bei ihnen – angeblich hat er eine Narbe im Gesicht, an der man ihn erkennt.«
Mir gefriert das Blut in den Adern, und ich bin mir sicher, dass ich kurz zu atmen aufhöre, während mein Herz wie eine Kriegstrommel gegen meine Brust schlägt, etwa so, wie es vor kurzer Zeit gegen die Holzdielen gehämmert hat. Wenigstens habe ich Finnian den Rücken zugedreht – ein kleiner Segen.
Ich stand dem Kommandanten von Vareveth gegenüber.
Ich habe ihm ein Messer an die Kehle gehalten.
Oh Götter, ich habe mein Knie in die Eier des meistgefürchteten Kriegsherrn auf dem ganzen Kontinent gerammt.
Ich unterdrücke das verstörte Lachen, das in meiner Kehle aufsteigt, und grinse stattdessen schief, während ich Finnians Pferd an den Zügeln nehme.
»Die Armee ist angepisst, weil König Eagor nicht früher etwas gegen Imirath unternommen hat«, ergänzt er.
Ich bleibe kurz vor ihm stehen, bereite mich seelisch und moralisch auf seine Reaktion vor. »Ich muss mich um die Nahrungsvorräte in Aestilian kümmern.«
Als er versteht, was ich damit sagen will, zuckt er zusammen. »Wir können einen anderen Weg finden.«
Vareveth ist ein fest etabliertes Königreich. Wenn ich einen Handel mit ihnen eingehe, kann ich zusätzlich darauf bestehen, dass sie Nahrungsmittel nach Aestilian senden. »Uns bleibt keine Zeit mehr. Sobald es Frost gibt, werden die Menschen verhungern. Die Vorräte sind schon jetzt stark geschrumpft.«
Wir haben Raubzüge veranlasst, um Nahrung für Aestilian zu beschaffen. Ich erlaube meinen Leuten lediglich Überfälle auf Schmuggler, die ohnehin gestohlenes Gut befördern, aber natürlich gibt es keine Garantie, ob wir was Brauchbares finden werden. Zwar haben wir auch geschickte Jägerinnen und Jäger, doch im Winter liegt einfach zu viel Schnee, um Aestilian gefahrenlos zu verlassen. Währenddessen wächst die Bevölkerung weiter, und jeder Tag ist ein weiterer Sargnagel in meinem Verstand – und bringt mein Volk in größere Gefahr.
»Sobald du dich bemerkbar machst, wird dein Vater keine Ruhe mehr geben, bis er dich umgebracht hat.«
»Ich kann mich nicht für immer verstecken«, seufze ich.
»Aestilian haben sie immerhin noch nicht entdeckt«, kontert Finnian, die Wangen rot vor Wut.
»Nein, aber es könnte durchaus passieren.« In meinen Gedanken blitzt ein Bild aus meinen Albträumen auf – niedergebrannte Häuser und Geschäfte, schmerzerfüllte Gesichter, mein Volk im Kampf um Leben und Tod gegen eine Armee mit sehr viel mehr Expertise und Waffen; Kinder schreien nach ihren Eltern, Eltern nach ihren Kindern … »Ich werde nicht warten, bis sie mich aus Aestilian rausschleifen. Ich gehe zu meinen eigenen Bedingungen, sobald ich einen Handel abgeschlossen habe, den ich will.«
»Ich werde nicht noch mehr Familie verlieren!« Finnians Hände zittern, die Nasenflügel weiten sich. Schnell blinzelt er seine Tränen weg.
Mein Zorn verpufft. Finnian und ich können uns so laut anbrüllen, dass schlafende Gottheiten erwachen – aber sobald einer von uns zusammenbricht, ist es vorbei. Ich lasse die Zügel fallen und renne zu ihm, nehme ihn in die Arme und lege den Kopf auf das glatte Leder, das seine Brust bedeckt. Er legt das Kinn auf meinen Kopf und zieht mich fest an sich. Finnian redet kaum über die Familie, die er vor seiner Zeit in Aestilian hatte, genauso wie ich kaum darüber spreche, was mir in Imirath zugestoßen ist. Aber wenn die nächtliche Dunkelheit gegen unseren Willen Erinnerungen heraufbeschwört, sind wir füreinander da, halten unsere zerbrochenen Teile füreinander fest.
»Mich wirst du nicht verlieren, Finnian.«
Über mir ein Schniefen. »Für mich warst du nie die Erbin von Atarah.«
Und deshalb liebe ich dich. »Aber genau das bin ich«, sage ich sanft.
