Finn Becket Undercover: - Melanie Busch - E-Book

Finn Becket Undercover: E-Book

Melanie Busch

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Beschreibung

Diesmal muss Finn Becket eine für ihn ungewöhnliche Rolle einnehmen. Er soll einen jungen, reichen Geschäftsmann verkörpern, der auf der Suche nach dem gewissen Nervenkitzel ist. Er will herausfinden, warum in New York immer wieder Mädchen aus dem Ostblock Europas tot aufgefunden werden. Vermuten tut er dahinter einen Menschenhändlerring, der widerliche Sexpartys organisiert oder die Mädchen zum Verkauf im Darknet anbietet. Sein Partner Elias Brennan ist dabei stets an seiner Seite, und hilft ihm aus so manch prekärer Situation. Wird Finn die Menschenhändler verhaften und die Mädchen retten können? Und wie geht es eigentlich mit ihm und Allie weiter?

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Seitenzahl: 237

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Ähnliche


Für Kyra Marie, meine Tochter.

Weil sie einer der tollsten Menschen ist,

die ich kenne.

Ich liebe dich.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Vorwort

Es war kalt und dunkel.

Anuschka fror entsetzlich. Und sie konnte sich nicht daran erinnern, wann sie jemals so einen Durst gehabt hatte. Und so einen riesengroßen Hunger.

Das Zeitgefühl hatte sie schon in den ersten Tagen verloren. Vor drei Tagen, so vermutete sie anhand des Lichts, was sich mühsam seinen Weg unter einer verzogenen Türschwelle hindurch kämpfte hatten sie zuletzt etwas zu Essen und zu trinken bekommen. Nicht viel und schon gar nicht genug, um satt zu werden. Die Männer, die sie hier in diesem verrosteten Frachtcontainer versorgten, hatten ihnen ein paar verschlissene Decken da gelassen, so dass sie sich wenigstens ein wenig gegen die Kälte schützen konnten. Doch es war November und so, wie es den ganzen Tag über schaukelte, waren sie auf hoher See.

Sie waren zu fünft. Fünf Mädchen aus Rumänien, der Ukraine und Russland, die ihren Familien und Freunden entrissen worden, vergewaltigt und geschlagen worden waren, bevor sie betäubt und angeschlagen auf dieses Schiff kamen. Wie Vieh in einem Frachtcontainer versteckt und ab und zu gefüttert wurden.

In den ersten Tagen, weinten sie noch viel. Doch das wurde weniger, denn Tränen brachten sie hier auch nicht weiter. Und irgendwann sahen Anuschka und die anderen Mädchen ein, dass weinen nur eine Verschwendung von Flüssigkeit wäre. Und die gab es hier nun einmal nicht genug.

Wie lange konnte man ohne etwas zu trinken überleben? überlegte sie. Sie glaubte mal etwas von 5 Tagen gelesen zu haben, konnte sich aber nicht mehr genau daran erinnern. Und ohne etwas zu Essen? War das länger oder kürzer? Und was, wenn sie hier erfroren? Julia neben ihr zitterte schon den ganzen Tag vor sich hin. Und das andere Mädchen, mit dem seltsamen Namen, den sie sich nicht merken konnte, hatte schon ganz blaue Zehen und Finger. Sie würde sie bestimmt verlieren, wenn nicht bald ein Wunder geschah.

Anuschka zog Julia dichter zu sich heran. Sie konnten wenigstens versuchen, sich gegenseitig zu wärmen, auch wenn keine von ihnen noch einen Rest Körperwärme in sich hatte.

„Nicht einschlafen. Das ist gefährlich.“ mahnte sie die zitternd gähnende Julia. Auch das hatte sie wohl mal gelesen. Damals, in einem anderen Leben. Anuschka musste an ihre Eltern denken. Sie waren dagegen gewesen, dass sie an dem Abend vor ungefähr drei Wochen ausgehen wollte. Es war ein Donnerstag und am nächsten Tag stand ihre Abschlussprüfung zur Übersetzerin an. Doch Anuschka hatte nicht auf sie gehört. Sie war schließlich erwachsen und ihre Eltern machten sich oft nur unnötige Sorgen. Und so war sie mit ihren Freundinnen in die Disco gegangen. Sie feierten ausgiebig. Das Leben, die Liebe und alles, was ihnen sonst noch so einfiel. Es gab immer einen Grund zu feiern. Anuschka wünschte sich in diesem Moment, sie hätte auf ihre Eltern gehört.

