Find Me in the Dark. Geheime Vergangenheit - Lena S. Berger - E-Book
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Find Me in the Dark. Geheime Vergangenheit E-Book

Lena S. Berger

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Beschreibung

**Löse das Rätsel deiner Vergangenheit** Nach dem unerwarteten Tod ihres Vaters bricht Helen der Boden unter den Füßen weg. In ihrer Trauer zieht es sie gemeinsam mit ihrer jüngeren Schwester von London nach Cotwoods, ein kleines Örtchen in der englischen Provinz. Dort erhofft sie sich endlich Antworten zu finden, denn sie ist sich sicher, dass mehr hinter dem plötzlichen Verlust steckt, als ihr weisgemacht wird. Den Geheimnissen ihres Vaters auf der Spur lernt sie den attraktiven Profisportler Chase kennen, der ihren Puls auf mehr als eine Weise zum Rasen bringt. Er, der selbst mit den Lasten seiner Vergangenheit zu kämpfen hat, besitzt womöglich nicht nur Antworten, sondern auch den Schlüssel zu ihrem Herzen. Würde er es ihr mit seiner abweisenden Art bloß nicht so verdammt schwer machen … Wenn die Liebe die Dunkelheit vertreibt Eine Elitestudentin auf den Spuren ihrer Vergangenheit, ein Profifußballer im Kampf mit seinen Dämonen und eine Liebe, die explosiver nicht sein könnte. Knisternd-romantisch und packend von der ersten bis zur letzten Seite. //Der Liebesroman »Find Me in the Dark. Geheime Vergangenheit« ist ein in sich abgeschlossener Einzelband.//

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Veröffentlichungsjahr: 2021

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Lena S. Berger

Find Me in the Dark. Geheime Vergangenheit

**Löse das Rätsel deiner Vergangenheit**Nach dem unerwarteten Tod ihres Vaters bricht Helen der Boden unter den Füßen weg. In ihrer Trauer zieht es sie gemeinsam mit ihrer jüngeren Schwester von London nach Cotwoods, ein kleines Örtchen in der englischen Provinz. Dort erhofft sie sich endlich Antworten zu finden, denn sie ist sich sicher, dass mehr hinter dem plötzlichen Verlust steckt, als ihr weisgemacht wird. Den Geheimnissen ihres Vaters auf der Spur lernt sie den attraktiven Profisportler Chase kennen, der ihren Puls auf mehr als eine Weise zum Rasen bringt. Er, der selbst mit den Lasten seiner Vergangenheit zu kämpfen hat, besitzt womöglich nicht nur Antworten, sondern auch den Schlüssel zu ihrem Herzen. Würde er es ihr mit seiner abweisenden Art bloß nicht so verdammt schwer machen …

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Danksagung

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© privat

Lena S. Berger wurde 1994 in Dinkelsbühl geboren. Ihr Journalismus Studium führte sie nach Würzburg, wo sie bis heute mit ihrem Mann lebt und arbeitet. Seit sie klein ist, schreibt sie geheimnisvolle Liebesgeschichten, die vor allem Mut machen sollen. Wenn sie nicht gerade schreibt, macht sie ausgiebige Waldspaziergänge mit ihrem dickköpfigen Australian Shepherd. Mehr Infos über die Autorin gibt es auf Instagram unter @zeilenvollerliebe.

Für meine Oma Josefine

Prolog

Helen

Ich starrte auf den kahlen Boden und ballte meine Hände zu Fäusten, so sehr, dass sich die Fingernägel tief in meine Handflächen bohrten. Alles um mich herum verschwand. Als wäre die Umgebung eine Illusion, in der ich nicht mitbekam, was gerade geschah. Doch eine Sache spürte ich ganz genau, nämlich diese Leere in meinem Herzen, die mich vollends zu zerreißen schien. Ich kämpfte gegen die Tränen an, die in mir aufstiegen und mir fast mein Sichtfeld nahmen. Ein unerträglicher Druck lastete auf meinem Brustkorb, ich durfte jedoch nicht weinen, nicht hier. Mit letzter Kraft versuchte ich mich zu beruhigen, atmete tief ein und aus. Als ob das helfen würde, als ob irgendetwas ihn zurückholen könnte!

Eine Person räusperte sich nun zum wiederholten Mal und ließ mich so in die Realität zurückkehren. Ich zwang mich in die Menge zu blicken, die mich erwartungsvoll ansah. Gesichter, die überhaupt nicht traurig wirkten. Menschen, die ich zum Teil nicht kannte. Personen, die einfach nur gekommen waren, um zwei Töchter zu bemitleiden, die sich nun als Vollwaisen allein durchkämpfen mussten. Das gab es nicht alle Tage. Wutentbrannt bohrte ich meine Nägel noch stärker in meine Haut, sodass ein stechender Schmerz meine Hand durchfuhr. Diese Heuchler hatten hier nichts zu suchen, niemand hier. Sie hatten ihn nicht gekannt. Mittlerweile fragte ich mich sogar selbst, ob er wirklich der gewesen war, für den wir ihn gehalten hatten. Fragen über Fragen kreisten in meinem Kopf und ich konnte einfach nicht glauben, dass er das getan hatte. Uns allein zurückgelassen hatte.

