Feuer in meinem Herzen (Flammen der Leidenschaft 1) - Bella Andre - E-Book

Feuer in meinem Herzen (Flammen der Leidenschaft 1) E-Book

Bella Andre

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Beschreibung

Er ist ein Feuerwehrmann der Hotshots, der süchtig nach Risiko ist. Sie eine sinnliche Schönheit, auf die er nicht gefasst war … Maya Jackson schläft eigentlich nicht mit Fremden. Bis zu dem Abend, an dem die Trauer sie in die nächste Bar und in die Arme des explosivsten Liebhabers treibt, den sie je hatte. Sechs Monate später steht die ehrgeizige Brandermittlerin wieder vor ihm. Vor dem umwerfenden, attraktiven Logan Cain. Ihrem größten Fehler. Nun ihrem Hauptverdächtigen für eine Reihe von tödlichen Waldbränden. Als Leiter einer Elitetruppe der Feuerwehr in Tahoe beugt Logan sich keinem Feuer – und keiner Frau. Maya Jackson hatte ihn vielleicht mit ihren Tränen und ihrer Leidenschaft verführt, aber eher würde die Hölle einfrieren, als dass Logan wieder unachtsam werden würde. Doch als Mayas Leben in Gefahr ist, meldet sich Logans angeborener Heldeninstinkt und er schwört sich, die Frau zu beschützen, die ihn zu Fall bringen will. Und als die Begierde wieder auflodert, kann nichts und niemand – weder das mörderische Feuer noch der Killer, der ihnen auf der Spur ist – die Flammen löschen … [Dieses Buch ist eine überarbeitete Neuauflage des Titels "Gefährliche Begegnung".] "Eine emotionale und äußerst romantische Geschichte, die auf einer tieferen Ebene befriedigt." "Bella Andre weiß, wie heiß ihre Feuerwehrmänner sein müssen, damit es bei der Liebesgeschichte so richtig knistert! Eine wundervolle Lektüre." *** Flammen der Leidenschaft *** Feuer in meinem Herzen Gefährliche Liebe in den Rocky Mountains Ein brandheißer Sommer am See

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Feuer in meinem Herzen

Flammen der Leidenschaft 1

Bella Andre

Inhaltsverzeichnis

Bucheinband

Titelseite

Copyright

Über das Buch

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Auszug aus Gefährliche Liebe in den Rocky Mountains

Alle Bücher von Bella Andre in deutscher Sprache

Über die Autorin

Feuer in meinem Herzen

© 2021 Bella Andre

Flammen der Leidenschaft 1

Übersetzung Lisa Bettenstaedt – Language + Literary Translations, LLC

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Er ist ein Feuerwehrmann der Hotshots, der süchtig nach Risiko ist. Sie eine sinnliche Schönheit, auf die er nicht gefasst war …

Maya Jackson schläft eigentlich nicht mit Fremden. Bis zu dem Abend, an dem die Trauer sie in die nächste Bar und in die Arme des explosivsten Liebhabers treibt, den sie je hatte. Sechs Monate später steht die ehrgeizige Brandermittlerin wieder vor ihm. Vor dem umwerfenden, attraktiven Logan Cain. Ihrem größten Fehler. Nun ihrem Hauptverdächtigen für eine Reihe von tödlichen Waldbränden.

Als Leiter einer Elitetruppe der Feuerwehr in Tahoe beugt Logan sich keinem Feuer – und keiner Frau. Maya Jackson hatte ihn vielleicht mit ihren Tränen und ihrer Leidenschaft verführt, aber eher würde die Hölle einfrieren, als dass Logan wieder unachtsam werden würde. Doch als Mayas Leben in Gefahr ist, meldet sich Logans angeborener Heldeninstinkt und er schwört sich, die Frau zu beschützen, die ihn zu Fall bringen will. Und als die Begierde wieder auflodert, kann nichts und niemand – weder das mörderische Feuer noch der Killer, der ihnen auf der Spur ist – die Flammen löschen …

KAPITEL 1

MAYA JACKSON würde den Bastard finden, der ihren kleinen Bruder getötet hatte, und sie würde ihn dafür zahlen lassen.

Aber zuerst musste sie sich um die Einzelheiten kümmern. Diese blöden, verfluchten Einzelheiten.

Sie drehte den Schlüssel im Schloss von Tonys Cottage am Rande des Tahoe National Forests und ihre Kehle schnürte sich zu. Wie konnte er tot sein?

Einfach weg.

Seit Dienstag, den 15. November um 2:09 in der Nacht war Tony nichts weiter als Asche, die Überreste seiner Knochen, seiner Haut und seines Geistes, entschwunden inmitten der Trümmer eines Wohnhauses auf dem Lake Tahoe Boulevard. Vor drei Tagen hatte er sich durch die Flammen gekämpft, um ein paar bekiffte Ski-Freaks zu retten. Und er war als Held gestorben.

Mit 23.

Tonys Vermieter brauchte ein sauberes Haus, das er potentiellen neuen Mietern zeigen konnte. Er war sehr nett gewesen: Falls sie nicht innerhalb einer oder zwei Wochen vorbeikommen konnte, würde er gern alles Wertvolle in einer Abstellkammer hinter dem Haus verstauen. Maya hätte das Telefon am liebsten zum Fenster hinausgeworfen.

Alles Wertvolle war schon weg.

Maya stand auf der obersten Stufe der Schieferntreppe und zwang sich dazu, die Tür zum Cottage zu öffnen. Alles, was sie tun musste, war, Tonys T-Shirts und Jeans und Bücher und Rasiercreme zusammenzupacken – und dann nichts wie raus hier! Aber so leicht war das nicht. Denn das letzte Mal war sie am Geburtstag ihres Bruders in Tahoe gewesen. Vor zwei Monaten hatte er sich hoch oben in der Sierra Nevada herrlich amüsiert, Feuer bekämpft, heiße Mädels abgeschleppt und war die Pisten hinabgejagt, solange der Schnee noch frisch war.

Bilder von ihrem Bruder und ihrem Vater schwirrten ihr durch den Kopf, während sie sich am Türknauf festhielt, als wäre er eine Rettungsleine. Auch Judd Jackson war Feuerwehrmann gewesen. Ein Hotshot, einer von der Elitetruppe, der die Feuer löschte, vor denen alle anderen wegliefen.

Als Kind hatte sie die Zeit in der Anwesenheit ihres Vaters gemessen. Sechs Monate lang war er jeden Tag da gewesen. Er hatte Frühstück gemacht. Hatte sie zur Schule gebracht. Hatte mit ihr und Tony im Garten so lange Fußball gespielt, bis sie zum Essen gerufen wurden. Sie hatte es geliebt, beim Klang seiner rauen Stimme einzuschlafen, wenn er ihr aus Märchenbüchern vorlas und sie dann zuklappte, um eigene Geschichten zu erfinden, die noch besser waren. Die anderen sechs Monate des Jahres war er weg gewesen. Um die schlimmsten Brände zu bekämpfen, die es je gegeben hatte. Der verheerende Waldbrand in Ojai, Kalifornien 1985. Die Flächenbrände in Oregon 1987. Judd Jackson war immer wieder Nationalheld gewesen.

Maya kannte Kinder von Feuerwehrmännern, deren Väter eines Tages mit Kettensäge und einem Lächeln auf dem Gesicht aus dem Haus gegangen und nie mehr zurückgekehrt waren. Sie hatte es gelernt, jeden nächtlichen Anruf und unerwarteten Besuch an der Haustür zu fürchten. Ihr Dad war Gott sei Dank immer zurückgekehrt. Aber er wurde den schweren Husten nicht los. Und dann, vor einem Jahr, wurde bei ihm ein aggressiver Lungenkrebs diagnostiziert. All die Jahre, in denen er Asche und schwarzen Rauch aufgesogen hatte, hatten ihre Spuren hinterlassen.

Sie hatte immer noch am Tod ihres Vaters zu knabbern, als Tonys Feuerwehrhauptmann anrief. Ein Jackson weniger auf der Welt.

Wenn Tony und sie eine feindselige Bruder-Schwester-Beziehung gehabt hätten, wie viele ihrer Freunde, wäre es vielleicht nicht so schmerzhaft gewesen, dachte sie. Aber er war nie die Art von kleinem Bruder gewesen, der sie an den Zöpfen zog und ihre Sachen in Unordnung brachte, und obwohl sie vier Jahre älter war als er, behandelte sie ihn nicht wie ein Baby. Sie waren nicht nur Geschwister, sondern auch Freunde gewesen.

