Finstere Lügen - David Baldacci - E-Book

Finstere Lügen E-Book

David Baldacci

0,0
15,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Es ist Zeit, einen Mörder zu fassen

»Sie ist tot.« Diese Nachricht unterbricht den routinierten Alltag des ehemaligen US-Army-Rangers Travis Devine. An seinem Arbeitsplatz angekommen, erfährt er, dass seine Ex-Freundin und Kollegin Sara ermordet aufgefunden wurde. Und er steht ganz oben auf der Liste der Tatverdächtigen. Als Travis in das Visier der Polizeiermittler gerät, scheint ein zweischneidiges Angebot des US-Geheimdienstes der einzige Ausweg zu sein: als Undercover-Agent dem illegalen Treiben seines Arbeitgebers auf die Spur kommen und dabei Saras Mörder finden. Anderenfalls droht sein dunkelstes Geheimnis an die Oberfläche zu gelangen. Travis begibt sich in das verhängnisvolle Fadenkreuz der Finanzwelt, nicht ahnend, dass er für den Mörder längst zur Zielscheibe geworden ist ...

Mörderische Wendepunkte, ein von der Vergangenheit geplagter Held und endlose Spannung: Dieser Thriller wird seine Leser so schnell nicht mehr loslassen

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 595

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



INHALT

CoverÜber das BuchÜber den AutorTitelImpressumWidmungKapitel 1Kapitel 2Kapitel 3Kapitel 4Kapitel 5Kapitel 6Kapitel 7Kapitel 8Kapitel 9Kapitel 10Kapitel 11Kapitel 12Kapitel 13Kapitel 14Kapitel 15Kapitel 16Kapitel 17Kapitel 18Kapitel 19Kapitel 20Kapitel 21Kapitel 22Kapitel 23Kapitel 24Kapitel 25Kapitel 26Kapitel 27Kapitel 28Kapitel 29Kapitel 30Kapitel 31Kapitel 32Kapitel 33Kapitel 34Kapitel 35Kapitel 36Kapitel 37Kapitel 38Kapitel 39Kapitel 40Kapitel 41Kapitel 42Kapitel 43Kapitel 44Kapitel 45Kapitel 46Kapitel 47Kapitel 48Kapitel 49Kapitel 50Kapitel 51Kapitel 52Kapitel 53Kapitel 54Kapitel 55Kapitel 56Kapitel 57Kapitel 58Kapitel 59Kapitel 60Kapitel 61Kapitel 62Kapitel 63Kapitel 64Kapitel 65Kapitel 66Kapitel 67Kapitel 68Kapitel 69Kapitel 70Kapitel 71Kapitel 72Kapitel 73Kapitel 74Kapitel 75Kapitel 76Kapitel 77Kapitel 78Kapitel 79Kapitel 80Kapitel 81Kapitel 82Kapitel 83Kapitel 84Danksagung

ÜBER DAS BUCH

Es ist Zeit, einen Mörder zu fassen.

»Sie ist tot.« Diese Nachricht unterbricht den routinierten Alltag des ehemaligen US-Army-Rangers Travis Devine. An seinem Arbeitsplatz angekommen, erfährt er, dass seine Ex-Freundin und Kollegin Sara ermordet aufgefunden wurde. Und er steht ganz oben auf der Liste der Tatverdächtigen. Als Travis in das Visier der Polizeiermittler gerät, scheint ein zweischneidiges Angebot des US-Geheimdienstes der einzige Ausweg zu sein: als Undercover-Agent dem illegalen Treiben seines Arbeitgebers auf die Spur kommen und dabei Saras Mörder finden. Anderenfalls droht sein dunkelstes Geheimnis an die Oberfläche zu gelangen. Travis begibt sich in das verhängnisvolle Fadenkreuz der Finanzwelt, nicht ahnend, dass er für den Mörder längst zur Zielscheibe geworden ist …

Mörderische Wendepunkte, ein von der Vergangenheit geplagter Held und endlose Spannung: Dieser Thriller wird seine Leser so schnell nicht mehr loslassen.

 

Weitere Titel des Autors:

Der Präsident Das Labyrinth Die Versuchung Die Wahrheit Die Verschwörung Das Versprechen Der Abgrund Das Geschenk Auf Bewährung Das Glück eines Sommers

 

Bände der Shaw-Reihe:

Die Kampagne Doppelspiel

 

Bände der Maxwell / King-Reihe:

Im Bruchteil der Sekunde Mit jedem Schlag der Stunde Im Takt des Todes Bis zum letzten Atemzug Fünf vor zwölf

 

Bände der Camel-Club-Reihe:

Die Wächter Die Sammler Die Spieler Die Jäger Der Auftrag

 

Bände der Will-Robie-Reihe

Der Killer Verfolgt Im Auge des Todes Falsche Wahrheit Der Feind im Dunkeln

 

Titel in der Regel auch als Hörbuch und E-Book erhältlich

ÜBER DEN AUTOR

David Baldacci wurde 1960 in Virginia geboren, wo er heute lebt. Er wuchs in Richmond auf. Sein Vater war Mechaniker und später Vorarbeiter bei einer Spedition, seine Mutter Sekretärin bei einer Telefongesellschaft.

Baldacci studierte Politikwissenschaft an der Virginia Commonwealth University (B.A.) und Jura an der University of Virginia. Während des Studiums jobbte er u.a. als Staubsaugerverkäufer, Security-Guard, Konstrukteur und Dampfkesselreiniger. Er praktizierte neun Jahre lang als Anwalt in Washington, D.C., sowohl als Strafverteidiger als auch als Wirtschaftsjurist.

Von David Baldacci wurden bislang 29 Romane in deutscher Sprache veröffentlicht. Seine Werke erschienen auch in Zeitungen und Zeitschriften wie USA Today Magazine und Washington Post (USA), Tatler Magazine und New Statesman (Großbritannien), Panorama (Italien) und Welt am Sonntag (Deutschland). Außerdem hat er verschiedene Drehbücher fürs Fernsehen geschrieben.

David Baldaccis Bücher wurden in 40 Sprachen übersetzt und in mehr als 80 Länder verkauft. Alle Romane von David Baldacci waren nationale und internationale Bestseller. Die Gesamtauflage seiner Romane liegt bei über 110 Millionen Exemplaren.

Neben seiner Arbeit als Schriftsteller engagiert sich Baldacci für eine Reihe karitativer und gesellschaftlicher Institutionen, darunter der National Multiple Sclerosis Society, der Barbara Bush Foundation for Family Literacy, der Virginia Foundation for the Humanities, der America Cancer Society, der Cystic Fibrosis Foundation und der Viriginia Commonwealth University.

DAVIDBALDACCI

FINSTERE

LÜGEN

THRILLER

Übersetzung aus dem Amerikanischenvon Rainer Schumacher

Vollständige eBook-Ausgabe

des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

 

Titel der amerikanischen Originalausgabe:

»The 6:20 Man«

 

Für die Originalausgabe:

Copyright © 2022 by Columbus Rose, Ltd.

 

Für die deutschsprachige Ausgabe:

Copyright © 2023 by Bastei Lübbe AG, Köln

Textredaktion: Frauke Meier, Hannover

Umschlaggestaltung: Massimo Peter-Bille

Umschlagmotiv: © Maciej Bledowski/shutterstock, ZRyzner/shutterstock

eBook-Produktion: Dörlemann Satz, Lemförde

  

ISBN 978-3-7517-4297-9

luebbe.de

lesejury.de

 

Für Anthony Forbes Watson, meinen guten Freund und brillanten Verleger im Vereinigten Königreich. In unserer gemeinsamen Zeit hast du mich viel gelehrt, und das nicht nur über Bücher und deren Veröffentlichung, sondern auch über großartige französische Weine sowie bedeutende Moralphilosophien. Wo auch immer dich dein zukünftiger Weg hinführen mag, ich werde dich stets anfeuern. Und unsere Freundschaft wird all das überdauern, so wie wahre Freundschaft es immer tut.