Langsam löste ich meine verkrampften Fäuste, holte mit zittrigen Händen einen kleinen weißen Zettel aus meiner Jackentasche und starrte auf die schwarzen Buchstaben. Alles an mir sträubte sich den Text, an dem ich gestern Abend stundenlang gesessen hatte, vorzulesen. Ich konnte einfach nicht akzeptieren, dass der leblose Körper unseres geliebten Vaters vor mir in diesem trostlosen Sarg lag. Vor vier Tagen hatten wir noch darüber gestritten, wer den letzten Schluck Kaffee beim Frühstück bekommen sollte, und heute stand ich hier. In einer Kirche mitten in Notting Hill, die durch den Regen draußen noch trister wirkte. Der Herbst war voll im Gange und die Temperaturen waren bereits unter zehn Grad. Doch die Kälte spürte ich nicht. Außer den Schmerzen in meinen Händen und die in meinem Herzen fühlte ich überhaupt nichts mehr.

Ich sah auf meinen Zettel und richtete dann meinen Blick auf meine kleine Schwester Amy, die neben mir stand und ausdrucklos in die Menge starrte. Ihre sonst so klaren, wunderschönen grünen Augen waren nun rot umrandet, ihr Gesicht bleich. Nichts an ihr erinnerte an das eigentlich so fröhliche Mädchen, das normalerweise den ganzen Tag lachte und Selfies von sich machte. Sie so zu sehen, brach mir das Herz. Und gerade deswegen musste ich etwas sagen, nicht wegen diesen ganzen Heuchlern, sondern ihr zuliebe und vor allem für Dad.

Du schaffst das, Helen.

Ich schloss die Augen, legte den Zettel beiseite und stellte mir vor, wie Dad jeden Sonntagmorgen versucht hatte uns Pancakes zu machen. Ich rümpfte automatisch meine Nase und begann leise zu sprechen.

»Dad war nicht perfekt. Ganz und gar nicht. Er konnte nicht kochen, nein, er war sogar der mieseste Koch Londons.« Bei der Vorstellung musste ich lachen. Ich öffnete meine Augen, sah zu meiner Schwester und nahm ihre Hand. Ihre Finger waren eiskalt, doch auch ihre Lippen verformten sich zu einem kleinen Lächeln, da sie genau wusste, wie ungeschickt Dad manchmal gewesen war. Immerhin hatte er sogar ein Ei verbrennen lassen. Das musste man erst mal hinbekommen. Ich wandte mich den Leuten zu, hielt aber die Hand meiner Schwester weiter fest.

»Er hat viel und lang gearbeitet. Aufführungen oder Elternabende verpasst. Ist immer zu spät gekommen. Sogar zur Zeugnisverleihung an meiner Highschool.« Andere wären deswegen sauer gewesen, aber wir hatten ihn nicht anders gekannt. So war Dad eben gewesen.

»Trotzdem hätten wir keinen besseren Vater haben können. Denn er hat immer ein offenes Ohr für uns gehabt und uns gelehrt, dass nicht perfekt sein der beste Weg ist, durch das Leben zu gehen. Immerhin ist er so was von nicht perfekt gewesen und trotzdem der beste Dad, den man sich hätte vorstellen können. Er hat alles für uns gegeben, alles dafür getan, dass es uns an nichts fehlt«, meine Stimme brach und mein Sichtfeld verschwamm nun vollends. Ich musste zum Schluss kommen.

»Hätte ich noch einmal einen Moment mit ihm, würde ich ihm sagen, wie sehr wir ihn lieben. Doch nun stehe ich hier und versuche aus diesem Albtraum aufzuwachen«, ich stockte. Wir hatten alles verloren. Unseren Dad, das Haus, einfach alles. Nichts würde mehr so sein, wie es mal gewesen war. Wütend ließ ich meinen Blick durch die Menge gleiten. Einige Personen weinten, andere sahen mich voller Mitgefühl an, was mich innerlich noch mehr beben ließ. Denn ich sollte nicht hier sein und vor allem sollte unser Dad nicht da vorn in diesem elendigen Sarg liegen. Ich sollte jetzt eigentlich in der Vorlesung sitzen und wie jede normale Studentin über irgendwelche Themen diskutieren. Aber das war nun Geschichte. Ich hatte ab sofort nur noch ein Ziel, und zwar herauszufinden, was passiert war. Auch wenn das bedeutete, alles hinter sich zu lassen. Das war ich verdammt noch mal unserem Dad schuldig. Noch nie in meinem Leben war ich so entschlossen wie in diesem Moment. Ich straffte meine Schultern, wischte mir die Tränen aus dem Gesicht und lehnte mich entschlossen zu dem Mikrofon nach vorn.

»Ich verspreche dir, Dad, dass alles gut werden wird.«

Kapitel 1

Einen Monat später

Helen

Ich parkte den alten SUV unseres Dads, nahm meinen warmen Kaffeebecher aus der Halterung und betrachtete das alte Gebäude aus roten Backsteinen, das sich direkt vor mir befand. Das musste es sein, das Cheltenham College. Immerhin sah es genauso heruntergekommen aus wie auf den wenigen Bildern, die ich im Internet gefunden hatte. Ich beobachtete, wie goldbraune Blätter durch die Luft flogen und sich die kahlen Bäume im Wind bogen. Wir hatten bereits Ende Oktober und normalerweise zählte der Herbst zu meinen Lieblingsjahreszeiten. Ich mochte es, durch die bunten Blätter zu schlendern und Kürbisse mit Amy und Dad auszuhöhlen. Doch jetzt machte mich allein der Gedanke daran traurig, da ich wusste, dass nichts von diesen Dingen mehr so sein würde, wie es mal gewesen war.

