FINNLAND TRUE CRIME - Adrian Langenscheid - E-Book

FINNLAND TRUE CRIME E-Book

Adrian Langenscheid

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Beschreibung

– Diabolisches erwartet uns am Grund des Landes der 1000 Seen. Schonungslos und fokussiert offenbart Langenscheid die dunkelsten Seiten Finnlands – Dave Grunewald (Musiker / Influencer) – Morbide, skurril, traurig ... Gänsehaut! – Leonie-Rachel Soyel (Podcast Couchgeflüster) – Nichts ist so bewegend und aufwühlend wie wahre Geschichten. Langenscheids Bücher sind eine Herzensempfehlung für jeden True Crime-Fan – TheKilla Podcast FINNLAND TRUE CRIME - WAHRE VERBRECHEN - ECHTE KRIMINALFÄLLE Deutschlands erfolgsgekrönter True Crime-Bestsellerautor Adrian Langenscheid entfesselt im sechsten Band seiner True Crime-Buchreihe erneut herzklopfendes Suchtlesen. Es ist ein atemberaubendes, zutiefst erschütterndes Portrait menschlicher Abgründe, das gerade wegen der kühlen, sachlich-neutralen Schilderung gewaltige Emotionen weckt. Frei von jeglicher Sensationsgier werden in sechzehn True Crime-Kurzgeschichten einige der spektakulärsten finnischen Kriminalfälle der letzten Jahrzehnte nacherzählt. Eine ergreifende Sammlung von Berichten über Mord, Totschlag, Entführung, Missbrauch, Betrug, Verrat und Diebstahl, die den Leser an die Grenzen des Erträglichen führen. Es sind Straftaten, in die „Menschen wie Du und Ich“ verwickelt sind; Menschen, deren Leben aufgrund tragischer Umstände von einem Tag auf den anderen nicht mehr das sind, was sie zuvor waren. Mit Sachverstand und exzellentem Kopfkino integriert der True Crime-Experte die wichtigsten Einsichten aus Gerichtsverhandlungen, Akten, psychologischen Gutachten, Verhören und Ermittlungsprotokollen in seine ereignisreichen Erzählungen. Das Leben schreibt haarsträubende Geschichten. Dieses Buch fasst sie zusammen. Gefesselt, fassungslos, verblüfft und zu Tränen gerührt werden Sie alles in Frage stellen, was Sie über die menschliche Natur zu wissen glauben. Klicken sie auf „JETZT KAUFEN MIT 1-CLICK“ und tauchen auch Sie mit dem Autor in die atemberaubende Welt der wahren Kriminalfälle und der echten Verbrechen ein. TRUE CRIME. – Warum zum Gruseln in den Keller gehen? Licht aus – Leselampe an! – Harmke Horst (Podcast Mantrailing / Ausbilderin für Personenspürhunde)

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Inhaltsverzeichnis

Inhalt

Adrian Langenscheid

FINNLAND TRUE CRIME

Wahre Verbrechen – Echte Kriminalfälle

Adrian Langenscheid

FINNLAND TRUE CRIME

Wahre Verbrechen – Echte Kriminalfälle

Über dieses Buch:

Eiskalte Serienmörder, verhängnisvolle Familiendramen, tragische Entführungen, niederträchtige Folter und skrupelloser Missbrauch: vierzehn schockierende True Crime-Kurzgeschichten zu wahren Kriminalfällen aus Finnland.

Gefesselt, fassungslos, verblüfft und zu Tränen gerührt werden Sie alles in Frage stellen, was Sie über die menschliche Natur zu wissen glauben. Das Leben schreibt entsetzliche Geschichten und dieses Buch fasst sie zusammen. Tauchen Sie ein in die schockierende Welt der wahren Kriminalfälle und der echten Verbrechen!

Über den Autor:

Adrian Langenscheid ist Autor der erfolgreichen Buchserie True Crime International. Als leidenschaftlicher True Crime-Experte wird Adrian in einem Atemzug mit deutschen True Crime-Größen wie Harbort, Benecke oder Tsokos genannt. Alle seine Bücher haben über die Grenzen Deutschlands hinaus Bestsellerstatus erlangt. Das sechste Buch der Reihe knüpft an den beachtlichen Erfolg der Vorgänger an. Zusammen mit seiner Frau und seinen Kindern lebt Adrian am Rande des Schwarzwalds, Baden-Württemberg.

Impressum

Autoren: Adrian Langenscheid, Lisa Bielec, Marie van den Boom, Fabian Maysenhölder, Heike Schlosser

ISBN: 978-3-98661-023-4 eBook Tolino

Lektorat: Hannah Thier, MSc.

1. Auflage April 2021

© 2021 Stefan Waidelich, Zeisigweg 6, 72212 Altensteig

Coverbild: © Canva (canva.com)

Covergestaltung: Pixa Heros, Stuttgart

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Rechteinhabers und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Inhalt

Vorwort 4

Einleitung 5

Kapitel 1Gute Nacht, mein Schatz 9

Kapitel 2Der Rinderzüchter 23

Kapitel 3In der Nacht 43

(Von Marie van den Boom / Mordgeflüster der Podcast)

Kapitel 4Die zwei Brüder 59

Kapitel 5Die schlafende Predigerin 80

(Von Fabian Maysenhölder/ Secta Podcast)

Kapitel 6Geldprobleme 95

Kapitel 7Ich will nur reden 111

Kapitel 8Atemlos 123

Kapitel 924 Minuten 139

(Von Lisa Bielec / Mordgeflüster der Podcast)

Kapitel 10Prinzessin 152

Kapitel 11Du sollst nicht töten 170

Kapitel 12Gott 179

Kapitel 13Vor verschlossener Tür 193

Kapitel 14Eine starke Frau? 201

(Von Heike Schlosser / Keine Gnade – Der True Crime Podcast)

Schlusswort des Autors 213

Empfehlungen 215

Vorwort

Die zwei Jahre hielten viele Überraschungen für mich bereit. Ohne große Erwartungen und aus leidenschaftlichem Interesse an True Crime, habe ich nach meinem ersten Erfolgsdebüt „True Crime Deutschland“, die Bücher „True Crime USA“, „True Crime England“, „True Crime Schweden“ und „True Crime Frankreich“ veröffentlicht. Alle Bücher sind zu Bestsellern im True Crime-Genre geworden. Auch Monate später finden sich alle Bücher, dank der zahlreichen LeserInnen, noch immer in den Bestenlisten. Sie wurden ins Englische sowie Spanische übersetzt und als Hörbücher vertont.