KAPITEL 1

Travis Devine atmete flach. Er ignorierte die Hitze und Schwüle, die immer drückender wurden, je höher die Sonne stieg, und beeilte sich so sehr, den 6:20-Uhr-Zug noch zu erreichen, als wäre es PanAms legendärer letzter Flug raus aus Saigon. Travis trug einen grauen Anzug von der Stange, ein zerknittertes weißes Hemd, das dringend einmal gewaschen werden musste, und eine schlichte dunkle Krawatte. Dabei hätte er viel lieber Jeans und T-Shirt getragen, oder seine Camohose und Springerstiefel. Doch das durfte nicht sein, nicht auf dieser Fahrt.

Travis war frisch geduscht, fing aber schon wieder an zu schwitzen. Sein dichtes Haar war ordentlich gekämmt … oder zumindest so ordentlich, wie es ihm möglich war. Sein Gesicht war rasiert und roch leicht nach einem unauffälligen Rasierwasser. Die Schuhe an seinen Füßen waren billige Slipper, vorne und hinten blank poliert. In der Kunstlederaktentasche an seiner Seite befand sich der Firmenlaptop. Das Ding war verschlüsselt und die private Nutzung nicht gestattet. Außerdem hatte er noch Pfefferminzbonbons dabei für frischen Atem und ein Päckchen Kautabletten gegen Sodbrennen. Die netten kleinen Aufputschpillen nahm er nicht länger, die er einst geschluckt hatte, als er noch für sein Land gekämpft hatte. Die Army hatte sie wie Gummibärchen verteilt, damit die einfachen Soldaten länger und härter kämpfen konnten, und das vorzugsweise mit weniger Schlaf und Essen.

Jetzt kosteten sie jedoch Geld.

Auch bestand seine Bewaffnung nicht mehr aus einem M4 Carbine, dem Standardgewehr der Army, sowie einer Pistole vom Typ M9, sondern aus zwei Apple 27 Zoll Monitoren, die mit einem mächtigen, verschlüsselten Cloudserver verbunden waren, auf dem alle Daten gespeichert waren, die Travis je brauchen würde. Zwar war das alles Bullshit, doch seltsamerweise war es im Augenblick wichtiger für ihn als alles andere.

In der Welt der Hochfinanz lernte man rasch, worum es wirklich ging, und das war sehr einfach: gewinnen oder verlieren. Fressen oder gefressen werden. Es gab nur Schwarz oder Weiß. Sein oder Nichtsein. Keinen Taliban oder afghanischen Soldaten, der so tat, als sei er dein Verbündeter, bevor er dir eine Kugel in den Hinterkopf jagte. Hier, in dieser Welt, waren Devines Hauptsorgen Quartalsergebnisse, Liquidität, freie und geschlossene Märkte, Monopole und Oligarchien sowie Firmenanwälte, die wollten, dass man sich an die Regeln hielt, und Bosse, die darauf bestanden, dass man genau das nicht tat. Und am Wichtigsten von allem: die Personen, die im Büro direkt neben Devine saßen. Das waren seine Todfeinde. In der Wall-Street-Version von Mixed Martial Arts hieß es: sie oder er.

Travis pendelte mit der North Harlem Line nach Süden in die große Stadt. Im Alter von zweiunddreißig Jahren hatte sein Leben sich von Grund auf verändert, und er war nicht sicher, was er davon halten sollte. Nein, das stimmte nicht. Er war sicher. Er hasste es. Und das hieß, dass alles nach Plan verlief.

Travis saß, wo er immer saß, wenn er in die Stadt pendelte: in der dritten Reihe am Fenster auf der Steuerbordseite. Auf der Rückfahrt wechselte er dann nach Backbord. Der Zug tuckerte in Richtung Stadt, ohne großen Ehrgeiz an den Tag zu legen, ganz anders als die Menschen, die er beförderte. In Europa und Asien rasten schlanke Züge wie Geparden durchs Land, doch hier gab es nur Schnecken. Dennoch waren die Züge schneller als die Autos, die im mörderischen Verkehr der Rush Hour feststeckten.

Schon weit vor Travis waren ganze Generationen von Angestellten und Arbeitern diese Strecke zu den Türmen von Manhattan gefahren, und viele waren auf dem Weg den üblichen Verdächtigen zum Opfer gefallen: Herzinfarkte, Schlaganfälle, Aneurysmen, dem langsamen Tod durch neurologische Störungen oder Krebs, einer von Alkohol zerfressenen Leber, oder sie waren durch die eigene Hand gestorben, wenn sie den Stress nicht länger hatten ertragen können.

Travis lebte in Mount Kisco in einem heruntergekommenen Haus, das er sich mit drei Twens teilte, die auf unterschiedliche Art versuchten, sich in der großen Stadt ein Leben aufzubauen. Wenn er selbst sich Tag für Tag auf den Weg machte, um seine Zukunft zu gestalten, ließ er sie zumeist schlafen.

Je näher der Zug Manhattan kam, desto mehr füllte er sich auch. Es war Sommer. Die Sonne stieg am Himmel empor, und die Hitze nahm immer mehr zu. Travis hätte natürlich auch in der Stadt wohnen können, was ihm jede Menge Geld für Bahnfahrkarten gespart hätte, doch er mochte Bäume und große, freie Flächen. Er wollte nicht ständig von Wolkenkratzern und Beton umgeben sein. Tatsächlich hatte er gerade darüber nachgedacht, wo er hinziehen sollte, als eine Immobilienmaklerin, die Bekannte eines Freundes, ihm plötzlich erzählt hatte, sie hätte da ein Zimmer in einem Haus weiter draußen. Außerdem pendelten viele Menschen täglich in die Stadt, obwohl das lange Tage und kurze Nächte bedeutete, doch das kannte er schon aus seiner Zeit in der Army.

»Du arbeitest, bis du umfällst, Travis«, hatte sein Vater immer wieder und wieder gesagt. »Auf dieser Welt gibt dir niemand etwas umsonst. Du musst es dir nehmen, und du kannst es dir nehmen, indem du härter arbeitest als alle anderen. Schau dir deine Schwester und deinen Bruder an. Glaubst du, die hatten es leicht?«

Ja, sein älterer Bruder und seine ältere Schwester, Danny und Claire. Der eine Neurochirurg in der Mayo Clinic und die andere Finanzvorstand eines Fortune-100-Unternehmens. Sie waren acht beziehungsweise neun Jahre älter als Travis und schon jetzt offiziell Superstars. Sie hatten Höhen erreicht, die ihr Bruder nie erklimmen würde. Das hatte man Travis schon immer gesagt, und nichts und niemand konnte ihn vom Gegenteil überzeugen.

Travis Devines Geburt war offensichtlich ein Fehler gewesen. Egal ob sein Vater nun das Kondom vergessen oder seine Mutter ihren Eisprung nicht bemerkt hatte, in jedem Fall war er plötzlich da gewesen, sehr zum Ärger seiner ganzen Familie. Seine Mutter war unmittelbar nach der Geburt schon wieder an ihren Arbeitsplatz in der florierenden Zahnarztpraxis seines Vaters zurückgekehrt, wo sie sich um die Zahnhygiene der Patienten gekümmert hatte. Travis hatte das natürlich erst später erfahren, aber die Gleichgültigkeit seiner Eltern hatte er schon als Kleinkind gefühlt. Später, in der Senior Highschool, hatte sich dieses Gefühl dann in Wut verwandelt.