»Nein. Du bist das Mädchen, das in der Küche steht und Obst zerquetscht, um Marmelade zu machen. Und das Bücher über alles liebt«, murmelt Finnian. Ich lache leise an seiner Brust. »Ich würde es nicht aushalten, wenn du noch einmal eingesperrt wirst.«
»Das werde ich nicht zulassen.« Ich schlucke den Kloß in meinem Hals hinunter und hebe den Kopf. Um meine Gefühle zu beherrschen, beiße ich mir in die Wange. Ich will nicht, dass er sich noch mehr Sorgen macht als ohnehin schon.
Ich muss zu diesem Treffen.
Ich werde nicht zusehen, wie Aestilian niedergebrannt wird.
Ich werde nie wieder eine Gefangene sein.
Ich werde Finnian nicht verhungern lassen.
Ich will zu viel von diesem Leben, und zu viel ruht auf meinen Schultern, um mich im Dunkeln zu verstecken. Ich mag mich zwar in den Schatten halten, aber ich beherrsche sie.
»Komm schon.« Ich stupse ihn gegen die Brust. »Wir reiten nach Hause.«
Letzte Nacht habe ich kaum geschlafen, was für mich nicht ungewöhnlich ist, trotzdem lastet heute die Erschöpfung auf meinen müden Knochen und Muskeln. Ich drücke mir die Handballen auf die Augen, dann drehe ich mich um und seufze. Noch für ein paar Sekunden vergrabe ich das Gesicht im Kissen, um dem Licht zu entfliehen, das bereits durch die Fenster strömt.
Heute Abend treffe ich den Kommandanten von Vareveth. Cayden Veles will mich, und ich habe keine Ahnung, warum. Letzte Nacht konnte ich ihn nicht richtig erkennen, also kann ich mir jetzt nichts vorstellen außer einem Gesicht voller Narben und Schatten.
Ich wälze mich auf den Rücken und kicke die Decken beiseite, stecke die Füße in meine Hausschuhe, ehe sie den kalten Holzboden berühren können. Dann schiebe ich die Ärmel meines Wollpullovers hoch zu den Ellbogen, um mir kaltes Wasser ins Gesicht zu spritzen. Finnian sagt immer, ich sehe einschüchternd aus, bis ich lächle; dann würde sich mein ganzes Gesicht aufhellen. Im Spiegel starren mich meine müden Augen an, also zwicke ich mir in die Wangen, um etwas Farbe zu kriegen. Inzwischen fehlt mir der leichte Glanz, den mir das Gärtnern in den Sommermonaten eingebracht hatte.
Fließendes Wasser gab es hier nicht immer. Auf dem Großteil des Kontinents schon, aber in einem behelfsmäßigen Königreich wie Aestilian ist es eine Seltenheit. Auch in der Taverne von gestern Nacht gab es kein fließendes Wasser, genauso wenig wie in den meisten Dörfern der Wälder von Sweven. Das merkt man gleich am Geruch der Leute.
Ich erinnere mich nicht an meine Kammern in Imirath, also bin ich stolz auf mein Zimmer hier. Es ist die einzige Ecke der Welt, die ich nur für mich habe, daher habe ich immer frische Blumen auf der Kommode, wenn es die Jahreszeit hergibt, und staple meine Bücher an den Wänden. Meinem Sessel am Kamin sieht man an, wie viele Nächte ich dort bis Sonnenaufgang mit einem Buch verbracht habe, um meinen Gedanken einen Fluchtweg aus Worten zu verschaffen.
Ich betrete das Esszimmer, das an eine einfache Küche und ein Wohnzimmer grenzt. Unsere Haushälterin muss schon hier gewesen sein, denn auf mich warten eine dampfende Tasse Kaffee und zwei Scheiben Toast mit einer dicken Schicht Butter und Himbeermarmelade. Gesegnet sei Galakin, weil es Erebos mit seinen koffeinhaltigen Importen versorgt. Durch die Fenster strömt auch hier das Sonnenlicht und wärmt das Holz unter meinen Füßen, lässt die Waffen, Decken und Bücher aufleuchten, die auf den abgenutzten, zusammengewürfelten Möbeln verstreut sind.
Als ich zum ersten Mal nach Aestilian kam – noch bevor es überhaupt Aestilian war –, lebte ich hier mit Ailliard und den vier Wachen, die mir bei meiner Flucht aus Imirath halfen: Nessa, Esmeralle, Lycus und Zander. In der Zwischenzeit sind sie alle ins Wachhaus gezogen, aber Finnian und ich entschieden uns, hierzubleiben.