Dieser unerwartete Erfolg und die öffentliche Resonanz stimmen mich bis heute demütig. Auch weil ich selbst im Rückblick, vor allem auf meine ersten beiden Bücher, einiges anders machen würde. Es ist meine Leidenschaft, zu schreiben und Bücher zu veröffentlichen. Mir ist aber auch sehr bewusst, dass das ohne Sie, liebe Leser und liebe Leserinnen, nicht möglich gewesen wäre. Deshalb geht mein Dank an Sie. Danke für Ihre ehrlichen Rezensionen und Rückmeldungen. Ich lese jede einzelne, nehme sie mir zu Herzen und freue mich über positive Bewertungen. Mit „Finnland True Crime“ halten Sie nun das sechste Buch der Serie in Ihren Händen. Ich widme es in Dankbarkeit Ihnen und allen, die mit ihrem Kauf, ihrem Feedback und ihren Rezensionen am Erfolg dieser Buchreihe teilhaben. Danke!

Ihr Adrian Langenscheid

Einleitung

Da saß sie und schrie, so laut, dass sich uns alle Blicke im Raum zuwandten. Hätten ihre faltigen Hände nicht die meinen mit energischem Griff umklammert, so wäre ich weggegangen. Die Situation war mir mehr als unangenehm. Ihre Augen sahen mich eindringlich an und in gebrochenem Deutsch geriet sie wütend außer sich: „So was tut man doch nicht?! So was tut man doch nicht?!“ Dabei wurde sie jedes Mal lauter und nachdrücklicher. Ihre Stimme hallte in dem etwas steril wirkenden Gruppenraum nach. Eine Träne lief langsam über Devoras Wange. Dann die nächsten. Es war ein Dammbruch an Gefühlen, der mich gerade zu überrollen drohte. Dabei war knapp ein halbes Jahrhundert vergangen, aber sie schrie als wäre es gestern gewesen.

Es war das Jahr 2004, als ich fernab von Zuhause in Haifa war. Mit anderen jungen Erwachsenen hatte ich mich auf eine „Friedenstour“ eingelassen, die uns unter anderem hier in den Norden Israels in dieses Heim für Holocaust-Überlebende geführt hatte. Viele Menschen waren dort. Die eintätowierten Nummern auf ihren Armen zwar halb verblasst, aber immer noch da, genauso wie die Erinnerungen. Von einem Holocaust-Überlebenden wurden wir außerordentlich freundlich in gebrochenem Deutsch empfangen. Man hörte das Jiddisch heraus, als er uns mit seinem sorgfältig vorformulierten Text begrüßte. Unsere Botschaft an diese Menschen war klar: Deutschland ist nicht mehr so, wie es in Eurer Erinnerung ist. Es tut uns leid! Wir sangen ein Lied und verteilten im Anschluss daran Rosen.

Hier begegnete ich Devora. Während sie meine Hand weiterhin fest umschlossen hielt, erzählte sie mir ihre bewegende Geschichte. Vom Konzentrationslager. Davon, wie sie als 14-jähriges Mädchen ihre ganze Familie verlor und wie sie nach dem Krieg ganz allein dastand. Ihre Augen sprachen Bände der Trauer. Wie Nebelschwaden umgaben sie der alte Schmerz und die Verzweiflung über das Schicksal, das ihr widerfahren war. Sie erzählte mir auch von dem Hauptmann, der sie alle als Schweine bezeichnete. Mehr als Schweine wären sie alle nicht wert. Das war der Moment als sie schrie: „So was tut man doch nicht, so was tut man doch nicht?!“

Es kam mir vor, als hielte ich nicht die Hand dieser alten, traurigen und verbitterten Frau, sondern die des 14-jährigen Mädchens von damals. Gefangen in der Vergangenheit, immer noch tief verbunden mit ihren längst verstorbenen Peinigern. Durchdrängt von Wut, Verbitterung und Verachtung, verflucht dazu, immer wieder die Demütigungen vergangener Tage Revue passieren zu lassen. Dieses Verbrechen hat sie für immer gezeichnet.

Als ich im Hintergrund einen Blick auf die anderen Holocaust-Überlebenden warf, die teilweise herzlich und scherzend mit meinen Freunden umgingen, kam mir voller Mitleid ein glasklarer Gedanke: „Wäre es Dir nur gelungen zu vergeben, Du hättest ein glückliches Leben haben können“. Ich sprach den Gedanken nicht aus, denn ich schämte mich dafür.

Wer bin ich, um mir in Anbetracht dieses Leides so ein Urteil zu erlauben? Was, wenn mir solch ein grausames Los zugeteilt würde? Könnte ich nach solch einem schrecklichen Schicksalsschlag überhaupt wieder Hoffnung und Frieden finden? Vielleicht sogar vergeben und wieder auf die Beine kommen? Oder würde nach vielen qualvollen Jahren ein Grünschnabel vor mir sitzen und sich ein Urteil erlauben.

Als mein Blick in diesem Heim unter den Überlebenden umherwanderte – sie schienen glücklich zu sein – meinte ich zu wissen, dass wir uns sogar von den schrecklichsten Verbrechen der Menschheit erholen können. Dann schaute ich in die dunklen verweinten Augen von Devora – aber nicht alle.

