Fiese Fouls - Ulli Schubert - E-Book

Fiese Fouls E-Book

Ulli Schubert

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Beschreibung

Vom Aufstehen bis zum Ins-Bett-Gehen nichts als Fußball spielen – das ist Finns großer Traum. Und der rückt in greifbare Nähe, als er die Zusage fürs Sommerferien-Fußball-Camp bekommt. Die besten Teilnehmer erhalten einen der begehrten Plätze im Sportinternat. Und dort werden die Fußballprofis von morgen ausgebildet. Doch das Training ist hart. Und wer zu Hause der Beste ist, ist es noch lange nicht hier. Gelingt es Finn, sich im alles entscheidenden Abschlussspiel gegen die Konkurrenten durchzusetzen?

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Seitenzahl: 141

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Ulli Schubert

Fußballschule am Meer. Fiese Fouls

 

 

Illustriert von Elisabeth Holzhausen

Über dieses Buch

 

 

Vom Aufstehen bis zum Ins-Bett-Gehen nichts als Fußball spielen – das ist Finns großer Traum. Und der rückt in greifbare Nähe, als er die Zusage fürs Sommerferien-Fußball-Camp bekommt. Die besten Teilnehmer erhalten einen der begehrten Plätze im Sportinternat. Und dort werden die Fußballprofis von morgen ausgebildet.

Doch das Training ist hart. Und wer zu Hause der Beste ist, ist es noch lange nicht hier. Gelingt es Finn, sich im alles entscheidenden Abschlussspiel gegen die Konkurrenten durchzusetzen?

 

 

Weitere Informationen finden Sie unter www.fischerverlage.de/kinderbuch-jugendbuch

Biografie

 

 

Ulli Schubert lebt in Hamburg und ist Experte in Sachen Fußball. Als Kind spielte er selbst begeistert, heute fiebert er vor allem mit dem FC St. Pauli. Bevor er Schriftsteller wurde, jobbte er in vielen Berufen: Er arbeitete als Lkw-Fahrer, als Liegewagenschaffner und als Sport­reporter, bevor er schließlich Erzieher wurde. Seit 1991 schreibt er sehr erfolgreich Kinder- und Jugendbücher.

Weitere Informationen zum Autor und zu seinen Büchern finden sich unter:

www.ulli-schubert.de

Inhalt

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

Letztes Kapitel

Schlusspunkt

Informationen zur Illustratorin

Als Finn an jenem Tag im Mai von der Schule nach Hause ging, ahnte er noch nicht, dass sein Leben sich schon sehr bald komplett ändern würde. Wie auch – in seinen Gedanken war er nur bei den beiden Arbeiten, die er an diesem Morgen wiederbekommen hatte. Beide hatte er fürchterlich in den Sand gesetzt: eine Fünf plus in Biologie, eine glatte Fünf in Deutsch. Finn war klar, dass er dafür Ärger bekommen würde. Irgendwelche Ahnungen, Vermutungen oder gar Hoffnungen auf ein sonnigeres Leben wären also vollkommen fehl am Platze gewesen.

Zunächst hatte Finn allerdings noch nichts zu befürchten. Den Stress wegen schlechter Noten oder anderer Probleme in der Schule machte immer nur sein Vater. Der kam aber erst am Abend von der Arbeit. Jetzt wartete zu Hause nur die Mutter mit dem Mittagessen, und die würde Finn wegen der versemmelten Arbeiten eher trösten, als mit ihm zu schimpfen. Wenn sie überhaupt Zeit für ihn hatte. Meistens war sie nämlich mit den Zwillingen beschäftigt.

Mats und Marie waren die Nachzügler in der Familie. Finn hatte sich darauf gefreut, großer Bruder zu sein, als die beiden vor etwas mehr als vier Jahren auf die Welt gekommen waren. Doch das hatte sich schnell geändert. Von einem Tag auf den anderen hatte sich alles nur noch um die Kleinen gedreht, und Finn musste dafür auch noch Verständnis haben. Schließlich war er ja der Große. Die Eltern nannten die Kleinen liebevoll «unsere Nesthäkchen», manchmal auch «unser ganzes Glück». Finn hatte bald andere Worte für die Zwillinge gefunden. «Nervende, stinkende Kriechtiere» gehörte dabei noch zu den netteren Bezeichnungen.

Natürlich liebte er seine Geschwister. Trotzdem dachte er seit einiger Zeit immer öfter darüber nach, wie viel schöner sein Leben wohl wäre, wenn es die beiden nicht gäbe!