Ihre Mutter Martha saß immer auf Kohlen, wenn ihr Vater fort war, um gegen die Flammen zu kämpfen. Und da die Organisation und die Planung von Einzelheiten noch nicht einmal unter normalen Umständen eine Stärke ihrer Mutter gewesen war, war Maya dafür zuständig gewesen, dafür zu sorgen, dass Tony sich bei seinen Mannschaften anmeldete und seine Schulprojekte rechtzeitig erledigte. Es war schön, wenn man gebraucht wurde, deshalb hatte es ihr nichts ausgemacht, sich um ihren Bruder zu kümmern. Und dann, als ihr Vater starb, stellte sich alles auf den Kopf und Tony hatte sich um sie gekümmert.

Jetzt war er auch nicht mehr da. Sie hatte noch nicht geweint. Wie konnte sie, wenn sich ihre Brust wie ein Eisblock anfühlte?

Ihre Freundinnen versuchten alle, das Richtige zu sagen, aber keine von ihnen konnte sie wirklich verstehen. Ihr Freund Dick, ein Feuerwehrmann in San Francisco, war total überfordert. Er hatte fast erleichtert gewirkt, als sie ihm gesagt hatte, dass sie besser eine Pause machen sollten. Und Martha war ein absolutes Wrack im ständigen Wechsel zwischen Weinen und Schlafen.

Es gab niemand sonst der sich um Tonys Sachen kümmern konnte. Nur Maya.

Sie hatte eine Liste erstellt – wusste, was sie tun musste: Tonys Sachen für die Kleiderspende packen, wichtige Briefe und Bilder sammeln, seine Bankkonten schließen, seinen Briefkasten leeren und allen, die Tony geliebt hatten – und allen, die er geliebt hatte – sagen, dass Tony von ihnen gegangen war. Aber sie konnte sich nicht rühren. Sie konnte sich nicht dazu überwinden, auch nur einen Schritt in Tonys Haus zu setzen.

Die Verzweiflung nagte an ihr. Alles, was sie wollte, war, die Augen schließen und eine Sekunde lang alles vergessen. Irgendwie musste sie den Schmerz abschütteln, der sie entzwei riss, und alles vergessen. Nicht nur, dass ihre Mutter und sie nun die einzigen Hinterbliebenen waren. Maya musste auch ihren Namen vergessen – vergessen, wer sie war.

Sie trank nicht viel, das hatte sie noch nie, und nie zuvor hatte sie Erlösung im Alkohol gesucht. Aber jetzt, da Tony tot war, hatte sich alles verändert.

Sie hatte sich verändert.

Sie schloss die Tür, ohne überhaupt einen Fuß in das Cottage gesetzt zu haben, ging an ihrem Auto vorbei aus der Ausfahrt heraus und schlug mit gleichmäßigem Schritt die von Kiefern gesäumte Straße in Richtung Stadt ein. Tonys Haus stand ganz oben auf einem steilen Hügel und Mayas Gang verwandelte sich rasch in einen Sprint. Sie sog die frische Bergluft in ihre Lungen und rannte viel schneller als es ihre Kondition zuließ – jeder Schritt war der mühevolle Versuch, ihren Schmerz weiter hinter sich zu lassen. Ihre Jeans und ihr weißes Tanktop klebten an ihrer Haut, während sie versuchte, vor ihrer Trauer zu fliehen.

Die Türme des Casinos an der Grenze des Bundesstaats Nevada ragten rechts von ihr gen Himmel – mit genügend Alkohol, um darin zu ertrinken –, doch sie waren meilenweit entfernt und Maya konnte keine weite Strecke mehr zurücklegen. Und doch rannte sie weiter. Und betete.

Sie wusste, dass sie um eine Kirche bitten sollte, damit sie auf die Knie fallen und Trost finden konnte. Aber sie wollte nicht an einen Gott glauben, der einem kaum erwachsenen Jungen, der nur versuchte, etwas Gutes zu tun, das Leben nahm.

Bitte, lieber Gott, du hast mir Tony genommen. Du hast mir Daddy genommen. Du bist mir diese winzige Kleinigkeit schuldig. Mehr verlange ich nicht.

Wieder brach eine Welle der Wut über sie herein. Eigentlich verlange ich noch verdammt viel mehr. Ich muss Tonys Mörder finden. Und du musst mich zu ihm führen.

Ihre Fußsohlen brannten in ihren Sandalen, als sie scharf die Kurve nahm. Und dann sah sie es: das Tahoe Pines Bar & Grill.

Danke dir, lieber Gott, dachte sie. Und dann, als eine weitere Flut der Verbitterung sie erfasste: Aber ich bin noch weit davon entfernt, dir zu vergeben. Du bist mir immer noch etwas schuldig.

Sie sprintete in Richtung des Restaurants, rannte, um sich von ihren Dämonen zu befreien – auch wenn sie bereits wusste, dass das Schwitzen und Keuchen nichts besser machte und es Tony nicht ins Leben zurückbringen würde.

Ein kurzer Blick auf den Verkehr, dann überquerte sie die zweispurige Straße und kam vor dem Lokal zu einem abrupten Halt. Ein scharfer Schmerz durchbohrte ihren Magen, als sie sich über ihre Knie beugte, und der Schweiß tropfte von ihrer Stirn auf den Boden.

Schnaufend richtete sie sich auf und versuchte, die Eingangstür zu öffnen, doch sie gab nicht nach. Auf dem Schild an der Tür stand: „Komme um 17 Uhr zurück!“ Kein Wunder, dass der Parkplatz so gut wie leer war. Sie brauchte gar nicht auf ihre Uhr zu schauen, um zu wissen, dass es erst früher Nachmittag war.

Doch ein einsames Auto auf dem Parkplatz gab ihr die Hoffnung, dass dieser Ort nicht ganz verlassen war. Sie presste ihr Gesicht gegen die Milchglasscheibe des Restaurants und erspähte eine Bewegung.

Bingo!

Sie schlug gegen die Tür. Sie würde das Doppelte, das Dreifache für ihre Drinks zahlen.

Sie beobachtete sich wie aus der Ferne – wusste, dass sie sich wie eine Verrückte benahm, aber das war ihr egal. Sie konnte jetzt nicht aufhören. Nicht, wenn sie so kurz davor stand, selig betäubt zu sein.

Ein Typ mit Basecap öffnete die Tür. „Kann ich dir helfen?“

„Einen Drink“, sagte sie, überrascht darüber, wie sehr ihre Stimme krächzte. „Ich brauche einen Drink.“

Seine große, muskulöse Gestalt nahm fast den ganzen Türrahmen ein, als er sie musterte. Maya wurde schlagartig bewusst, dass ihr feuchtes Tanktop an ihrer Haut klebte und sie sich am Morgen nicht darum geschert hatte, einen BH darunterzuziehen. Alles, wozu sie in der Lage gewesen war, war aufzustehen und sich die Zähne zu putzen. Oh Mann, sie konnte sich nicht entsinnen, wann sie zum letzten Mal gegessen hatte.

Seit sie in die Pubertät gekommen war, hatten die Männer ihr gesagt, dass sie hübsch war. Dass sie tolle Haare hatte. Tolle Haut. Tolle Augen. Einen umwerfenden Körper. Und es hatte definitiv Momente gegeben, in denen sie sich nicht zu schade dafür war, ihre Reize zu benutzen, um das zu bekommen, was sie wollte. Aber inzwischen war nichts mehr normal, nichts war, wie es sein sollte, und sie konnte es nicht über sich bringen, ihre Waffen bei einem Wildfremden einzusetzen.

„Lässt du mich jetzt rein oder nicht?“

Seine schroffen Mundwinkel hoben sich – ob zu einem Grinsen oder einer Grimasse wusste sie nicht und es war ihr auch egal.

Er trat zur Seite und sie drängte sich an ihm vorbei. „Whisky, pur.“

Gott sei Dank war er kein großer Redner – nicht wie einige Barkeeper, die zwischen Tür und Barhocker schon fünf hochpersönliche Fragen an sie gerichtet hätten. Seine Hände waren flink – und sexy, wie sie mit Überraschung feststellte –, während er ihren Drink zubereitete.

