Feuer gefangen - Laura Martens - E-Book

Feuer gefangen E-Book

Laura Martens

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Beschreibung

Dr. Baumann ist ein echter Menschenfreund, rund um die Uhr im Einsatz, immer mit einem offenen Ohr für die Nöte und Sorgen seiner Patienten, ein Arzt und Lebensretter aus Berufung, wie ihn sich jeder an Leib und Seele Erkrankte wünscht. Seine Praxis befindet sich in Deutschlands beliebtestem Reiseland, in Bayern, wo die Herzen der Menschen für die Heimat schlagen. Der ideale Schauplatz für eine besondere, heimatliches Lokalkolorit vermittelnde Arztromanserie, die ebenso plastisch wie einfühlsam von der beliebten Schriftstellerin Laura Martens erzählt wird. »So, jetzt stelle ich noch den Braten in die Backröhre und danach habe ich etwas Zeit, um mit dir im Garten zu spielen«, sagte Katharina Wittenberg zu Franzl, der mit einem Ball in der Schnauze neben dem Küchentisch saß und demonstrativ zu ihr aufblickte. Sie griff nach der Kasserolle, in der das Fleisch lag. »Wenn du brav bist, bekommst du auch ein Stückchen ab.« Franzl wedelte freudig mit der Rute. Die Haushälterin lachte. »Immer mit der Ruhe. Der Braten ist noch längst nicht fertig.« Sie schob die Kasserolle in den Herd und stellte die Temperatur ein. »So, das hätten wir.« Katharina trocknete sich die Hände ab. »Dein Glück, daß es heute mal nicht regnet. Also, worauf wartest du noch?« Franzl rannte in die Diele, ließ den Ball sofort fallen und kläffte dann herausfordernd die Haustür an. Katharina zog sich rasch ihren Mantel über, bevor sie die Tür öffnete. So schnell, wie es ihr Alter zuließ, bückte sie sich und griff nach dem Ball. Franzl umtänzelte sie aufgeregt. Sie mußte aufpassen, nicht über ihn zu stolpern, als sie gemeinsam das Haus verließen. Die Haushälterin tat, als würde sie den Ball nach rechts werfen, drehte sich und warf ihn in die entgegengesetzte Richtung. Franzl, der sich bereits nach rechts gewandt hatte, stoppte so abrupt, daß seine Vorderpfoten Bremsspuren im Gras hinterließen, und rannte nach links.

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Seitenzahl: 117

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Der Arzt vom Tegernsee – 37 –Feuer gefangen

Laura Martens

»So, jetzt stelle ich noch den Braten in die Backröhre und danach habe ich etwas Zeit, um mit dir im Garten zu spielen«, sagte Katharina Wittenberg zu Franzl, der mit einem Ball in der Schnauze neben dem Küchentisch saß und demonstrativ zu ihr aufblickte. Sie griff nach der Kasserolle, in der das Fleisch lag. »Wenn du brav bist, bekommst du auch ein Stückchen ab.«

Franzl wedelte freudig mit der Rute.

Die Haushälterin lachte. »Immer mit der Ruhe. Der Braten ist noch längst nicht fertig.« Sie schob die Kasserolle in den Herd und stellte die Temperatur ein. »So, das hätten wir.« Katharina trocknete sich die Hände ab. »Dein Glück, daß es heute mal nicht regnet. Also, worauf wartest du noch?«

Franzl rannte in die Diele, ließ den Ball sofort fallen und kläffte dann herausfordernd die Haustür an.

Katharina zog sich rasch ihren Mantel über, bevor sie die Tür öffnete. So schnell, wie es ihr Alter zuließ, bückte sie sich und griff nach dem Ball. Franzl umtänzelte sie aufgeregt. Sie mußte aufpassen, nicht über ihn zu stolpern, als sie gemeinsam das Haus verließen.

Die Haushälterin tat, als würde sie den Ball nach rechts werfen, drehte sich und warf ihn in die entgegengesetzte Richtung.

Franzl, der sich bereits nach rechts gewandt hatte, stoppte so abrupt, daß seine Vorderpfoten Bremsspuren im Gras hinterließen, und rannte nach links. Triumphierend brachte er den Ball zurück und legte ihn ihr zu Füßen.