Am liebsten würde ich abhauen, dachte Finn oft. Doch seine Füße fanden stets wie von selbst den Weg nach Hause, und jedes Mal war der Heimweg von der Schule viel zu kurz. Auch an diesem Tag.

Durch das geöffnete Küchenfenster konnte Finn das Fett in der Pfanne spritzen hören, und seine Nase verriet ihm, dass es gebratenen Fisch gab. Schon wieder! Finn blieb seufzend vor dem Hauseingang stehen und betrachtete sein Spiegelbild in der großen Scheibe der Haustür.

nier hci hcam neD

!roT nies mhi ni,

stand es weiß auf schwarz auf seinem T-Shirt.

Den mach ich rein

in ihm sein Tor!

Finn liebte diese Fußballersprüche. Je dümmer oder frecher sie waren, desto besser fand er sie. Drei solcher T-Shirts hatte er zu seinem Geburtstag bekommen. Natürlich nicht von seinen Eltern. Das, was er trug, hatten ihm seine Mitspieler geschenkt. Finn kickte als Außenverteidiger in der D-Jugend bei der Spielvereinigung. Von Stevie, seinem besten Freund, hatte er ein bordeauxrotes T-Shirt mit der schwarzen Aufschrift «Der Jürgen und ich, wir sind ein gutes Trio» bekommen. Am besten gefiel Finn aber das dunkelblaue T-Shirt mit dem Spruch: «Wenn das ein Tor war, bin ich ein Mädchen!» Das hatte ihm Tante Kathrin per Post geschickt, zusammen mit einem Videospiel und einer Riesentafel Schokolade. Tante Kathrin war die Schwester von Finns Papa, aber ganz anders drauf als der. Viel lockerer. Manchmal wünschte Finn sich, dass sie seine Mutter wäre und er bei ihr wohnen könnte. Weit weg von seinen richtigen Eltern – und vor allem von den Zwillingen! Aber er traute sich nicht, Tante Kathrin zu fragen.

Die Idee, von zu Hause wegzulaufen, kam Finn an diesem Nachmittag noch einige Male. Beim Mittagessen, als er die Fischstäbchen und den Kartoffelbrei hinunterwürgte, das Lieblingsfutter der Zwillinge. (Finn mochte Fischstäbchen auch ganz gern, aber doch nicht jeden Tag!) Bei den Hausaufgaben, als die Mutter lieber mit den Zwillingen ein Mittagsschläfchen machte, als ihm bei den Matheaufgaben zu helfen. Und auch später, als er nicht mit seinen Freunden draußen spielen durfte, sondern auf die Kleinen aufpassen musste, während die Mutter einkaufen ging. Finn tat, was von ihm erwartet wurde, aber in seinen Gedanken und Träumen war er weit weg von zu Hause.

So verging der Nachmittag wie im Flug. Der Abend kam viel zu schnell, und mit ihm Finns Vater.

«Trägst du schon wieder dieses schreckliche Hemd?», fragte er anstelle einer Begrüßung. Es schien ihm Spaß zu machen, sich mit Finn zu streiten. Warum sonst versuchte er immer wieder, seinen Sohn zu provozieren?! Leider fiel Finn auch noch meistens darauf herein. Dann rutschten ihm Sätze raus wie «Siehst du doch» oder «Nein, ich bin nackt, die Sachen sind nur aufgemalt!».

An diesem Abend aber beherrschte Finn sich, und es fiel ihm noch nicht einmal schwer. Er brauchte nur an die Fünfen zu denken, die er noch zu gestehen hatte, und schon waren seine Lippen wie versiegelt.

Doch der Vater ließ ihn nicht in Ruhe.

«Was ist los, mein Sohn? Willst du dein Hemd nicht verteidigen?»

Finn schüttelte stumm den Kopf.

«Ach, sieh mal an. Könnte es vielleicht sein, dass du in einem Anfall von Intelligenz inzwischen selbst begriffen hast, wie peinlich es ist, mit so einem T-Shirt herumzulaufen? Der Spruch strotzt doch nur so vor Fehlern!»

Zwei Fünfen, zwei Fünfen, zwei Fünfen, dachte Finn und zwang sich, seinem Vater nicht zu erklären, dass gerade die falsche Grammatik das Lustige an dem Spruch war. Er würde es sowieso nicht verstehen, denn der Vater hatte nicht sehr viel Sinn für Humor.