Mein Blick wanderte wieder zu dem Gebäude vor mir. Ein hässliches Willkommensschild zierte den Eingang der kleinen Uni, auf dem das W von »Welcome« nahezu verschwunden war. An den Wänden wucherte überall Moos und der Putz hatte sich an manchen Stellen gelöst. Wenige junge Leute gingen in das alte Gebäude, ansonsten war dieser Ort wie ausgestorben. Das alles hier war das komplette Gegenteil von dem Leben vor Dads Tod. Ich war auf eine Eliteuni in London gegangen, dem Kings College, und hatte dort im zweiten Semester Journalismus studiert. Die Uni war wahrscheinlich zehnmal größer als das Cheltenham College und um einiges schöner. Ich liebte sie und war unglaublich stolz gewesen, als ich dort einen der wenigen Plätze erhalten hatte.

Aber ich vermisste nicht nur das Kings College, sondern einfach alles an London. Unser Viertel, unsere Freunde, unser Haus, das wir wegen der hohen Miete nicht mehr hatten halten können. Hätte mir jemand vor ein paar Wochen erzählt, dass ich bald mit nichts hier stehen würde, dann hätte ich wahrscheinlich diesen Menschen laut ausgelacht. Wobei ich auf alles hätte verzichten können, solange wir noch unseren Dad gehabt hätten.

Man sagte, Zeit heilt alle Wunden. Bei mir aber fühlte sich der Schmerz von Tag zu Tag schlimmer an. Seit Wochen starrte ich auf mein Handy und wartete auf seine täglichen Anrufe. Obwohl er kaum Zeit für uns gehabt hatte, hatte er immer wissen wollen, wo wir uns aufhielten und ob es uns gut ging. Ich sah auf mein Telefon, das neben mir auf dem Beifahrersitz lag. Doch es gab keinen Ton von sich.

Während ich weiter vor mich hin grübelte, klopfte plötzlich jemand gegen das Fenster des SUVs. Ich erschrak so sehr, dass ich meinen Kaffee über meinen olivgrünen Hosenrock schüttete.

»Mist!« Das konnte doch nicht wahr sein. Ich drehte mich zur Seite und setzte an, um der Person meine Meinung zu geigen, doch ich hielt inne, als ich erkannte, wer vor meinem Auto stand.

Sofie Parker, alias meine Mentorin, deren Bilder ich bereits auf Instagram durchforstet hatte. Eine Eigenschaft, die zwar typisch für mich war, aber jetzt nur noch für die Recherche zu Dads Tod diente. Ich brauchte dieses blöde Mentoren-Programm, um an nützliche Informationen über diesen Ort, die Leute, einfach alles hier zu gelangen. Und Sofie Parker war meine Eintrittskarte.

Die kleine, bildhübsche Blondine lachte mich verlegen und gleichzeitig entschuldigend an. Sie hatte einen schwarzen Rollkragenpullover und eine hautenge schwarze Jeans an, die ihre Kurven perfekt zur Geltung brachte. Dazu trug sie eine rote Baskenmütze und schwarze Overknee-Stiefel. Eins musste ich ihr jedenfalls lassen, ein Händchen für Mode hatte sie. Ich ließ meine Scheibe herunter. Ein kalter Wind wehte durch das Fenster, sodass ich instinktiv zusammenzuckte. Das Wetter hier war um einiges frischer als in London.

»Du musst Helen Collins sein! Wir hatten geschrieben. Ich bin Sofie Parker, deine Mentorin. Ich habe dich bereits beim Einparken gesehen und gedacht, bevor du mich nicht findest, klopfe ich lieber gleich ans Fenster. Tut mir wirklich sehr leid wegen deiner Hose!«

Schuldbewusst nickte sie in die Richtung meines Oberschenkels, auf dem ein riesengroßer Kaffeefleck prangte. War ja nicht so, dass sich sonst keiner auf dem Parkplatz befand, aber das behielt ich lieber für mich.

»Hi, ja, kein Problem.«

Während Sofie beiseitetrat, schloss ich zögerlich mein Fenster und stieg aus meinem Wagen aus. Mit einem Taschentuch versuchte ich den Kaffeefleck wegzurubbeln, was es aber nur noch schlimmer machte. Die Hose war total hinüber.

»Na ja, jedenfalls herzlich willkommen in Cheltenham und in den Cleeve Hills«, erklärte sie wie eine Reiseführerin und breitete voller Stolz die Arme aus. »Wie du wahrscheinlich bemerkt hast, ist der Campus nicht allzu groß.« Sofie deutete auf das Hauptgebäude und den Park, der direkt vor uns lag.

Nicht allzu groß war noch eine Untertreibung. Laut der Uni-Website gab es gerade mal ein Hauptgebäude, ein Studentenwohnheim, einen Park, ein kleines Café und eine Sportanlage. Eben das komplette Gegenteil zu London, aber was erwartete ich auch? Ich war mitten in der englischen Provinz, in der es mehr Schafe als Menschen gab. Der kleine Ort namens Cotwoods, der sich wie Cheltenham in den Cleeve Hills befand und in dem Amy und ich ab jetzt lebten, zählte gerade mal dreihundert Einwohner. Von groß waren wir also ganz weit entfernt.

»Da hast du wohl recht«, sagte ich deshalb leise.

»Vielleicht könnte ich dich ein bisschen herumführen?«, fragte mich Sofie und lief, ohne meine Antwort abzuwarten, zielstrebig los. Die kleine Blondine ging mit einem zackigen Tempo voran und hatte in kürzester Zeit den Unipark erreicht, der nicht größer als ein Sportplatz war und auch nicht anders aussah. Ich schnappte mir schnell meine Tasche, verriegelte mein Auto und versuchte Sofie mit zügigen Schritten einzuholen.