»Du bist ein guter Hund.« Katharina Wittenberg bückte sich nach dem Ball, ohne Franzls gefährlich klingendes Knurren zu beachten. Sie wußte ja, daß es nur Schau war. Schwungvoll warf sie den Ball in Richtung Hecke.

Während Franzl noch seinem Ball nachjagte, hielt der Wagen von Monika Singer auf der anderen Straßenseite. Katharina Wittenberg kannte die Singers gut. Sie besaßen ein kleines Hotel in der Nähe des Doktorhauses. An diesem Vormittag wirkte Monikas Gesicht so fahl und verhärmt, als wüßte sie vor Sorgen nicht mehr ein noch aus.

Katharina ging auf sie zu. »Guten Morgen«, grüßte sie liebenswürdig. »Wir haben uns ja schon eine halbe Ewigkeit nicht mehr gesehen, Frau Singer.«

Monika erwiderte Katharinas Gruß, dann strich sie flüchtig über Franzls Rücken, der sich mit seinem Ball in der Schnauze zu Füßen der Haushälterin niedergelassen hatte. »Ich habe einen Termin bei Dr. Baumann«, sagte sie. »In letzter Zeit fühle ich mich nicht besonders wohl.« Sie hob die Schultern. »Liegt wahrscheinlich am Wetter. Ein Glück, daß es heute trocken ist.«

»Ja, das ist wahr.« Katharina schaute demonstrativ zum Himmel hinauf. »Hoffentlich habe ich das Wetter nicht herausgefordert. Vor einer Stunde habe ich hinten im Garten Wäsche aufgehängt.«

»Dann drücke ich Ihnen alle Daumen«, versprach Monika. Sie wechselte noch einem kurzen Gruß mit der Haushälterin und wandte sich der Praxis zu. Auch wenn sie Katharina Wittenberg mochte, ihr stand an diesem Vormittag nicht der Sinn nach einer belanglosen Unterhaltung.

Im Wartezimmer saß nur Florian Mergenthaler. Der Kreditsachbearbeiter schrieb eifrig auf einen kleinen Block, den er mit einer Zeitschrift gestützt in der linken Hand hielt. Als Monika Singer eintrat, blickte er kurz auf und nickte ihr zu.

Monika nahm sich eine Zeitschrift vom Tisch und schlug sie auf, schaffte es jedoch nicht, auch nur das geringste Interesse für die Artikel aufzubringen. Blicklos starrte sie aus dem Fenster.

Florian Mergenthaler hob erneut den Kopf. »Na, wie läuft die neue Heizung?« fragte er freundlich. Die Singers unterhielten ein Konto bei seiner Bank, und er war es gewesen, mit dem sie wegen eines erneuten Kredites verhandelt hatten.

»Danke, ganz ausgezeichnet.« Monika zwang sich zu einem Lächeln. »Ich hoffe, daß wir dieses Jahr nicht noch weiteres Geld in die Sanierung des Hotels stecken müssen.«

»Ja, das wünsche ich Ihnen auch«, antwortete Florian. Das Hotel war so überschuldet, daß er einen weiteren Kredit kaum noch genehmigen konnte. Deshalb hielt er es auch für besser, das Gespräch auf ein anderes Thema zu bringen. »Ich warte nicht gern«, gestand er. »Deshalb nutze ich jede freie Minute, um meinem Hobby nachzugehen.«

»Ihrem Hobby?« Monika sah ihn fragend an.

»Ich schreibe Gedichte«, bekannte er und fügte hinzu: »Natürlich kann man mich weder mit Schiller noch mit Goethe vergleichen.« Er lachte auf. »Aber es macht Spaß, und ein bißchen Erfolg habe ich auch schon gehabt. Im November wird mir der erste Preis in einem Dichterwettbewerb verliehen.« Daß es sich nur um einen Wettbewerb der Bäckervereinigung handelte, verschwieg er.

»Das freut mich«, antwortete Monika aufrichtig. Sie mochte Florian Mergenthaler, zumal er sich ihnen gegenüber bei der Kreditvergabe äußerst fair verhalten hatte.