Ich wünschte, ich könnte sagen, dass ich glücklich bin, aber dem ist nicht so. Die Flut hat noch nicht die Wellen der Unruhe weggespült, die mich gestern Abend durchströmten. Ich drohe darin zu ertrinken. Ich reibe mir den Nacken und lehne den Kopf an die Stuhllehne. Mein Drang, die Initiative zu ergreifen, den nächsten Schritt zu machen, frisst mich noch bei lebendigem Leibe auf.
Ein tiefes Stöhnen vom anderen Ende des Flurs, wie das einer Bärenmutter, die mit ihren Jungen spricht, holt mich aus meinen Gedanken. Ich lache in meine Tasse, als ein übermüdeter Finnian ins Wohnzimmer schlurft. Seine Locken stehen in alle Richtungen ab. Bevor er sich auf den Stuhl gegenüber fallen lassen kann, nehme ich schnell die Füße weg.
»Mach doch wieder Winterschlaf.«
»Ich wollte nicht, dass du ohne mich mit Ailliard redest«, murmelt er und schiebt eine Gabel in sein Omelett.
»Ich habe gar nicht vor, heute mit ihm zu reden.«
Er fixiert mich mit schläfrigem Blick. »Denkst du wirklich, du solltest ihm das vorenthalten?«
»Nein, tu ich nicht.« Ich hebe die Hände. »Ich will es bloß noch etwas genießen, bevor ich ihm Bescheid gebe. Es fühlt sich … nicht echt an.« Mein Frühstück droht mit einem zweiten Auftritt, als die Lügen mir den Magen verknoten. Ich hasse es, Finnian anzulügen. Ich tue das fast nie, nicht einmal winzige Notlügen kommen mir normalerweise über die Lippen.
Und Ailliard wird in höchster Alarmbereitschaft sein, wenn ich ihm erzähle, dass Vareveth nach mir sucht. Er wird noch mehr Soldaten an die Grenze schicken, mir meine heimlichen Exkursionen noch schwerer machen, und dabei muss ich doch zu diesem Treffen heute Abend. Ich werde kurz nach Mittag losgehen, um vor Cayden Veles auf der Lichtung einzutreffen. Es fühlt sich komisch an, diesen Schattenmann beim Namen zu nennen, selbst in meinen Gedanken. Er wirkte eher wie ein Fabelwesen der Dunkelheit als wie ein echter Mann.
Ich lege die Hände auf den Bauch und hole scharf Luft, um Finnian abzulenken.
»Krämpfe?«
»Mhm.« Ich presse die Lippen zusammen und versuche mich an meiner besten, schmerzerfüllten Grimasse. Er weiß um die heftigen Schmerzen, die mich von Monat zu Monat begleiten, trotz des Tonikums, das ich immer einnehme. Manchmal sind sie so schlimm, dass ich am ersten Tag nur humpeln kann.
Sorge macht sich in seinem Blick breit. »Brauchst du meine Hilfe, um die Treppe hochzukommen?«
Ich mache mir eine mentale Notiz, ihm etwas in der Bäckerei zu kaufen, wenn all das vorüber ist, oder vielleicht neue Pfeile. »Das schaff ich schon.« Ich ringe mir ein schwaches Lächeln ab, während ich versuche, mein emotionales Durcheinander so zu präsentieren, als würde es mir physische Schmerzen bereiten. »Ich bleibe den Rest des Tages lieber in meinem Zimmer. Hast du irgendwas vor?«
Er schüttelt den Kopf. »Ich wollte später zur Taverne gehen, aber ich kann auch hierbleiben, wenn du willst.«
»Nein!«, platzt es mir etwas zu schnell heraus. »Ich mache das doch schon seit Jahren mit. Hab einen schönen Abend. Nur keine Sorge wegen mir. Ich werde einfach schlafen und lesen«, ergänze ich schnell, um meinen Ausbruch zu überspielen.
»In Ordnung.« Er beäugt mich misstrauisch. »Sag mir einfach, falls du irgendwas brauchst.«
»Mach ich.«
»Nein, wirst du nicht.« Seine Mundwinkel schieben sich nach oben. Ich kann einfach nicht anders; ich will niemandem zur Last fallen.
»Okay, in Ordnung. Aber ich verspreche, dass ich wunschlos glücklich bin, solange ich einfach am Kaminfeuer im Sessel sitzen kann«, sage ich und leiste ihm Gesellschaft, bis er sein Frühstück aufgegessen hat.
Die Sonne geht unter, während ich durch den Nebel des Seren-Gebirges presche, und lässt den Himmel in Orange und Pink erstrahlen. Nachdem Finnian gefrühstückt hat, bin ich in mein Zimmer gehumpelt und habe sogar ein Kapitel in einem meiner Bücher gelesen, also habe ich ihn nicht komplett angelogen. Ich habe zwar kein einziges Wort verstanden, aber zumindest habe ich mir Mühe gegeben.