Sie merkte, wie auch sie langsam müde wurde. Die Augen fielen ihr immer wieder zu und sie war so erschöpft, dass sie beinahe das Schaukeln des Schiffs unter sich nicht mehr spürte.

Auch die anderen Mädchen schlossen immer wieder ihre Augen.

Anuschka wusste, woher auch immer, wenn sie jetzt einschliefen, war das ihr sicherer Tod. Sie versuchte, die anderen dazu zu bringen, mit ihr zu reden. Aber was sollten sie schon erzählen? Die Jüngste von ihnen war schon mit dem Kopf auf dem Schoß einer anderen eingenickt. Und Anuschka fehlte die Kraft, um aufzustehen und sie zu wecken.

Was, wenn ich jetzt auch einfach die Augen schließe, und dann ist es vorbei? dachte sie. Der Schmerz, die Angst, die Gedanken an ihre Eltern.... Anuschka wünschte sich wirklich nichts sehnlicher, als dass das Alles aufhörte. Und sie glaubte nicht mehr daran, ihre Eltern und ihren kleinen Bruder in diesem Leben noch einmal wieder zu sehen.

Sie merkte, wie ihr Körper langsam in sich zusammen sackte. Sie wollte nicht mehr kämpfen, hatte nichts mehr, wofür es sich lohnen würde. Sie schloss die Augen und wartete darauf, dass der Schlaf sie übermannte.

Mit ihrem letzten, klaren Gedanken, dachte sie:“Es tut mir leid, Mama.“

1

Sehr früh am Morgen, die Sonne war noch nicht einmal aufgegangen,streckte Finneas Becket seine 1,76m verschlafen im Bett aus. Er konnte nicht genau sagen, was ihn geweckt hatte, fühlte nur eine innerliche Unruhe, die ihn aufstehen und in seinen roten Boxershorts in die Küche tapsen ließ. Die braunen Haare noch von Allie zerzaust und reichlich müde.

Allie schlief auf dem Bauch liegend noch tief und fest. Ihre schulterlangen, roten Locken verteilten sich über das Kissen und die Decke war ihr bis zu den Hüften herunter gerutscht. Finn hatte noch im Hinausgehen ihre schlanke Figur sehnsüchtig bewundert. Nach der letzten Nacht würde sie noch eine ganze Weile weiter schlafen. Sie hatten sich mehrmals leidenschaftlich geliebt. Finn hatte jetzt noch ein Kribbeln im Bauch, wenn er daran dachte.

Seit fast einem Jahr waren sie nun schon zusammen. Und Finn hatte das Gefühl, als würde er sich jeden Tag mehr in sie verlieben. Er hatte Schmetterlinge im Bauch, wenn er an sie dachte. Waren sie getrennt, konnte er nur an sie denken. Waren sie zusammen, war er der glücklichste Mensch der Welt und rannte mit einem Dauergrinsen herum.

Langsam hatte er sich an das Gefühl gewöhnt. Und sich damit abgefunden, dass er für Allie soviel empfand, wie für keinen anderen Menschen. Auch wenn das am Anfang ihrer Beziehung etwas seltsam für ihn gewesen war. Sich voll und ganz auf einen anderen Menschen einzulassen, musste er erst lernen. Denn dieses ganze Zwischenmenschliche war ihm schon immer ein wenig fremd gewesen.

Doch Allie verstand ihn. Sie hatte ihn an die Hand genommen und viel Geduld mit ihm gehabt.

Die Art und Weise, wie sie ihn ansah ließ ihn oft ehrfürchtig erschauern. Konnte es so leicht sein?

Die Antwort war ja! Es konnte; und es war so leicht!

Er konnte sich jetzt schon ein Leben ohne Allie nicht mehr vorstellen.

Sie hatten oft wenig Zeit füreinander. Allie war in ihrem letzten Studienjahr und machte ein praktisches Jahr im Krankenhaus. Die Schichten war hart und anstrengend. Und manchmal hatte Finn Angst, dass sie ihre naiv-positive Art verlieren könnte, bei den vielen brutalen Verletzungen, die sie zu sehen bekam. Doch Allie blieb stets optimistisch und gut gelaunt. Nichts schien sie aus der Bahn werfen zu können. Ich hab nie eine stärkere Frau kennengelernt, dachte Finn liebevoll und blickte sehnsuchtsvoll auf die geschlossenen Schlafzimmertür.