Der Blick über den Tellerrand der heilen Welt, den ich 2004 erhaschte, bewegt mich bis heute und ist neben einigen anderen Erlebnissen ein Grund, weshalb ich viel Zeit in die Recherche von Verbrechen investiere. Dabei kann ich nur ungläubig den Kopf darüber schütteln, wie tief menschliche Abgründe sind, die sich oftmals hinter bürgerlichen Fassaden verbergen.

Das Leben schreibt manchmal Geschichten, welche Protagonisten und Zuschauer fassungslos und schockiert zurücklassen. Die Schilderungen in diesem Buch entstammen nicht der Vorstellung eines Schriftstellers. Es ist die grausame Realität, die Ihnen in den kommenden vierzehn Kapiteln entgegenschlägt. Eine Realität, erschütternder als jede Fiktion, mit Menschen – wie Devora – die fassungslos und gebrochen zurückbleiben. Opfer, die gezwungen sind, dem widerfahrenen Leid die Stirn zu bieten oder daran zugrunde zu gehen.

In diesem Buch stelle ich Ihnen weitere Kriminalfälle vor, dieses Mal aus Finnland. Es handelt sich dabei wieder um Erzählungen in Kurzgeschichtenform, authentisch und realitätsnah, über Verbrechen, die sich tatsächlich ereignet haben – und das vor gar nicht allzu langer Zeit. Man könnte über jeden Fall ein ganzes Buch mit tiefgehenden psychologischen Analysen schreiben, doch das ist nicht meine Absicht. Kurzgeschichten sind wie ein unerwarteter Sturm. Ehe man sich versieht, ist er vorüber. Zurückbleibt die Frage, mit der sich die Opfer unweigerlich, oftmals für den Rest ihres Lebens, konfrontiert sehen: Warum?

Es sind Verbrechen in Kurzform, die zum Mitfühlen und Nachdenken bewegen. Lassen Sie sich von völlig unterschiedlichen Mordfällen, Missbrauch, Leichenschändung, Kannibalismus, Entführung, Erpressung, Lügen, Intrigen und Manipulation in die Tiefen der menschlichen Abgründe reißen. Sie werden schockiert sein, so wie ich es bin.

Devora lebt nicht mehr, aber manchmal sehe ich ihre verweinten Augen noch vor mir.

Kapitel 1

Gute Nacht, mein Schatz

Gute Nacht, mein Schatz.“ Helvi küsst ihren Enkelsohn liebevoll auf die Stirn. Die Hörspielkassette läuft im Hintergrund. Doch die Geschichte wiegt das Kind nicht langsam und leise in den Schlaf. Helvi dreht die Lautstärke voll auf. Für sie ist die Kassette die einzige Möglichkeit, die Schreie, das Weinen und Wimmern zu übertönen, welches aus dem Wohnzimmer dröhnt. Sie lebt nicht weit von ihrer Tochter entfernt und hilft fast täglich aus, wenn ihr Schwiegersohn seine Beziehungsprobleme klären möchte – auf seine ganz eigene Weise. Sie hofft inständig, dass die abenteuerlichen Geschichten um Pipi Langstrumpf und Michel aus Lönneberga ihren Enkel in ihren Bann ziehen, sodass er abgelenkt einschlafen kann. Doch der kleine Oskar ist ein kluges Kind, das viel zu früh erwachsen werden musste. Er weiß bereits jetzt, mit sechs Jahren, dass es seine Mama ist, die vor Schmerzen und Verzweiflung weint. Und er kennt auch den Grund für ihr Leid: sein Vater. Er ist es, der sie schlägt, tritt und anschreit. Oskar versteht nicht, warum. Letztendlich ist es ihm auch egal. Denn eines weiß er sicher: „Gute Nacht, Oma. Eines Tages werde ich Papa umbringen.“

Esko ist drei Jahre alt, als eine freundlich lächelnde Frau zu ihnen nach Hause kommt und ihn mit sich nimmt. Sie möchte seinen kleinen Bruder, Matthi, und ihn in ein neues Zuhause bringen. Esko stellt keine Fragen. Er glaubt, dass es etwas mit Mama zu tun hat. Oft kommen Männer vorbei, die er nicht kennt, und machen merkwürdige Dinge mit ihr. Sie schreien sie an, schlagen sie und legen sich auf sie drauf. Nach ein paar Minuten geben die Männer dann komische Geräusche von sich und stehen auf. Sie geben Mama Geld oder kleine Plastiksäckchen mit weißem Pulver. Es sieht aus wie Brause. Esko hätte gerne davon probiert, doch Mama sagt immer, das sei nicht gut für ihn. Nun sitzen sie in dem Auto der Frau und Esko fragt sich, wie das Pulver wohl geschmeckt hätte. Ihre kleinen Koffer liegen sicher verstaut im Kofferraum. Sie musste ihm hoch und heilig versprechen, gut auf das Gepäck aufzupassen. Immerhin durfte er nur seine Lieblingssachen mitnehmen – die möchte er auf keinen Fall verlieren.