Er stellte das Glas auf eine Serviette und noch bevor es den Tresen aus poliertem Fichtenholz berührte, riss sie es ihm aus den Fingern, legte den Kopf in den Nacken und trank den Drink, der ihr so in der Kehle brannte, dass sie schauderte.

Der erste würde ihren Durst löschen. Der zweite würde ihren verkrampften Magen entspannen. Und der Rest würde ihr helfen zu vergessen, wenn auch nur für ein paar Minuten.

Sie und der Alkohol hatten sich noch nie gut vertragen und sie wusste, dass sie morgen den Preis dafür zahlen würde. Aber alles, worauf es ankam, war, die nächsten Minuten zu überstehen.

Sie stellte ihr leeres Glas auf den Tresen und ein neues erschien. „Danke“, flüsterte sie, während sie danach griff.

Der Barkeeper starrte sie an, sodass sie sich unwohl fühlte, auch wenn sie dazu eigentlich keinen Grund haben sollte. Sie schloss die Augen während sie schluckte. Seit sie vor drei Tagen ans Telefon gegangen war, fühlte sich Maya innerlich tot. Gefühl, Geschmack, Geruch – alles vergeudet.

Bis jetzt.

Ihre Glieder fühlten sich durch den Whisky lockerer an und sie bemerkte, dass sie zum ersten Mal seit Tagen ihr Kinn bewegen konnte.

„Wohnst du hier in der Gegend?“

Sie schaute zum Barkeeper auf – in seine dunklen Augen. Irgendetwas an seinem Duft kam ihr bekannt vor, von der Sonne erhitzte Erde, trockenes Gras, gemischt mit sauberer Seife. Unter seinem Basecap schaute dunkelbraunes Haar hervor und ein stoppeliger Dreitagebart bedeckte die untere Hälfte seines Gesichts.

„Nein“, antwortete sie schließlich und das Wort fühlte sich merkwürdig auf ihrer Zunge an.

Wann hatte sie zum letzten Mal mit jemandem gesprochen? Gestern? Oder war es vorgestern gewesen?

Tonys Feuerwehrhauptmann hatte ihr angeboten, sich um die Beerdigung zu kümmern. Alles, was sie tun musste, war, Tonys Sachen aus seiner Hütte zu holen, und nicht einmal das bekam sie auf die Reihe.

„Was führt dich nach Tahoe?“

„Ich muss die Wohnung meines Bruders ausräumen.“

„Zieht er von hier weg?“

Sie schluckte schwer und starrte in ihr Glas. „Er ist schon fortgegangen.“

Der Barkeeper lehnte sich mit dem Rücken gegen die Edelstahlspüle hinter sich. „Das ist wirklich schade. Ich kann mir nicht vorstellen, Tahoe jemals zu verlassen.“

„Er hat diesen Ort geliebt“, sagte sie und ein Schluchzer stieg in ihrer Kehle auf.

Oh Gott, sie konnte doch hier nicht weinen – in dieser Bar, vor einem Wildfremden. Sofort nahm sie noch einen Schluck aus ihrem Glas, um zu verhindern, dass alles aus ihr herausbrach.

Sie streckte ihr Glas aus. „Noch einen, bitte.“

Seine Augen ruhten auf ihr und sie wollte die Fragen darin nicht auf sich nehmen, aber irgendwie gelang es ihr nicht, den Blick abzuwenden.

„Bist du dir da sicher?“, fragte er. „Vielleicht solltest du mal ein paar Minuten Pause machen. Erzähl mir mehr von dir.“

Sie blinzelte ihn an, während Zorn, Frustration und Kummer in ihrem Bauch herumwirbelten. Sie war nicht hergekommen, um eine Therapiestunde zu machen. Sie war hier, um sich die Kante zu geben.

Sie schwenkte das Glas vor ihm hin und her und ein paar Stücke Eis glitten über den Rand auf den Tresen.

Ihre Botschaft war laut und klar und als er achselzuckend ihr Glas auffüllte, rutschte sein dünnes T-Shirt über seine kräftigen Armmuskeln nach oben, sodass ihr das Wasser im Mund zusammenlief. Sie brauchte ihn nicht nackt zu sehen, um zu wissen, dass er einen Waschbrettbauch hatte.

Er sah hart und attraktiv aus.

Und dann fiel es ihr wie Schuppen von den Augen: Dieser Fremde war noch ein Zeichen. Zuerst die Bar, die am Ende der Straße aus dem Nichts aufgetaucht war, und nun ein gefallener Engel, der gesandt worden war, um ihr beim Vergessen zu helfen.

Bitte, lieber Gott, lass mich vergessen!

Er kam näher – so nah, dass sie ihre Hand ausstrecken und sein Gesicht berühren konnte. Der Impuls, ihn anzufassen, ihn zu küssen, kam so schnell über sie, dass sie nicht nachdachte – das konnte sie nicht, es hätte sie umgebracht. Sie schnellte von ihrem Barhocker auf und packte ihn am T-Shirt. Bevor sie sich darauf gefasst machen konnte, traf sein Mund auf ihren, sodass es ihr den Atem verschlug.

Sein Kuss, grob und sicher, verzehrte sie. Sie war noch nicht wieder zu Atem gekommen und konnte nur die Luft aus seiner Lunge stehlen. Noch nie war sie so geküsst worden, mit einer Heftigkeit, die sie vergessen ließ, wo sie war, wer sie war, dass sie nicht einmal seinen Namen kannte.

Seine Barthärchen rieben grob an ihrer Haut und sie genoss die Wucht ihres Kusses. Jetzt war alles rein körperlich und fühlte sich an, als wäre sie auf der Jagd. Maya ließ ihre Gefühle auf dem Barhocker. Sie gehörten zu jemandem, der sie nicht länger sein wollte.

Er schmeckte wie Zucker, aber er roch nach Rauch. Ihre Knie erreichten den Tresen und sie krabbelte an ihn heran, wobei sie mit der einen Hand sein Shirt, mit der anderen seinen Nacken als Hebel nahm. Seine großen Hände umfassten ihren Brustkorb und er hob sie über den Tresen, ohne dass der Kontakt zwischen ihren Zungen und ihren Lippen abbrach.

Wildheit und Leidenschaft vermischten sich, als sie sich gegen seine steinharte Brust presste und ihre Handflächen und Finger über seinen Oberkörper gleiten ließ. Seine Haut unter dem Saum seines T-Shirts war warm und seine gespannten Bauchmuskeln zuckten unter ihren Fingerspitzen.

Ohne Vorwarnung schloss er die einzige Lücke zwischen ihnen und drückte seine Hüften zwischen ihre Beine. Seine Erektion stieß gegen ihren Unterbauch und instinktiv rieb sie sich gegen sein dickes, langes Glied. Er trieb sie gegen die Wand und kalte Flaschen drückten gegen ihre Wirbelsäule.

Da brach der Schmerz schlagartig und stürmisch über sie herein.

Tony war tot. Und sie war mit einem Unbekannten in einer Bar. Was machte sie da? Sie musste sich zusammenreißen und wieder zu seiner Hütte zurückkehren, um Ordnung zu schaffen – und denjenigen finden, der das Feuer gelegt hatte, das ihm das Leben genommen hatte.

Ihr schnürte sich der Magen zu und ihre Haut fühlte sich kalt und klamm an, als die Wirklichkeit drohte, wieder hervorzubrechen. Aber dann ließ der Barkeeper seine Lippen und Zähne über ihr Kinn, ihren Nacken hinunter wandern, und Maya ließ sich von seiner Berührung wieder die Orientierung nehmen und sich von seinen Küssen in vorübergehender Sicherheit wiegen.

Sie warf den Kopf in den Nacken, erschauerte dankbar und verlor sich in diesem Unbekannten. Er bewegte seine Hände über ihre Brüste und seine Daumen rieben über ihre harten Nippel – einen Augenblick bevor sein Mund sie bedeckte: zuerst durch ihr Tank Top hindurch und dann – oh Gott – streifte seine Zunge ihre nackte Haut und sorgte für eine Erregung, wie sie sie noch nie verspürt hatte.