»Du studierst also Journalismus im dritten Semester?«, fragte sie, während ihr Blick nach wie vor auf den Weg gerichtet war.

Ich bejahte nur und dachte darüber nach, was ich sie fragen könnte. Denn eigentlich wusste ich bereits über sie Bescheid. Sie studierte im sechsten Semester Journalismus, schrieb gerade ihre Bachelor-Arbeit, war Leiterin des Mentoren-Programms und arbeitete für die Campus-Zeitung. Alles in allem die perfekte Kandidatin für meine Pläne.

»Schreibst du selbst auch? So eine Elite-Studentin wie dich würden wir bei unserer Campus-Kolumne jederzeit begrüßen.« Sofie sah mich nun erwartungsvoll an und strich sich dabei durch ihr perfekt gewelltes Haar.

»Wir berichten über alle angesagten Themen, Events und jeden Klatsch und Tratsch«, verkündete sie stolz, als wäre die Kolumne eine Premium-Zeitschrift schlechthin. Ich musste schmunzeln.

»Danke fürs Angebot, ich werde auf jeden Fall darauf zurückkommen.« Wohl oder übel musste ich das.

Nachdem wir den kleinen Park durchquert hatten, konnte ich das kleine, mit weißen Backsteinen besetzte Café genauer in Augenschein nehmen, das auf einem Platz zwischen Park und Sportgelände lag. Ich war positiv überrascht. Vor dem weißen Backsteinhaus standen zusammengewürfelte Tische und Stühle, die aber doch irgendwie harmonierten. Mit den bunten Blättern drumherum war es eindeutig der schönste Ort hier.

»Wohnst du dann bei deinen Eltern oder hier auf dem Campus?«

Mit diesen Worten riss Sofie mich aus meiner Analyse und katapultierte mich in die knallharte Realität. Ich blickte zu Boden. »Meine Schwester und ich wohnen bei meiner Grandma in Cotwoods«, antwortete ich knapp. Ein Wort über meine Familie reichte aus, dass mein Herz erneut in tausend Teile zersprang. Doch ich musste mich zusammenreißen, keiner durfte erfahren, weshalb wir hier waren. Deshalb setzte ich mein bestes Lächeln auf und versuchte dieses riesige Loch in meiner Brust zu überspielen.

Sofie bemerkte zum Glück nicht, wie sehr mich ihre Frage belastete und zählte mir alle weiteren wichtigen Daten auf, die man über die Uni wissen sollte. Ich bekam sogar eine selbst erstellte Broschüre, doch meine Gedanken waren ganz woanders.

Schließlich erreichten wir ein großes Gebäude, das einem Stadion ähnelte. Wir blieben am Eingang stehen und bestaunten die meterhohen Säulen aus Beton, bis Sofie einen Schlüssel zückte.

»Gehen wir rein.«

Als wäre es das Selbstverständlichste der Welt, betraten wir gemeinsam das Betongebilde. Sofie zeigte auf eine Tribüne, die ich hier in dieser Größenform nicht erwartet hätte. Ich konnte mit Sport überhaupt nichts anfangen, im Grunde genommen waren wir beide die größten Feinde. Aber das hier war einfach gigantisch. Nachdem wir viel zu viele Treppen zur Tribüne hochgestiegen waren, hatte man einen perfekten Blick auf das Spielfeld.

»Hier spielt unser ganzer Stolz der Stadt, die Cheltenham Robins. Wir haben zwar nicht viel zu bieten, aber unser Stadion ist nicht ohne, oder?«, sagte sie stolz.

Ich musste direkt an Dad denken, der hier völlig aus dem Häuschen gewesen wäre. Immerhin war er ein großer Fan von Arsenal London gewesen und hatte eine Jahreskarte gehabt. Fußball war sein Heiligtum gewesen. Manchmal hatte ich das Gefühl gehabt, dass ihm dieser Sport mehr bedeutete als alles andere. Immerhin war er zu keinem Spiel zu spät gekommen. Ich seufzte innerlich. Es gab keinen Ort, an dem ich nicht an ihn denken musste.

»Gutes Timing würde ich mal sagen. Das sind die Spieler der Cheltenham Robins«, erklärte Sofie und deutete auf das Spielfeld, wo sich das Team gerade unterhielt. Dann begann sie damit, mir einen Vortrag über die Saison zu halten, die gerade angefangen hatte, und darüber, in welcher Liga sie spielten.

Uninteressiert schaltete mein Gehirn automatisch ab und beobachtete die Spieler, während wir weiter nach unten zu den besseren Rängen liefen. Ein paar Typen waren gerade dabei, ihre Sachen zusammenzupacken, als ein weiterer, aber viel größerer Spieler dazukam. Er sagte etwas zu den anderen und stellte sich breitbeinig auf. Auch aus der Entfernung stach er deutlich hervor. Er war einfach so riesig, dass man gar nicht hätte wegschauen können. Seine braunen Locken fielen ihm wild ins Gesicht, seine Arme waren so definiert, er hätte locker einen Baum fällen können. Einen Baum? Was zur Hölle war los mit mir?

»Das ist Chase Colemann«, sagte Sofie und trat in mein Sichtfeld, da sie wohl bemerkt hatte, wie ich den Typen anstarrte. Meine Wangen glühten vor Scham, weshalb ich irgendwie versuchte der Situation zu entfliehen. Ich musste mich verdammt noch mal konzentrieren.