«Nun, keine Antwort ist auch eine Antwort.» Der Vater stellte seine Aktentasche in die Ecke unter der Garderobe, wo er sie jeden Abend hinstellte, zog die Jacke aus und hängte sie ordentlich auf einen Bügel. «Da bin ich ja mal gespannt, ob sich die Intelligenz auch in der Schule bemerkbar gemacht hat. Habt ihr heute nicht eine Arbeit wiederbekommen?»

«Zwei», antwortete Finn murmelnd.

«Und?», fragte der Vater lauernd.

Anstelle einer Antwort ging Finn in sein Zimmer, um die beiden Arbeiten zu holen. Er war den Tränen nahe. Nicht aus Angst vor Schlägen. Sein Vater hatte ihn noch nie geschlagen, und er würde es auch an diesem Abend nicht tun. Das hatte er gar nicht nötig, denn seine Strafen waren viel schlimmer. Sie taten mehr weh als Schläge, und vor allem schmerzten sie erheblich länger. Manchmal wünschte Finn sich, dass sein Vater so wäre wie der von Stevie. Wenn sein bester Freund etwas angestellt hatte, bekam er eine Ohrfeige. Danach nahm sein Vater ihn in den Arm, und die Sache war vergessen. Für immer. Okay, auf Dauer nervten die ewigen Ohrfeigen auch, und Stevie konnte seinen Vater ebenfalls nicht besonders gut leiden. Aber so war es immer noch besser, als denselben Fehler wochenlang immer wieder vorgehalten zu bekommen!

Es kam, wie es kommen musste.

«Ich verstehe das nicht», sagte sein Vater, als er die beiden Arbeiten in den Händen hielt. Er seufzte, schüttelte seinen Kopf und machte ein Gesicht, als hätte Finn ihn persönlich mit den beiden Fünfen beleidigt. «Wie kann so etwas passieren? Du bist doch nicht dumm!»

Leider war das keine Frage, auf die der Vater eine Antwort erwartete. Finn hätte ihm nämlich einiges dazu erzählen können. Dass der Vater ihm lieber beim Lernen helfen sollte, anstatt ihn immer nur zu kritisieren. Dass er vielleicht nicht so schlau war, wie der Vater immer dachte, aber ganz bestimmt viel schlauer, als der Vater ihn immer machte. Und dass die Eltern ihn auch gern mal «unser Nesthäkchen» nennen könnten, obwohl er der Große war. Oder «unser großes Glück»!

Finn spürte, dass die Tränen, die er in seinem Zimmer erfolgreich unterdrückt hatte, wieder nach oben steigen wollten. Doch er ließ es auch jetzt nicht zu, dass er weinte. Er kniff die Lippen fest zusammen und ließ stumm das Strafmaß über sich ergehen, gegen das jeder Schwerverbrecher sofort Beschwerde eingelegt hätte. Das Urteil lautete: Einzelhaft, Entzug der persönlichen Vergünstigungen und Zwangstherapie. Im Klartext bedeutete das, dass Finn nicht mit den anderen in der Küche zu Abend essen durfte, sondern allein in sein Zimmer gehen musste. Außerdem bekam er zwei Wochen Fußballverbot, und er musste die Tageszeitung studieren.

«Eine gute Allgemeinbildung hat noch niemandem geschadet», meinte der Vater und kündigte an, dass er vor dem Schlafengehen kontrollieren würde, was Finn in der Zeitung gelesen und vor allem verstanden hatte.

Finn schluckte. Dass er allein in seinem Zimmer essen sollte, störte ihn gar nicht so sehr. Im Grunde war er sogar froh, dass er das alberne Getue darum, wie toll die Zwillinge schon essen konnten, nicht miterleben musste. Auch die Zeitung las er sowieso jeden Tag, wenn auch hauptsächlich wegen der Sportseiten. Das Fußballverbot allerdings traf ihn richtig hart.

«Wieso darf ich denn nicht Fußball spielen?», beklagte er sich. «Andere Eltern wären froh, wenn ihr Kind so viel Sport treiben würde wie ich!»

«Da kannst du mal sehen, wie unterschiedlich Eltern doch sein können», antwortete sein Vater schnippisch. «Wir wären froh, wenn du mehr für die Schule tun würdest.»

«Hahaha», machte Finn. «Ich dachte, eine Strafe soll immer etwas mit dem zu tun haben, was man angestellt hat. Beim Fußball hab ich aber gar nichts angestellt.»