Ihre Zunge bewegte sich in seinem Mund auf der Suche nach mehr Reibung, mehr Hitze. Ihr Ellenbogen stieß gegen eine Flasche, die auf dem Boden zerbrach. Der Duft nach Bourbon durchdrang alles: ein passender Hintergrund für ihr leidenschaftliches, anonymes Liebesspiel.

Der Unbekannte gab kein Zeichen, das Scheppern der Flasche gehört zu haben und mit jedem rauen Kuss, den er auf ihre fiebernde Haut drückte, rückten die Realität und das zerbrochene Glas weiter in die Ferne. Er stand wieder auf, nahm von ihrem Mund Besitz und beraubte ihr Gehirn seiner Fähigkeit, die Richtung seiner Hände zu verfolgen und zu bemerken, dass er den Reißverschluss ihrer Hose geöffnet hatte. Seine Finger glitten in ihr feuchtes Schamhaar, in ihre Nässe.

Sie war von nichts geschockt, außer von der Macht ihres Verlangens, als sie ihre Hüften gegen seine Hände presste und still darum bettelte, dass er in sie eindrang. Sein Kuss war skrupellos, sein Mund wich nie von ihrem, seine Zunge bewegte sich im Takt mit seinen Fingern, die in ihren verzweifelten Körper hinein- und herausglitten.

Sie hatte noch nie so die Kontrolle verloren, hatte noch nie so sehr kommen wollen. Sie klammerte sich an seinen Rücken, an seine Hüften und wandte ihre gesamte Kraft auf, um ihn an sich und in sich hinein zu ziehen. Er gehorchte und seine bekleidete Erektion kam seinen Händen zwischen ihren Beinen zur Hilfe – pochte und presste immer stärker. Ein Orgasmus nahm sie in Besitz und brach Welle um Welle als intensive Lust über sie herein.

Maya war inmitten eines wunderschönen, gewaltigen Ozeans gefangen. Sie war am Ertrinken, schrie auf, flehte um Hilfe, aber sie war viel zu weit draußen.

Plötzliche Schluchzer erschütterten sie mit der gleichen Kraft wie ihr andauernder Orgasmus und sie war nicht in der Lage, weder das eine noch das andere zu kontrollieren. Das Einzige, was sie tun konnte, war, sich an dem Mann zwischen ihren Beinen festzuhalten.

* * *

Das Weinen ließ Logan Cain erstarren. Das alles hier war doch mit beidseitigem Einverständnis passiert, oder? Sie hatte ihn am T-Shirt gepackt, nicht andersherum. Und doch hätte er es besser wissen und nicht mit einer Frau rummachen sollen, die so unglücklich aussah.

Das Problem war, dass Logan seit fast sechs Monaten keine Frau mehr gehabt hatte. Und verdammt, diese hier sah auch noch so gut aus, als sie gegen den die Tür des Restaurants seines Freundes geklopft hatte. Sie hatte darum gebeten, auf einen Drink ins Lokal gelassen zu werden, aber er hätte sie ohnehin hereingelassen – angesichts ihrer langen, dunklen Haare, der Brüste, die von der kühlen Seebrise harte Nippel bekommen hatten, und eines Hinterns, der so rund und süß war, dass es einen Mann zum Heulen brachte.

Ein Feuer nach dem anderen hatte seinen Frühling, seinen Sommer und fast den ganzen Herbst aufgezehrt. Alle zwei Wochen hatte er zwei Tage frei bekommen, um wie ein Toter zu schlafen und Energie zu tanken. Und dann ging es wieder zurück in die Berge – um Bäume zu fällen, Gegenfeuer zu legen, Feuerschneisen anzulegen und 10 km mit gut 70 Kilo Wasser und Kettensägen auf dem Rücken zu wandern.

Feuerwehrmann für Waldbrände zu sein, war der beste Job der Welt – egal, ob er Tausende Hektar Primärwald beschützte oder Häuser am Waldrand rettete, wenn die Eigentümer bereits jegliche Hoffnung aufgegeben hatten, jemals wieder in ihr eigenes Heim zurückzukehren.

Logan vergaß keine Sekunde lang, was für ein Glück er hatte, ein Hotshot zu sein. Das Feuerlöschen hatte ihm das Leben gerettet, hatte ihm einen Weg geboten, um seine angeborene Wildheit – und seine Wut als Teenager – für einen guten Zweck zu kanalisieren. 15 Jahre später war ihm das Schlafen auf den Felsen unter einer schwarzen Rauchwolke noch immer so lieb wie das Ritz, aber fast sechs Monate Zölibat nervten. Ganz besonders, wenn es ein trockenes Jahr war und die Leute dumm waren, was Zigarettenstummel und das Rasenmähen anbelangte.

Oder, in manchen Fällen, wenn ein Brandstifter böse Absichten hatte.

Deshalb war er auch froh, dass diese Frau glaubte, dass er ein Barkeeper war – insbesondere, da sein Kumpel Eddie Myers, dem das Lokal gehörte, frühestens in einer Stunde wieder da sein würde. Ja, verdammt noch mal: Sie schien der perfekte Weg zu sein, um den Bann der Trockenheit in diesem Sommer zu brechen.

So, wie sie darum gebeten hatte, auf einen Drink hereingelassen zu werden, hätte er nicht so dumm sein sollen, ihre goldene Haut zu berühren, er hätte seinen Mund und seine Hände von dieser anziehenden Fremden lassen sollen. Aber sie hatte so süß geschmeckt. Und die Spannung zwischen ihnen hatte ihn sofort wie der Schlag getroffen. Seit Jahren hatte er keine Frau so begehrt.

So schnell wie die Frau mit dem Weinen begonnen hatte, hörte sie auch wieder auf. Ihre Arme legten sich kraftlos um seine Brust. Nachdem er sein ganzes Leben als Erwachsener damit verbracht hatte, verzweifelten Überlebenden von Bränden zu helfen, wusste Logan, wie man sich langsam und vorsichtig bewegte.

Ihre Pupillen waren riesig und eine Minute lang glaubte er nicht, dass sie ihn überhaupt sah. Plötzlich schärfte sich ihr Blick.

„Oh Gott.“

Die schwierige Frage musste er ihr zuerst stellen. „Wolltest du das?“

Sie blinzelte einmal, dann ein zweites Mal. „Nein“, sagte sie. „Oh Gott, nein!“

Scheiße! Sie würde ihn für etwas anzeigen, das er nicht getan hatte. Zumindest nicht er allein. Aber das würde keine Rolle spielen, wenn die Chefs vom Forest Service ihn bis zum Abschluss der Ermittlungen über die Angelegenheit aus seinem Team nehmen würden. Alles nur wegen ein paar heißer Küsse.

Sie schaute ihn nicht mehr an, während sie einen Satz nach hinten machte. Glasscherben klirrten unter ihren Schuhen.

„Es tut mir leid“, flüsterte sie, fast wie zu sich selbst.

Es tat ihr leid? Er hatte nicht mit einer Entschuldigung gerechnet, so viel war sicher.

Sie warf ihm erneut einen Blick zu. „Ich wollte nicht, dass das hier geschieht. Das wir beide fast…“

Ihre Stimme verebbte und er sah sie aufmerksam an. Sie war launisch und unvorhersehbar und er hatte keinerlei Lust mehr, ihr an die Wäsche zu gehen. Ihre Tränen hatten das Feuer voll und ganz gelöscht. Und doch sagten all seine Instinkte ihm, dass sie in Schwierigkeiten war. Er setzte sein Leben Jahr für Jahr aufs Spiel, um Menschen zu beschützen. Oh Mann, als er 17 gewesen war, hatte man ihm geholfen, als er es am nötigsten hatte. Er konnte Problemen jetzt nicht einfach den Rücken kehren, auch wenn es das Schlauste gewesen wäre.

„Brauchst du Hilfe?“

Sie wich noch weiter zurück und stieß mit der Schulter gegen die dunkel vertäfelte Wand. Sie schüttelte den Kopf.

„Es tut mir leid“, sagte sie noch einmal. „Ich hätte nicht herkommen sollen. Es war ein Fehler.“

Sie sah aus, als würde sie in sich zusammensacken, und er machte einen Schritt auf sie zu – bereit, sie aufzufangen, falls sie umfallen sollte. Die Sorge darüber, dass sie glaubte, er wäre ihr gegenüber übergriffig geworden, trat angesichts der Sorge um ihre Gesundheit und Sicherheit in den Hintergrund. Er musste sie zu einem Arzt bringen, um herauszufinden, ob mit ihrem Körper – oder ihrem Geist – etwas nicht stimmte. Vielleicht hatte sie Angst, es ihm zu sagen.