Das Zuhause, in das die Frau von Jugendamt Esko und Matthi bringt, ist in Wirklichkeit nicht mehr als ein Dach über dem Kopf. Im Laufe ihres jungen Lebens kommt die Frau immer wieder vorbei und bringt sie in immer wieder neue Häuser, zu immer wieder neuen Menschen. Im Teenageralter kehren die beiden Jungen schließlich zurück zu ihrer Mutter. Die Männer, die ein und aus gehen, gibt es immer noch. Und auch die Säckchen mit dem weißen Pulver liegen nach wie vor überall in der Wohnung herum. Doch mittlerweile weiß Esko, dass es keine Brause ist. Er versteht, dass seine Mutter sich prostituiert und drogenabhängig ist. Das Geld ist immer knapp, der Kühlschrank leer. Esko erträgt den Blick seines zwei Jahre jüngeren Bruders Matthi nicht. „Ich habe Hunger“, sagt er leise, schon morgens nach dem Aufstehen, wenn am Vorabend wieder einmal keine Mahlzeit auf dem Tisch stand. Esko kennt jeden Supermarkt der Stadt in- und auswendig. So weiß er, dass die alte Besitzerin des kleinen Lebensmittelgeschäfts um die Ecke nicht bemerkt, wenn er ein paar Äpfel mitgehen lässt. Allerdings hat sie keine warmen, fertig vorgekochten Mahlzeiten. Die besorgt er aus der großen Supermarktkette. Hier muss er wiederum sehr vorsichtig sein, denn das Unternehmen kann sich Security-Personal leisten. Schon mehr als einmal wurde er erwischt. Dann erklärt er, dass das Essen für seinen Bruder ist, der Hunger hat. Doch die Wahrheit interessiert niemanden. Die Wachmänner melden ihn der Polizei, und die verdonnert ihn zu Sozialstunden oder Jugendhaft.

Auch in der Schule gibt es niemanden, den Esko einen Freund nennen könnte. Seine Mitschüler bewerfen ihn mit Papierkugeln und machen sich lustig über seine abgewetzte Kleidung und ungepflegten Haare. In diesen Situationen schlägt Esko zu. Seine Lehrer sehen ihn dann als Drahtzieher und Aggressor. Sie interessiert sowieso nur sein schlechter Notendurchschnitt, nicht aber die Gründe dafür. Doch auch Eskos Interesse für die Schule hält sich in Grenzen. Sobald die verpflichtende Grundausbildung hinter ihm liegt, sagt er sich, würde er aus dieser elenden Stadt verschwinden und alles hinter sich lassen. Nur Matthi würde er mitnehmen, und Ulla. Ulla ist 15 Jahre alt und damit zwei Jahre jünger als Esko. Zum ersten Mal fällt sie ihm auf dem Pausenhof auf, als ein paar Mitschüler sie schubsen und auslachen. Esko geht dazwischen, und seitdem sind die beiden mehr als nur jung verliebt – sie sind ein Team. Ulla und Esko, Esko und Ulla gegen den Rest der Welt. Die beiden können sich nur an den Wochenenden sehen, da Esko nach seinem Schulabschluss einen Job als Parkwächter angenommen hat. Doch wenn er mit seiner Freundin zusammen ist, wird er zu einem ganz anderen Menschen. Er hört ihr aufmerksam zu. Alles, was Ulla zu sagen hat, interessiert ihn gewaltig. Als sie 16 Jahre alt ist, ziehen die beiden in eine kleine Mietwohnung in ein Dorf, das zwei Stunden von ihrer Heimat entfernt liegt. Den Mietvertrag haben die beiden nur mit der Hilfe von Helvi, Ullas Mutter, unterschreiben können, da Ulla noch minderjährig ist. Ein Jahr später wird sie schwanger und bekommt ein Kind von Esko. Der kleine Oskar ist ihr Sonnenschein. Die junge Mutter liebt ihren Sohn über alles, seit sie ihn nach der Geburt zum ersten Mal im Arm halten durfte. Umso besorgter nimmt sie die Entwicklungen in ihrer Beziehung wahr. Esko scheint sich nicht besonders für seinen Sohn zu interessieren. Er trinkt, zunächst nur am Abend mit seinen Freunden, dann immer öfter auch tagsüber. Die Männer, die er seine Kumpels nennt, sind zwielichtige Typen ohne Job, drogen- und alkoholsüchtig. Auch Esko hat jede Anstellung, die er angefangen hat, nach wenigen Wochen wieder verloren. So ist es Ulla, die sich einen Job suchen muss, um ausreichend für Oskar sorgen zu können. Auch Helvi, ihre Mutter, hilft der jungen Familie. Sie kümmert sich rührend um ihren Enkelsohn, wenn Ulla ihrer Arbeit in einer Fabrik nachgeht und Esko betrunken auf dem Sofa liegt.

Unter dem Einfluss des heftigen Alkoholkonsums wechselt auch Eskos Gemüt. Seine Stimmung kann sich in Sekundenschnelle verändern. Er schreit seine Frau an, wenn sie ihm das falsche Essen serviert oder in seinen Augen unpassende Kleidung trägt. Manchmal schubst er sie oder packt sie fest am Arm. Danach entschuldigt er sich unter Tränen und verspricht, sich zu bessern.

Als Oskar vier Monate alt ist, würgt Esko Ulla. Sie wartet den Abend ab, bis er mit seinen Saufkumpanen um die Häuser zieht, dann packt sie in Windeseile die wichtigsten Kleidungsstücke von Oskar und ihr zusammen und flieht. Sie fährt zu ihrer Mutter. Helvi ist schockiert. Sie wusste, dass Esko ein Alkoholproblem und heftige Stimmungsschwankungen hat. Doch das Würgen geht einen deutlichen Schritt zu weit. Sie ist erleichtert, dass ihre Tochter die Reißleine gezogen und ihren Enkel und sich selbst in Sicherheit gebracht hat.