Finn hingegen war auch nach der Ermittlung gegen ihren Vater in weiteren Einsätzen gewesen. Er versuchte zwar, jeden Abend zu Hause zu sein, schaffte dies jedoch nicht immer. Was ihm jedes Mal wieder leid tat. Doch er liebte seinen Job und wusste, dass er verdammt gut darin war. Die Zeit, die sie miteinander hatten, genossen Finn und Allie allerdings in vollen Zügen.

Sie lachten und hatten viel gemeinsam, Allie lernte Finns Freunde und Familie kennen, sie gingen in´s Kino und Essen...und sie liebten sich. Es war als würden sie perfekt ineinander passen. Wie zwei Puzzleteile, die lange darauf gewartet hatten, zusammengefügt zu werden.

Finn setzte Kaffee auf und zog seine Laufklamotten an. Bevor Allie wach wurde, wollte er noch eine Runde joggen gehen und seinen muskulösen Körper etwas mehr fordern. Denn auch wenn die letzte Nacht ihn ausgepowert hatte, bekam er so immer noch am besten den Kopf frei.

Als er vor die Haustür trat, lief ihm ein Schauer über den Rücken. New York war im Winter nicht unbedingt immer ein Traum. In den letzten Tagen hatte es geschneit, wieder getaut und die Straßen waren hauptsächlich nass und matschig. Zudem war es schweinekalt und es wehte ein kräftiger Wind. Doch davon lies Finn sich jetzt nicht aufhalten. Er steckte sich die Kopfhörer in die Ohren und stellte sich auf dem Handy die Playlist an, die er hören wollte. Dann verstaute er sein Handy in der Hosentasche und lief los.

Schon übermorgen stand ihm ein weiterer Einsatz bevor, der es in sich hatte. Finn hatte wochenlang recherchiert und seine Vita gebüffelt, überlegt, wo er ansetzen sollte, wie er in die richtigen Kreise aufgenommen werden würde.

Diesmal sollte es ihm nicht so leicht fallen, sich mit seiner Rolle zu identifizieren. Denn einen neureichen Geschäftsmann auf Abwegen hatte er noch nie verkörpert. Doch er wollte sich voll und ganz darauf einlassen. Und dafür musste er etwas Abstand zu seinem eigenen Leben gewinnen.

Auf seiner Runde durch die Straßen seines Viertels fiel langsam die Anspannung von Finn ab. Er wollte Allie nicht mit seiner Arbeit belasten. Und um das gerade so kurz vor einem Einsatz hinzubekommen, musste er die Arbeit völlig von sich schieben. Auch wenn er sicher nie so ganz abschalten konnte.

Er hatte immer noch Angst, dass ihr Vater aus dem Gefängnis heraus versuchen würde, sie beide auseinander zu bringen. Auf welche Art auch immer.

Doch in dem Hochsicherheitstrakt, in dem Rodrigo Suarez saß, hatte dieser weder Kontakt nach außerhalb, noch Besuch. Finn erkundigte sich regelmäßig nach ihm.

Allie hingegen hatte ihren Vater abgeschrieben. Nach dem Prozess gegen ihn hatte sie keinen Kontakt mehr gewollt. Und auch nicht gehabt. Für Allie war ihr Vater gestorben, als er beschlossen hatte, Finn verprügeln zu lassen, weil dieser mit ihr Essen war.

Seine Drogengeschäfte hatten es nicht besser gemacht. Allie sah jeden Tag in ihrem Job Menschen, die eine Überdosis hatten oder an der Nadel hingen.

Sie verabscheute dieses Zeug und den Gedanken daran, dass ihr Vater dieses Problem ausgenutzt und verschlimmert hatte.

Ok, genug, dachte Finn. Er bog um die nächste Ecke und machte einen kurzen Stopp bei seinem Lieblingsbäcker, um noch ein paar frische Bagel zum Frühstück mitzubringen. Allie hatte heute Spätschicht, und er wollte den Vormittag mit ihr genießen, so gut er konnte. Zurück in seiner Wohnung sprang Finn schnell unter die Dusche und kroch dann vorsichtig neben Allie in´s Bett. Zärtlich küsste er sie auf die Stirn, strich ihr die vom Sex zerzausten, roten Locken aus dem Gesicht.

