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Nikita ist fünfzehn und verbringt die Sommerferien mit ihrer besten Freundin bei ihren Großeltern. Die beiden leben auf einer kleinen, grünen Insel mitten auf einem See. Gleich nach ihrer Ankunft hat Nikita das Gefühl, von jemandem beobachtet zu werden. Etwas stimmt nicht auf der Insel. Was genau das ist, soll sie aber erst an ihrem sechzehnten Geburtstag erfahren.
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Seitenzahl: 199
Veröffentlichungsjahr: 2022
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Für all die lieben Menschen, die an meiner Seite sind, wenn meine Fantasie auf Reisen geht.
Ich danke Euch für die unterschiedlichsten Arten Eurer Unterstützung.
Die Einladung
Aufbruch
Erinnerungen
Herzkiesel
Der Sommer beginnt
Auf Schatzsuche
Flüsternder Wald
Wiedersehen der Seeräuber
Bennos Freunde
Ein unglücklicher Fund
Endlich 16
Das Geheimnis der Eiche
Marias Abenteuer
In Sachen Perle
Im Zeichen der Eiche
Das Buch der Feen
Fest der Feen
Nikita faltete den Brief sorgfältig zusammen und steckte ihn wieder in den grünen Umschlag. Dann sah sie Maria, die auf dem Bett gesessen und aufmerksam zugehört hatte, fragend an.
>>Und, was meinst Du?<<
>>Na ja, mal sehen.<< Maria zählte an den Fingern auf. >>Wir haben eine kleine gemütliche Kate mit zwei urfreundlichen, weltoffenen und aufgeweckten Großeltern darin, eine grüne Insel, auf der im Sommer alles wie wild blüht, Sandstrände ganz für uns allein, einen kleinen Ort, wo man tanzen gehen und Leute kennen lernen kann und nicht zu vergessen, die gute Küche deiner Oma… Du fragst noch? Na klar bin ich dabei!<< rief sie dann.
Nikita strahlte. >>Super, dann werde ich Hanna gleich zurück schreiben.<<
>>Anrufen würde schneller gehen.<< erwiderte Maria.
>>Da könntest Du Recht haben. Bin gleich zurück.<< Nikita rannte die Treppe herunter. Kurz darauf konnte Maria hören, wie das Telefon klickte und Nikita anfing mit jemandem zu sprechen. Zehn Minuten später kam sie die Treppe wieder raufgepoltert und erschien mit strahlendem Lächeln in der Tür.
Unten hörte man dagegen die Mutter etwas von >>…langsamer die Treppe rauf gehen!<< rufen. Nikita schloss einfach die Tür hinter sich.
>>Und?<< Maria sah sie fragend an.
>>Am zweiten Ferientag können wir anreisen und wenn wir wollen, können wir den ganzen Sommer da bleiben.<< kam sofort der Bericht.
>>Oh Klasse, das wird einfach toll werden!<< rief Maria.
>>Genau das. Komm, lass uns gleich mal eine Liste machen, was wir alles mitnehmen.<< Nikita hüpfte von einem Bein aufs andere.
Maria schüttelte den Kopf. >>Geht leider nicht.
Ich muss jetzt los. Meine Eltern wollen ausgehen und ich muss auf Flo aufpassen. Komm doch später noch mal rum, dann langweile ich mich nicht so.<< bat sie dann.
>>Mach ich. Ich bring Chips mit, dann können wir den Film um acht gucken. Der soll spannend sein, sagt Christoph.<< schlug Nikita vor.
>>Ist gut. Bis nachher dann.<<
Nikita sah Maria nach, wie diese unten im Hof aufs Fahrrad stieg und die Strasse raufradelte.
Dann ließ sie sich aufs Bett fallen und begann eine Liste all der Dinge zu schreiben, die sie auf keinen Fall vergessen durften. Später würde sie diese mit Maria vervollständigen.
Maria war, solange Nikita denken konnte, ihre beste Freundin gewesen. Früher waren sie Nachbarn, aber als vor vier Jahren Marias Bruder Florian geboren wurde, wollten die Eltern nicht in der kleinen Wohnung im Nachbarhaus bleiben und zogen in ein neues Haus.
Es lag einige Straßen weiter den Hügel hinauf, hatte einen großen Garten und Blick auf die Stadt. Nikitas Elternhaus lag unterhalb, fast am Fuß des Hügels. So war es viel Strampelarbeit mit dem Fahrrad von einem Haus zum anderen zu kommen.