Aber bevor er seine Arme wieder um sie legen konnte, stürmte sie aus der Bar, die Treppen zum Essbereich hinunter und rannte im Nu zur Eingangstür hinaus. Eine halbe Minute später war sie hinter einer Gruppe dicker Baumstämme verschwunden.

KAPITEL 2

Sechs Monate später…

LOGAN SCHWANG seine Kettensäge beständig durch die trockenen Büsche und toten Baumstümpfe, während Sam McKenzie und dessen jüngerer Bruder Connor an seiner Seite arbeiteten, um ein paar hundert Meter vom Waldbrand entfernt eine Feuerschneise anzulegen. Die drei arbeiteten an der südlichen Grenze des Feuers, während andere Hotshots im Osten und im Süden arbeiteten.

Den ganzen Vormittag und einen Teil des Nachmittags verbrachten sie damit, einen über einen Meter breiten Pfad zu schlagen. Ohne Brennholz kein Feuer: Solange die Funken nicht über die Linie sprühen würden, würde der Waldbrand hier erlöschen. Es war nichts Ausgefallenes, nur die Bekämpfung eines Waldbrands, wie er im Buche stand. Sie arbeiteten im Wald verteilt still vor sich hin – ihre Kettensägen, Äxte und Handsägen ertönten im Takt zu einem einvernehmlich festgelegten Hard-Rock-Beat.

Desolation Wilderness war ein zerklüftetes Gelände, aber dieser Wald war für die Tahoe Pines Hotshot Crew wie ein Spielplatz im Hinterhof. Es war nicht nötig, Hilfe von den staatlichen Smokejumpern oder von den städtischen Einsatzkräften von Lake Tahoe anzufordern. Die Hotshots kamen locker allein zurecht.

In den letzten 15 Jahren hatte Logan Hunderte von Bränden gelöscht. Bei einigen Feuern machte man sich vor Schiss fast in die Hose. Andere spielten ein wenig mit einem, bevor sie zuließen, dass man die Oberhand gewann – wie eine Frau, die so tat, als wäre sie schwer zu haben. Und einige waren etwas für Anfänger. Die Regenfälle hatten im späten Frühjahr eingesetzt und bisher war es eine langsame Feuersaison gewesen. Das hier war nicht mehr als eine gute Trainingseinheit – die Flammen loderten erst sein ein paar Tagen. Es war ein niedliches und unkompliziertes Feuer, das ihren Appetit auf echte Einsätze anregte. Bis heute Abend würden sie wieder zurück am Stützpunkt sein und Zeit für eine Dusche und ein Bier haben.

Und doch war Logan besorgt. Denn dieser Brand löste ein ungutes Gefühl in ihm aus. Wie es losgegangen war. Und wer es ausgelöst hatte.

Sobald der Brand gelöscht war, würde er sich zu Joseph Kellermans Hütte begeben, um ein äußerst schwieriges Gespräch zu führen – eines das hoffentlich dafür sorgen würde, dass es diesen Sommer keine weiteren unerklärlichen Großbrände in der Desolation Wilderness geben würde.

Während er sich durch dickes Gestrüpp kämpfte, dachte er an den Tag, an dem er vor fast 20 Jahren auf Josephs Veranda gelandet war. Er war ein wütender, übermütiger Siebzehnjähriger gewesen, der auf Zerstörung aus war. Er erinnerte sich immer noch an das Lächeln, das ihm der Feuerwehrmann mittleren Alters an jenem Nachmittag zugeworfen hatte – als würde er sagen wollen: Das wird ein Spaß, du kleiner Scheißer! Logan war nicht so klug gewesen einzulenken. Er hatte angenommen, seine jungen Muskeln würden die eines alten Mannes jederzeit bezwingen können. Noch etwas, in dem er sich geirrt hatte.

Die beiden hatten Kopf-an-Kopf, Brust-an-Brust, Mann-gegen-Mann gestanden, bis Logan schließlich klar wurde, dass Joseph es nicht darauf abgesehen hatte, ihn zu verprügeln. Seine Regeln und seine liebevolle Strenge waren seine Art zu helfen. Weil ihm wirklich etwas daran lag.

Joseph war der beste Hotshot, mit dem Logan jemals zusammengearbeitet hatte – und war es noch immer. Bevor er in den Ruhestand gegangen war, war er furchtlos aber clever gewesen, traf seine Entscheidungen schnell, scheute sich jedoch nicht, seine Meinung in schwierigen Situationen zu ändern. Als Logan seinen siebzehnjährigen Kopf aus dem Sand gezogen hatte und wieder zu Verstand gekommen war, hatte er zu Joseph als eine Art Mentor aufgeschaut: ein Mann, den es nachzuahmen galt. Fast zwei Jahrzehnte später war er in die Fußstapfen seines Pflegevaters getreten und war Leiter der Tahoe Pines Hotshot Crew geworden.

Logan konnte nur beten, dass Joseph nicht derjenige war, der dieses Mal gerettet werden musste.

Als er bemerkte, dass er mehr Schmutz als Speichel schluckte, nahm er seine Schutzbrille ab, um einen großen Schluck aus seiner Wasserflasche zu nehmen, doch kaum war dieser über seine Lippen geflossen, da sah er aus den Augenwinkeln Rauch aufsteigen.

Unmöglich. Völlig unmöglich! Er hatte die Gegend persönlich bei Sonnenaufgang mit dem Hubschrauber abgesucht. Der Brand war auf das Gebiet nordöstlich der von ihnen geschaffenen Feuerschneise beschränkt gewesen.

Den dicken, dunklen Wolken am Himmel nach zu urteilen, die südlich von Sam und Connor aufzogen, gab es keinerlei Beschränkung mehr.

Logan wischte sich den Schweiß aus den Augen. Sie arbeiteten am denkbar schlimmsten Ort. Die erste Regel bei Großbränden verstand sich von selbst: Die Missionarsstellung wäre tödlich. Niemals sollte man oben sein, denn Feuer konnten – und würden – einen zu 99% besiegen, wenn man sich auf dem Berg befand.

Irgendwie waren sie nach oben geraten.

Felsblöcke hatten sie den ganzen Nachmittag über vor den trockenen Winden geschützt, die durch das Tal peitschten. Logan lief schnell hoch, erklomm die Felsen und spürte, wie eine Wand aus Hitze ihm wie aus einem Backofen entgegenschlug.

Er zog sein Funkgerät aus der hinteren Hosentasche und sprach hinein. „Ich habe Flammen entdeckt, die sich eine Viertel Meile südlich vom Feuerherd entfernt über den Canyon ausbreiten.“

Obwohl Logan normalerweise seinem Teamchef und zweiten Kommandanten Gary Thompson sein Leben anvertraut hätte, wollte er nicht auf die Bestätigung warten.

Es war an der Zeit, hier rauszukommen.

Er stolperte die Felsen hinunter und rannte auf Sam und Connor zu. Die hohen Stauden, die sie umgaben, waren vorübergehend ein kühlendes Pflaster, das nicht vermuten ließ, was für eine Hölle sich da bergaufwärts zusammenbraute. Logan hatte keine Angst um sich selbst – er würde hier rauskommen oder bei dem Versuch sterben – doch das Leben seiner Männer lag in seiner Verantwortung. Er war stolz darauf, dass er seine Hotshot Crew die letzten zehn Jahre geleitet hatte. Diese Kerle waren für ihn eher eine Familie als die meisten Blutsverwandten, die er hatte. Zumindest würde er dafür sorgen, dass die MacKenzie-Brüder heil den Flammen entkamen.

Logans Funkgerät knackte. „Logan“, sagte Gary vom gesicherten Ankerpunkt auf der Bergspitze aus, von wo er das Fortschreiten der Flammen beobachten konnte. „Du musst hier raus. Sofort.“

In all den Jahren ihrer Zusammenarbeit hatte Gary selten so besorgt geklungen.