„Guten Morgen, du kleine Schlafmütze,“ murmelte er dicht neben ihrem Ohr. Allie grinste mit geschlossenen Augen und drehte sich zu ihm herum. Sie schlang die Arme um seinen Hals und zog ihn für einen weiteren Kuss zu sich heran. „Guten Morgen,“ gähnte sie.

„Rieche ich Kaffee?“

„Das ist also alles was du willst? Kaffee?“ tat Finn ein wenig beleidigt. „Kaffee, und dich!“ zwinkerte Allie ihm zu. Und schon strichen ihre Hände über seinen nackten Rücken. Finn bekam augenblicklich eine Gänsehaut, und einen Ständer.

Er zog Allie zu sich heran und begann, sie am ganzen Körper zu streicheln. Sie liebten sich ausgiebig und waren hinterher beinahe beide zu erschöpft, um sich dem Frühstück zu widmen.

2

Nach einem späten Frühstück und einer gemeinsamen Dusche war es für Allie auch schon an der Zeit, sich auf den Weg zu ihrem Dienst im Krankenhaus zu machen.

Sie küssten sich zum Abschied, als würden sie sich hier und jetzt zum letzten Mal sehen.

Als die Tür hinter Allie ins Schloss gefallen war, seufzte Finn und beschloss, den Nachmittag ebenfalls mit Arbeit zu verbringen. Er schnappte sich seine Tasche und fuhr aufs Revier.

Sein erster Weg führte ihn zu seinem Vorgesetzten Captain Hoock. Ohne anzuklopfen, wie es für Finn üblich war, betrat er das Büro und lies sich auf einen freien Stuhl fallen. „Wie weit ist unser Freund mit dem Geld?“ sagte er, statt einer Begrüßung.

„Na wie schön, sie hier auch nochmal zu sehen. Wo haben sie denn den ganzen Tag über gesteckt? Und noch einmal: Anklopfen wäre schön!“ tadelte ihn sein Chef. „Jaja, ich weiß. Also?“ Finn war gewaltig genervt von der organisatorischen Struktur des NYPD. Er sollte in ein paar Tagen den neureichen Geschäftsmann geben, hatte aber noch nicht einen Cent des benötigten Geldes genehmigt bekommen. Die Behörde arbeitete wieder einmal langsamer als eine Schnecke.

„Ich bin da immer noch dran. Die nächsten Tage werden sie wohl damit verbringen müssen, sich irgendwie eine Einladung zu diesen 'Private Partys' zu verschaffen. Setzen sie sich dafür mit Quentin von der Technik zusammen.“ „Ok mach ich. Und wenn ich da drin bin pack ich mein Monopoly-Geld aus und versuche damit ein Mädchen zu kaufen.“ gab Finn ironisch zurück. „Ich krieg das Geld schon rechtzeitig, keine Angst.“ Hoocks tiefem Seufzer nach zu urteilen glaubte er selbst nicht so ganz daran. „Es ist halt ein Einsatz, der dem Chief kein Ansehen bringt, da er im Geheimen bleiben muss. Da ist es schon etwas schwieriger ihm Geld aus der Tasche zu leiern.“

Sie waren nun schon beinah ein halbes Jahr an dem Fall dran. Das die Vorbereitungen die Hölle sein würden, war Finn schon vorher klar gewesen. Doch als vor etwa drei Wochen in einem Frachtcontainer im New Yorker Hafen vier weibliche Leichen gefunden worden waren, war auch der Commissioner der New Yorker Polizei auf das Problem mit dem Menschenhandel aus dem Ostblock Europas aufmerksam geworden. Die Sache bekam langsam Schwung. Die Mordkommission mischte sich ein, konnte jedoch auch jetzt, drei Monate später keine brauchbaren Ergebnisse vorweisen. So wurden Finneas Becket und Elias Brennan auf den Fall angesetzt.

Und sie hatten auch schon einiges in Erfahrung bringen können. Zum Beispiel, dass die vier jungen Frauen auf dem Weg von Rumänien zu einer sogenannten 'Private Party' waren.