»Und die anderen?«, fragte ich deshalb nach und deutete auf drei weitere Spieler.

»Der Typ links ist Dylan, mein großer Bruder, und der daneben Liam.« Sie wandte sich der rechten Seite zu. »Und das ist Archie«, flüsterte Sofie und verschluckte das letzte Wort. Ich hatte keine Ahnung, was gerade vor sich ging, doch die sonst so toughe Blondine wirkte auf einmal gar nicht mehr so selbstbewusst.

Ich betrachtete diesen Archie genauer und stellte fest, dass er eine gewisse Ähnlichkeit mit Taylor Lautner hatte. Im Vergleich zu den anderen war er jedenfalls der Kleinste.

Als hätte Archie ihren Blick gespürt, drehte er sich auf einmal um und sah zu uns hoch, genauso wie Chase. Mein Bauch kribbelte wie wild.

»Lass uns gehen. Ich zeige dir den Rest«, nuschelte Sofie völlig überhastet und zog mich unsanft am Arm hinter sich her. In einem zügigen Tempo rannten wir die Treppen wieder nach oben.

Was ist das denn gewesen?

Ich blickte noch einmal zurück und sah, dass wir nun die Aufmerksamkeit der gesamten Mannschaft hatten. Toller Start. Hoffentlich würde ich diese Spieler nicht so schnell wiedersehen. Ich musste mich auf meinen Plan konzentrieren und nicht auf einen superheißen Spieler mit kräftigen Armen.

»Ich muss jetzt los, Sofie, danke fürs Herumführen!«, platzte es geradezu aus mir heraus, während wir das Gebäude verließen.

»Warte kurz, ich brauche noch deine Nummer!« Bevor ich etwas antworten konnte, nahm sie einfach mein Telefon, das ich gerade aus meiner Tasche geholt hatte, und tippte irgendetwas ein.

»Morgen Abend findet das erste Saisonspiel statt. Mein Bruder Dylan schmeißt danach eine Party bei uns zu Hause. Du musst unbedingt kommen.«

Eine Party und dann auch noch mit den Spielern von eben? Das war ganz und gar keine gute Idee. Andererseits wäre es die Chance, mehr über den Ort herauszufinden.

»Ich weiß noch nicht, schreib mir einfach die Uhrzeit und den Ort, dann schaue ich, ob ich Zeit habe.« Sofie reichte mir mein Handy und klatschte in die Hände.

»Wie toll! Ich freue mich, bis morgen«, quietschte sie geradezu, nahm mich in den Arm und drückte mich so fest, dass mir fast die Luft wegblieb. Für Sofie reichte meine Antwort anscheinend aus. Diese Frau bekam wahrscheinlich alles, was sie wollte. Langsam löste sie die Umarmung und blickte mich mit ihren hellblauen Augen an.

»Schön, dass du hier bist, wir werden mit Sicherheit tolle Freundinnen. Wir sehen uns.«

Bevor ich etwas erwidern konnte, marschierte sie bereits davon. Sprachlos starrte ich ihr nach. Ich wollte keine Freunde und erst recht wollte ich diese Spieler nicht wiedersehen. Mein Plan sah lediglich vor, unser altes Leben zurückzugewinnen und herauszufinden, wieso das alles mit meinem Vater passiert war. Mein Gefühl sagte mir aber, dass ich hier noch eine Zeit lang festsitzen würde.

Kapitel 2

Helen

Ich hatte nur eine Stunde an meiner neuen Uni verbracht und war bereits jetzt vollkommen durcheinander. Nachdenklich machte ich mich auf den Weg zu meiner ersten Vorlesung, die in knapp dreißig Minuten losging. Ich überquerte den Vorplatz des Stadions und betrachtete das hübsche weiße Café, an dem Sofie und ich bereits vorhin vorbeigekommen waren. Da ich nun in unmittelbarer Nähe war, konnte ich den Geruch von süßlichem Zimt und frisch geröstetem Kaffee wahrnehmen. Das ließ mein Herz Purzelbäume schlagen und brachte mich dazu, durch die Tür zu gehen, die gerade aufschwang, als jemand anderes heraustrat. Ich hatte ohnehin vor meinen verschütteten Kaffee aufzuholen.

Als ich mich umsah, traute ich meinen Augen kaum. Runde weiße Tische, abgenutzte Holzstühle und ein Kaminofen verzauberten den Raum. Eine mintfarbene Theke mit süßem Gebäck und Kaffee rundete den Anblick ab. Es war einfach zu schön für diesen Ort. Kaum ein Student war hier, was mich bei einer so kleinen Uni nicht wunderte, aber umso mehr freute. Ich kramte schnell zehn Pfund aus meiner Tasche und bestellte einen Pumpkin Spice Latte. Während die junge Frau, die nicht älter als ich sein konnte, mein Herzgetränk zubereitete, schweiften meine Gedanken ab. Ich dachte darüber nach, wieso Sofie so abrupt davongelaufen war und wie ich all dem aus dem Weg gehen konnte. Ich brauchte nicht noch zusätzlich Stress und vor allem keine nervigen Fußballer.

»Entschuldigen Sie«, sagte plötzlich eine Person, die mich zusammenfahren ließ. Die Bedienung reichte mir meinen Spice Latte und grinste mich freundlich an.

»Sie sind bestimmt neu hier?«, erkundigte sie sich höflich und strich über ihre kleine Schürze.