Nikita hatte auch Geschwister, Christoph und Andrea, die allerdings beide älter waren. Andrea war fünfundzwanzig, mittlerweile verheiratet, hatte zwei Kinder und lebte in einer Wohnung in der Innenstadt. Sie kam selten zu Besuch und das war auch gut so, fand jedenfalls Nikita. Die große Schwester wurde ihr stets als leuchtendes Beispiel vorgehalten. Das nervte, wo doch Nikita ein ganz anderes Wesen hatte.
Mit Christoph war das ganz anders. Er war achtzehn, steckte mitten in seiner Ausbildung und ging viel lieber mit seinen Kumpels in die Disco, als ans Heiraten zu denken. Manchmal gingen Maria und Nikita mit. Das waren dann lustige Abende, weil sich die Jungs darum rissen, wer die Mädchen fahren durfte und wer sie beschützte, wenn sie jemand bedrängte.
>>Ist Maria schon weg?<< Christoph war ins Zimmer gekommen und riss Nikita aus ihren Gedanken.
>>Schon eine ganze Weile. Sie muss auf Florian aufpassen. Ich geh nachher noch zu ihr.<<
>>Ach so.<< Christoph ließ den Kopf hängen.
>>Fahrt ihr jetzt zu Hanna und Paul?<<
>>Ja, Maria fand die Idee toll. Am zweiten Ferientag geht’s los.<<
>>Schön, vielleicht komme ich mal übers Wochenende rauf, dann können wir in die Dorfdisco gehen.<<
>>Ja, mach das. Wird bestimmt lustig. Was wolltest du denn von Maria?<<
>>Och, nichts.<< murmelte Christoph und fingerte verlegen am Bettpfosten herum.
>>Na dann.<< grinste Nikita und winkte auffordernd Richtung Tür.
>>Ähm…<<
>>Ja?<<
>>Na ja, soll ich Dich nachher hochfahren?<<
>>Und wie komme ich später wieder runter?<<
>>Ich dachte, ich bleibe gleich da. Wir können ja den Film um acht gucken.<<
Nikita verbiss sich ein weiteres Grinsen und nickte statt zu antworten.
>>Ok, dann fahren wir um halb acht hier los, ja?<< Christoph wurde ganz aufgeregt.
Nikita nickte wieder, dann stürmte er hinaus.
Sie hörte, wie in seinem Zimmer der Kleiderschrank aufflog und Christoph anfing darin zu wühlen. Kopfschüttelnd schrieb sie weiter.
Eine knappe Stunde später saßen die beiden abfahrbereit in Christophs klapprigem Golf.
Der rote Fast-Oldtimer war sein ganzer Stolz.
Er hatte lange gespart und kannte ihn inn- und auswendig. Nicht zuletzt deswegen, weil ständig irgendetwas repariert werden musste.
>>Du riechst, als hättest du im Aftershave gebadet.<<
>>Meinst du Maria stört das?<<
Nikita zuckte mit den Schultern. >>Weniger ist manchmal mehr. Egal, von mir aus kann’s losgehen.<<
>>Bist du sicher, dass es so schlimm ist? Ich könnte noch schnell ein anderes Hemd anziehen.<<
>>Wir werden’s überleben Chris. Lass einfach auf der Fahrt das Fenster unten, dann geht’s wenn wir da sind.<<
Insgeheim allerdings hoffte Nikita nicht an der Wolke zu ersticken, solange das Fenster offen blieb.
Als die beiden bei Maria ankamen, herrschte das pure Chaos. Maria öffnete mit einem leicht gehetzten Gesichtsausdruck die Tür, während aus ihrem Haar grüner Brei tropfte. Im Hintergrund hörte man Florian fröhlich quieken.
>>Ich hab das Monster noch nicht im Bett. Tut mir leid… oh, hallo Chris.<< Sie wurde rot und stürmte wortlos ins Bad.
Nikita musste grinsen und gab ihrem Bruder einen Stups, damit er weiter in die Wohnung ging.
>>Such du schon mal den Kanal. Ich werde Maria helfen Florian zu baden und ins Bett zu bringen.<<
Sie folgte Maria ins Bad, die nun wutschnaubend ihren Bruder schrubbte, der sich heftig wehrte.