«Erstens», sagte sein Vater und drückte Finn den Teller mit dem Abendbrot in die Hand, «ist das pädagogischer Blödsinn, den ich nicht mitmache. Eine Strafe muss wehtun!»

«Aha», machte Finn. «Und zweitens?»

«Zweitens» – der Vater reichte ihm auch noch ein Glas Milch – «gibt es durchaus einen Zusammenhang zwischen deinen schulischen Leistungen und deiner Fußballverrücktheit, wie deine albernen T-Shirts offensichtlich und zweifelsfrei beweisen. ‹Den mach ich rein in ihm sein Tor!› – was soll das denn für ein Deutsch sein?!»

«Ach, Papa», seufzte Finn, und für einen winzigen Augenblick tat der Vater ihm tatsächlich etwas mehr leid als er sich selbst.

«Lass ihm doch das T-Shirt», mischte die Mutter sich ein. «Wenn es ihm Spaß macht, damit herumzulaufen.»

«Wenn es ihm Spaß macht – wenn ich das schon höre!», regte der Vater sich auf. «Wenn ich in meinem Leben immer nur gemacht hätte, was mir Spaß macht …!»

Finn verschwand aus der Küche. Ich hau ab, dachte er auf dem Weg zu seinem Zimmer. Eines Tages verschwinde ich von hier. Ihr werdet es erleben!

Er knallte den Abendbrotteller auf seinen Schreibtisch und stellte die Milch so heftig ab, dass sie überschwappte und sein Matheheft vollkleckerte. Die Schrift verwischte, und alles, was er am Nachmittag geschrieben hatte, war von einer Sekunde auf die andere unleserlich geworden.

«Na super», fluchte Finn leise vor sich hin. «Das gibt den nächsten Ärger!»

Er trocknete das Heft, so gut es ging, nahm eine Scheibe Brot vom Teller und biss hinein. Halb trotzig, halb traurig. Warum ging immer alles schief? Und warum passierte so etwas eigentlich nur ihm?

Seit Wochen dachte Finn über diese Fragen nach, doch auch an diesem Abend fand er keine Antworten. Also schlug Finn schließlich die Zeitung auf und überflog die Überschriften, ohne dass auch nur eine ihn reizte, den dazugehörigen Artikel komplett zu lesen. Politik, Nachrichten aus aller Welt, Nachrichten aus der Heimat, Wirtschaft, Allgemeines, Kultur, Sport … – Finn blätterte sich lustlos durch die Zeitung, bis er plötzlich eine kurze Nachricht entdeckte.

Fußballstars von morgen gesucht!

Norderdünersiel – An der ostfriesischen Nordseeküste eröffnet im September ein neues Fußballinternat. In den Sommerferien finden dort drei jeweils zweiwöchige Fußballfreizeiten statt, bei denen sich die Profis von morgen um eine Aufnahme im Internat bewerben können. Gesucht werden Mädchen und Jungen aus ganz Deutschland zwischen 10 und 16 Jahren. Weitere Infos und Anmeldungen unter www. …

Finn las die Zeilen ein zweites und ein drittes Mal. Er wischte sich über die Augen, schüttelte sich wie ein Hund nach einem Bad im See und kniff sich schließlich sogar selbst! Doch der Artikel blieb, wo er war, und sein Inhalt verhieß stets dasselbe.

Ein zaghaftes Lächeln legte sich auf Finns Gesicht, als er seinen Computer startete …

Der Zug hatte Verspätung. Finn starrte alle paar Sekunden abwechselnd auf seine Uhr und aus dem Fenster. Doch von Bremen war weit und breit nichts zu sehen. Von Minute zu Minute wurde er nervöser, weil die Zeit, um von diesem Zug in den anderen umzusteigen, der ihn an die Nordsee bringen sollte, immer knapper wurde.

In den Lautsprechern knackte es.

«Sehr geehrte Fahrgäste», meldete sich die Stimme des Zugführers, «in wenigen Minuten erreichen wir Bremen Hauptbahnhof. Unser Zug hat zurzeit leider eine Verspätung von zwölf Minuten. Daher kann der Intercity 2132 nach Norddeich-Mole über Delmenhorst, Oldenburg, Bad Zwischenahn, Leer, Emden und Norden, Abfahrt 11:55 Uhr, leider nicht warten …»

Ein enttäuschtes Raunen ging durch den Wagen. Offenbar wollten alle Fahrgäste an die Nordsee reisen.