Reiche Männer mit etwas sonderbaren Vorlieben kauften sich dort einfach das Mädchen, was ihnen gefiel und konnten dafür mit ihr machen, was sie wollten. Finn kam das Frühstück hoch, wenn er darüber nachdachte, was mit diesen armen Mädchen wohl alles geschehen sollte. Doch er spürte auch, dass das Ganze noch tiefer ging.

Jetzt lag es einzig und allein noch am Geld und an einer Einladung zu so einer 'Private Party', dass sie ihre Ermittlungen voll aufnehmen konnten. Und an beidem haperte es auch.

Heute wollte Finn mithilfe ihres Computerfreaks Quentin Smith heraus finden, ob man über den Darknet-Browser Tor wohl eine Einladung zu so einer Party bekam. Finn hatte keine Ahnung, was er dazu tun musste. Er war manchmal schon mit seinem Smartphone überfordert. Aber Quentin kannte sich bestens aus.

3

In Quentin´s kleinem Büro im Untergeschoss war es dunkel, warm und stickig. Ein Fenster zu öffnen, wäre hier wirklich einmal nötig gewesen. Doch es gab keins.

Es roch stark nach altem Fast Food und Zigaretten.

Überall hörte man Computerlüfter surren und irgend etwas piepste regelmäßig, wie in einem Krankenhaus.

Quentin war hinter einer Front übergroßer Monitore verschwunden und kaum zu sehen, als Finn den Raum betrat. Er hörte, wie der junge Nerd wie ein Verrückter auf seiner Tastatur herum klapperte. Finn hatte noch nie jemanden so schnell tippen sehen.

Quentin schien ihn noch nicht bemerkt zu haben, und so räusperte Finn sich einmal. „Jemand zu Hause?“ fragte er. „Jaja, komm rein, schließ die Tür und setz dich irgendwo hin.“ kam prompt die gemurmelte Antwort. Quentin war mit den Gedanken offenbar noch im Internet verschwunden. Während er die Tür hinter sich zu drückte suchte Finn nach einem freien Platz. Auf einem Tisch neben Quentins Arbeitsbereich stapelten sich Mc Donald Verpackungen, halbleere Chipstüten und übervolle Aschenbecher. Auch auf dem Stuhl, der davor stand lag eine Big Mäc Schachtel und eine Pommestüte. Finn schmiss sie zu dem Müll auf dem Tisch, da er keinen Mülleimer finden konnte und setzte sich. Jetzt sah Quentin auch endlich auf und lächelte ihn freundlich an. Seine dunkel umrandete Brille war ihm fast bis auf die Nasenspitze herunter gerutscht und ein Teil seiner blonden, langen Haare hatten sich aus seinem Pferdeschwanz gelöst und hingen ihm in das schmale Gesicht. Das schwarze T-Shirt mit der Aufschrift: There´s a 99% Chance I don´t care! hatte auch schon bessere Tage gesehen, lies Finn aber schmunzeln.

„Oh Gott, tut mir leid. Ich war so im Netz versunken, dass ich gar nicht gesehen habe, wer reinkommt.

Entschuldige, wenn ich zu schroff war. Was kann ich für dich tun, Finn?“ wollte Quentin verlegen wissen.

„Ist schon gut. Du kennst dich doch sicher im Darknet aus?“ begann Finn. Er wusste selbst nicht so genau, was Quentin eigentlich erreichen konnte. Und er sah sich nicht als etwas Besseres wie Quentin, also beschloss er, nicht weiter auf die unnötige Entschuldigung einzugehen. „Ähm, ist das ´ne Fangfrage? Und wenn ich mit Ja antworte, kann das gegen mich verwendet werden?“ Quentin wirkte unsicher. „Nein, ich brauche deine Hilfe um eine Einladung zu einer dieser Partys zu kriegen, wo sie Mädchen aus dem Ostblock verkaufen.“ Finn konnte die Überraschung in Quentins Gesicht sehen. „Ich habe schon davon gehört. Das hat sicher mit den Leichen zu tun, die sie aus diesem Frachtcontainer gezogen haben, oder?“ „Genau. Wir vermuten, dass sie auf so einer Versteigerung landen sollten. Ich will da hin. Und man sagt ja, im Darknet findet man alles, oder?“

„Hmm, eigentlich schon. Und so schwierig ist das auch gar nicht. Du wärst überrascht.“ Quentins Finger flogen schon während er das sagte über die Tastatur.