Zu der Zeit wurde Travis dann auch in West Point aufgenommen.

Sein Vater hatte gebrüllt: »Du willst Soldat spielen, anstatt in die Welt zu ziehen und dir deinen Lebensunterhalt zu verdienen? Na schön, Junge. Ab sofort gibt es kein Geld mehr. Deine Mutter und ich haben diesen Scheiß nicht verdient.«

Doch Travis fand beim Militär seinen Platz im Leben. Nach seinem Abschluss in West Point hatte er eine harte Ausbildung an der Ranger School durchlaufen. Er hatte die Kriech-, Marsch- und Lauftests bestanden, wie die drei Phasen der Ausbildung bezeichnet wurden. Das Schlimmste war dabei der Schlafentzug gewesen. Travis und seine Kameraden hatten buchstäblich im Stehen das Bewusstsein verloren. Später hatte er sich für das 75th Ranger Regiment qualifiziert, eine Elitetruppe. Das war sogar noch härter gewesen als die Ranger School, doch Travis hatte die Special Forces geliebt und die gefährlichen, herausfordernden Einsätze, die er absolvieren musste.

Das alles waren große Errungenschaften, und Travis hatte seinen Eltern davon geschrieben und auf ihr Lob gehofft. Doch seine Mutter hatte ihm noch nicht einmal geantwortet, und sein Vater hatte ihm nur eine Mail geschickt und gefragt, in welchem Nationalpark er denn arbeite, nun da er ein Ranger sei. Signiert hatte er die Mail mit »Stolzer Vater von Smokey dem Bär«. Natürlich hätte man annehmen können, dass das nur der Humor seines Vaters war, doch Travis wusste, dass sein Vater keinen Humor besaß.

Travis war mit zwei Purple Hearts, einem Silver Star und diversen anderen Blechteilen und Bändern ausgezeichnet worden. In der Welt der Army galt er als unerschrockener Haudegen; er selbst sah sich nur als einen Überlebenden.

Als Junge hatte Travis die Uniform angezogen, und abgelegt hatte er sie als Kampfmaschine. Mit seinen bei der Army genau ausgemessenen eins siebenundachtzig war er als schlaksiger Teenager mit eher durchschnittlichem Körperbau nach West Point gegangen; doch dann hatte er sich in einen Muskelberg von 225 Pfund verwandelt. Sein Griff war so stark wie der Biss eines Krokodils; seine Kondition war unschlagbar, und dank seines Könnens im Töten und Überleben stand er ganz oben in der Nahrungskette, zusammen mit Orcas und Weißen Haien.

Travis war rasch zum Captain aufgestiegen, und er hatte die beiden silbernen Balken voller Stolz getragen, doch dann hatte er seinen Abschied genommen. Ihm war nichts anderes übrig geblieben. Damals hatte ihn das förmlich zerrissen. Tatsächlich zehrte es noch immer an ihm. Travis war Soldat mit Leib und Seele, zumindest bis er keiner mehr hatte sein können. Doch diese Entscheidung war unumgänglich gewesen.

Danach hatte er einen Monat lang in einem Apartment gesessen und darüber nachgedacht, was er nun tun sollte. Immer wieder riefen ihn alte Kameraden an, schickten ihm Mails und SMS und fragten ihn, was zum Teufel er sich dabei gedacht habe, die Uniform auszuziehen. Travis hatte nicht einem von ihnen geantwortet. Er hatte schlicht nicht gewusst, was er hätte sagen sollen. Ja, einst war er ein Anführer gewesen, der kein Problem damit gehabt hatte, Befehle zu erteilen und das Kommando zu führen, doch nun fand er schlicht keine Worte dafür zu erklären, was er getan hatte.

Das nach dem 11.September verabschiedete Versorgungsgesetz für ehemalige Soldaten half ihm, über die Runden zu kommen. So bezahlte der Staat für sein Studium an einer öffentlichen Universität. Das war aber auch nur fair, nachdem er fast für sein Land gestorben wäre. Auf diese Art hatte er dann seinen MBA gemacht.

Travis war der Älteste in seiner Gruppe der Berufsanfänger bei Cowl and Comely, einem erfolgreichen Investmentunternehmen, in dem er als einfacher Analyst auf der Einstiegsebene arbeitete. Als er sich bei Cowl beworben hatte, da hatte er gewusst, dass man ihm aufgrund seines Alters und seines ungewöhnlichen Hintergrunds mit Misstrauen begegnen würde. Nach außen hin hatten sie ihm für seinen Militärdienst gedankt, doch das war nur ein Automatismus gewesen. Vermutlich hatten sie schlicht eine Veteranenquote erfüllen müssen. Travis war es jedoch egal, warum sie ihn ausgewählt hatten, solange er nur die Chance erhielt, sich selbst das Leben so schwer wie möglich zu machen.

Ja, dachte er und starrte zum Fenster hinaus. So schwer wie möglich.

Travis hatte auch schon versucht, einen späteren Zug in die Stadt zu nehmen, doch da saßen viel zu viele Schlipsträger drin, die genau wie er nach Manhattan in den Krieg zogen. Er musste jedoch als Erster dort sein, denn wer zuerst da war, der gewann für gewöhnlich auch. Auch das hatte er beim Militär gelernt.

Und so stieg Travis jeden Morgen um 6:20 Uhr in den Zug und fuhr zur Strafe in die große Stadt. Und sosehr er die Arbeit auch hasste – genau wie das Leben, das mit ihr einherging –, die Strafe würde nie hart genug sein, nicht gemessen an dem Verbrechen, das er begangen hatte.

KAPITEL 2

Der 6:20-Uhr-Zug fuhr durch die idyllische Landschaft außerhalb einer Metropolis von einzigartiger Größe und Komplexität. Unterwegs nahm der Zug an den Bahnhöfen der umliegenden Kleinstädte immer mehr Menschen auf, die nur existierten, um die hungrige Bestie weiter südlich zu füttern. Schließlich tuckerte er an einem Ort vorbei, dessen Wohnungen und Häuser zu den teuersten im ganzen Land zählten. Hier gab es Häuser, die fast so groß waren wie ein Einkaufszentrum, und sie hätten eigentlich einen großartigeren Namen verdient. Selbst Villa oder Anwesen reichten da nicht, dachte Travis. Palast vielleicht … Ja, Palast schien zu passen.

Travis blickte von seinem Laptop auf, wie er es jeden Morgen tat, wenn er durch dieses Gebiet fuhr. Jedes Mal, wenn er hinausschaute, wurde ein weiteres Gebäude gebaut oder ein existierendes noch prächtiger umgestaltet. Die Betonmischer brachten ihre feuchte Ladung auf die Baustellen, um immer größere und ausgefeiltere Swimmingpools zu gießen. Gleichzeitig wurden die Häuser immer höher und breiter. Manche bekamen auch ein Gästehaus oder einen eigenen Golfkurs. Natürlich sicherte das Jobs in der Arbeiterklasse. Also hatten all die Gier und all die Protzerei auch ihre guten Seiten, sinnierte Travis.

Als der Zug sich einer Kurve näherte, bremste er ab und kroch träge auf eine kleine Erhebung. Oben angekommen bremste er weiter, bis er fast zum Stillstand kam. Hier gab es eine Signalanlage, doch dem Lokomotivführer war das offensichtlich egal. Zu sagen, dass die Bahn hier ein Monopol hatte, war das Gleiche wie zu erklären, dass die Erde sich um die Sonne dreht. Also warum sollte sie das kümmern?