Doch Esko akzeptiert die Trennung nicht. Während Helvi tagsüber arbeiten geht, schleicht er um ihr Haus. Er ruft laut, Ulla solle die Tür aufmachen, sie könne ihm nicht verbieten, seinen Sohn zu sehen. Doch Ulla bleibt stark. Esko wechselt zwischen romantischen Liebesbekenntnissen, reumütigen Entschuldigungen, hohen Versprechungen, alles besser zu machen, Drohungen und Beleidigungen. Nach ein paar Tagen setzt er nur noch auf Entschuldigungen und Versprechungen, und Ulla wird schwach. Sie öffnet Esko die Tür. Doch Helvi lässt sich nicht einwickeln. Am selben Abend, als sie nach Hause kommt, fordert sie ihren Schwiegersohn deutlich auf, zu gehen. Ansonsten würde sie die Polizei informieren. Helvi bewahrt in einer Schublade im Wohnzimmerschrank seit Jahren eine Pistole auf – man weiß ja nie. Was sie bisher auch nicht wusste, ist, dass Esko das Versteck scheinbar kennt. Nachdem Helvi ihm mit der Polizei gedroht hatte, greift er zielgerichtet in die Schublade, zieht die Pistole hervor und schießt wahllos um sich. Helvi duckt sich geistesgegenwärtig und ruft Ulla zu, sie solle Oskar und sich in Sicherheit bringen. Ihr Enkelsohn weint bitterlich. Seine Angst ist überdeutlich. In den letzten Tagen war er ein so ruhiges und ausgeglichenes Kind. Er hat die Nächte durchgeschlafen, anständig seinen Brei gegessen und oft mit ihr gelacht. Bei dem Gedanken daran, dass mit Esko nun wieder Ärger, Trauer und Gewalt sein junges Leben erschweren, bricht Helvi in Tränen aus. Esko lacht, lässt die Pistole fallen, und verlässt das Wohnzimmer.

Wenige Tage danach mieten Ulla und Esko eine Wohnung ein paar Straßen weiter, neben dem Haus ihrer Schwester, Karin. Helvi fleht ihre Tochter an, sich Hilfe zu holen. Doch Ulla liebt Esko. „Er wird sich bessern, Mama. Er hat es uns versprochen, Oskar und mir.“

Doch Esko ändert sich nicht. Die Jahre vergehen und Ulla ist in einer Spirale aus körperlicher Gewalt und psychischem Terror gefangen. Esko stiehlt Ullas Geld, und wenn sie keines mehr hat, wird er aggressiv. In der Wohnung neben Karin schlägt er Ulla eines Abends so fest ins Gesicht, dass sie einen Schneidezahn verliert und ihr Trommelfell platzt. Nach diesem Vorfall wendet Ulla sich verzweifelt an ihre Schwester und deren Mann, die Esko zu finden versuchen. Doch dieser ist ein Meister darin, zu verschwinden und sich unauffindbar zu verstecken. Niemand weiß, wo er nach Eskapaden wie diesen unterkommt. Es entwickelt sich ein Muster aus gewaltsamen Trennungen, darauffolgenden Umzügen in neue Wohnungen und Rückkehren zu Esko. Dieser sitzt immer öfter wegen Gewaltverbrechen und Drogendelikten in Haft. In diesen Zeiten zieht Ulla zu Helvi oder in eine neue Wohnung – verzweifelte Versuche, von Esko loszukommen. Doch auch aus dem Gefängnis schreibt er ihr Briefe mit Entschuldigungen und Liebesbekenntnissen. So teilt Ulla ihm immer wieder ihre neue Adresse mit, und auch Helvi kommt nicht gegen den Partner ihrer Tochter an. Mehrmals wirft er ihre Fenster mit großen Steinen ein und klettert das Wasserrohr hoch, um gewaltsam in ihr Haus einzudringen. Auch die Polizei kann selten etwas gegen Esko unternehmen, wenn keine Anzeige gegen ihn vorliegt.

Ulla klammert sich verzweifelt an die guten Momente. Wenn Esko nicht betrunken ist, kümmert er sich um Oskar und ist ein liebevoller Partner. In Haft lässt er sich eine Kapsel in den Arm einsetzen, die ihn besonders empfindlich für Alkohol macht, sodass er nicht mehr trinken kann. Für ein paar Tage führen sie zu dritt ein fast normales Leben. Sie unternehmen sogar einen Campingausflug. Auch einen neuen Job in einer Holzfabrik findet der Familienvater. Doch nach wenigen Tagen gerät er mit seinem Vorgesetzten in Streit und tackert ihn mit einer Nagelpistole auf dem Arbeitstisch fest. Am selben Abend bemerkt Ulla eine Wunde an Eskos Arm, und dass er wieder zur Flasche greift.

Im November 1993 heiraten Ulla und Esko. Er hat ihr versprochen, dass er sich bessern würde, wenn sie nur endlich verheiratet wären. Er würde trocken werden, sie nicht mehr schlagen, sich einen Job suchen und Zeit mit seinem Sohn verbringen. Die beiden ziehen nach der Hochzeit in Eskos Appartement und kurz darauf in eine neue, etwas größere Wohnung im dritten Stock eines Wohnhauses. Nach wenigen Wochen bemerkt Ulla bereits, dass es auch dieses Mal nur leere Versprechungen waren. Sie informiert Oskar, dass sie ausziehen werden. Oskar schweigt. Er ist nun ungefähr im selben Alter wie sie selbst damals, als sie Esko kennengelernt hatte. Der Junge hat schon früh verstanden, dass sein Vater ein alkoholsüchtiger Tyrann ist. Immer häufiger zwingt er seinen Sohn auf seinen Touren mitzufahren und Geld für ihn einzutreiben. Letzte Woche musste Oskar einen Mann krankenhausreif schlagen und treten. Er wollte es nicht, aber sein Vater hat ihm gedroht, Ulla und ihn umzubringen, wenn er sich weigert. Oskar liebt seine Mutter. Aber langsam kann er die Umzüge nicht mehr zählen, das Hin und Her nicht mehr ertragen. Doch er sagt nichts, sondern packt seine Koffer. Auch Ulla stopft hastig einige Kleidungsstücke in ihre Reisetasche. Doch Esko kommt an diesem Abend früher nach Hause zurück als sie es gehofft hat. Die beiden streiten sich und als Ulla ihn anschreit: „Ich werde mich scheiden lassen!“, greift Esko zu einem Messer. Er versperrt ihr damit die Haustür. Während Oskar in seinem Zimmer sitzt und darauf wartet, dass die beiden sich, wie so oft, wieder vertragen, rennt seine Mutter von der Haustür weg, hin zum Balkon. Sie steigt über das Geländer und steckt nun im dritten Stock, etliche Meter über dem Boden, fest. Esko sagt nichts, er steht wie versteinert hinter der Balkontür, das Messer fest in seiner Hand umklammert. „Mama!“, ruft Oskar. „Lauf zu Oma, mein Schatz, ich komme nach“, keucht seine Mutter. Sie versucht offensichtlich, sich zum Balkon des Nachbars zu hangeln. Doch es ist eisig kalt, der finnische Winter hat bereits eingesetzt. Ulla trägt weder eine Jacke noch Handschuhe. Das Geländer des Balkons ist vereist und die Nacht ist schwarz. Draußen kann man kaum etwas erkennen. Oskar versteht genau, was ein paar Sekunden später passiert, kann aber nichts tun, um diesen grausamen Moment aufzuhalten. Seine Mutter rutscht ab und fällt – aus dem dritten Stock in den Schnee. Weinend beugt Oskar sich nach unten und ruft nach ihr. Er sieht, dass sie sich bewegt. Fassungslos brüllt er um Hilfe, er rennt durch das ganze Haus und klingelt an jeder Tür, während Esko in die Nacht verschwindet.