>>Neiiin, ich will aber Taucher spielen!<<
>>Jetzt nicht, es ist schon viel zu spät. Du bist selber schuld, dass ich dich baden muss.
Wenn Du nicht Maler mit dem Spinat gespielt hättest, wärst du schon im Bett.<<
>>Neiiin, ich will aber mit Kita fernsehen!<<
Florian fand Nikitas Namen zu lang, so hatte er ihn von Anfang an abgekürzt. Nikita sah sich um und fing an die über und über grün gesprenkelte Kleidung des Kleinen grob auszuwaschen. Dann nahm sie Maria ihren wild strampelnden Bruder ab.
>>Geh du duschen und den Spinat aus den Haaren waschen. Ich bringe Flo ins Bett und lese ihm was vor. Dann schläft er schneller ein, hat noch etwas von mir, und wir haben noch Zeit bis zum Film.<<
Dankbar zog Maria die spinatverschmierten Klamotten aus und stieg abgekämpft in die Dusche.
Zwanzig Minuten später saßen die drei gemütlich auf dem Sofa. Vor ihnen Chips, Popcorn und diverse Säfte. Florian hatte endlich Ruhe gegeben und war während der zweiten Geschichte eingeschlafen. Um Marias Kopf war ein Handtuch gewickelt und ihr Gesichtsausdruck war nun entspannter und vor allem wieder spinatfrei. Chris trappelte ungeduldig auf der Fernsteuerung herum, als endlich der Vorspann begann...
Die letzte Woche vor den Sommerferien schien immer besonders lang, fand Nikita. Sie bekamen sämtliche Arbeiten der letzten zwei Wochen zurück und die Lehrer bemühten sich ihnen gute Ratschläge fürs nächste Schuljahr zu geben. Die letzten Vorbereitungen für die Abschlussfeier wurden getroffen, denn dies war das letzte Schuljahr auf der alten Schule.
Im August würde es erst richtig anstrengend werden. Maria und Nikita wollten das Abitur machen und so auf eine andere Schule wechseln. Sie würden sich an neue Lehrer und einige neue Mitschüler gewöhnen müssen und die Umstellung im ersten halben Jahr würde beiden schwer fallen. In welche Richtung sie gehen wollten, konnten sie ja noch entscheiden, trotzdem fand Nikita alles ungeheuer aufregend und fürchtete sich zugleich vor dem, was auf sie zukam. Vor allem würde alles etwas ernster und anstrengender werden. Beim Gedanken daran stöhnte Nikita laut auf. Maria klopfte ihr auf die Schulter.
>>Nun krieg mal keine Panik. Wir schaffen das schon. Außerdem liegt erst einmal ein herrlicher Sommer vor uns, in dem wir uns um nichts kümmern müssen, außer darum, dass wir uns nicht langweilen.<<
Nikita nickte. >>Du hast Recht. Und langweilig wird’s bei Hanna und Paul bestimmt nicht.<<
>>Eben. So gefällst du mir schon besser. Weißt du schon, wie wir das alles am Dienstag machen?<<
>>Ja, Mama und Papa wollen Andrea besuchen. Sie nehmen uns mit in die Stadt und setzen uns am Bahnhof ab. Paul holt uns vom Zug. Er ist eh im Dorf, weil er Besorgungen macht. Danach fahren wir dann rüber auf die Insel.<< erklärte Nikita.
>>Hach, das wird einfach herrlich!<< seufzte Maria und bekam einen verträumten Ausdruck im Gesicht.
In diesem Moment ging die Pausenglocke und die Mädchen folgten dem Schülerstrom zurück ins Gebäude. Im Klassenzimmer sahen sie lustlos zu, wie der Geschichtslehrer seine Papiere ordnete.
>>Am liebsten wäre ich schon da.<< murmelte Nikita zu Maria.
Diese nickte bedeutungsvoll und kramte nach ihrem Kuli, um den nun folgenden Redeschwall des Lehrers in Stichworten mitzuschreiben…
>>Was machst du denn hier?<< Nikitas Mutter hätte beinahe die Brötchen fallen gelassen, beim Anblick ihres Sohnes, der gerade in die Küche schlurfte.
>>Ich frühstücke mit. Schließlich darf ich es als fast erwachsener Bruder nicht versäumen meine kleine Schwester zu verabschieden.
Schon gar nicht, wenn der Sommer ihres sechzehnten Lebensjahres vor ihr liegt.<<
Mit diesen Worten nahm Christoph bedeutsam am Küchentisch Platz.