Und als sie vollständig zum Stillstand gekommen waren, da sah Travis sie. Bis jetzt hatte er sie nur ein paarmal gesehen, und das auch nur, wenn es warm war. Er hatte keine Ahnung, warum sie so früh schon auf den Beinen war, aber es freute ihn.

Die Sichtschutzwand war hoch, aber nicht hoch genug, um den Blick von dem kleinen Hügel aus zu versperren. Travis wusste, wem dieser spezielle Palast gehörte, und er wusste auch, dass Sichtschutzwände und Zäune hier nur eine gewisse Höhe haben durften. Um das zu kompensieren, hatte der Eigentümer hohe Bäume an der hinteren Mauer gepflanzt, doch da die Baumkronen inzwischen deutlich höher als die Mauer waren, gab es einen großen Spalt, durch den man hindurchsehen konnte.

Natürlich war das nur ein Versehen, das der Besitzer sicher bald korrigieren würde. Insgeheim hoffte er jedoch, es würde nicht geschehen, zumindest nicht, solange er mit dem 6:20-Uhr-Zug fuhr. Er fühlte sich ein wenig wie James Stewart in Fenster zum Hof, dem besten Spannerfilm aller Zeiten. Aber Travis schaute nicht aus dem Fenster, weil sein Bein gebrochen oder weil ihm langweilig war wie James Stewarts Figur im Film. Er schaute wegen ihr hinaus.

Die Frau war aus der Hintertür des größten Palasts in dieser Enklave geschlendert – und schlendern war tatsächlich das einzige Wort, das zu ihren Bewegungen passte. Ihre Schritte waren geschmeidig und gelassen. Sie bewegte sich wie ein Panther, der sich aufwärmte, um gleich loszustürmen. Ihre Hüften, ihre Pobacken und ihre Schenkel und Schultern folgten alle einer fantastischen, urtümlichen Choreografie.

Das Haus hinter ihr war modern. Überall Glas, Metall und Beton, angeordnet in seltsamen geometrischen Formen. Nur der Geist eines architektonischen Genies, dem das Koks schon aus der Nase quoll, konnte sich so etwas ausgedacht haben.

Die Frau trug einen kurzen weißen Frotteebademantel, der förmlich an ihren braunen Schenkeln klebte. Als sie den Mantel auszog, kam ein smaragdgrüner String-Bikini an einem Körper zum Vorschein, der viel zu makellos aussah, um echt zu sein. Ihr Haar war platinblond, und ihre Frisur hatte vermutlich mehr gekostet als Travis’ Anzug.

Travis ließ seinen Blick durch den Waggon schweifen, um zu sehen, ob noch andere dort hinschauten. Die Männer glotzten natürlich allesamt. Eine der Frauen hatte ebenfalls den Blick vom Laptop gehoben und die fragliche Dame gesehen, und nun schaute sie die feinen Herren an, die an den Scheiben klebten. Angewidert wandte sie sich wieder ihrem Computer zu. Zwei anderen Frauen, eine Mitte vierzig und wie ein Hippie gekleidet, die andere in den Siebzigern, war das Spektakel offenbar egal. Erstere telefonierte, und Letztere las eifrig in ihrer Bibel, in der sich bekanntermaßen unzählige Warnungen vor fleischlichen Verlockungen fanden.

Die Frau prüfte mit dem Zeh das Wasser, schauderte leicht und sprang hinein. Sie beschrieb einen anmutigen Bogen unter Wasser, stieß sich an der gegenüberliegenden Wand ab und tauchte genau dort wieder auf, wo sie eingetaucht war. Anschließend kletterte sie aus dem Pool und schaute in Travis’ Richtung. Allerdings schien sie wegen der Sonneneinstrahlung nicht durch die Zugfenster sehen zu können.

Nun, da sie nass war, schien es, als wäre der Bikini an ihrem Körper geschrumpft. Sie schaute nach links und rechts und dann zu ihrem Haus zurück. Schließlich zog sie erst ihr Top und dann den Tanga aus. Einen endlosen Augenblick lang saß sie splitterfasernackt da. Travis sah deutlich die weißen Bikinistreifen auf ihrer braunen Haut. Dann sprang sie wieder ins Wasser und verschwand.

In diesem Moment setzte auch der Zug sich wieder in Bewegung, und der nächste Palast erschien. Dort badete allerdings keine Schönheit nackt im Pool. Außerdem hatte der Besitzer dort auch keine Bäume gepflanzt, unter deren Kronen man hindurchsehen konnte, sondern eine dichte Hecke.

So ziemlich jeder Mann im Zug seufzte ernüchtert und sackte mit einer Mischung aus Ekstase und Enttäuschung ein bisschen tiefer auf seinem Sitz. Travis schaute sich einige von ihnen an. Sie erwiderten seinen Blick, lächelten, schüttelten die Köpfe und formten mit den Lippen Worte wie: Hey, was zum Teufel war das denn?

Travis hatte noch nie gesehen, dass sie sich auszog. Er fragte sich, was sie wohl dazu veranlasst hatte, abgesehen von einem spielerischen Impuls. Tatsächlich fragte er sich viele Dinge, was diesen speziellen Palast betraf. Es faszinierte ihn, was Menschen mit so viel Geld machten. Ein paar waren Philanthropen. Andere wiederum kauften sich einfach nur immer größere Spielzeuge. Travis sagte sich, sollte er selbst je reich werden, dann würde er keine Spielzeuge kaufen. Er würde alles verschenken.

Ja, klar …

Am nächsten Bahnhof stiegen weitere Passagiere zu und dann noch einmal mehr am übernächsten.

Als Travis den Blick über die Leute schweifen ließ, größtenteils Mittzwanziger, die sofort ihre Laptops einschalteten, Daten aus der Cloud abriefen und Dokumente und Excel-Tabellen studierten, da wusste er, dass der Feind überall lauerte. Er war vollständig umzingelt, und das hätte den ehemaligen Soldaten in Panik versetzen sollen.

Doch an diesem Morgen konnte Travis nur an die nackte Frau im Wasser denken, aber nicht aus den offensichtlichen Gründen.

Als ehemaligem Ranger und Fernspäher war ihm nicht entgangen, dass an der Schönheit irgendwas nicht stimmte.

KAPITEL 3

Als Travis an seinem Schreibtisch bei Cowl and Comely das Ping hörte, da schaute er in seine persönliche Mailbox auf dem Handy. Lange starrte er den Text an und fragte sich, ob das ein Scherz war oder ob er seine Lesefähigkeit verloren hatte.

Sie ist tot.

Kürzer konnte ein Satz nicht sein: Subjekt und Prädikat. Aber mehr brauchte es auch nicht. Allein diese Worte waren schon finster genug.

Dann las Travis den Rest der Mail.

Offenbar hatte man Sara Ewes erhängt in einem Lagerraum im 52.Stock des Gebäudes gefunden, in dem auch Travis sich befand. Ein Hausmeister hatte sie entdeckt. Ihre High Heels hatten unter ihr gelegen. Der Hals der Frau war in die Länge gezogen und das Genick gebrochen. Ihr Leben war vorbei … zumindest stand es so in der ominösen Mail.

Sara Ewes war gerade erst achtundzwanzig geworden, das wusste Travis, und sie war seit gut sechs Jahren bei Cowl and Comely. Ewes war groß und schlank mit dem Körperbau einer Langstreckenläuferin. Auch ihre akademischen Leistungen waren nicht zu verachten. Sie hatte ihren MBA an der Columbia University gemacht, während sie gleichzeitig hier malocht und sich eine Festanstellung verdient hatte. Normalerweise dauerte der Ausleseprozess ein Jahr. Travis hatte inzwischen sechs Monate hinter sich. Nach noch einmal sechs Monaten würde man ihm entweder die Tür weisen oder ihn befördern.