Die Tür des Wartezimmers öffnete sich. Verena Müller trat ein. Monika fiel auf, wie strahlend die junge Frau wirkte, seit sie nicht mehr unter der Fuchtel ihrer Tante stand, die sie seit ihrer Kindheit wie eine Gefangene gehalten hatte.

»Herr Mergenthaler, bitte zu Dr. Baumann«, tönte die Stimme der Sprechstundenhilfe durch den Lautsprecher.

Florian ließ seinen Block und den Kugelschreiber in der Aktenmappe verschwinden und stand auf. »Hat mich gefreut«, sagte er, nickte den beiden Frauen zu und ging hinaus.

Monika versuchte erneut, in der Illustrierten zu lesen, aber die Buchstaben verschwammen regelrecht vor ihren Augen. Die Begegnung mit Florian Mergenthaler erschien ihr wie ein Omen. Werner und sie mußten es schaffen, das Hotel aus den roten Zahlen herauszubringen, sonst würde es eines Tages der Bank gehören. Sie konnte nur hoffen, daß es in diesem Jahr beizeiten Schnee geben würde, aber wie es im Moment aussah, war nicht daran zu denken.

Doch ohne Schnee würde bis auf die Weihnachtszeit die Hälfte der Zimmer leerstehen.

Sie hörte, wie Florian Mergenthaler zusammen mit Dr. Baumann zur Anmeldung ging. Wenig später wurde sie aufgerufen. Achtlos legte sie die Zeitschrift auf den Tisch zurück. Sie war so niedergeschlagen, daß sie ohne einen Gruß das Wartezimmer verließ.

Dr. Baumann kam ihr entgegen. »Na, wie geht es Ihnen heute, Frau Singer?« erkundigte er sich, nachdem er ihr Platz angeboten hatte. Monika hatte ihn vor zehn Tagen aufgesucht, weil sie unter Schwindelanfällen und unbestimmten Schmerzen in der Herzgegend litt, außerdem Probleme mit dem Magen hatte und manchmal vor Kopfschmerzen nicht mehr die Hand vor Augen sehen konnte. Er hatte sie eingehend untersucht, und sie auch noch zu einem Internisten geschickt.

»Nicht besonders gut«, erwiderte sie. »In der vergangenen Nacht hatte ich Schüttelfrost und so starke Kopfschmerzen, daß ich allen Ernstes daran gedacht habe, mich aus dem Fenster zu stürzen.« Sie strich sich nervös die blonden Haare zurück. »Und dieses entsetzliche Herzklopfen…« Verlegen blickte sie auf ihre Hände. »Sie wissen, daß ich an und für sich nicht zu den Leuten gehöre, die jammernd durch die Gegend laufen, nur manchmal habe ich wirklich das Gefühl, am Ende zu sein.«

»Und dafür muß man sich nicht schämen«, sagte Eric mitfühlend. »In einer Sache kann ich Sie jedenfalls beruhigen, Frau Singer, Ihre Beschwerden haben keine organischen Ursachen. Die Krankheit, unter der Sie leiden, nennen wir vegetative Dystonie. Es handelt sich sozusagen um eine Störung zwischen dem sympathischen und dem parasympathischen Anteil des vegetativen Nervensystems.«

Monika sah ihn entsetzt an. »Mit anderen Worten, ich bin nervenkrank!« stieß sie heiser hervor.

»Nein, bei der vegetativen Dystonie handelt es sich um keine Nervenkrankheit, wenn auch

nervliche Belastungen eine gewisse Rolle spielen.« Eric stand auf und trat zu seiner Patientin. Er lehnte sich gegen den Schreibtisch. »Ich bin überzeugt, daß Sie momentan eine Menge Sorgen haben, und das wirkt sich natürlich auf Ihre Psyche aus.«