In stetem Tempo bahnt sich mein Pferd einen Weg hinab durch die steilen Klippen. Ich habe mich früh genug auf den Weg gemacht, um vor Kommandant Veles anzukommen, aber erhöhe trotzdem die Geschwindigkeit, sobald wir auf flachem Grund sind, und reite ohne eine einzige blutige Begegnung durch den dichten Wald. Vom Sturm letzte Nacht ist es immer noch matschig, und der See ist so blau, dass die Lichtung schimmert. Manche glauben felsenfest, es handle sich dabei um das Werk der Gottheiten.
Ich ziehe mein Schwert hervor und steige ab, richte meine schwarze Lederausrüstung und den Umhang, während ich mein Pferd hinter den moosbewachsenen Felsen bei einer Höhle führe. Sollte es einen Überfall geben, können wir uns hier verstecken. Außerdem sind über dem Eingang die Symbole der Gottheit des Wassers in den Stein geritzt worden, was bedeutet, dass sich keine Bestien in den dunklen Tiefen der Höhle verbergen.
Ich horche nach irgendwelchen Bewegungen und spähe am Felsen vorbei, aber der Kommandant ist nicht in Sicht. Der Wald ist in Dunkelheit getaucht und die Mondsichel von Wolken umgeben. Irgendetwas sorgt für Kräuselwellen im Wasser, aber ich komme nicht dazu, nachzusehen, weil ich nach hinten gerissen werde. Schnell drücken mir fremde Hände die Handgelenke auf den Rücken, während ich meinem Angreifer in die Schienbeine kicke.
»Beruhig dich, kleiner Schatten. Ich bin’s.«
»Ach. Wie schön.« Wut sprudelt in meinen Venen. »Das macht es natürlich gleich viel angenehmer, in einem dunklen Wald gefesselt zu werden.«
»Du hast mir ein Messer an die Kehle gehalten, bevor du weggerannt bist.« Er bindet den Knoten fest, dann dreht er mich zu sich herum. »Betrachte es einfach als Vorsichtsmaßnahme.«
Mir stockt der Atem, als ich das Kinn recke, um sein Gesicht genauer zu betrachten. Ich frage mich, ob der gesamte Kontinent ihn deshalb für einen Dämon hält, weil seine Schönheit aus einer anderen Welt stammen könnte. Er ist auf eine raue Art attraktiv, wie zerklüftete Berggipfel im Winter oder ein wilder Ozean, dessen Wellen dunkle Sandstrände überrollen.
Die Kapuze seines Umhangs hat er ins Gesicht gezogen, doch darunter fällt ihm zerzaustes, dunkles Haar ins Gesicht, küsst seine Ohren. Ich begutachte die Narbe auf seiner kantigen Wange, die auf seiner olivfarbenen Haut hervorsticht, doch nicht, ohne seinen durchdringenden, smaragdgrünen Blick zu erwidern, der durch die Nacht strahlt und über mein Gesicht tanzt.
»Es schien dir nichts auszumachen«, knurre ich.
»Das habe ich auch nie behauptet.« Er wendet sich ab, wickelt den Rest des Seils um einen Baum und fixiert mich wie ein wildes Tier.
Während sich der Schweiß in meinem Nacken sammelt, nehme ich lange, tiefe Atemzüge, um mich zu beruhigen. Ich wehre mich zwar gegen das grobe Seil, aber wie jeder erfahrene Soldat kann er seine Gefangenen sicher fesseln.
»Hast du mitgebracht, worum ich gebeten habe?«
Er schlendert in mein Blickfeld und bleibt kurz vor mir stehen, hält mir ein schmales Glasfläschchen entgegen, das mit einer glitzernden schwarzen Flüssigkeit gefüllt ist. »Mit diesem Elixier kann man Getreide auf unfruchtbarem Boden anbauen.«
»Woher wusstest du, dass ich das gebrauchen kann?« Denn natürlich kann ich das, aber es geht mir auf die Nerven, wie gut er geraten hat.
»Solltest du irgendwo in dieser Gegend wohnen«, er lässt eine Hand durch die Luft schweifen und gestikuliert ganz allgemein in Richtung der Landschaft, »wirst du nicht viel anbauen können.«
Er macht einen Schritt auf mich zu, dann noch einen. Bei jedem seiner Schritte schauen wir uns tief in die Augen. Ich vergrabe meine Fingernägel tief in den Handflächen, um mir zumindest eine kleine Mondsichel an Klarheit zu verschaffen, bis seine dominante Gestalt mein gesamtes Blickfeld übernimmt und wir uns so nahe gegenüberstehen, dass sich unsere Füße berühren. Ich kneife die Augen zusammen, woraufhin er die Mundwinkel nach oben zieht und seine Narbe verzerrt, während er das Glasfläschchen in einer Tasche an meinem Oberschenkel verstaut.