>>Na ja, es ist dein zweiter Urlaubstag, du warst lange aus gestern. Ich hatte dich erst zum Mittag erwartet und nicht um sechs Uhr in der Früh.<< antwortete Nikitas Mutter und stellte endlich, immer noch etwas verdattert, die Brötchen auf dem Tisch ab.
Grinsend nahm Nikita eines davon und begann, die Brötchen für die lange Zugfahrt zu belegen. Sie wusste genau, warum Chris so früh aufgestanden war. Zum einen tatsächlich, um sich von ihr zu verabschieden, Zum andren, und nur deshalb hatte er es tatsächlich geschafft aus dem Bett zu kommen, um mit Maria zu frühstücken und später, ganz Gentleman, deren Tasche ins Auto zu bringen. Hatte er es sich doch gestern Abend schon nicht nehmen lassen, diese wie selbstverständlich aus dem Auto zu holen und damit ins Haus zu stolzieren. Dabei waren ihm auf der einen Seite Marias bewundernder und auf der anderen Seite der fragende Blick seines Vaters gefolgt, der besagte Tasche gerade in sein Auto hatte umladen wollen.
Marias Eltern hatten Maria schon am Vorabend gebracht, damit sie am Morgen früh starten konnten. Vor den Mädchen lagen vier Stunden Zugfahrt und da war es besser, nicht in die Mittagshitze zu geraten. Außerdem wollten sie ja auch am ersten Tag so viel wie möglich von ihrem Ferienort sehen. Gleich nach dem Frühstück ging es los. In Nikitas Bauch fing es an zu kribbeln. Sie war als kleines Kind oft bei den Großeltern auf der Insel gewesen.
Es hatte immer viel Spaß gemacht dort herum zu streunen oder in dem See, auf dem die Insel lag, zu baden. Im Feriendorf war sie seltener gewesen. Meistens nur an den An- und Abreisetagen oder wenn sie essen gegangen waren.
Die Kinder durften nie alleine mit dem Ruderboot hinauspaddeln aber es gab auch so genug für sie auf der Insel zu erleben. Später dann, als Andrea verheiratet war, fuhren die Eltern mehr alleine in den Urlaub oder die Großeltern kamen zu ihnen zu Besuch. So ergab es sich, dass Nikita schon Jahre nicht mehr auf der Insel gewesen war und sie war gespannt, ob sich viel verändert hatte.
>>Warum nennst du eigentlich deine Großeltern beim Vornamen und nicht Oma und Opa?<<
>> Hm, sie wollten das nie. Auch bei ihren Kindern nicht. Mama nennt sie auch Hanna und Paul und Papa ja eh. So war das schon immer. Mama wollte ja auch erst, dass wir Marianne und Jörg zu ihr und Papa sagen, aber er war dagegen. Bei Hanna und Paul konnte er es nicht durchsetzen, weil sie sich sonst so alt vorkämen, haben sie gesagt.<<
Maria zog die Augenbrauen hoch. >>Ich finde es cool. Ist doch viel familiärer als anders. Na ja…<< Sie zuckte mit den Schultern.
Auf dem Bahnhof herrschte viel Betrieb. Die Pendler fuhren jetzt zur Arbeit und so mussten Nikita und Maria sich beeilen, um einen Platz im Zug zu ergattern. Nach und nach leerte sich dieser allerdings und auf halber Strecke waren die Mädchen fast alleine im Abteil. Nur nebenan saß ein junges Paar mit einem kleinen Mädchen. Dieses linste immer über den Sitz und spielte mit Maria ’Kuckuck’, während ihr Brötchen in Nikitas Haare krümelte. Maria lachte.
>>Du hast Semmelschuppen!<<
Als Nikita endlich verstand, was gemeint war, musste auch sie lachen und schüttelte die Krümel ab. Das fand das kleine Mädchen toll und wollte sich auch schütteln. Dabei wäre es beinahe vom Sitz gefallen, worauf die Mutter sie genervt zwang sich wieder hinzusetzen.
>>Jetzt ist Schluss Natalie! Setz dich hin und iss dein Brötchen, sonst gibt es nachher keine Schokolade von Oma und Opa!<<
Maria und Nikita grinsten sich an.
>>Noch jemand auf dem Weg zu den Großeltern…<< meinte Nikita.