«Die nächste Möglichkeit zur Weiterfahrt nach Norddeich-Mole besteht um 12:54 Uhr mit einem Regionalexpress auf Gleis 3 …»

Aus der Enttäuschung wurde Verzweiflung und Wut, und aus dem Raunen Gejammer, höhnisches Gelächter und unverhohlene Drohungen. Zumindest waren das die Reaktionen der meisten Fahrgäste. Finn hingegen hatte die Hoffnung noch nicht aufgegeben. Draußen tauchten endlich die ersten Häuser von Bremen auf. Wenn der andere Zug auch ein paar Minuten Verspätung hatte, könnte er ihn vielleicht noch erreichen. Er wollte es zumindest versuchen, schließlich wurde er in Norden von einem Mitarbeiter des Fußballinternats erwartet.

Finn warf sich den Rucksack über die Schulter, nahm seine Sporttasche und stellte sich an den Ausgang. Doch während der Sekundenzeiger um das Zifferblatt zu rasen schien, wurde der Zug immer langsamer. Finn kam es jedenfalls wie eine halbe Ewigkeit vor, bis der Zug endlich den Hauptbahnhof erreichte und anhielt. Er stieß die Tür auf, sprang aus dem Zug und rannte los.

Ein Junge aus dem Nachbarwagen hatte offenbar dieselbe Idee wie Finn. Im Eiltempo rasten beide über den Bahnsteig. Der andere Junge erreichte als Erster die Treppe und flog beinahe die Stufen hinunter. Doch Finn ließ sich nicht abschütteln und blieb ihm dicht auf den Fersen. In der Unterführung wimmelte es nur so vor Menschen, aber Finn und der andere Junge dachten gar nicht daran, ihr Tempo zu drosseln. In einem wilden Zickzackkurs umkurvten sie die Leute und hasteten schließlich nebeneinander die Stufen zu Gleis 3 hinauf. Gleichzeitig kamen sie oben an – und hatten doch beide verloren! Der Bahnsteig war menschenleer, und von einem Zug war weit und breit nichts mehr zu sehen.

«Verdammt», keuchte der Junge und ließ sich heftig schnaufend auf einer Bank nieder.

«Mach mal Platz», sagte Finn ebenso atemlos und setzte sich neben ihn.

Es dauerte mindestens eine Minute, bevor die nächsten Reisenden aus dem anderen Zug auf dem Bahnsteig erschienen.

«Wir waren ganz schön schnell», meinte Finn, nicht ohne Stolz.

«Und?», sagte der andere Junge. «Hat’s uns was genützt?»

«Nein, aber auch nicht geschadet», wollte Finn antworten, doch er wurde von einer Frau unterbrochen, die plötzlich auf dem Bahnsteig erschien, mit einem Jungen im Schlepptau, der ungefähr so alt war wie Finn. Doch die Frau beachtete ihn nicht. Sie stemmte ihre Hände in die Hüften und baute sich vor der Bank auf.

«Britney Müller!», schimpfte sie los.

Finn zuckte zusammen. Allerdings nicht wegen der Lautstärke der Frau.

«Britney?» Überrascht, beinahe erschrocken fuhr er herum.

«Brit», sagte das Mädchen neben ihm und streckte ihm die Hand entgegen.

Finn konnte es nicht fassen! Die kurzen Stoppelhaare, das freche Grinsen, die dreckigen Fingernägel, die Klamotten, und dazu diese tiefe, rostige Stimme, die er noch im Ohr hatte …

«Keine Sorge», sagte das Mädchen. «Zuerst halten mich immer alle für einen Jungen. Und das ist auch ganz gut so.»

«Aha», machte Finn und dachte darüber nach, ob es irgendetwas gab, was ihn dazu bringen könnte, sich als Mädchen zu verkleiden. Doch schon wieder wurde er von Brits Mutter unterbrochen.

«Britney Müller», begann sie noch einmal. «Wer hat dir erlaubt, hier wie eine Wilde herumzutoben?!»

«Dafür brauche ich keine Erlaubnis», antwortete Brit selbstsicher. «Dies ist ein freies Land, und ich kenne kein Gesetz, das Toben verbietet!»

Finns Mundwinkel zuckten, doch er verkniff es sich, laut loszuprusten. Stattdessen beobachtete er gespannt Brits Mutter. Die blieb jedoch ganz ruhig.

«Und was hättest du getan, wenn der Zug noch dagestanden hätte? Ihn festgehalten?»