»Zufrieden?«, fragt er, lässt die Daumen in seinen Taschen versinken und schafft etwas dringend nötigen Platz zwischen uns.
Ich spitze die Lippen und lasse den Blick über seinen muskulösen Körper streifen, der in dasselbe Assassinen-Outfit gekleidet ist wie gestern Abend, aber irgendwie noch bedrohlicher wirkt, wenn er im Mondlicht anstatt im Schatten steht.
»Annehmbar«, sage ich und blicke ihm wieder in die Augen. »Was wollen Sie von der Erbin von Atarah, Kommandant Veles?«
Er zieht eine Augenbraue nach oben. »Da haben Sie wohl nachgeforscht, Prinzessin Elowen?«
»Woher weißt du, wer ich bin?«
»Sagen wir einfach, ich hatte so ein Gefühl.«
»Ich gratuliere dir zu der großen Anstrengung deines Gehirns, die es sicher gebraucht hat, um das herauszufinden. Muss dir ungeheuer schwergefallen sein.«
Er schmunzelt. »Die königliche Überheblichkeit hast du eindeutig drauf.«
»Du hast mich an einen Baum gefesselt!«
»Weil ich nicht will, dass du wegrennst oder wieder mitten im Gespräch mit einem Messer herumwedelst, Prinzessin.«
»Dann gib mir keinen Anlass, Dämon.« Wieder zerre ich am Seil. »Tu nicht so unschuldig; du hast mich gegen eine Wand gerammt.«
Er zuckt mit den Schultern, als wolle er sagen: Da hast du nicht ganz unrecht. Dann spricht er weiter. »Hast du jemals darüber nachgedacht, dir deine Drachen zurückzuholen?« Dieser Themenwechsel macht mich sprachlos, und hätte er mich nicht festgebunden, wäre ich wohl gestolpert.
Jeden Tag.
Jeden einzelnen Tag habe ich darüber nachgedacht, einen Weg zu ihnen zu finden.
Mit jeder Stunde nagen die Schuldgefühle an mir, weil ich weiß, dass sie noch immer im Schloss eingesperrt sind. Wenn ich mit Halsweh aufwache, erinnert mich das nur an die Nacht, in der ich aus Imirath floh. Damals versuchte ich, auf unserem Ritt weg vom Schloss von Ailliards Pferd zu springen, ich schrie und heulte, bis ich keinen Laut mehr hervorbrachte. Im Laufe der Jahre habe ich immer wieder versucht, mir Pläne zurechtzulegen, aber nichts ist jemals gut genug. Falls ich sterbe, wird niemand die Drachen retten.
Mein Bund schläft tief in meiner Brust, und ich spüre nichts. Leere. Ein bodenloses Loch, das einmal von Licht und Liebe erfüllt war. Mir bleibt nichts außer der Erinnerung an ihre strahlenden Schuppen, ihre winzigen Körper auf meinen Schultern, während wir frei durch das Schloss streiften. Aber das war, bevor mein Vater die Hand gegen mich erhob und sie ihre Reißzähne zeigten. Ich war vier Jahre alt. Sie waren noch klein, doch die Treue eines Drachen hat nichts mit Rang oder Titel zu tun. Und sobald Sorin meinem Vater den kleinen Finger abgebissen hatte, nahm mein Leben eine plötzliche Wendung.
»Mit Wahnsinn kann man nicht verhandeln.«
»Ganz meine Meinung.« Cayden streicht sich mit dem Daumen über die Unterlippe, ehe er die Hände hinter dem Rücken verschränkt. »Warum sollte ich überhaupt verhandeln, wenn ich es mir einfach nehmen kann?«
»Ein Überfall?«, frage ich vorsichtig. »Du willst meine Drachen befreien?«
»Richtig.«
»Wo ist der Haken?« Ich muss mich dazu zwingen, auf dem Teppich zu bleiben, kann die aufwirbelnde Hoffnung in meiner Brust aber nicht bändigen. Hoffnung ist ein gefährliches Gefühl. Sie macht uns immun gegenüber jeglicher Logik.