Im Krankenhaus ist der Arzt erstaunt, dass Ulla aufrecht steht. Sie hat keine schweren Verletzungen erlitten, noch nicht einmal einen Knochenbruch. Nach dem Vorfall gibt Helvi ihr die Schlüssel für eine abgelegene Hütte im Wald. Diese befindet sich seit Jahrhunderten in Familienbesitz. Kein Strom, kein fließendes Wasser, kein Netz – und kein Esko. Der Tyrann weiß nichts von dieser Hütte. Es ist keine langfristige Lösung, das ist allen klar. Ulla kann sich auf der Arbeit nicht ewig krankmelden und Oskar muss zur Schule. Die beiden bleiben eine Woche im Wald. Sieben erholsame, ruhige Tage. Als sie zurückkehren, scheint das Glück auf ihrer Seite zu stehen: Esko ist nicht da. Von Helvi erfahren sie, dass er wieder einmal in Untersuchungshaft sitzt. Die beiden nutzen die Zeit, um umzuziehen – zum letzten Mal. Ulla reicht nach sechs Monaten Ehe die Scheidung ein.

Ein paar Wochen später bemerkt Oskar während der Schulpause, dass er lacht. Er kann sich nicht daran erinnern, wann er zum letzten Mal dieses Gefühl in seinem Bauch hatte. So fühlt sich Spaß an. Zusammen mit seinem besten Freund unterhält er sich. Seine Gedanken kreisen nicht mehr um ein blaues Auge seiner Mutter, die Alkoholfahne seines Vaters oder dessen laute Kumpels, die ihn nachts wachhalten. Auch sein Freund scheint die Veränderung zu bemerken und sich zu freuen, denn er bricht das Gespräch nicht schnell wieder ab, wie gewöhnlich, sondern erzählt Oskar ausgiebig von seinem neuen Computerspiel. Doch plötzlich hält er mitten in seinem Satz inne und schaut mit verängstigtem Blick an Oskar vorbei. Dieser spürt nun eine Hand auf seiner Schulter und riecht alkoholgetränkten Atem. „Wo ist deine Mama?“

Oskar musste es ihm sagen, was hätte er sonst tun sollen? Die Situation etwa eskalieren lassen? Sein Vater war völlig betrunken und die starken Hände hielten ihn so fest, dass er genau wusste, was ihm bevorstünde, wenn er nicht kooperierte. Neben seinem besten Freund hat er nicht viele andere Mitschüler, mit denen er sich gut versteht. Er wollte diese eine Beziehung nicht auch noch verlieren, indem sein Freund sieht, was für ein Mensch sein Vater ist. Und so entgleisen seiner Mutter am selben Abend alle Gesichtszüge, als sie ihren Exmann auf dem Sofa sitzen sieht. Er ist wieder da. Und er ist gekommen, um zu bleiben.

Ulla macht ihren Sohn nicht dafür verantwortlich, dass er Esko ihre neue Adresse gegeben hat. Sie weiß, wie angsteinflößend er sein kann. Ihr Glück hat nur ein paar Monate gehalten, doch es war eine schöne Zeit. Sie ist dankbar für das bisschen Ruhe und Frieden der letzten Tage. Doch jetzt resigniert sie. Ulla hat keine Kraft mehr, gegen ihren Exmann anzukämpfen.

Er fragt immer häufiger nach Geld. Geld, das Ulla nicht hat. Als sie am 14. September 1995 mit zwei schweren Einkaufstüten vom Supermarkt zurückkommt, sind Esko und seine Bande schon im Wohnzimmer versammelt. Die Luft ist stickig, es riecht nach Zigaretten und Bier. Laute Musik lässt die Wände beben. „Wir haben Hunger“, lallt einer der ungepflegten, kräftigen Männer, und kommt auf sie zu. Instinktiv weicht Ulla einen Schritt zurück, doch er hat es nicht auf sie abgesehen, sondern auf die Einkäufe. In wenigen Minuten hat die Gruppe den Großteil ihrer frisch eingekauften Lebensmittel geplündert. Das war es nun. 20 finnische Mark stecken noch in Ullas Portemonnaie. Doch auch diese verliert sie nach nicht einmal einer Stunde in ihrem eigenen Zuhause. Esko will mit seinen Freunden in eine Bar ausgehen, dafür brauchen sie das Geld. Ulla fühlt seit seiner Rückkehr rein gar nichts mehr. Ihr Gesicht ist weiß, ihre Augen leer. Es ist, als sei ihr jegliche Lebensenergie entwichen. Ohne ein Wort zu sagen, überreicht sie ihm den 20-Mark-Schein. Doch Esko lacht nur und wirft ihr den Geldschein vor die Füße. „Was soll ich denn mit 20 Mark?“ Wieder reagiert Ulla ohne zu widersprechen. Sie greift zum Telefonhörer und wählt die Nummer ihrer Eltern. Ihr Vater nimmt ab und sie bittet ihn um Geld. „Ist es wieder dieser Esko, der Dich belästigt und dazu drängt?“, fragt er wütend. Mechanisch, mit leiser Stimme, streitet Ulla ab. Sie informiert ihren Exmann darüber, dass sie nun das Geld von ihrem Vater holen und es ihnen danach in die Bar bringen würde.