Als die Mädchen aus dem Zug stiegen herrschte auf dem kleinen Bahnhof ferienfriedliches Gewusel. Die Sonne schien, Koffer wurden umher getragen, Kinder quiekten, und hier und da umarmten sich Familien. Ganz am Ende des Bahnsteigs stand Paul und unterhielt sich mit einem Mann, der aus einem kleinen Fenster heraus den Schaffner beobachtete.
Paul war immer noch genauso groß und kräftig wie Nikita ihn in Erinnerung hatte. Sein Vollbart war über die Jahre grau geworden, das verschmitzte Glitzern in den wasserblauen Augen hatte er aber immer noch nicht verloren. Als Paul die Mädchen aus der Menge auftauchen sah, verabschiedete er sich und kam hastig herbei, um ihnen die Taschen abzunehmen.
>>Hallo Paul!<< rief Nikita ihm entgegen.
>>Hallo Herr…<< Maria stockte und sah Nikita fragend an.
>>Wie heißt dein Opa mit Nachnamen?<<
Gerade als Nikita antworten wollte, war Paul bei ihnen angelangt.
>>Na Paul heiß ich.<< mischte er sich ein.
>>Das reicht schon. Mensch Maria, bist ja 'ne richtige junge Frau geworden. Schön, dich mal wieder zu sehen. Na, hast doch immer Paul gesacht. Woll'n wir mal bei bleiben!<< Er strahlte die Mädchen an und breitete die kräftigen Arme aus. >>Willkommen hier bei uns!<< rief er. Dann blieb er stehen und musterte Nikita. >>Mensch Deern, wenn ich dreißig Jahre jünger wär’… Du siehst aus wie deine Oma früher.<< murmelte er dann, während er Nikita die Tasche abnahm und ihr einen Kuss auf die Wange drückte. Das kitzelte wegen dem Bart und Nikita musste sich die Nase reiben.
>>Es wird euch sicher hier gefallen. Das Wetter soll schön bleiben die Woche, da gibt es viel zu sehen. Hanna war schon am Kochen, als ich losfuhr. Müssen nur noch ein paar Besorgungen machen, dann können wir wieder rüber paddeln.<<
>>Oh fantastisch!<< rief Maria aus. >>Ich glaub, ich hab immer noch nicht ganz begriffen, dass wir endlich hier sind!<<
Auch in Nikita stieg jetzt die Ferienlust hoch.
>>Was wollen wir heute alles machen?<< fragte sie nun.
>>Alles ansehen was geht, bevor es dunkel wird. Und dann mal schauen…<< rief Maria begierig und fing an zu tänzeln.
Nikita lachte und zog ihre zappelnde Freundin weiter.
Das Feriendorf machte trotz der vielen Urlauber einen gemütlichen Eindruck. Paul packte die Koffer ins Ruderboot und bat einen in der Nähe sitzenden Angler, ein Auge darauf zu haben.
>>Ist das nicht etwas leichtsinnig?<< raunte Maria.
In diesem Moment winkte der Angler Nikita zu und sie erkannte einen alten Bekannten. Es war Herr Jansson, der Vater von einem Jungen, mit dem sie und Christoph immer gespielt hatten, als sie noch klein waren. Nikita dachte einen Moment nach, dann fiel ihr der Name des Jungen wieder ein, Benno. Seine Eltern besaßen ein kleines Restaurant mit Blick auf den See. Als Nikita und Ihre Familie noch regelmäßig die Ferien hier verbracht hatten, waren sie oft dort hin gegangen. Janssons wohnten genau über der Gaststätte. Benno und Christoph hatten sich damals mit ihren Taschenlampen über den See hinweg verständigt. Die beiden waren ungefähr gleich alt, wenn Nikita sich recht erinnerte. Was Benno jetzt wohl machte? Er war bestimmt in die Stadt gezogen und machte da eine Ausbildung.
Sie nahm sich vor Paul mal danach zu fragen.
Zu Maria sagte sie nur lässig.
>>Ach, Paul kennt hier so viele Leute. Da kann nichts passieren.<<
Die Mädchen schlenderten Eis leckend hinter Paul her, der hier und da in den Geschäften verschwand und immer ein kleines Paket mitbrachte, wenn er wieder heraus kam. Das Eis hatte Paul spendiert.