»Sieht man mir das an?«, entgegnete ich misstrauisch und nippte an dem Getränk, das köstlich schmeckte.

»Hier kennt jeder jeden und Sie habe ich hier noch nie gesehen, ich hoffe, die Frage war nicht zu aufdringlich«, schob sie hinterher und lächelte entschuldigend. Ich schüttelte höflich den Kopf.

Das war gar nicht gut.

»Wo kommen Sie denn her?«, wollte sie nun wissen. Schon wieder jemand, der persönliche Fragen stellte, die ich nicht beantworten wollte. Ich sollte gehen und zwar schnell. Deswegen blickte ich auf meine roségoldene Uhr und musste feststellen, dass ich nur noch zehn Minuten bis zum Vorlesungsbeginn hatte.

»Oh, ich komme zu spät«, log ich und verließ im Eilschritt den Laden. Bevor die Tür hinter mir ins Schloss fiel, schob ich noch schnell ein »Vielen Dank« hinterher. Wieder im Freien atmete ich erleichtert aus. Das war zwar nicht die feine Art gewesen, doch ich wollte nicht auffallen und erst recht konnte ich nicht zulassen, dass jeder über mich Bescheid wusste.

Ich eilte zum Haupteingang und bemerkte mit einem erneuten Blick auf die Uhr, dass ich mich nun wirklich beeilen musste. Zum Glück hatte ich bereits zu Hause den Vorlesungsraum auf dem Gebäudeplan gefunden, sodass ich den Weg kannte.

Schnell ging ich durch die heruntergekommene Eingangstür, rannte den Flur entlang und versuchte nicht ganz außer Puste zu geraten. Immerhin wollte ich nicht am ersten Tag mit einem roten Kopf aufkreuzen. Doch als ich endlich die Tür zum Kursraum erreichte und öffnete, brannten meine Lungen wie Feuer. Die Rechnung mit dem roten Kopf war nicht aufgegangen, da ich spürte, wie die Hitze in mir aufstieg. Ich kannte meinen Körper und ich wusste genau, dass ich nun so rot war wie eine Tomate.

Völlig außer Atem betrat ich gerade noch pünktlich den Raum, der gegen meine Erwartung still war. Ich drehte mich um und bemerkte, wie meine neuen Kommilitonen mich anstarrten, als wäre ich eine Außerirdische.

»Ist das die Vorlesung für Medienwirtschaft?«, fragte ich vorsichtshalber beim Professor nach, der mich mit seiner tiefsitzenden Brille musterte. Er war ungefähr mittleren Alters und man konnte ihm die Weisheit direkt vom Gesicht ablesen.

»Richtig, und Sie sind Ms Collins?« Ich nickte bloß und nahm die Liste entgegen, auf der ich unterschreiben sollte.

Woher zur Hölle wusste er meinen Namen? Irritiert ging ich durch die Reihen des kleinen Vorlesungsraums und bemerkte, dass der Kurs nur aus knapp dreißig Leuten bestand, was für mich sehr ungewöhnlich war. Unsere Vorlesungen am Kings College waren teilweise so überfüllt gewesen, dass man nicht mal mehr auf den Treppen einen Platz fand. Ich steuerte auf einen Sitzplatz in der letzten Reihe zu, da die vorderen Reihen bereits besetzt waren. Dort angekommen legte ich leise meine Tasche ab und setzte mich hin.

»Herzlich willkommen zum neuen Semester. Zu Beginn befassen wir uns mit Digital Business. Wir starten mit …« Noch bevor der Professor den Satz beenden konnte, ging plötzlich die Tür auf.

»War ja klar«, flüsterte eine Kommilitonin vor mir ihrer Nachbarin zu. Unbeeindruckt von der Störung warteten alle ab, bis der Neuankömmling endlich die Tür hinter sich schloss. Seiner Statur nach zu urteilen, machte der Mann, der riesig war, verdammt viel Sport. Sein Shirt spannte. Doch wieso kam mir dieser Typ so bekannt vor? Als ich nun einen freien Blick auf sein Gesicht hatte, wurde mir alles klar.

Das war unmöglich! Nie im Leben, er musste sich verirrt haben! Was wollte sonst ein Fußballspieler in einem Journalismus-Kurs? Unauffällig rutschte ich automatisch etwas tiefer, mein Herz raste. Mit langsamen Schritten bewegte er sich in die Richtung des Professors. Ich konnte nicht aufhören ihn anzustarren, da er von Nahem noch größer und breiter als auf dem Spielfeld wirkte. Er trug ein schwarzes T-Shirt und eine Trainingshose, die ihm locker auf den Hüften saß. Das Logo der Cheltenham Robins, ein schwarzer Adler, war auf der Seite seiner Hose abgedruckt. Seine braunen Locken wurden von einer Cap verdeckt, die er falsch herum trug.

Der Professor sah Chase ernst an. »Mr Colemann, wie oft habe ich Ihnen letztes Semester schon gesagt, dass hier keine Unpünktlichkeit geduldet wird? Das nächste Mal erwarte ich Sie Punkt elf, ansonsten können Sie direkt den Kurs verlassen.«

Zwischen den Reihen konnte man ein leises Raunen hören. Chase stand nun dem Professor gegenüber, der einen ganzen Kopf kleiner war. Doch anstatt sich bei ihm zu entschuldigen, ging Chase zielstrebig an ihm vorbei.

Was für ein arroganter Arsch! Er machte seinem Image als Fußballspieler alle Ehre. Immerhin waren die Spieler, die ich bisher kennengelernt hatte, genauso eingebildet und unfreundlich gewesen wie er.