Zusammen mit Oskar macht sich Ulla auf den Weg in ihr Elternhaus. Ihr Vater ist nach ihrem Anruf gegangen. Ihre Situation mache ihm sehr zu schaffen, erklärt Helvi ihrer Tochter, als sie ihr ein Bündel Geldscheine gibt. Ulla verlässt das Haus und fährt mit Oskar los. An einem Geldautomaten macht sie einen Halt und hebt ihr komplettes Bankguthaben ab. Vor ihrer Wohnung angekommen, umarmt sie ihren Sohn fest. „Ich liebe Dich“, beteuert sie eindringlich, und überreicht ihm ihr Portemonnaie. „Gib Opa sein Geld zurück und bezahle dann alle Rechnungen. Ich habe noch etwas zu erledigen.“ Oskar bleibt verwirrt zurück, als seine Mutter sich mit ihrem Fahrrad nochmals auf den Weg zur Oma begibt. Helvi hat nicht damit gerechnet, ihre Tochter an diesem Tag noch einmal zu sehen. Als Ulla vor ihr steht, zieht sich der liebenden Mutter der Magen zusammen, und sie verliert nach den folgenden Worten ihrer Tochter den Boden unter ihren Füßen: „Ich liebe Dich, Mama. Ich werde mich jetzt umbringen.“

Nachdem Oskar die leere Wohnung betreten hat, versteht er plötzlich. Seine Mutter hat sich von ihm verabschiedet. Für immer. Hektisch versucht er, seine Großmutter anzurufen, doch sie nimmt nicht ab. Zur gleichen Zeit irrt Helvi völlig aufgelöst durch die Stadt, ruft weinend nach ihrer Tochter. Verzweifelt hatte sie versucht, Ulla aufzuhalten, doch diese raste direkt nach ihrer Ankündigung mit ihrem Fahrrad davon. Auch Ullas Schwester, Karin, hat Helvi informiert. Karin bittet Oskar telefonisch darum, in der Wohnung zu bleiben, falls Ulla zurückkehrt.

Auch Karin macht sich schreckliche Sorgen um ihre Schwester, doch ihr ist klar, dass sie nun die Ruhe bewahren muss. Mit ihrer weinenden Mutter kehrt sie in ihr Elternhaus zurück. So wartet an jeder Anlaufstelle jemand auf Ulla, falls sie zurückkommen sollte. Karin platziert ihre Mutter am Küchentisch und stellt ihr ein Glas Wasser hin. „Ich bin gleich zurück, bin nur eben kurz im Bad“, sagt sie. Ein paar kalte Spritzer Wasser würden ihr sicher helfen, einen klaren Kopf zu bewahren. Doch als sie die Badezimmertür öffnet, gehen all die guten Vorsätze auf einen Schlag verloren, und ihr entfährt ein spitzer Schrei.

Ihre Schwester liegt auf dem Boden im Badezimmer. Es herrscht Chaos. Überall liegen leere Döschen, Packungen und Blister herum. Ulla muss nur zum Schein weggeradelt sein, in Wirklichkeit ist sie in ihr Elternhaus zurückgekehrt und muss alle Tabletten aus dem Medizinschrank auf einmal genommen haben. Karin sieht, dass ihre Schwester noch lebt. Sie atmet schwer und lallt. Doch sie ist bleich und wirkt weggetreten, ist nicht ansprechbar. Sofort rennt Karin zurück in die Küche und ruft den Notarztwagen. Danach informiert sie Oskar, woraufhin der Teenager sich sofort auf den Weg macht. Das Telefon ist nicht kabellos. Deshalb kann sie Helvi nicht aufhalten, als diese geradewegs auf das Badezimmer zusteuert.

Karin findet ihre Mutter wie erstarrt ihm Türrahmen vor. Sie zittert am ganzen Körper. Karin umarmt Helvi und versichert ihr, dass Ulla lebt. Der Notarzt würde in wenigen Augenblicken kommen. Oskar, der mittlerweile eingetroffen ist, weint. Doch es ist nicht nur Trauer, die aus ihm strömt, sondern auch Wut, und Entschlossenheit. „Ich werde ihn umbringen“, stößt er immer wieder hervor. Als der Krankenwagen eintrifft und Ulla mitnimmt, bittet Helvi Karin und Oskar, nicht von Ullas Seite zu weichen. Sie würde nachkommen. Karin wundert sich, als sie sieht, wie ihre Mutter ein Messer in ihre blaue Handtasche steckt und das Haus verlässt.

Um kurz vor 20 Uhr erreicht Helvi Eskos Stammkneipe. Sie sieht ihn direkt, wie er mit den kriminellen Versagern, die er seine Freunde nennt, Billard spielt. Wie er angetrunken lacht und grölt, als sei die Welt in Ordnung. Er ist glücklich. Wie kann er glücklich sein, wo er seiner Familie so viel Leid antut? Sie denkt daran, dass sie ihre Tochter und Oskar seine Mutter heute fast für immer verloren hätte. Dann atmet sie tief ein und ruhig aus, sie wartet, bis Esko an die Bar kommt. Es dauert nicht lange, bis er neue Getränke bestellt. Wahrscheinlich hat die Bande an anderer Stelle Geld auftreiben können. „Ulla ist tot“, sagt sie. Esko dreht sich zu ihr um und antwortet: „Wo ist sie?“ „Sie ist tot!“, erwidert Helvi, nun lauter. Die beiden geraten in einen Streit. Als Esko sich umdreht und sagt „Ich werde Ulla finden“, zieht Helvi das Messer aus ihrer Tasche und sticht ihm in die Brust. Sie hält dem überraschten Blick ihres Schwiegersohns stand. Dann sinkt er zu Boden.