Monika starrte auf ihre Hände. »Seit mein Mann und ich vor fünf Jahren von seiner verstorbenen Tante die Seerose übernommen haben, reißen die Sorgen überhaupt nicht mehr ab«, bekannte sie. »Das Haus ist bis unters Dach verschuldet. Vor einigen Wochen haben wir einen weiteren Kredit aufnehmen müssen, um die Heiz- und Warmwasseranlage erneuern zu lassen. Wenn das Hotel ständig ausgebucht wäre, müßten wir uns keine Gedanken machen. Leider ist es nicht so. Wir haben zwar ein paar Stammgäste, die regelmäßig ein- bis zweimal im Jahr kommen, ansonsten sieht es außerhalb der Ferien nicht gut aus, obwohl wir alles tun, um unseren Gästen ihren Urlaub so schön wie möglich zu gestalten. Nur reicht das leider nicht aus, um mit moderneren Hotels konkurrieren zu können. Und wenn es in diesem Winter wieder so spät schneit…« Sie schüttelte den Kopf. »Ich kann mir nicht denken, wie wir dann noch die Seerose halten sollen.«

»Haben Sie jemals daran gedacht, das Hotel aufzugeben?« fragte der Arzt betroffen. Er hatte zwar geahnt, daß die Singers erhebliche Geldsorgen hatten, jedoch nicht, daß es so schlimm um sie stand.

»Ja, mein Mann und ich haben darüber gesprochen«, erwiderte Monika müde. »Ein Hotelkonzern hat uns ein sehr gutes Angebot gemacht. Natürlich sind wir nicht so blauäugig zu glauben, daß die Seerose übernommen werden soll, nein, man würde sie abreißen, um einen dieser modernen Hotelpaläste zu errichten, die auch bei uns am Tegernsee wie die Pilze aus dem Boden schießen.« Sie seufzte leise auf. »Die Versuchung lag nahe, das Angebot anzunehmen, dennoch haben wir uns dagegen entschieden. Immerhin gehört die Seerose seit zwei Generationen der Familie meines Mannes, und außerdem haben wir fünf Jahre unseres Lebens damit verbracht, das Haus zu erhalten. Es wäre alles umsonst gewesen. Nein, wir können nicht verkaufen.«

»Das kann ich sehr gut verstehen, Frau Singer.« Eric umfaßte spontan Monikas Schultern. »Ich bin überzeugt, daß Sie und Ihr Mann es mit ein bißchen Glück schaffen werden, die Seerose zu retten. Vielleicht sollten Sie versuchen, mit einem Reiseunternehmen zusammenzuarbeiten, wie es auch viele große Hotels tun.«

Monika spürte plötzlich etwas Hoffnung. »Eine gute Idee«, meinte sie. »Ich frage mich, weshalb wir selbst noch nicht darauf gekommen sind. Es wäre immerhin einen Versuch wert.«

Dr. Baumann setzte sich wieder an seinen Schreibtisch. »Ganz wichtig ist es im Moment, daß Sie zu Kräften kommen, Frau Singer, sonst sind Sie Ihrem Mann keine Hilfe«, sagte er. »Ich werde Ihnen ein pflanzliches Präparat verordnen, mit dem ich bei Ihrer Krankheit schon sehr gute Erfolge erzielt habe«, fuhr er fort. »Außerdem möchte ich Ihnen zu einer Akupunkturbehandlung raten.«

»Ich bin mit allem einverstanden, Hauptsache, ich werde so schnell wie möglich gesund«, antwortete Monika. »So geht es jedenfalls nicht weiter. Ich spüre, wie ich auf einen Zusammenbruch zusteuere. Ausgerechnet jetzt, wo mich mein Mann so dringend braucht.«

»Ganz wichtig ist, daß Sie sich trotz aller Arbeit und Sorgen auch Pausen gönnen.« Der Arzt sah sie eindringlich an. »Sie müssen zur Ruhe kommen, Frau Singer, sonst ist jede Behandlung von vornherein zum Scheitern verurteilt.« Er griff nach seinem Rezeptblock. »Deshalb werde ich Ihnen auch ein leichtes Beruhigungsmittel verschreiben. Sie sollten jeweils morgens und abends eine der Kapseln nehmen. Und keine Angst, dieses Mittel hat weder Nebenwirkungen, noch beeinflußt es Ihre Psyche.«

»Danke, Dr. Baumann.« Monika atmete tief durch. »Wenigstens halten Sie mich nicht für eine Hypochonderin.«

»Dazu besteht auch keinerlei Anlaß«, versicherte er und stand auf, um Monika nach draußen zu bringen.«