Travis schaute sich die Nachricht noch mal an. Sara ist tot?

Insgeheim war Travis mit Sara ausgegangen, als sie beide schon bei Cowl gearbeitet hatten. Sie hatten auch miteinander geschlafen, aber nur einmal. Travis hatte mehr gewollt, vielleicht auch viel mehr. Er hatte sich eine Beziehung mit ihr gewünscht. Doch dann war es vorbei gewesen, und jetzt sollte sie tot sein?

Travis schaute sich den Absender an. Die Mailadresse war ihm völlig unbekannt. Tatsächlich, fiel ihm nun auf, glich sie keiner Mailadresse, die er je gesehen hatte. Sie hatte weder einen Domainnamen noch ein Suffix wie *.com oder *.gov. Eine Gmail war das nicht. Es war einfach nur eine Zahlenfolge. Wer hatte sie geschickt? Und wie? Und warum ausgerechnet ihm?

Travis ließ seinen Blick über die anderen Arbeitsplätze schweifen, wo Finger über Tastaturen flogen, um Vermögen zu verdienen oder wieder zurückzugeben. Die E-Mail war nicht an seinen Firmenaccount gegangen. Ansonsten hätte auch die Compliance-Abteilung davon erfahren. Und niemand um ihn herum agierte so, als hätte auch er oder sie eine ähnliche Nachricht erhalten.

Bin ich wirklich der Einzige, der diese Mail bekommen hat? Ist die überhaupt echt? Oder ist das ein Scherz? Ist Sara wirklich tot?

Travis schrieb eine Antwortmail: Wer sind Sie? Und er schickte sie ab. Dann schaute er auf sein Display und sah, dass die Mail nicht gesendet werden konnte. Er versuchte es erneut, doch das Ergebnis blieb gleich.

Okay. Die Adresse scheint nur in eine Richtung zu funktionieren.

Travis stand auf und ging zur Tür. Niemand hob auch nur den Kopf, um ihm hinterherzuschauen. Die Leute hier gewannen ihre Schlachten auf den Bildschirmen vor ihnen und durch die Zeit, in der sie mit ihren Ärschen auf den Stühlen klebten. Als Travis den Raum verließ, hörte er förmlich, wie einige dachten: Gut, dass er weg ist. Das vergrößert meine Chancen.

Travis stieg in den Aufzug und fuhr in den 52.Stock. Als er sich dem 51.näherte, drückte er einem Impuls folgend den Knopf für diese Etage; doch trotz seiner Sicherheitskarte leuchtete der Knopf nicht auf. In seinen sechs Monaten in der Firma hatte Travis noch niemanden kennengelernt, der Zugang zu diesem Stockwerk hatte. Der Flurfunk nannte ihn immer »Area 51«. Travis hatte Gerüchte gehört, dass niemand auf dieser Etage arbeitete. Er fragte sich, was dort wirklich vor sich ging. Vielleicht war da ja die Serverfarm. Schließlich hatten alle größeren Investmentfirmen so etwas, um so schnell und effektiv wie möglich handeln zu können.

Kaum öffnete sich die Aufzugtür, trat ein Polizist an Travis heran und hob die Hand, um ihn aufzuhalten.

Es ist tatsächlich etwas passiert, dachte Travis. Die Mail war kein schlechter Scherz. Ihm lief ein Schauder über den Rücken.

»Die Etage ist gesperrt, Sir.«

Travis log und sagte: »Aber ich arbeite hier.«

»Heute nicht«, erklärte der Cop, und er sah so aus, als meinte er es ernst. »Heute arbeitet hier niemand.«

Travis erregte die Aufmerksamkeit von Wanda Simms, einer leitenden Angestellten, die Travis’ Burner-Gruppe als Verbindungsperson zugeteilt worden war. So wurden die Praktikanten intern genannt – Burner im Sinne von leicht zu verheizen; sie waren Frischlinge oder Kanonenfutter. Nun lief Wanda zu ihm. Ihr Gesicht war kreidebleich.

Travis drückte den Knopf, damit die Tür sich nicht schloss.

»Es ist ja so furchtbar, Travis. Schrecklich. Sie halten jeden von der Etage fern. Ich musste gerade in jedes Büro laufen und nachsehen, ob auch wirklich niemand hier ist.«

Wanda war um die fünfzig und trug Schwarz von Kopf bis Fuß, ganz so, wie es bei Cowl and Comely Standard war. Darin unterschied sich die Firma jedoch nicht von Goldman Sachs, BlackRock, JP Morgan, Merrill Lynch und all den anderen üblichen Verdächtigen. Eine Brille baumelte an einer Kette von ihrem Hals, gleich neben dem Band mit ihrem Sicherheitsausweis.

»Warum? Was ist denn passiert?«, fragte Travis. »Was ist hier los, Wanda?«

Wanda war offensichtlich verwirrt genug, um sich nicht zu fragen, was Travis überhaupt in diesem Stock verloren hatte.

»Haben Sie das noch nicht gehört? Sara Ewes! Haben Sie sie gekannt? Wenn ich mich recht entsinne, war sie doch Ihre Mentorin, als Ihre Gruppe hier angefangen hat.«

»Nein. Jedenfalls nicht sehr gut«, log Travis. »Was ist denn mit ihr?«

»Sie ist tot.«

Travis’ Überraschung war nicht vorgetäuscht. Die Erkenntnis, dass die Mail tatsächlich korrekt gewesen war, traf ihn wie ein Schlag in die Magengrube. »Tot? Was ist passiert?«

»Sie hat sich selbst umgebracht … zumindest habe ich das die Polizisten sagen hören. Sie hat sich erhängt.«

Oh, mein Gott!

»Leute … Wenn es Ihnen nichts ausmacht … Danke …«, drängte der Cop.

Simms nahm Travis am Arm. »Kommen Sie. Wir können auf dem Weg reden.«

Sie zog ihre Karte durch das Lesegerät im Aufzug und drückte den Knopf fürs Erdgeschoss.

»Moment … Auf was für einem Stock arbeiten Sie eigentlich? Ich kann mir das nie merken.«

»Ich fahre mit runter. Ich muss etwas erledigen.«

Simms hob demonstrativ die Augenbrauen. Hier galt die Regel, dass Burner ihre Plätze nur verließen, wenn es an der Zeit war, heimzuschlurfen und ein paar erbärmliche Stunden zu schlafen, bevor es wieder ins Hamsterrad ging – egal, ob nun jemand im Gebäude gestorben war oder nicht.

»Was ist nun mit Sara?«

Die Tür schloss sich, und Simms sagte: »Einer der Hausmeister hat sie heute Morgen in der Abstellkammer gefunden. Sie hing an der Decke. Offenbar hat sie eine Deckenplatte rausgenommen, ein Seil um das Rohr dahinter gebunden und ist dann von einem Stuhl gesprungen.«

Die Person, die mir die Mail geschickt hat, wusste das alles. Woher? Und warum hat sie das ausgerechnet mir geschrieben? »Wann soll sie das denn gemacht haben?«

»Entweder letzte Nacht oder sehr früh heute Morgen. Offenbar hat sie dieselben Kleider getragen wie gestern. Ich nehme an, die Polizei wird anhand des Zustands der Leiche feststellen können, wie lange sie dort gehangen hat.« Simms wurde bleich.