>>Zu Feier des Tages. Aber ihr dürft nichts der Hanna verraten. Sie hat doch groß gekocht und da sollt ihr Hunger mitbringen.<<
>>Versprochen Paul. So gesehen haben wir jetzt erst richtig Appetit.<< beteuerte Maria.
Nach etwa einer halben Stunde hatten sie alles, was sie brauchten und kehrten zum Boot zurück. Paul lud die Pakete hinein und nahm eine Holzkiste heraus. In ihr lagen fein säuberlich sortiert verschiedene Fläschchen und ein paar Schnitzereien.
>>Ich bring das jetzt noch eben weg und dann können wir los.<<
>>Ist gut. Bis gleich dann.<<
Die Mädchen zogen die Schuhe aus und baumelten mit ihren Füßen im Wasser.
>>Was war das in der Kiste?<< fragte Maria.
>>In den Fläschchen sind verschiedene Kräutertropfen, die Hanna in der Apotheke verkauft. Und die geschnitzten Sachen macht Paul für den kleinen Andenkenladen. Damit verdienen die beiden das Geld, das sie zum leben brauchen.<< erklärte Nikita.
>>Das wird ja immer besser. Meinst du, Hanna nimmt uns mal zum Kräuter sammeln mit?<<
Nikita nickte heftig. >>Ui. Bestimmt, aber sie geht immer furchtbar früh aus dem Haus.<<
Maria zog die Augenbrauen hoch. >>Wie furchtbar meinst du?<<
Nikita lachte. >>Kurz bevor die Sonne aufgeht.
Es sind nur die Kräuter gut, die in der letzten Nacht gewachsen sind, sagt sie immer.<<
Maria sah auf. >>So? Dann wachsen die Kräuter auf der Insel aber schnell.<<
Nikita sah sie verblüfft an. >>Hm.<< Darüber hatte sie noch nie nachgedacht. >>Scheint so.<< antwortete sie dann. In diesem Moment tauchte Paul wieder auf.
>>Nu kann’s losgehen ihr beiden!<< rief er über den Bootssteg und winkte zu ihnen herüber.
Die Überfahrt ging schnell. Das Boot glitt gleichmäßig über das ruhige Wasser. Die kleine Insel lag direkt vor ihnen. Gemütlich sah sie aus. Über und über bedeckt mit Wald, Sträuchern und wilden Blumen. Nikita konnte schon den Kiesstrand und den in der Nähe gelegenen Bootssteg sehen. Irgendwo zwischen den Bäumen glitt eine feine Rauchfahne hervor. Darunter lag noch verdeckt vom vielen Grün das Haus von Nikitas Großeltern. Die Sonne schien warm auf sie herab und Nikita wäre am liebsten über Bord gesprungen um sich etwas abzukühlen. Doch hier war das Wasser tief und noch sehr kalt, richtig schwarz und ein wenig unheimlich sah es aus. Außerdem wollte Nikita nun auch schnell auf die Insel. Sie freute sich auf Hanna und war sehr gespannt, ob sich viel verändert hatte.
>> Da sind sie. Schau mal, wie groß sie geworden ist.<< >>Na ja. Es ist lange her, Manorah.<< >>Wollen wir ein Stück mit ihnen gehen? Ich möchte ihnen ein Wenig zuhören.<< >>Na gut. Aber nicht zu nah ran. Du weißt, was Hanna gesagt hat. Sie weiß noch nicht, wie weit sie ist.<< >>Ja Papa, ich passe auf. Ich bin nur so neugierig.<<
Am Bootssteg angekommen, lud Paul gleich die Koffer auf einen kleinen Handwagen, türmte die Pakete, die er mitgebracht hatte, oben drauf und sagte:
>>Lasst euch ruhig noch was Zeit ihr zwei. Wie ich Hanna kenne, muss noch irgendetwas fertig schmurgeln. Ich geh voran und ihr könnt euch ja schon mal umsehen. Du weißt ja, wo’s lang geht Nik?<<
Nikita musste lächeln und nickte Paul zu. Dieser ging pfeifend los, während Maria Nikita fragend ansah.
>>Nik?<<
Nikita nickte. >>Ja. So haben die beiden mich früher immer genannt. Hatte ich schon fast vergessen.<<
>>Das find ich gut. Darf ich dich auch so nennen?<< Maria sah Nikita auffordernd an.
>>Klar.<< antwortete diese.
>>Gut Nik, dann zeig mir mal, was es hier so alles gibt.<< forderte Maria und stapfte los.