»Du bleibst in Vareveth, bis der Überfall vorbei ist, und nutzt die Drachen im kommenden Krieg gegen Imirath.«
Schauer jagen über meinen gesamten Körper, aber ich bemühe mich, ihm ruhig zu antworten. Das Schwierigste an Angst und Sorgen ist, sie in Schach zu halten. »Das ist alles? Mehr willst du nicht?«
Ich hatte mich schon in dem Augenblick entschieden, als ich Cayden gestern Abend um das Treffen bat, auch wenn es mir noch nicht klar war. Ich habe mehr verdient, als mich mein restliches Leben lang zu verstecken. Ich liebe Aestilian und werde das immer tun. Aber Liebe sollte uns nicht lähmen, sondern aufblühen lassen.
»Du wirst ein offizielles Allianzabkommen unterzeichnen müssen, aber ja«, bestätigt er mit einem entschiedenen Nicken.
»Und was ist mit König Eagor und Königin Valia? Ich muss wissen, wie sie dazu stehen.« Als Herrschende über Vareveth haben sie sicher eine Meinung.
»Sie werden nichts von dem Überfall erfahren, falls du das meinst.«
»Wie ist das möglich?«
Er zögert, wägt seine Worte ab. »Die Militärgesetze von Vareveth unterscheiden sich von denen der meisten anderen Königreiche. Diese Mission hat militärische Hintergründe, also muss ich mir keine Erlaubnis einholen.«
»In Ordnung«, sage ich langsam und versuche mir einen Überblick zu verschaffen. »Und welcher Grund für meine Anwesenheit in Vareveth wird ihnen genannt?«
»Eagor denkt, die anderen Königreiche könnten uns gewogen sein, wenn du dich bei uns aufhältst. Nach aktuellem Stand sind sie neutral. Du bist die nächste Thronanwärterin von Imirath. Dich mit Vareveth einig zu zeigen, sähe gut aus für uns und schlecht für Garrick.« Mittlerweile ist mir klar, dass Cayden nicht der Typ Mensch ist, den andere verärgern; er verärgert sie. Selbst über seinen König und die Königin spricht er, als wären sie nur Schachfiguren in seinem Spiel.
»Binde mich los«, fordere ich, um etwas Zeit zu gewinnen. Ich muss meine Gedanken sortieren. Ich kann nicht weiterhin nur für andere leben, und nichts kann mich davon abhalten, mich mit meinen Drachen zu vereinen. Zu wissen, was man verdient, und es sich auch zu holen, sollte nicht als egoistisch gelten.
Schluss mit dem Verstecken.
Schluss mit dem Leben als Geist.
»Wirst du mich bei dem Überfall begleiten?« Ich streiche über meine aufgescheuerten Handgelenke.
»Sind wir jetzt schon so anhänglich?«
»Du wirst einen hervorragenden Schild abgeben.« Ich erinnere mich an meine Wut, während er mich fesselte, und ramme ihm blitzschnell die Faust in die Wange. »Fessle mich nicht noch mal, Arschloch.«
Langsam dreht er mir den Kopf zu und wirkt … schockiert? Fasziniert? Wahrscheinlich beides. »Ja, Prinzessin, ich werde dich bei dem Überfall begleiten.«
»Wir haben noch viel mehr zu besprechen.« Ich halte inne, fummle an meinem Zopf herum.
Ich kann meinem Onkel Ailliard, der mich aus Imirath rausgeholt hat, nicht erzählen, dass ich wegen meiner Drachen zurückkehren werde. Schließlich haben sie seine Schwester in Flammen aufgehen lassen – Königin Isira. Von Befreiungsplänen für meine Drachen habe ich ihm schon öfter erzählt, aber es endete immer damit, dass wir uns anschrien. Als ich zehn war, heuerte mein Vater einen Magier an, der meinen Bund physisch aufbrechen sollte, doch der Zauberspruch prallte ab und versetzte die Drachen in Raserei. An diesem Tag gab es viele Todesopfer, auch meine Mutter, und als mich ein Soldat an meinen Fesseln aus dem Raum zerrte, loderten die Flammen nur noch wilder.
Meine Mutter war nicht so grausam wie mein Vater, doch jedes Jahr an meinem Geburtstag saß sie schweigend auf ihrem Thron, während man mich vernahm und schlug, bis ich das Bewusstsein verlor, nur um mir zu entlocken, wie man den Bund lösen könnte.