»Sie ist also überhaupt nicht nach Hause gefahren?«

»Offensichtlich nicht.«

Travis dachte wieder an die Mail zurück. »Hat sie einen Abschiedsbrief hinterlassen?«

»Nicht, dass ich wüsste. Dabei wirkte sie immer so ausgeglichen. Sie wissen vermutlich, dass sie in der F/Ü-Abteilung gearbeitet hat«, fügte sie hinzu. F/Ü stand für Fusionen und Übernahmen. »Ihre Karriere ging steil nach oben. Mister Cowl war ihr persönlicher Mentor.«

»Ich kann einfach nicht glauben, dass sie tot ist.«

»Ich habe noch nie eine Leiche gesehen … Ich meine, außerhalb eines Sargs, natürlich. Sie?«

Travis schaute sie an und antwortete wahrheitsgemäß: »Zumindest noch nie in einem Bürogebäude.«

»Ihre Eltern werden am Boden zerstört sein. Sie leben irgendwo im Ausland. Also wird es wohl eine Zeit lang dauern, bis sie hier sind. Und für die Firma sieht das auch nicht gut aus.« Sie schlug die Hand vor den Mund. »Oh, das hätte ich nicht sagen sollen. Ich meine, immerhin ist jemand tot.«

Sie erreichten das Erdgeschoss, und Simms stieg aus. »Kommen Sie nicht?«

»Ich habe vergessen, dass ich noch was fertig machen muss«, antwortete Travis. »Wir sehen uns.«

Travis zog seine Karte durch das Lesegerät und drückte den Knopf für seinen Stock. Er stellte sich vor, wie auch Sara Ewes das gestern gemacht hatte, vielleicht sogar ohne zu wissen, dass das ihr letztes Mal sein würde. Oder vielleicht hatte sie es gewusst. Selbstmorde waren häufig geplant. In diesem Fall hörte es sich auch so an.

Während Travis mit dem Fahrstuhl nach oben raste, dachte er darüber nach, dass er Simms belogen hatte. Er hatte Sara Ewes gut gekannt, sehr gut sogar. Irgendwann hätten sie sich vielleicht sogar ineinander verliebt; doch jetzt würde es nie mehr dazu kommen.

Jetzt war Sara Ewes tot, und Travis musste wissen warum.

KAPITEL 4

Die Nacht war klar, der Himmel voller Sterne, und Travis Devine bemerkte nichts davon. Tatsächlich hatte er nicht einmal wirklich in den Himmel geschaut, seit er bei Cowl and Comely angefangen hatte. Er war immer nur aus dem Büro zur U-Bahn marschiert, dann zur Grand Central Station gefahren und hatte wie auch jetzt den Abendzug in Richtung Heimat genommen. Dort angekommen würde er das letzte Stück zu Fuß gehen.

Als er das Gebäude von Cowl and Comely verlassen hatte, hatte er wie immer dem Nachtwächter zugenickt. Aus einleuchtenden Gründen fühlte er sich Männern mit Waffen verbunden. Der stämmige Mann schaute dann für gewöhnlich zu der Uhr hinter seinem Schreibtisch, erwiderte das Nicken und sah Travis dann tadelnd an, als wollte er sagen: Echt jetzt? Ernsthaft? Ist der Scheiß das wirklich wert? Komm schon! Wie viel Geld brauchst du denn?

Doch nicht an diesem Abend. Nicht nach Ewes Tod. Heute hatten sie einander nur ernst angeschaut.

Auf der Zugfahrt hatte Travis seine AirPods eingesteckt und hörte mit halbem Ohr die Finanznachrichten auf seinem Handy. Auf den asiatischen Märkten wurde bereits wieder Geld gemacht und verloren. Offiziell hatten sie seit gut einer Stunde geöffnet. Dabei hätte Travis sich lieber Janis Joplin oder AC/DC angehört, doch er hatte jetzt einen Job und musste Karriere machen. Da hatte er keine Zeit mehr für »Me and Bobby McGee« oder »Highway to Hell«. Dabei war der Letztere der beiden Titel für seine gegenwärtige Situation vermutlich mehr als passend.

Der Waggon war vollgepackt mit müden, verschwitzten Kriegern, von denen einige die nächsten beiden Tage frei haben würden, um sich ihre Wunden zu lecken und sich auf den Beginn einer neuen Woche voller Plackerei vorzubereiten. Travis saß fast Wange an Wange mit dem Mann neben ihm.

Travis’ Mutter war die erste gebürtige Amerikanerin aus einer griechischen Einwandererfamilie, und Travis ähnelte ihr sehr, während seine Geschwister äußerlich mehr nach ihrem irischen Vater kamen. Travis hatte dunkles, welliges Haar, olivfarbene Haut, eine breite Nase, ein kantiges Kinn und tiefliegende Augen, die ihm immer einen »grüblerischen« Ausdruck verliehen, egal was er dachte. Manche Leute sagten auch, er sehe immer angepisst aus, und vielleicht war er das ja auch. Außerdem war der erste Schatten eines Barts bei ihm schon am Mittag zu sehen, und das sah weder exotisch noch cool aus, sondern einfach nur schäbig.

Als sie den kleinen Hügel erreichten und der Zug wieder langsamer wurde, beugte Travis sich zum Fenster. Am Palast der Nacktbaderin brannte die Außenbeleuchtung. Travis wusste, dass sie an diesem Morgen ein großes Risiko eingegangen war, als sie sich in der Öffentlichkeit entkleidet hatte. Dieser Tage hatte schließlich alles und jeder eine Kamera in seinem Handy, und somit bestand die Gefahr, dass sich ihr Bild schon jetzt im Internet befand, und das auf ewig. Aber vielleicht war ihr das auch egal, und das faszinierte Travis sogar noch mehr.

Partylichter hingen jetzt an der Terrasse. Sie glichen winzigen Sternen, deren Licht jedoch längst verblasst war. Um den Pool drängten sich Gäste in eleganter Kleidung, lässig zwar, aber mit Sicherheit auch teuer. Es dauerte ein paar Augenblicke, bis Travis die Frau in der Menge fand, während der Zug hielt.

Sie trug ein weißes, eng anliegendes Kleid, das bis zur Mitte des Oberschenkels reichte, und genau wie der Bikini betonte es ihre Bräune. Ihre Schuhe waren goldene Stilettos. Sie hatte einen Drink in der Hand und sprach mit einer anderen Frau, die fast so schön war wie sie. Travis sah sie lachen, und die andere Frau tat es ihr nach. Er fragte sich, worüber sie wohl sprachen, und er fragte sich auch, was so eine Frau zum Lachen brachte … was sie glücklich machte.

Dann bekam Travis ein schlechtes Gewissen, und er kam sich einfach nur dumm vor, weil er sich flüchtig gewünscht hatte, Teil dieser Welt zu sein, und das so kurz nach Saras Tod.

Ich will nicht so sein wie der Kerl, dem dieser Palast gehört. Ich werde nie so sein … hoffe ich.

Travis wollte sich gerade abwenden, als er genau den Mann sah, über den er gerade nachgedacht hatte. Er ging zu den Frauen. Der Mann war Mitte vierzig und hatte kurzes dunkles Haar. Er war kräftig gebaut, ein typischer Bodybuilder mit viel zu dicken Armen und breiten Schultern, aber schwachen Beinen. In der Army wurde der Körper anders ausgebildet, von Grund auf. Dabei lag der Schwerpunkt auf Beinen und Oberkörper. Fratboys konzentrierten sich jedoch immer auf den Bizeps; aber wenn es an Kniebeugen ging oder gar darum, schwere Gewichte aus den Beinen zu stemmen, da versagten sie regelmäßig. Diese Typen sahen nur stark aus, waren in Wahrheit aber schwach. Sie hätten noch nicht einmal die Grundausbildung überstanden.