Logan wusste, dass Gary hören wollte, dass er bereits auf dem Weg war. Doch ohne seine Männer würde er nicht gehen. „Ich laufe bergab, um Sam und Connor zu warnen, und dann ziehen wir uns zurück.“

Auf ein gedämpftes „Scheiße“ folgte ein Gewirr von Stimmen. Logan konzentrierte sich auf seine Mission. Schnelligkeit war unbedingt erforderlich, wenn man versuchte, ein Feuer zu überlisten, das nach frischem Fleisch lechzte.

Schnell suchte er mit den Augen die umliegenden Hügel ab. Ein Rückzug über die Ostflanke – wo der nächste sichere Wanderweg lag – wäre glatter Selbstmord gewesen. Sie würden einen fast senkrechten Hang hinauf nach Westen rennen müssen.

Anstatt über die Serpentine den Berg hinunter zu laufen, nahm Logan den schnellsten Weg, sprang und rutschte die steile Neigung hinunter, ohne sich einen Scheißdreck um blaue Flecken und Schrammen zu scheren, wenn das bedeutete, dass er seine Männer lebendig da raus bekam. Der Berg unter den McKenzie-Brüdern verschwand im Nu in einer Rauchwolke.

Schweiß tropfte aus Logans Helm; sein Herz pochte; seine angespannten Muskeln verhärteten sich und brannten, während er versuchte, sich auf einem immer tückischeren Hang aufrecht zu halten.

Er hatte so einiges verdammt Verrücktes in seinem Leben angestellt, aber direkt in einen Feuersturm zu rennen, übertraf alles. Und doch sehnte er sich nach dieser Art von Adrenalin, nach dem Rausch, eine fast unmögliche Situation zu retten. Das galt zu einem gewissen Maß für jeden von ihnen, und es war ein Teil des starken Bandes, das die Gruppe von 20 Feuerwehrmännern für die Vegetationsbrand­bekämpfung zusammenhielt.

Um nichts in der Welt würden sie am Ende des Tages drei weniger sein.

Als er die Brüder fast erreicht hatte, machte er sich nicht die Mühe, zu rufen. Sie würden ihn wegen der Kettensägen nicht hören. Er rannte über den unebenen Boden, sauste über gerade geschnittene Baumstümpfe und wedelte mit ausgestreckten Armen, um ihre Aufmerksamkeit zu erregen.

Connor schaute zuerst auf und schaltete seinen Motor ab. Sam folgte seinem Beispiel schnell. In der plötzlichen Stille konnte Logan das wachsende Getöse der hungrigen Flammen hören.

„Wir müssen aus diesem Canyon raus“, sagte Logan und zeigte auf die Rauchsäule, die sich über einem dichten Busch erhob. „Sofort.“

Er wusste ihre Ruhe zu schätzen, als sie ihre Werkzeuge niederlegten und die Gefahr der Situation einstuften.

„Ein Feuersturm?“, fragte Sam.

Logan nickte; seine Lunge brannte vor Anstrengung und der dichte, frische Rauch sog den gesamten Sauerstoff auf. Genug Geplauder. Höchste Zeit, hier rauszukommen.

Momente wie dieser bestätigten, wie wichtig ihre harte tägliche Trainingsroutine war. Eine Meile in sechs Minuten, mit 50 kg Gewicht auf dem Rücken war nichts im Vergleich zur Flucht vor tödlichem Rauch und gefährlicher Glut inmitten schwarzer Wolken, aber zumindest hatten sie die Chance, lebendig hier rauszukommen, nahm Logan an. Aber nur solange niemand stolperte oder sich von der Angst überwältigen ließ.

Sie nahmen den ersten Hang im Sprint, ohne sich von dem steilen Gefälle abschrecken zu lassen. Hundert Meter weiter hatte das Feuer vom Westhang Besitz ergriffen. Zum Bersten voll mit Büschen war er für die Flammen der perfekte Snack für den Nachmittag. Ohne seinen Schritt zu verlangsamen warf Logan sein schweres Pack ein paar Meter beiseite. Der Wind schlug ihnen entgegen und trieb Funken und Rauch in ihre geöffneten Münder. Es brannte höllisch und Connor hustete mehrere Male nacheinander schwer, wurde aber kaum langsamer.

Logan hatte noch nie so großen Respekt vor seinen Kerlen gehabt. Da waren sie nun, völlig am Arsch, wie sie sich durch weiße Asche kämpften, während die Flammen gegen ihre Füße schlugen – und keiner von ihnen heulte wie ein Baby, niemand holte einen Fire Shelter heraus, um hineinzukriechen.

Stattdessen rannten sie um ihr Leben.

Maya saß an einer Ampel am Lake Tahoe Boulevard in ihrem Auto, öffnete ihre Akte über Logan Cain und starrte auf sein Foto. Sie konnte unter seinem Helm und der Sonnenbrille nicht viel von seinen Gesichtszügen erkennen, doch irgendwie berührte sein übermütiges Grinsen sie im Innersten und ihr Bauch kribbelte.

Sie wollte einfach glauben, dass ein Typ mit so einem Lächeln – der seit fünfzehn Jahren eine reine Weste hatte – kein Feuer legen konnte, das tödliche Folgen haben konnte. Aber als Brandermittlerin war sie geschult, mit dem Schlimmsten zu rechnen, auch wenn es sonst niemand sehen konnte.

Seit sie vor fünf Jahren das College abgeschlossen hatte, arbeitete sie für die kalifornische Behörde für Brandschutz Cal Fire. Als ihr Bruder gestorben war, hatte Albert, ihr Boss, ihr gesagt, sie solle sich so viel Zeit nehmen, wie sie brauchte. Aber Tonys Tod hatte alles verändert. Brandstiftung war etwas Persönliches geworden. Nicht nur etwas Schreckliches, das den Unbekannten geschah, die sie im Rahmen ihrer Ermittlungen befragte. In den letzten sechs Monaten hatte sie mehr Brandleger ins Gefängnis gebracht, als irgendein anderer Ermittler in der Geschichte von Cal Fire.

Brandstifter dingfest zu machen, war für sie inzwischen mehr als nur eine großartige Art, ihren Abschluss im Strafrecht zum Einsatz zu bringen und gleichzeitig in der Welt der Feuerbekämpfung, in der sie aufgewachsen war, zu arbeiten: Es war zu ihrer Mission geworden – neben der Suche nach demjenigen, der für den Brand verantwortlich war, der Tony das Leben genommen hatte.

Sie hatte erwartet, inzwischen einen Namen und ein Gesicht mit diesem Feuer verbinden zu können – von jemandem, den sie mit ihrer Wut festnageln konnte. Aber sechs Monate lang war sie in eine Sackgasse nach der anderen geraten.

Genau genommen war es nicht ihr Fall – auch wenn sie in täglichem Kontakt mit der staatlichen Brandermittlerin Cathy Hart stand, die damit betraut worden war –, doch sie war so frustriert und entschlossen, als wäre er es doch. Und wenn sie ehrlich zu sich war, wusste sie, dass Cathy nicht gerade begeistert darüber war, dass Maya ihr auf Schritt und Tritt folgte und dass sie wahrscheinlich keine Luftsprünge machen würde, wenn sie herausfand, dass Maya den Waldbrand in der Desolation Wilderness als perfekten Vorwand nahm, um ein paar Wochen in Lake Tahoe zu bleiben.

Maya wollte Tonys Fall persönlich auf den Grund gehen, nicht nur per Telefon oder E-Mail. Ganz besonders deshalb, weil sie wusste, dass Cathy kurz davor stand, den Brand als „Unfall“ zu archivieren. Solange sie nicht genau wusste, was das Feuer ausgelöst hatte, das Tony das Leben genommen hatte, würde sie nachts nicht mehr durchschlafen.

Doch zumindest die nächste Woche über würde sie sich auf den aktuellen Waldbrand konzentrieren müssen. Sie schaute wieder auf die Akte von Logan Cain hinab. Es war ein schulterhoher Stapel mit Heldentaten. Die schriftlichen Aufzeichnungen über seine 15 Jahre als Hotshot vermittelten das Bild von einem Beschützer, einem geborenen Helden, der teure Immobilien, wertvolles persönliches Eigentum und Menschenleben gerettet hatte. Er schien ein Mann zu sein, der täglich sein eigenes Leben riskierte, weil es richtig war, das zu tun.

Gleichzeitig bezweifelte sie auch nicht, dass Logan gleichermaßen süchtig nach dem Risiko war. Abhängig vom Adrenalin. Das gehörte zum Job.