»Ich muss mich um mein Volk kümmern. Ich brauche mehr von diesem Elixier und eine gesicherte Lebensmittelversorgung in Aestilian. Ich werde meine Bevölkerung nicht verhungern lassen.«
»Aestilian?«
»Mein Königreich.« Dabei belasse ich es. Über mehr als den Namen und unseren Bedarf an Nahrungsmitteln braucht er nicht Bescheid zu wissen. »Das muss vor dem Überfall erledigt sein.«
»Hast du vor, in Imirath zu sterben?«
»Falls ich das tue, verspreche ich, dich mit mir zu nehmen.«
Er unterdrückt ein Lachen. »Ich kümmere mich um das Elixier und gebe dir mein Wort, dass Eagor genug Nahrung für dein Volk bereitstellen wird.«
»Abgemacht, Veles.« Ich muss schwer an mich halten, um beim Gedanken an ein Wiedersehen mit meinen Drachen nicht herumzuhüpfen, als wäre ich sturzbetrunken, stattdessen senke ich den Kopf, bis ich mein Lächeln unter Kontrolle habe. Falls ich Imirath nicht mit meinen Drachen verlassen kann, werde ich es überhaupt nicht verlassen. Fünfzehn Jahre habe ich darauf gewartet, ein weiteres Jahr ohne sie werde ich nicht überleben. »Ich habe noch eine andere Verpflichtung.«
»Was genau?«
Ich kneife die Augen zusammen. »Wir mögen verbündet sein, aber befreundet sind wir nicht. Ich bin dir keine Erklärung schuldig.«
»Tot bringst du mir nichts«, konstatiert er, während er mein Pferd losbindet und mir die Zügel übergibt. »Wir besprechen alle weiteren Details beim Reiten. Ich will, dass du innerhalb einer Woche in Vareveth bist. Wir werden monate-, wenn nicht jahrelang zusammenarbeiten müssen, also können wir genauso gut heute Nacht beginnen.«
»Entschuldige, aber hätte ich Eltern, würden sie mich sicherlich davor warnen, mit einem Fremden durch den Wald zu schlendern.«
Er zieht sein Schwert hervor und legt es sich auf die Handflächen. »Elowen Atarah, Königin von Aestilian und Prinzessin von Imirath. Ich, Cayden Veles, Kommandant von Vareveth, schwöre, dich von heute an bis zu meinem letzten Tag vor jeglichem Leid zu schützen.« Schnell blickt er auf meinen offen stehenden Mund. »Deine Feinde sind die meinen. Mein Schwert ist das deine.«
Ich lasse seine Worte sacken, und meine Kehle schnürt sich zu. Ich mag ihm zwar nicht vertrauen, ihn nicht mögen, aber trotzdem kann ich mit ihm zusammenarbeiten. Er braucht mich genauso wie ich ihn. Unsere Allianz basiert zwar auf gegenseitiger Abhängigkeit und Rache, aber es ist und bleibt eine Allianz.
Ich werde eine dauerhafte Nahrungsquelle für Aestilian haben. Ich werde eine Chance haben, meine Drachen wiederzubekommen.
Ich werde eine Chance haben, mich Imirath zu widersetzen.
Das ist es, wovon ich nie aufhören konnte zu träumen.
Ich ziehe meine Drachendolche hervor. »Cayden Veles, Kommandant von Vareveth. Ich, Elowen Atarah, Königin von Aestilian und Prinzessin von Imirath, schwöre, dir im kommenden Krieg als wahre Alliierte beizustehen und mit dir zu kämpfen. Meine Dolche und mein Drachenfeuer sind dein«, sage ich, bevor ich beide Messer wieder verstaue, ohne den Blick von seinem zu lösen.
Unsere Atemzüge treffen aufeinander, doch man hört nichts außer der rauschenden Strömung des Fintan, entfernten Eulenrufen und dem Rascheln von Blättern, die der Wind fortträgt.
»Fangen wir damit an, ein Buch zu stehlen. Das ist einfacher als die Sache mit den Drachen.« In den letzten Wochen habe ich die Bewegungen des Feuerkults genau beobachtet und will keine wertvolle Gelegenheit verschwenden, wenn ich mich schon einmal ohne Eskorte außerhalb von Aestilian aufhalte. Cayden bei diesem Unternehmen zu beobachten, wird mir wertvolle Einsichten liefern, schließlich birgt diese Mission sehr viel weniger Risiken als die Reise nach Imirath. »Betrachte das einfach als Übung, Dämon.«
Gottesfürchtige Kulte reisen mit den Mondphasen, um einander aus dem Weg zu gehen. Zwischen ihnen herrscht böses Blut, schließlich steht ihre Rivalität stellvertretend für die Streitigkeiten der Gottheiten. Allerdings liegen diese schon seit fünfhundert Jahren in tiefem Schlaf, weshalb mir nicht ganz klar ist, was all diese Rituale bringen sollen.