Mit seiner Kleidung und der Art, wie er sich gab, versuchte der Mann, jünger und hipper auszusehen, als er in Wirklichkeit war, und das gelang ihm auch fast.

Sein Name war Bradley Cowl, Travis’ Boss der Bosse, die Macht hinter Cowl and Comely. Travis wusste allerdings nicht, wie die junge Frau hieß, die so regelmäßig im Bikini über den Rasen flanierte, oder auch in weniger.

Es ärgerte ihn, dass Cowl genau an dem Tag eine Party feierte, an dem eine seiner Angestellten sich das Leben genommen hatte, eine Frau, um die er sich eigentlich hätte kümmern sollen.

Cowl legte der Blondine die Hand auf die Hüfte. Seine Finger tanzten über ihren Hintern und packten ihn dann. Als Nächstes drückte er ihr einen schier endlosen Kuss auf den Mund, während die Umstehenden sie anstarrten und peinlich berührt lächelten.

»Verdammt. Dieser glückliche Hurensohn. Ich meine, schau dir den Scheiß doch mal an, Mann. Schau es dir an!«

Travis drehte sich zu einem fetten, verschwitzten, jungen Mann in einem dunklen Anzug von Brooks Brothers um. Der Typ saß neben ihm und starrte das Gleiche an wie er. Travis roch sowohl den Schweiß des Mannes als auch seinen lausigen Neid.

»Da geht’s nur um das verdammte Geld«, fuhr Sweaty fort. »Eines Tages werde ich das sein. Ich schwöre!« Und er klang tatsächlich so, als meinte er das ernst.

Travis starrte ihn kurz an. Ein wenig fand er sich selbst in den Worten des Kerls wieder.

Als Travis seinem Vater gesagt hatte, er würde seinen MBA machen, da hatte der alte Herr sich gefreut. Und als Travis den Job bei Cowl and Comely bekommen hatte, da hatte Devine Senior seinen Sohn zum Dinner ausgeführt, und sie hatten zusammen getrunken. Das war das erste Mal gewesen, dass Travis so eine Erfahrung mit seinem Vater gemacht hatte. Es war berauschend gewesen, und damit meinte er nicht den Alkohol. Es war das erste Mal, dass sein Vater stolz auf ihn gewesen war, und es war auch das erste Mal, dass Travis als Erwachsener so etwas wie Zuneigung zu seinem Vater empfunden hatte.

Doch als er am nächsten Morgen aufgewacht war, da hatte er sich so deprimiert gefühlt wie nie zuvor. Für ihn ging es nicht um die Belohnung. Es ging auch nicht darum, Geld zu machen und eines Tages selbst einen Palast zu besitzen. Und es ging nicht darum, seinen Vater stolz zu machen. Dieser Zug war längst abgefahren.

Es ging allein darum, Schulden zu begleichen.

Als das Signal auf Grün schaltete, beschleunigte der Zug wieder. Einige Zeit später schlurfte Travis aus dem Bahnhof hinaus. Er wollte einfach nur heim, schlafen und dann früh wieder aufstehen. Anschließend würde er wie fast jeden Tag, seit er die Army verlassen hatte, seine Übungen machen, im Dunkeln duschen, frühstücken und schließlich, bei Sonnenaufgang, wieder zu genau dem Bahnhof gehen, den er gerade verlassen hatte. Wenigstens war morgen Samstag, und das hieß, dass dann der eine Tag in der Woche folgte, an dem er nicht arbeiten musste.

Doch seine Pläne sollten sich zerschlagen.

KAPITEL 5

»Mister Devine? Travis Devine?«

Travis schaute zu dem Mann, der gerade aus seinem Wagen gestiegen war. Er parkte direkt vor dem Bahnhofsgebäude, in dem sich auch ein italienisches Restaurant befand.

»Ja?«

Der Mann kam zu ihm. Er war dunkelhäutig, ungefähr genauso groß wie Travis, schlank und vielleicht Mitte vierzig, womöglich auch ein wenig älter. Sein Kopf war kahl, und seine Stirn war in Falten gelegt. Er trug einen dunkelblauen Anzug, der ihm mit seinem sportlichen Körper gut stand. Seine Schuhe waren schwarz, die Sohlen aus Gummi. Er hielt eine Dienstmarke und einen Ausweis in die Höhe. »Detective Karl Hancock, NYPD.«

Travis versteifte sich. »Was kann ich für Sie tun?«

»Würde es Ihnen etwas ausmachen, mit zum Wagen zu kommen? Da können wir reden.«

»Worüber?«

»Ach, kommen Sie! Was glauben Sie wohl? Sara Ewes. Sie ist tot. Haben Sie das nicht gewusst?«

Travis mochte den Kerl nicht. Er war ungewöhnlich direkt und schien dazu zu neigen, übereilte Schlüsse zu ziehen. Mit seinen braunen Augen, die im Licht der Straßenlaternen klar zu erkennen waren, musterte er Travis von Kopf bis Fuß. »Ich habe davon gehört. Genau wie jeder andere auch.«

»Jaja. Bitte, hier entlang, Sir, wenn es Ihnen nichts ausmacht. Es wird nicht lange dauern.«

Das sagen diese Typen immer, und bevor man sich’s versieht, sind Jahre vorbei.

Travis setzte sich auf den Beifahrersitz. Es roch nach verschüttetem Kaffee, und der Gestank von Zigaretten raubte ihm den Atem.

Hancock ließ ein Fenster herunter und sagte: »Bitte, entschuldigen Sie den Gestank. Tatsache ist, ich rauche nicht, und ich trinke auch keinen Kaffee, aber das ist nicht mein Wagen. Eigentlich dürfen wir hier drin auch gar nicht rauchen, aber einige machen es trotzdem. Dazu kommen die Budgetkürzungen, auch für unseren Fuhrpark. Das Geld fehlt an allen Ecken und Enden. Ich glaube, die haben seit zehn Jahren kein neues Auto mehr gekauft. Wenn ich einen davon fahre, dann muss ich meine Kleider anschließend in die Reinigung bringen, und das jedes Mal.«

»Kein Problem. Ich habe schon Schlimmeres gerochen.«

»Das war dann wohl in Afghanistan oder im Irak, korrekt? Captain Devine?«

Travis gefiel es gar nicht, dass das NYPD so viel über ihn wusste, denn das zeigte, dass sie ihn bereits überprüft hatten, und jetzt hatten sie auch noch einen Detective den weiten Weg hier rausgeschickt, und das an dem Tag, an dem Saras Leiche gefunden worden war.

»Ex-Captain. Und ich war auch schon in Bars in der Stadt, die schlimmer gerochen haben als das hier.«

»Sie sind verwundet worden. Zweimal. Aber Sie scheinen in Ordnung zu sein.«

»Ja, jedenfalls da, wo Sie es sehen können.«

Hancock veränderte seinen Tonfall. »Stimmt das? Ich meine, dass Sie da oben Probleme haben?« Er tippte sich an die Stirn.