Auf der Suche nach einem Sitzplatz sah er mir für einen kurzen Moment ins Gesicht. Dabei starrte er mich mit seinen haselnussbraunen Augen abfällig an und verzog dabei keine Miene. Allein das verunsicherte mich so sehr, dass ich automatisch zu Boden blickte.

Als mir auffiel, dass nur noch neben mir ein Platz frei war, wäre ich am liebsten im Erdboden versunken. Ich sah an mir herunter, mein Fleck auf der Hose war nun dunkelbraun und es sah aus, als hätte ich es nicht mehr rechtzeitig auf die Toilette geschafft. Ich überlegte kurzzeitig zu flüchten, mir eine Ausrede einfallen zu lassen, sogar aus dem Fenster zu springen. Doch einen Ausweg gab es nicht. Jeder Fluchtversuch wäre in der kurzen Zeit zu hundert Prozent gescheitert. Mein Puls raste.

Was war eigentlich los mit mir? Er konnte mir egal sein, ich war wegen etwas anderem hier. Wie von selbst richtete sich mein Blick erneut auf ihn. Chase bewegte seinen durchtrainierten Körper langsam durch die Reihen und ließ sich, ohne mich nur eines weiteren Blickes zu würdigen, direkt neben mir nieder. Er begrüßte mich weder, noch nickte er mir zu. Ich wusste nicht, ob es die Wut oder seine Nähe war, die meinen Körper beben ließ.

So ein Mistkerl, fluchte ich innerlich.

Wütend holte ich mein Mäppchen aus der Tasche und kramte einen Stift hervor. Ich versuchte der Vorlesung zu folgen, doch der penetrante Geruch nach frischer Meeresbriese lag in der Luft und ich wusste genau, wer dafür verantwortlich war. Wieso musste der Typ auch noch so gut riechen? Ich musterte seine markanten Gesichtszüge und seine vollen Lippen. Ich hatte noch nie einen Menschen gesehen, der so viel Arroganz ausstrahlte wie er.

»Willst du mich noch länger so blöd anschauen oder bist du dann fertig?«, herrschte er mich trocken an. Er drehte sich zu mir und musterte mich mit seinen braunen Augen so eindringlich, dass ich erstarrte. Seine Lippen verformten sich zu einem provokanten Lächeln.

Was geschieht hier gerade?

Unfähig ein Wort über meine Lippen zu bringen, sah ich ihn wie eine Vollidiotin an. Das war das erste Mal in meinem Leben, dass mir nichts einfiel, überhaupt nichts! Ich saß lediglich mit offenem Mund da und brachte keinen Ton heraus.

Ohne weiter auf mich einzugehen, wandte sich Chase wieder der Vorlesung zu und tat so, als wäre nichts gewesen. Vollkommen perplex setzte ich alles daran, es ihm gleichzutun, was nicht funktionierte. Ich war stinksauer und gleichzeitig eingeschüchtert, traute mich nicht einmal mehr zu ihm hinüberzusehen. Um mich abzulenken, probierte ich mitzuschreiben und der Vorlesung zu folgen, doch ohne großen Erfolg. Jede Sekunde fühlte sich wie eine Stunde an und ich ärgerte mich immer mehr.

Während ich meinen Zorn herunterzuschlucken versuchte, vibrierte plötzlich mein Handy. Hoffentlich nicht Amy, immerhin hatte sie heute ihren ersten Tag an der neuen Highschool. Ich holte mein Handy aus der Tasche und checkte unauffällig meine Nachrichten.

Ich habe Informationen über deinen Vater. Ruf mich an, wenn du kannst. X.

Mein Puls ging sofort schneller. Damit hatte ich nicht gerechnet. X stand für Xaver, einem sehr guten Freund unserer Familie. Er hatte mit meinem Dad in einem IT-Unternehmen gearbeitet und uns auf Dads Beerdigung versprochen zu helfen, wo er nur konnte. Er wollte ebenfalls herausfinden, was mit Dad geschehen war. Vor allem, da wir jetzt nur noch unsere Granny hatten. Er war schon damals für uns da gewesen, wenn Dad keine Zeit gehabt hatte, da er wusste, wie schwer es uns manchmal gefallen war, ohne Mutter aufzuwachsen.

Ich fragte mich, was er wohl herausbekommen hatte. Mit zittrigen Händen legte ich mein Handy auf die Seite und versuchte mich irgendwie zu beruhigen. Mein Blick wanderte zur Uhr, was sich in der nächsten halben Stunde unzählige Male wiederholte, da ich es nicht abwarten konnte, dass die Vorlesung vorbei war. Ich wollte nur noch so schnell wie möglich weg, weshalb ich, nachdem die unerträglichen Minuten vorüber waren, all meine Schreibsachen zügig zusammenpackte und in meine Handtasche stopfte. Abrupt stand ich auf, ohne auf meine Umgebung zu achten, nahm mein Telefon und tippte Xavers Nummer ein. Ich wollte gerade loslaufen, doch dabei übersah ich eine ganz bestimmte Person neben mir und knallte mit voller Wucht gegen einen harten Oberkörper.

»Verdammt, pass doch auf!«, zischte Chase zornig. Angewidert sah er auf mich nieder, als wäre ich die ekelhafteste Person der Welt. Was für ein verdammtes Problem hatte dieser Kerl? Wütend funkelte ich den Riesen an, der nun mit verschränkten Armen vor mir stand.