*

»Jetzt mußt du gleich abbiegen, Vanessa«, sagte Nora Schmitt zu ihrer Nichte und wies auf das Hinweisschild zum Hotel »Seerose«, das seitlich der Straße stand. Sie schaute aus dem Wagenfenster auf den Tegernsee, der sich wie ein übergroßer Teppich zwischen den Ufern ausbreitete. »Ich freue mich so sehr, daß du mich diesmal begleitest«, fuhr sie fort. »Wir werden endlich einmal genügend Zeit füreinander haben.«

»Ich bin überzeugt, daß es mir hier genausogut gefallen wird wie dir«, meinte Vanessa. Ihre Tante litt an schwerer Polyarthritis und verbrachte deshalb zweimal im Jahr einige Wochen am Tegernsee. Die täglichen Anwendungen im Gesundheitszentrum taten ihr wohl und sie fühlte sich danach stets wie neugeboren. In diesem Jahr hatte sich ihre Krankheit jedoch so verschlechtert, daß sie nicht allein reisen konnte, weil sie auf eine Gehhilfe und oft sogar auf den Rollstuhl angewiesen war.

Vor ihnen tauchte die Hoteleinfahrt auf. Vanessa fuhr hindurch und hielt kurz darauf vor einem großen, weißgekalkten Haus mit grünen Fensterläden und dunkelbraunen Holzbalkons, die wie ein schmales Band um jedes Stockwerk liefen. Schon auf den ersten Blick machte das Hotel einen anheimelnden Eindruck auf sie.

Werner Singer, ein vorzeitig ergrauter Mann Mitte Vierzig, trat aus dem Portal und ging auf ihren Wagen zu. Er half Vanessa, den Rollstuhl ihrer Tante aus dem Kofferraum zu nehmen. »Wie schön, daß Sie uns wieder die Ehre geben, Frau Schmitt«, meinte er herzlich, nachdem Nora im Rollstuhl Platz genommen hatte.

»Ich habe mich schon seit Wochen auf den Aufenthalt bei Ihnen gefreut«, erwiderte die Geschäftsfrau liebenswürdig und stellte ihm ihre Nichte vor.

»Wir werden alles tun, damit es auch Ihnen bei uns gefällt.« Werner Singer schüttelte Vanessas Hand, dann drehte er sich um und winkte dem Pagen, damit sich dieser um das Gepäck kümmern konnte. »Wenn Sie möchten, fahre ich Ihren Wagen auf den Parkplatz«, bot er an.

»Gern.« Vanessa reichte ihm den Wagenschlüssel.

Als sie die kleine Hotelhalle betraten, die nur für die Rezeption und drei Sitzgruppen Platz bot, wurde Vanessa fast von zwei etwa zehnjährigen Buben umgerannt, die rücksichtslos ins Freie drängten.

»Ihr solltet etwas aufpassen«, bemerkte Nora Schmitt.

Einer der Buben blieb stehen. »Warum passen Sie nicht auf?« konterte er, streckte ihr die Zunge heraus und folgte seinem Bruder.

»Gehört dieser Bursche auch zu Ihren Gästen?« fragte Vanessa empört den Portier.

»Leider«, bemerkte der ältere Mann leise. »Die Eltern sind den ganzen Tag unterwegs und kümmern sich überhaupt nicht um ihre Kinder.« Er hob die Schultern. »Herr Singer hat erst gestern wegen der Zwillinge mit ihnen gesprochen. Den Erfolg sehen Sie.«

»Zu meiner Zeit hätte man die Burschen genommen und ihnen kräftig den Allerwertesten versohlt«, meinte Nora Schmitt und bot ihm die Hand. »Nun, die Zeiten haben sich geändert.«

»Nicht immer zum Vorteil.« Der Portier ergriff ihre Hand und versicherte ihr, wie sehr sie sich alle freuten, sie wieder bei sich zu haben.

Mit dem Aufzug fuhren Sie in den ersten Stock. Der Page hatte bereits ihr Gepäck hinaufgebracht. Als Vanessa ihre Tante durch den Gang schob, der zu ihrem Zimmer führte, öffnete sich seitlich eine Tür, und ein junger, dunkelhaariger Mann trat nach draußen.