In wenigen Minuten hatte er den Tor-Browser heruntergeladen, geöffnet und scrollte durch eine Suchseite. Was genau man eingeben musste, um einen Menschen zu kaufen, wusste Finn immer noch nicht.

Aber er vertraute darauf, dass der junge Mann, der fast sein ganzes Leben im Internet verbrachte, wusste, was er tat.

„Hier!“ Quentin zeigte auf eine Stelle auf seinem Monitor. Finn beugte sich hinüber und staunte nicht schlecht, was Quentin gefunden hatte. Tatsächlich war die ganze Seite voll mit Anzeigen, in denen Menschen zum Kauf angeboten wurden. Und das war noch nicht alles. Auch auf den folgenden Seiten kamen immer mehr Anzeigen zum Vorschein. Finn wurde übel, als er sah, dass es sich hierbei nicht nur um ein paar Mädchen aus Rumänien oder der Ukraine handelte.

Man konnte die Seite sogar nach Alter und Geschlecht sortieren lassen. Vom Säugling bis zum gestandenen Mann war alles dabei. Und offenbar ging es bei vielen der Anzeigen nicht ausschließlich um Sex. Einer der Männer bot sich sogar an, um von jemand anderem gegessen zu werden. Die Bilder dazu ließen ihm einen eiskalten Schauer über den Rücken laufen.

„Wenn wir das alles wissen, warum stürmen wir die Buden von diesen Scheißnerds nicht und verhaften die alle?“ wollte er aufbrausend von Quentin wissen.

„Das ist nicht so einfach, wie es aussieht. Der Tor-Browser verschlüsselt deine IP-Adresse und es lässt sich nur sehr schwierig bis gar nicht heraus finden, von wo diese Leute operieren. Und es sind auch nicht alles Nerds. Die meisten sind schlicht und einfach Verbrecher.“ versuchte er Finn etwas beleidigt zu erklären, warum das nicht ging.

„Tut mir leid, aber das ist doch ´ne Riesenscheiße!“ Finn schüttelte sich kurz, um sich wieder zu fangen.

„Ok, kannst du irgendwas von unseren Private Partys finden? Irgendeine Veranstaltung? Nichts was online ist.“ „Das wird ´ne Weile dauern. Wenn du willst, such ich das hier gern durch und geb´ dir dann Bescheid.“ bot Quentin an. „Das wäre sehr nett. Danke!“ Finn war froh, sich diesen Mist nicht weiter ansehen zu müssen.

Und aus dieser Computerhölle heraus zu kommen. Er brauchte jetzt einen starken Kaffee und eine Zigarette.

4

Auf dem Weg nach draußen traf Finn auf Elias. Dieser war ja auch schlecht zu übersehen, Mit seinen 1,90 m überragte er beinah jeden. Seine dunkelblonde Mähne, die er fast immer zu einem Pferdeschwanz gebunden trug verlieh ihm das aussehen eines Motorradrockers und ließ andere Menschen oft eingeschüchtert zu ihm aufsehen. Sein Partner und bester Freund war schon sichtlich aufgeregt, dass es nun bald richtig losgehen sollte. „Becks, wo warst du heute morgen? Der Alte hat schon ´nen halben Herzkasper bekommen weil er sich so aufgeregt hat.“ begrüßte ihn Elias mit dem Spitznamen, den nur er benutzte. Dieser ging zurück auf so manch durch zechte Nacht, die die beiden schon hinter sich hatten.

Und auf ihre gemeinsame Lieblingsbiermarke aus Deutschland. Aus einer Sauflaune heraus hatte Elias irgendwann einmal festgestellt, dass Becket sich wunderbar zu Becks umwandeln lies.

„Hatte andere Verpflichtungen,“ gab Finn nur knapp zurück und zündete sich eine Zigarette an und dachte kurz an den Sex mit Allie am Morgen. „Man, ich dachte du hast aufgehört?“ Elias wedelte mit einer Hand den Rauch weg, der zu ihm herüber zog. „Ja hab ich auch.