»Wo wollen wir uns treffen, bevor wir nach Vareveth aufbrechen?«, beginne ich, um dieses Thema noch vor unserer Ankunft aus dem Weg zu schaffen. »Ich nehme an, wir reiten zunächst zusammen in dein Königreich, schließlich müsste ich sonst Feynadra oder Urasos durchqueren.«
»Ich werde dich mit meinen besten Soldaten ab Aestilian begleiten«, sagt er, als wäre das ganz offensichtlich.
»Nein.«
»Nein?«, fragt er ungläubig.
»Du kommst nicht nach Aestilian.«
»Elowen«, fängt er an und fasst sich an den Kopf. Der Klang meines Namens auf seinen Lippen – ich bin mir nicht sicher, ob es sich anfühlt, als hätte er ihn schon Hunderte oder erst eine Handvoll Male ausgesprochen. »Ich habe geschworen, dich zu beschützen, und das umfasst auch dein Volk.«
»Ein Schwur, der nur aus Bequemlichkeit geleistet wurde, wird als Erstes gebrochen, wenn es unbequem wird.«
Er knirscht mit den Zähnen, greift seine Zügel fester. »Verrätst du mir dann wenigstens, wo es liegt?«
»Auf keinen Fall«, sage ich.
Er reibt sich den kantigen Kiefer, als wollte er mir widersprechen, tut es aber nicht. »Weißt du, wo sich die Tempelruinen des Gottes der Erde befinden?«, fragt er. Das Wissen um die Tempel ist essenziell, um auch nur eine Nacht in den Wäldern von Terrwyn oder Sweven zu überleben. Ich nicke. »Meine Soldaten und ich werden dich dort erwarten.«
Der Tempel ist nicht weit von Aestilian entfernt. Außerdem liegt dieser Tempel der Taverne am nächsten, in der wir uns kennengelernt haben. Also wird es nur ein kurzer Ritt sein. Am liebsten würde ich ihn dazu überreden, einen weiter entfernten Tempel zu wählen, allerdings könnte ihn das misstrauisch machen.
Wahrscheinlich ist dies nur der erste von vielen Kämpfen, die wir dank unserer gegensätzlichen Persönlichkeiten und Prioritäten austragen werden.
»In Ordnung«, gebe ich nach. »Du meintest, du willst innerhalb einer nächsten Woche in Vareveth sein?«
»Sobald wir uns trennen, werde ich meine Soldaten zusammentrommeln. Und solltest du nicht bis zum Ende der Woche am Treffpunkt sein, finde ich dich. Während deiner Zeit in Vareveth dienen meine Soldaten als deine Wachen, genauso an allen anderen Orten, die wir bereisen, also musst du dir nicht die Mühe machen, eigene Truppen zusammenstellen.« Sein Blick ruht eindringlich auf meinem Profil, bis ich den Kopf drehe, um ihm in die Augen zu blicken.
Meine Erleichterung existiert nur hinter verschlossenen Türen, sodass er mir nichts vom Gesicht ablesen kann. Ich selbst will Aestilian zwar verlassen, aber das heißt nicht, dass ich glaube, auch andere Leute würden sich blindlings in einen Krieg stürzen. Sicher verlassen kann ich mich nur auf Finnian … und wahrscheinlich Ailliard. Selbst wenn er sich für meine Pläne nicht begeistern kann, wird er bestimmt nicht in Aestilian bleiben wollen, wenn ich nicht dort bin. Zwar wird er sich fürchterlich griesgrämig geben, aber ich brauche ihn für mögliche politische Treffen.
Trotzdem frage ich: »Warum sollte ich darauf vertrauen, dass deine Soldaten mich beschützen werden?«
»Weil ich diejenigen, die sich meinen Befehlen widersetzen, persönlich bestrafe.« Er schenkt mir einen bedeutsamen Blick, der mir sagen soll: Und das will niemand erleben. »Du bist die einzige Person, die meine Armee davor schützt, bei lebendigem Leibe von den Drachen verbrannt zu werden, sobald sie befreit sind. Ich habe nicht vor zu sterben, bevor ich diesen Krieg zu Ende gebracht habe.« Sein grimmiger Blick lässt ihn wirken wie einen Mann, der nichts als Rache im Sinn hat.
Ich wende mich ab, schaue wieder nach vorne. Meine Hände beben – der Anblick seines kontrollierten Zorns hat sich eingebrannt. Vielleicht können wir uns doch noch zusammenraufen, immerhin hassen wir dieselbe Person. Andererseits erscheint mir die Vorstellung, Gemeinsamkeiten mit Cayden zu finden, wie ein Marsch in völliger Dunkelheit, ohne die geringste Ahnung, in welche Richtung es geht.