Wenn Hotshots nicht den Willen – das Bedürfnis – hatten, ein Feuer auszulöschen, dann würde es sie auslöschen.

Brandstifter, auf der anderen Seite, waren meist Männer und Frauen, deren Faszination für das Feuer sie Sommer für Sommer in den Wald zurückführte – einfach nur für den Nervenkitzel, inmitten eines außer Kontrolle geratenen Feuers zu stehen.

Aber dieser Fall war anders. Denn es war das erste Mal, dass sie einschätzen musste, ob es die Schuld eines Hotshots war. Wäre Logan Cain ein freiwilliger Feuerwehrmann gewesen, wäre die Sache viel eindeutiger. Freiwillige Feuerwehrleute sehnten sich oft verzweifelt nach Ruhm und Bechäftigung. Vor einigen Jahren hatte sie an einem Bericht des FBI über Erkennung und Vermeidung von Brandstiftung durch Feuerwehrleute mitgewirkt. Es war nicht nur die Langeweile, die freiwillige Feuerwehrleute dazu bewegte, Waldbrände zu legen. Auch Geld war häufig ein entscheidender Faktor. Sie verdienten mehr Geld, wenn sie Flammen bekämpften – und erhielten oft Zuschläge für Überstunden, wenn der Brand verheerend war. Aber Hotshots hatten jede Menge zu tun und mussten selten darauf zurückgreifen, ihre eigenen Feuer zu legen.

Auch wenn die Suspendierung eines Feuerwehrmannes einer der schlimmsten Aspekte von Mayas Arbeit war – gleich nach der Befragung von Überlebenden, die alles verloren hatten, würde sie ihren Job machen, ganz gleich, wie unschön es sein würde. Und sie würde dafür sorgen, dass sie noch einen Brandstifter hinter Gitter sperrte.

Sie schüttelte den Kopf und versuchte, einen Sinn in dem zu finden, was sie über den Fall wusste, denn nichts in Logan Cains Akte passte zum Profil eines Brandstifter-Feuerwehrmannes. Nichtsdestotrotz konnte sie die Fakten nicht ignorieren.

In der letzten Woche hatten Wanderer zwei Mal ein auffälliges Verhalten beim Ranger gemeldet. Offensichtlich war der Hotshot an Tagen mit Feuerverbot dabei beobachtet worden, wie er mit einem Lagerfeuer beschäftigt war. Sie hatte beide Wandergruppen am Telefon befragt und erfahren, dass Logan sich auffällig verhalten hatte, als sie sich ihm genähert hatten. Sobald der Waldbrand bemerkt worden war, hatte der Ranger sich mit dieser belastenden Information an den Forest Service gewendet.

Und erst gestern wurde Logans Name dann dem anonymen Hinweistelefon der Aktion „Smokey the Bear“ gemeldet. Die Kombination mit seinen öffentlich erhobenen Einwänden gegen die Kürzungen von Renten und Gesundheitsleistungen für altgediente Feuerwehrleute war Grund für ihren Boss gewesen, sie sofort mit dem Fall zu betrauen.

Da es keine Blitzeinschläge gegeben hatte, denen man die Schuld hätte zuweisen können – und angesichts der Tatsache, dass 90 Prozent aller Waldbrände auf Brandstiftung zurückzuführen waren –, deutete alles auf Logan Cain hin, den Leiter der Hotshot Crew vor Ort.

Sie legte seine Akte auf den Beifahrersitz und richtete den Blick dann wieder auf die dicke schwarze Rauchsäule, die vom Talboden aufstieg. Sie wechselte in den Allradantrieb, um vom Highway 50 eine schmale Schotterstraße hochzufahren – vorbei an der Wache der Tahoe Pines Hotshots in Richtung Bergkamm –, denn sie war sich sicher, dass die Crew in den Bergen war, um das Feuer zu bekämpfen.

Die jüngsten Berichte vom Forest Service besagten, dass das Feuer sich stetig ausbreitete, aber noch unter Kontrolle war. Sie schaltete die Scheibenwischer ein und wässerte die Windschutzscheibe reichlich mit Flüssigkeit, um die dünne Rußschicht zu entfernen. Sie beugte sich vor und spähte zum Himmel. Der Rauch hatte ihn in einen grauen Schleier verwandelt. Warum um alles in der Welt hatten sie den Eindruck, dass dieser Brand unter Kontrolle war?

Aus ihrer Sicht sah es ganz nach dem Gegenteil aus. Und wenn ein Feuer unterschätzt wurde, war es tödlich. Sobald ein Feuer um sich griff, verzehrte es alles, was ihm in den Weg kam – auch die Feuerwehrleute, die sich gerade auf dem Berg befanden.

Maya wurde plötzlich von einer bösen Vorahnung gepackt. Brandwunden. Tote. Oh Gott, sie hätte niemals hierher zurückkehren dürfen. Die Stunden, die sie nach Tonys Tod in Lake Tahoe verbracht hatte, waren die schlimmsten ihres Lebens gewesen. Anders als die Massen von Touristen, die als Skiläufer, Glücksspieler und Backpacker herkamen, konnte sie keine schönen Seen und in die Höhe ragenden Fichten sehen, wenn sie sich umsah.

Sie sah Tod.

Depression.

Und einen unverzeihlichen Nachmittag in den Armen eines Fremden.

Sie setzte ihre Blende auf, griff zu ihrem Fernglas und stieg aus dem Wagen aus, um schnell zum Ankerpunkt auf der Bergspitze zu marschieren. Ein paar Behälter mit Sanitätsartikel waren einfach unter einen dichten, trockenen Salbeistrauch geworfen worden.

Unter ihrem Brustbein spürte sie Angst aufsteigen. Dieses Feuer hatte ganz offensichtlich um sich gegriffen – und doch sah man keine Wassertanks, keine Hubschrauber, die von oben bewässerten, keine zusätzlichen Feuerwehrkräfte, die für den Waldbrand hinzugezogen wurden.

Ihr Herz schlug bis zum Hals, als sie sich einer Gruppe Hotshots näherte, die auf dem Bergkamm standen. Sie überflog die Gesichter der Feuerwehrleute und zählte 17 Männer. Was bedeutete, dass noch drei Hotshots im Feuersturm waren.

War einer dieser Männer ihr Tatverdächtiger? Und hatte er schon begriffen, dass die Strafe sehr viel härter ausfallen würde als nur eine Zahlung von einigen Millionen, um für den Verlust des Eigentums aufzukommen, wenn einer seiner Feuerwehrkollegen in den Flammen ums Leben kam? Er würde des Mordes bezichtigt werden … und würde sein Leben lang von Schuldgefühlen heimgesucht werden.

Ein älterer Mann, von dem sie vermutete, dass er der Truppenleiter war, sprach pausenlos in sein Funkgerät. „Logan. Sam. Connor. Antwortet, wenn ihr mich hören könnt.“

Sie blinzelte zum Feuer bergabwärts, bis sie drei Figuren ausmachen konnte, die langsam auf sie zukamen – ihre weißen Schutzhelme waren ein gesegnetes Zeichen von Leben.

Der Truppenleiter hatte den Namen ihres Verdächtigen gerufen, also fragte sie sich kurz, welcher davon er wohl war, doch sie konnte nicht an dem Gedanken festhalten. Denn das Einzige, was sie wollte, war, dass die drei Feuerwehrmänner lebendig da raus kamen.

Sie konnte es nicht ertragen, an das Leid der Familien dieser Männer zu denken, wenn sie „den Anruf“ erhielten – wenn ihre größte Angst vor dem, was es bedeutete, einen Feuerwehrmann zum Sohn, Bruder oder Mann zu haben, wahr wurde.

Sie hatte es erlebt. Es war schrecklich.

Das Feuer rollte wie eine Welle über den Berg. Maya hatte noch nie so etwas gesehen, sie hatte es nie gewollt. Obwohl ihr Bruder schon als Kleinkind davon geträumt hatte, Feuerwehrmann zu werden, wollte sie niemals körperlich gegen das Feuer kämpfen. Ihr Vater war derjenige gewesen, der ihr empfohlen hatte, sich anstelle von Strafrecht mit Brandermittlung zu befassen, und er hatte recht gehabt. Es war ihre Art, um das Feuer in ihrem Blut zu löschen.