Aber wenn du dir im Darknet diese Scheiße anguckst, fängst du auch wieder an.“ Finn nahm einen tiefen Zug von seiner Lucky Strike, merkte, dass sie ihm überhaupt nicht schmeckte und trat sie gleich wieder aus. „Du warst bei Quentin? Und was sagt er? Kriegen wir ´ne Einladung zu diesen Partys?“ Elias freute sich über den Fortschritt. „Noch sagt er gar nichts. Er wühlt sich durch den Mist und gibt mir Bescheid, wenn er was hat.“ „Das hört sich doch gut an. Hoock hat das Geld zusammen. Hab grad mit ihm gesprochen.“ „Na endlich. Das wurde aber auch Zeit.“ Jetzt spürte Finn es auch. Der Adrenalinstoß kurz bevor es losging, die Nervosität und die Vorfreude. Bald würden sie den größten Abschaum von New York verhaften.

„Ok, dann heißt es jetzt wohl warten. Mal wieder. Aber ich schwör dir, sobald Quentin was hat steh ich bei diesen Wichsern auf der Matte.“ Finn konnte seine Wut über die Menschenhändler kaum unterdrücken.

Daran würde er noch arbeiten müssen, wenn er nicht sofort auffallen wollte, sobald er auf einer ihrer Partys war.

Zusammen mit Elias saß er wenig später im Büro seines Captain und besprach das weitere Vorgehen.

Als es an der Tür klopfte und Quentin eintrat verstummten sie sofort und sahen ihn erwartungsvoll an. „Hast du schon was?“ wollte Finn neugierig wissen.

„Ich denke schon. Allerdings brauche ich noch ein paar Sachen, bevor ich dich da rein bringen kann.“ Quentin wirkte zufrieden mit sich, aber auch etwas unsicher, hier außerhalb seines geliebten Kellerlochs. „Schieß los,“ forderte ihn Finn auf. „Ich brauch ein vernünftiges Bild von dir, beziehungsweise deiner Tarnung. Ein kleiner Background dazu wäre auch nicht verkehrt.

Und einen Kontoauszug, der besagt, dass du auch die Kohle hast, um auf so einer Versteigerung mit zu mischen.“ „Das ist alles? Geht klar. Ich bin gleich bei dir.“ „Oh, und eine Handynummer. Die Einladungen werden über einen Messengerdienst erst ganz kurz vor einer Party versendet.“ „Jaja, alles was du willst. Aber dafür bekomm ich doch sicher ein Diensthandy, oder?“

Finn schaute fragend zu Hoock hinüber. „Ich werd sicher nicht meine private Nummer ins Darknet stellen.“ Hoock nickte und schwang sich an sein Telefon.

Eine halbe Stunde später hatte Finn alles zusammen, was Quentin brauchte. Wieder saß er in dem kleinen, dunklen Kellerbüro und wieder hatte er das Gefühl hier unten kaum Luft zu bekommen. Auch Elias war diesmal dabei. Er wirkte allein schon durch seine Größe reichlich Fehl am Platz und trat unbehaglich von einem Bein auf das Andere. Er stand hinter Finn und Quentin und sah zu, wie die beiden Finns Vita in das Darknet stellten, um Zugang zum Kreis der Partygäste zu bekommen. Sie waren so sehr in das Gespräch vertieft, dass sie beide zusammenzuckten als sie hinter sich das Knistern einer Chipstüte hörten. „Das solltest du besser nicht mehr essen,“ Quentin legte die Stirn in Falten, als würde er angestrengt nachdenken. „Ähm, warum?“ fragte Elias kauend. „Ich weiß nicht mehr so ganz genau, wie lange die Tüte da schon so liegt. Und ich glaube hier unten gibt es Mäuse.“ Elias schluckte schwer und legte die Tüte schnell wieder auf den vollgemüllten Tisch. Finn konnte sich ein Lachen nicht verkneifen, schüttelte dann aber tadelnd den Kopf.

„Ich würde sagen, wir haben alles. Wenn alles gut geht, solltest du zur nächsten Versteigerung eingeladen werden.“ schloss Quentin schließlich ihr Gespräch. „Ok, danke, Quentin. Du hast was gut bei mir.“ bedankte sich Finn und gab Elias ein Zeichen, dass sie jetzt gehen sollten. „Ich lad dich zum Essen ein, was hältst du davon?“ grinste er Elias an, als sie die Treppe zum Revier hochgingen. „Du schienst ja völlig ausgehungert zu sein.“ „Das ist nicht lustig. Was wenn ich jetzt Salmonellen oder sowas hab?“ Elias musste sich jetzt noch schütteln, wenn er an die uralten Chips dachte.

Sie beschlossen, für heute Feierabend zu machen, und in Marci´s Diner gegenüber dem Revier noch gemeinsam etwas zu essen.