Nikita folgte ihr kopfschüttelnd.
Während sie über den weichen Waldboden liefen, erzählte Nikita Maria von den Abenteuern, die sie als Kinder hier erlebt hatten. Dabei zeigte sie ihr mal rechts mal links alles, an das sie sich noch erinnern konnte. Die Lichtung, auf der man am besten picknicken konnte, den schmalen Pfad zur anderen Seite der Insel, der stellenweise so zugewuchert war, dass sie als Kinder immer Dschungel gespielt hatten.
Auch das kleine Tannenwäldchen und die Wiese mit der großen Eiche, auf der Hanna immer ihre Kräuter sammelte. Maria hörte wie immer aufmerksam zu, hob mal hier ein Stöckchen auf und pflückte mal dort eine Blume. Doch irgendetwas schien anders zu sein, als früher.
Nikita konnte nicht genau sagen, wie anders.
Sie kam sich beobachtet vor, empfand das Rascheln der Blätter wie eine fremde Sprache, die extra geflüstert wurde, um sie nicht zu erschrecken. Sogar das Licht in den Bäumen kam ihr anders vor. Nicht direkt unheimlich, aber heimlicher als früher. Als wäre eine Tür zugefallen und dahinter waren Stimmen zu hören und Nikita konnte die Worte nicht verstehen. Früher, so hatte sie den Eindruck, war der Wald und alles Grüne klarer gewesen. Nun schien es irgendwie verschwommen. Ganz so, als wäre da noch mehr, aber sie konnte nicht hinter die Kulissen sehen. Als sie Maria von diesen Beobachtungen erzählte, zuckte diese nur mit den Schultern.
>>Ich finde Wälder immer unheimlich. Vor allem, weil es immer still wird, wenn man sie betritt. Und dass du dich beobachtet fühlst ist die Pubertät. Meine Mutter sagt, da fühlt man sich immer beobachtet, weil man ein schlechtes Gewissen hat.<<
Nikita fing an zu überlegen, warum sie ein schlechtes Gewissen haben könnte, aber Maria schob sie weiter.
Hanna stand schon in der Tür des kleinen Hauses, als sie den schmalen Weg zum Haus hoch kamen. Sie hatte sich eben so wenig verändert, wie Paul. Ihre langen dunkelgrauen Haare waren ordentlich zu einem dicken Zopf geflochten und ihre grünen Augen leuchteten wie eh und je. In der Hand hielt sie ein Geschirrtuch, da sie stets irgendetwas in der Küche zu tun hatte.
>>Ich dachte schon, ihr hättet euch doch verlaufen.<< rief sie ihnen zu.
>>Paul sagte, er hätte euch allein gelassen.
Und das am ersten Tag, so einer!<<
>>Ach Hanna, so groß ist die Insel nun auch nicht.<< protestierte Nikita, während Hanna sie kräftig drückte und ihr einen dicken Kuss auf die Wange gab.
>>Schön, dich mal wieder hier zu haben, Deern! Hallo Maria, gut siehst du aus!<< Auch Maria blieb die kräftige Umarmung nicht erspart. >>Paul deckt schon den Tisch hinten im Garten. Wollt ihr mir noch beim Salat helfen, dann können wir gleich anfangen?<<
>>Ui!<< Maria wäre beinahe ohnmächtig geworden, beim Anblick des Tisches. Hanna hatte nicht gegeizt, er war brechend voll. Neben einem großen Teller mit selbst gebackenem Brot gab es verschiedene Saucen. Eine zum Braten, eine zum Salat und eine mit Kräutern zum Brot und den Kartoffeln. Die Kartoffeln waren honiggelb und dampften in der Schüssel. Wer keine Kartoffeln mochte, konnte auch Reis, Nudeln oder Klöße bekommen. Hanna hatte von allem eine kleine Schüssel dazu gestellt. In der Mitte stand auf einer großen Platte ein herrlich duftender Braten und um ihn herum das geschmorte Gemüse, mit dem er angebraten worden war. Auf einem kleinen Extratisch standen die verschiedensten Säfte, Mineralwasser und selbstgemachte Limonade.
Im Schatten auf dem Boden etwas Bier für Paul und zu guter Letzt etwas Rotwein für Hanna.
>>Um Himmels Willen Hanna, wie viele Leute kommen denn noch?<< rief Nikita aus.