Hier und da schreien die Gäste geschockt auf. Die Kellner der Bar sind entsetzt und haben Angst vor dem, was nun folgt. Helvi legt das Messer aus der Hand und um 20:16 Uhr ruft ein Barkeeper die Polizei und den Notarzt. Helvi versucht währenddessen, die Zeugen zu beruhigen. „Keine Sorge. Er hat es verdient, zu sterben.“ Langsam geht sie in die Küche. Dort bleibt sie, bis die Polizei eine halbe Stunde später eintrifft. Mit ihnen kommen auch Karin und Oskar, die vorher von den Beamten informiert wurden. Ihr Enkelsohn schaut Helvi in die Augen und weiß instinktiv, was passiert ist. „Sie dürfen meine Oma nicht mitnehmen!“, fleht er die Polizei an. „Sie wollte mich nur beschützen. Ich hätte es auch selbst getan!“ Helvi nimmt Oskar in den Arm und lächelt ihn an. „Mach Dir keine Sorgen mehr.“

In der Untersuchungshaft zeigt Helvi sich kooperativ. Noch am selben Abend stimmt sie einer Befragung zu, doch vorher möchte sie wissen, ob Esko tot ist. Als die Ermittler dies bejahen, dankt Helvi innerlich Gott. Sie schildert die ganze Geschichte, angefangen beim Kennenlernen zwischen Esko und ihrer damals 15-jährigen Tochter. Sie berichtet von den Gewaltausbrüchen gegen Ulla und den gemeinsamen Sohn, von den Alkohol- und Drogenproblemen, von dem Stalking, der Schießerei in ihrem Haus und dem Selbstmordversuch ihrer Tochter. „Esko hat nichts als Schmerz und Leid über meine Tochter gebracht“, sagt sie. An diesem Abend, als ihr klar wurde, dass sie ihre Tochter hätte verlieren können, musste sie handeln. Sie ist sich darüber bewusst, dass es falsch ist, einen Menschen zu töten. Doch für ihre Tochter und ihren Enkelsohn führte kein Weg daran vorbei

Ulla erholt sich schnell von ihrer Überdosis. Nach der Beerdigung ihres Exmannes besucht sie sein Grab regelmäßig und bringt ihm wöchentlich frische Blumen.

Im Oktober 1995 beginnt der Prozess gegen Helvi. Zunächst soll ein psychiatrisches Gutachten erstellt werden, was rund sechs Monate dauert. In dieser Zeit lebt Helvi sich in Haft ein und findet Freunde unter den Gefängniswärtern. Einer davon ist Markus, mit dem sie sich wegen seines lebensfrohen Wesens und seines Humors besonders gut versteht. Auch die anderen Insassen lieben sie. Vor allem für die jüngeren Straftäter hat sie immer ein offenes Ohr und wird dort bald zu einer Mutterfigur. Ulla, Karin und Oskar besuchen Helvi so oft es die Gefängnisordnung zulässt.

Im März 1996 liegt das Ergebnis des Gutachtens vor. Helvi war zum Tatzeitpunkt nicht vollständig verantwortlich für ihr Handeln, da sie durch den Beinahe-Tod ihrer Tochter traumatisiert war. Dieser Schock hatte auch nach der Gewissheit, dass Ulla lebt, weiter angehalten. Trotzdem ist Helvi sich der Schwere ihrer Tat bewusst und möchte die Konsequenzen dafür tragen. Schließlich wird sie zu drei Jahren und drei Monaten Haft wegen Totschlages unter medizinisch einschränkenden Umständen verurteilt. Die Mindeststrafe für dieses Verbrechen liegt eigentlich bei vier Jahren Gefängnis.

Nach Helvis Inhaftierung ruft Karin eine Petition für sie ins Leben. Innerhalb von einer Woche unterschreibt sie fast das ganze Dorf, darunter Polizeibeamte und Matthi, Eskos Bruder. Karin sendet die Petition an den Präsidenten und bittet um Gnade für ihre Mutter.

Helvi schält Kartoffeln für das Abendessen. Sie bringt sich im Gefängnis ein und hat an der Küchenarbeit sogar Spaß. Heute gibt es Kartoffeln, Gemüse und Fisch – eine Mahlzeit, die auch Ulla als Kind liebte. In diesen Zeiten war ihre Tochter auf so einfache Art und Weise glücklich zu stimmen. Helvi lächelt bei dem Gedanken und hofft, dass Ulla ihre Lebensfreude nun endlich zurückgewinnt. Das Öffnen der Küchentür holt sie zurück in die Gegenwart. „Guten Abend, Helvi“, begrüßt Markus sie. „Wie wäre es, wenn Du Deine Taschen packst und nach Hause fährst?“ Helvi lässt den Kartoffelschäler fallen. Markus ist humorvoll, aber auf Kosten ihrer Geschichte und ihrer Haft würde er keinen Scherz machen. Entgeistert blickt sie ihn an. „Es ist wahr. Der Präsident hat Dich begnadigt.“

Tatsächlich hat der finnische Präsident Martti Ahtisaari der Petition zugestimmt, allerdings nicht öffentlich. Als Helvi an diesem Abend vor der Tür steht, bricht Ulla deshalb hemmungslos in Tränen aus. Ihre Mutter hält sie im Arm, möchte sie beruhigen. Doch Ulla beschwichtigt sie. „Alles in Ordnung, Mama. Dieses Mal sind es Freudentränen.“

Kapitel 2

Der Rinderzüchter

Die kurze, trockene Nachricht schlug ein wie eine Bombe.

---ENDE DER LESEPROBE---