5

„Wie läuft´s denn so mit Allie?“ wollte Elias von Finn wissen, nachdem er genüsslich in seinen Burger gebissen hatte, den Marci ihm serviert hatte. Auch Finn hatte Burger und Pommes Frites bestellt, und merkte erst nach dem ersten Bissen, dass er den ganzen Tag nichts außer Frühstück gehabt hatte.

„Läuft prima. Wir haben nur leider viel zu wenig Zeit füreinander.“ antwortete Finn ehrlich. Mit Eli konnte er schon immer über alles reden. „Und ihr Dad gibt immer noch Ruhe? Du hast ihn doch immer noch im Auge, oder?“ „Klar. Dem trau ich auch zu, dass er seine Leute aus dem Knast heraus dirigiert. Auch wenn wir damals fast alle seine Gorillas erwischt haben.“ „Deine Paranoia ist also immer noch die Alte,“ grinste Eli ihn an. „Von wegen. Du hast ihn damals nicht kennengelernt. Der hat mich schon halb tot schlagen lassen, nur weil ich mit seiner Tochter essen war. Was glaubst du wohl was er macht, wenn er erfährt, dass ich mit ihr schlafe?“ Finn wollte sich das nicht wirklich vorstellen. „Ok ok, du hast ja Recht. Und was sagt Allie dazu? Immerhin ist er immer noch ihr Vater.“ „Für sie ist er gestorben. Sie will keinen Kontakt mehr mit ihm.

Und wenn du mich fragst, ist das das Beste, was sie tun kann. Dass ich ihn immer noch im Auge behalte, weiß sie gar nicht.“ „Ist vielleicht auch besser so.“ Ja, das glaubte Finn auch. Deswegen hatte er Allie auch bis heute nichts davon erzählt, dass er regelmäßigen Kontakt zum Gefängnisdirektor hatte, um zu erfahren, ob Suarez Kontakte nach draußen hatte. Sollte sich da etwas ergeben, würde Finn es sofort erfahren. Sie unterhielten sich noch über dies und das und nachdem Finn bezahlt hatte, machten sie sich beide auf den Weg nach Hause.

Da Allie noch nicht von ihrem Dienst zu Hause war beschloss Finn noch eine weitere Joggingrunde einzulegen. Nach dem stickigen Kellerloch und den Bildern, die er dort unten zu sehen bekommen hatte, musste er diesmal wirklich dringend den Kopf frei kriegen.

Nachdem er eine Stunde gelaufen war, kam er vor seinem Haus an, als Allie auch gerade um die Ecke bog.

Sie strahlte ihn schon von Weitem an und für Finn war alles, was er heute gesehen und gehört hatte vergessen. Seine Welt war wieder in Ordnung.

Zumindest für heute Abend. Er lächelte zurück, zog sich die In-Ear Kopfhörer aus den Ohren und fragte sich, wie ein einziges Lächeln von ihr nur seine ganze Welt verändern konnte. Als sie ihm die Arme um den Hals schlang, um ihn zur Begrüßung zu küssen, war jedoch auch das nicht mehr wichtig. Sie beeilten sich, in Finn´s Wohnung zu kommen und gemeinsam unter der Dusche zu verschwinden.

6

Für den nächsten Morgen hatte Finn sich früh den Wecker gestellt. Er wollte mit Elias noch an der Tarnung arbeiten und sie hatten sich dafür bei einem Herrenausstatter verabredet. Mit einem Anzug von der Stange würde Finn in Kreisen, die genug Geld für Maßanfertigungen hatten sofort auffallen. Er küsste Allie, die noch friedlich neben ihm schlief zum Abschied sanft auf die Stirn und machte sich auf den Weg um Elias zu treffen.

Finn hasste es, Anzüge zu tragen. Auch seine geliebten Boots würde er hier gegen ein paar schlichte Halbschuhe tauschen müssen. Von seiner abgewetzten, braunen Glücks-Lederjacke ganz zu schweigen. Elias hatte es da schon besser getroffen. Er sollte Finn´s Bodyguard mimen. Dafür war er in Jeans, einem weißen Hemd und mit seiner Kutte perfekt angezogen.

Als Finn das erste Mal in seinem Anzug aus der Umkleidekabine trat fing Elias schallend an zu lachen.