»Das nächste Mal suchst du dir besser einen anderen Platz. Neben so einem Arsch wie dir möchte nämlich keiner sitzen«, motzte ich ihn an.

Ich wartete seine Reaktion nicht ab, löste mich von seinem harten Oberkörper und rannte aufgebracht davon, sodass ich dabei fast einen Kommilitonen umgeschubst hätte. Je weiter ich mich von Chase entfernte, desto mehr wurde mir klar, was ich da gerade gesagt hatte.

Was war in mich gefahren? Ich wollte hier nicht auffallen und was machte ich? Ich beleidigte den nächstbesten und wahrscheinlich schärfsten Typen der Uni. Andererseits musste jemand diesen Typen auf den Boden der Tatsachen zurückholen. So selbstsicher, wie Chase durch die Welt ging, hatte ihm wahrscheinlich vorher niemand gesagt, dass er sich wirklich danebenbenahm. Ich durchquerte den Flur, lief so schnell ich konnte zu meinem Auto und stieg ein. Vorsichtshalber blickte ich noch einmal zurück, doch von Chase war keine Spur zu sehen. Am besten ging ich ihm in Zukunft einfach aus dem Weg und damit hatte sich die Sache erledigt.

»Was für ein Tag«, flüsterte ich vor mich hin.

Als sich mein Atem wieder beruhigte, rief ich schließlich Xaver an. Ich kaute nervös an meinen Fingernägeln herum. Nach ein paar Sekunden meldete er sich am anderen Ende der Leitung.

»Helen hier. Was hast du herausgefunden?«, fragte ich ihn leise. Mein Herz raste.

»Ich bin noch einmal die komplette Anruferliste deines Vaters durchgegangen. Dabei ist mir eine Nummer aufgefallen, die er teilweise sogar nachts angerufen hat«, sagte er ernst.

»Konntest du dazu einen Namen finden?«

»Noch nicht, aber ich konnte die Anrufe nach Cotwoods zurückverfolgen. Sobald ich mehr weiß, melde ich mich sofort.« Er legte auf.

Ich verstand einfach nicht, was Dad vor seinem Tod hier gewollt hatte. Cotwoods war bisher immer nur ein kleiner unbedeutender Ort gewesen, den wir früher wegen Granny besucht hatten. Doch nun lebten wir hier, da unsere Grandma Amys Vormund war und es in Cotwoods die einzigen Anhaltspunkte zu Dads Tod gab. Unter anderem, dass er in letzter Zeit wegen Geschäftsterminen hierhergekommen war, aber mit niemanden weiter Kontakt gehabt hatte. Jedenfalls hatte er nie etwas erzählt. Wie so vieles nicht.

Ein leichter Regen, der gegen meine Windschutzscheibe prasselte, brachte mich wieder ins Hier und Jetzt zurück. Ich blickte auf meine Uhr, die bereits zwölf Uhr dreißig anzeigte. Verdammt, Amy. An ihrem ersten Tag sollte sie nicht warten müssen. Ich fuhr deswegen so schnell wie möglich von Cheltenham nach Cotwoods zurück und zermarterte mir den Kopf darüber, was Dad wohl in seinen letzten Momenten gedacht hatte. Nach etwa zwanzig Minuten erreichte ich die Schule. Amy kam bereits aus dem Gebäude, das im Vergleich zu meiner Uni etwas besser erhalten war, als plötzlich mein Handy aufleuchtete. Wieder eine Nachricht von Xaver.

Der Name lautet: William Colemann. Finde heraus, wer er ist. X.

Mein Herz setzte aus. Das war doch wohl ein schlechter Witz. Ich googelte sofort Colemann und Cotwoods und es erschien ein Bild von einer Familie, auf dem William Colemann, seine Frau und drei Kinder zu sehen waren. Eines davon war Chase. Ich steckte wirklich in der Scheiße, denn ich musste etwas über eine Familie herausfinden, dessen Sohn ich gerade beleidigt hatte und zutiefst verabscheute.

Kapitel 3

Chase

Neben mir ertönte das penetrante Klingeln meines Handys, das ich am liebsten gegen die Wand geschleudert hätte. Alles in mir sträubte sich dagegen, aufzuwachen und in die Realität zurückzukehren. Ich drehte mich nochmals um, doch anstatt mein federweiches Bett genießen zu können, spürte ich bei der kleinsten Bewegung einen dumpfen Schmerz, der durch jeden einzelnen Muskel zog. Völlig verschlafen öffnete ich langsam meine Augen und blickte zu den bodentiefen Fenstern meines Schlafzimmers. Trotz der Jalousien erhellten Sonnenstrahlen den Raum, die aber das Aufstehen nicht besser machten. Jeder Muskel fühlte sich so schwer wie Blei an. Das war mit Abstand der härteste Muskelkater, den ich je gehabt hatte. Trotzdem liebte ich dieses Gefühl. Ich hatte gestern Abend Extrarunden gedreht und meinen Körper bis an die Grenze getrieben. Ich brauchte diesen Kick, nur so konnte ich abschalten und für einen kurzen Moment alles um mich herum vergessen.

Mein Handywecker klingelte nun zum dritten Mal. Es war bereits sieben Uhr fünfundvierzig. Ich hatte gerade mal vier Stunden geschlafen. Der Coach erwartete uns in genau fünfzehn Minuten auf dem Platz und obwohl wir heute nur Besprechung hatten, wusste ich, dass wir für jede verspätete Minute eine Runde laufen mussten. Würde knapp werden.