Und trotzdem vermied sie seit Tonys Tod echtes Feuer um jeden Preis. Jetzt fühlte sie sich völlig unvorbereitet darauf, selbst Zeuge der Verwüstung von diesem hier – und der sicher folgenden Totenglocke – zu werden. Sie kämpfte gegen die Vorstellung davon an, wie es Tony kurz vor seinem Tod ergangen sein musste, wie der schwarze Rauch ihm die Sicht trübte, wie ein verkohlter Balken unter seinen Stiefeln knackte und er die Gewissheit hatte, dass er sterben würde.

Aber sie durfte jetzt nicht an ihn denken, sie hätte ihr Mittagessen nicht im Bauch behalten können, wenn sie es sich erlaubt hätte, an diesen dunklen Ort zu gehen.

Eine Totenstille herrschte unter den Männern, während sie die hoch lodernden Flammen beobachteten. Wenn ein Feuer erst einmal so heftig um sich griff, dann würde kein Feuerwehrmann, der bei Verstand war, sich wieder hineinbegeben. Damit würde er nur noch mehr Leben aufs Spiel setzen. 17 Männer hatten keine andere Wahl, als drei Ihresgleichen sterben zu sehen.

Maya schaute hilflos zu und eine undenkbare Frage brannte in ihrem Gehirn: Wenn diese drei Männer heute sterben würden, wie konnten die anderen Hotshots dieses Bild dann aus ihren Köpfen vertreiben? Wie konnte sie es?

Denn sogar aus dieser Entfernung konnte Maya sehen, dass die Männer kurz davor waren, von den Flammen verzehrt zu werden. Es genügte ein starker Windstoß und sie würden in den Feuersturm gesaugt werden, wo ihre Haut und ihre Knochen bei lebendigem Leib verbrannt werden würden. Die Galle stieg ihr in der Kehle auf und sie schluckte – doch sie wusste, dass sie die Feuerwehrleute nicht ablenken durfte, indem sie sich erbrach oder in Ohnmacht fiel.

Der Mann mit grauem Bart schrie ins Funkgerät: „Rennt an die Wand! Rennt an die Wand! Rennt an die verdammte Wand!“

Maya war von den orange-roten Flammen so geblendet gewesen, dass sie die Felswand nicht bemerkt hatte, die sich durch den Canyon zog. Wenn es die Männer hinter den Felsen schaffen würden, dann würde das Feuer vielleicht einen anderen Weg nehmen und sie verschonen.

Doch sie wusste, dass sie die Richtungsanweisungen des Truppenleiters nicht hören konnten. Selbst wenn sie die Funkgeräte noch nicht abgeworfen hätten, um Gewicht zu sparen, konnten sie wegen des Getöses von Rauch und Flammen und des Rauschens des Blutes in ihren Ohren unmöglich etwas hören.

Los, los, los, schrie sie innerlich, obwohl die Worte kaum in ihrer Kehle bleiben wollten.

Das Feuer ging auf die kleinen Gestalten los und Maya hielt einen Moment zu spät die Luft an, als eine Gaswelle einen der Männer erfasste, sodass er mit dem Gesicht nach unten in den Dreck geschleudert wurde. Sie schlug sich die Hand vor den Mund und sog ihren Schrei ein, und der Rauch verbrannte ihre Lunge sogar aus der Entfernung. Entsetzt sah sie zu, wie die beiden Männer an der Spitze umkehrten, um dem Dritten zu helfen.

Das brüderliche Band eines Feuerwehrmannes bedeutete mehr als alles andere, sogar mehr als das eigene Leben zu retten. Die anderen beiden Männer würden sterben, um ihrem Freund zu helfen.

Sie betete für sie – ihre Lippen bewegten sich still. Sie war nicht die Einzige, die betete. Die Bergspitze voller Hotshots hatte sich in eine Mahnwache verwandelt.

Und dann – dem Gefühle nach Minuten später, aber es hätten genauso gut wenige Sekunden sein können –, erklommen die drei die Felswand. Zwei von ihnen hielten den dritten in der Mitte aufrecht und rannten trotzdem mit einer Geschwindigkeit den Berg hinauf, die die meisten Sprinter, ohne Last, noch nicht einmal auf ebenem Untergrund hinlegen konnten.

Der Mann mit dem Funkgerät wandte sich dem Team zu. „Sie werden Brandwunden haben. Schweren Flüssigkeitsmangel. Unter Schock stehen. Wir werden sie jetzt nicht verlieren. Nicht einen Einzigen von ihnen!“

Instinktiv nahm Maya ihren Platz in der Menschenkette ein, als alle sich daran beteiligten, die Sanitätsartikel zu entnehmen und Zelte aufzubauen. Die Krankenwagen würden für den Weg nach oben gute dreißig Minuten brauchen.

Mehrere Feuerwehrmänner trugen den verbrannten Hotshot in den Schatten eines gerade aufgebauten Zeltes; die Haut auf seinen Händen war hellrot und fleckig. Zitternd stellte sie sicher, dass sie sich nicht übergeben würde, dann nahm sie ihre Tätigkeit wieder auf und brachte frisches Wasser und Verbände ins Zelt.

Sie dankte Gott dafür, dass der junge Mann am Rande der völligen Bewusstlosigkeit stand, während sie seinen Feuerwehrkollegen dabei beobachtete, wie er ihm die Kleidung auszog, die nicht geschmolzen war, um kaltes Wasser auf seine Verbrennungen zu schütten.

Sie konnte sich dem Geruch nach verbranntem Fleisch nicht entziehen.

Obwohl sie fünf Jahre damit verbracht hatte, Überlebende von Bränden zu befragen und Brandstifter zu verfolgen, war sie niemals persönlich Zeugin davon geworden, wenn Männer über alle menschlichen Grenzen hinauswuchsen, um ein tödliches Feuer zu löschen. Vom Verstand her wusste sie, dass es im Leben ihres Vaters und ihres Bruders um mehr ging als nur Feuer zu löschen, aber sie hatten immer so viel gelacht und so viel Freude gehabt, dass sie einfach vergessen hatte, was sie in Wirklichkeit taten.

Solch einem Schmerz – und solch unglaublicher Tapferkeit – direkt ins Gesicht zu sehen, erschütterte Maya bis ins Mark. Ihr Magen zog sich vor Übelkeit zusammen, aber sie würde nicht zulassen, dass sie sich wieder verloren fühlte. Dafür war sie zu stark.

Sie musste stark sein.

Die beiden anderen Hotshots rückten in ihr Blickfeld: Sie stützten sich auf den breiten Schultern ihrer Teamkollegen ab. Sie waren mit Erde und Ruß bedeckt, nur die Augen leuchteten weiß. Sie waren im Schatten von zwei weiteren Zelten untergebracht und tranken Wasser in vollen Zügen. Beide waren groß und ihre schlanken aber muskulösen Körper waren wie geschaffen für die unglaubliche Leistung, die sie gerade erbracht hatten.

Nach so schweren Verletzungen fiel es ihr schwer, bei der Sache zu bleiben und sich daran zu erinnern, dass sie hier war, um einen Brandstifter zu fassen. Doch angesichts des tosenden Feuers und des verletzten Feuerwehrmannes war der Fall tausend Mal wichtiger geworden.

Maya hielt den Blick auf den Mann gerichtet, den die anderen Logan nannten, während er seinen Helm abnahm. Als sie endlich sein Gesicht erkennen konnte, wich sie zurück und stolperte über einen Baumstumpf.

Oh Gott. Er.

Der Barkeeper.

Er sah ganz genauso aus.

Kräftig.

Umwerfend.

Und mit Schweiß und Asche bedeckt, weil er gerade einem tödlichen Feuersturm entkommen war.

Sie schloss die Augen und klammerte sich an der Rinde fest, während sich alles um sie herum viel zu schnell drehte. Die ganze Zeit hatte sie gedacht, ihr größter Fehler wäre ein Barkeeper gewesen. Ein sexy Typ mit Basecap, der ihr einen Drink zubereitet und ihr geholfen hatte, die Zeit zu stoppen, wenn auch nur für ein paar Minuten.

Kein Feuerwehrmann.

Kein Hotshot.

Und ganz sicher nicht ihr Hauptverdächtiger für die Brandstiftung.

KAPITEL 3