»Nein, da oben bin ich vollkommen in Ordnung.« Travis zog sein Hosenbein hoch und enthüllte eine dicke, verhärtete Narbe, die sich um seinen Unterschenkel schlängelte wie ein Oktopus. »Falls Sie noch nie eine Bombenwunde gesehen haben … Bitte sehr.«

Hancock schaute sich die alte Verletzung an und sagte: »Verdammt. Das hat sicher wehgetan.«

»Ich hatte keine Zeit, etwas zu fühlen. Die Explosion hat mich von den Beinen gerissen, und ich war sofort weg. Doch dann bin ich wieder aufgewacht. Gott sei Dank gibt es so etwas wie Morphium.« Er ließ das Hosenbein wieder herunter. »Aber wollten Sie mich nicht nach Sara Ewes fragen?«

Hancock holte ein Notizbuch heraus. »Haben Sie sie gekannt?«

»Ja.«

»Und wie gut?«, hakte Hancock nach.

»Wir haben in derselben Firma gearbeitet, Cowl and Comely. Aber das wissen Sie ja schon.«

»Wie gut genau haben Sie sie gekannt?«

»Wir haben uns bei Firmenveranstaltungen getroffen. Wir sind in Gruppen einen trinken gegangen oder haben gemeinsam gegessen, bevor unser Praktikum richtig angefangen hat. Dann hatten wir nämlich keine Zeit mehr. Sie war für meine Gruppe so etwas wie ein Mentor.«

»Und welchen Eindruck hatten Sie von ihr?«

»Sie war talentiert und hat hart gearbeitet. Aber warum sind Sie den weiten Weg hierhergekommen, um mir diese Fragen zu stellen? Ich war doch den ganzen Tag im Gebäude, und morgen bin ich auch wieder da. Und soweit ich weiß, hat sie Selbstmord begangen. Was hat die Polizei damit zu tun?«

»Es wird spekuliert, dass sie Selbstmord begangen hat. Mein Job ist es, alle anderen Möglichkeiten auszuschließen. Und Sie arbeiten samstags?«

»Detective, in meiner Welt ist der Samstag nur der Tag nach Freitag. Und ich weiß nicht, wie ich Ihnen helfen kann. Ich habe nicht direkt mit ihr zusammengearbeitet. Tatsächlich habe ich sie seit Monaten nicht mehr gesehen. Das letzte Mal war bei einem Gruppendinner im Per Se am Columbus Circle. Über fünfzig Leute haben daran teilgenommen, und es gab auch Wein. Das muss die Firma ein Vermögen gekostet haben. Andererseits ist das nur Geld.«

»Sie haben ein beeindruckendes Gedächtnis. Ich kann mich noch nicht einmal daran erinnern, was ich gestern gegessen habe.« Hancocks Worte wirkten alltäglich, sein Blick nicht. »Und ich komme höchstens mal ins Per Se, wenn da einer abkratzt.«

»In meinem Job neigt man dazu, sich stets an alles zu erinnern.«

»Sie arbeiten ziemlich hart, nehme ich an.«

»Sagen wir mal so … Ich habe nur ein Paar Eier, die ich für Cowl and Comely opfern kann, und das wird vermutlich nicht reichen.«

»Für einen Investmentbanker sind Sie ziemlich humorvoll.«

»Ich rechne nur Zahlen zusammen, die ich dann den echten Bankern gebe, und die machen das Geld und kriegen die Mädchen.«

»Von wie viel Geld reden wir eigentlich?«

Travis wusste, dass der Mann das nicht wirklich für seine Ermittlungen wissen musste. Die Frage entsprang schlicht der typisch amerikanischen Neugier, was die Finanzen der ganz, ganz Reichen betraf. Ganze Industrien hatten sich darauf spezialisiert, diese Informationen an die faszinierten Massen zu verkaufen.

»Die Firma hat mehrere Abteilungen, und die Profite teilen sich unterschiedlich auf. Partner am unteren Ende verdienen eine mittlere, siebenstellige Summe. Aber Leute wie Bradley Cowl … Vielleicht eine Viertelmilliarde pro Jahr an Bezügen und Aktien. Außerdem ist er noch anteilig an den Gewinnen beteiligt.«

Hancock schüttelte den Kopf. »Ich mache gerade mal hundertzehntausend im Jahr, und bis jetzt habe ich immer gedacht, ich sei damit ganz gut dabei. Jetzt fühle ich mich ziemlich Scheiße.«

»Ha! Wie glauben Sie, dass ich mich fühle? Ich habe noch nicht einmal so viel wie Sie, und jeden Tag sehe ich diese riesigen Summen auf dem Monitor, die einfach an mir vorbeiziehen.«

Ein Funkeln erschien in Hancocks Augen. Er wirkte wie ein Hund, der eine Fährte aufgenommen hatte. »Und Sie verübeln ihnen das? Dass sie all die Mädchen und die Kohle kriegen?«

»Ich verüble niemandem etwas. Wenn man hart arbeitet und es verdient, dann gehört es einem auch. Ich hoffe, das irgendwann auch einmal zu schaffen.«

»Und die Mädchen? Wie Sara Ewes?«

»Jetzt hören Sie aber auf! Wenn ich will, bekomme ich schon genug Mädchen. Und bei Cowl gibt es strenge Regeln, was Beziehungen unter Kollegen betrifft.«

Wenn er herausfindet, dass wir miteinander ausgegangen sind, bin ich im Arsch.

»Okay. Fällt Ihnen sonst noch was zu Ewes ein?«

»Hm … Wie was zum Beispiel?«

»Sie wissen schon … War sie depressiv? Hat sie je mit Ihnen über Selbstmord gesprochen?«

»Vermutlich hat jeder, der an der Wall Street arbeitet, schon einmal über Selbstmord nachgedacht, entweder in Form eines schlechten Scherzes oder im Ernst.«

»Sie auch?«, hakte Hancock nach.

»Schauen Sie … Ich habe gesehen, wie Menschen erschossen worden sind, wie Bomben sie zerrissen haben und wie sie direkt vor mir verreckt sind. Ich werde mir mit Sicherheit nicht das Leben nehmen, nur weil irgendeine Wall-Street-Firma meint, sie muss es mir zur Hölle machen.«

»Es gibt also nichts, was Sie mir sonst noch sagen könnten?«

Travis schaute zum Fenster hinaus und stellte erstaunt fest, dass bereits die Sterne am Himmel zu sehen waren.

Seine nächsten Worte sagte er außergewöhnlich ruhig, denn plötzlich fühlte er sich einfach so. »Sara war ein netter Mensch. Sie hat nie mit mir darüber gesprochen, dass sie sich umbringen will, und sie hat nie depressiv auf mich gewirkt, im Gegenteil. Sie hat uns immer aufgemuntert, wenn wir mal wieder fertig waren. Aber wie ich gesagt habe … Es ist schon eine Weile her. Und bei Cowl and Comely kommt einem jeder Tag wie eine Ewigkeit vor, Detective Hancock.«

»Warum kündigen Sie dann nicht?«

Travis setzte ein stoisches Gesicht auf und drückte den Play-Button in seinem Kopf. »Das ist der amerikanische Traum, und ich versuche, mir meine eigene Version davon zu erfüllen.«

»Sie scheinen mir aber nicht der Typ zu sein, der viel auf Geld gibt.«

»Da verwechseln Sie mich wohl mit jemandem. Ich will das Geld und alles, was damit einhergeht. Aber es gibt viel, was man mit Geld machen kann, auch anderen helfen.«

»Sie reißen sich den Arsch auf, um anderen zu helfen?« Hancock grinste dreckig.

»Das habe ich schon in der Army gemacht. Warum nicht auch an der Wall Street?«

»Jetzt kommen Sie aber! Seien Sie ehrlich. So schlimm kann das gar nicht sein.«

Doch Travis hielt den Mund, denn er hatte nichts mehr zu sagen.

Und es war so schlimm.

KAPITEL 6

Hancock hatte angeboten, ihn nach Hause zu fahren, aber vermutlich nur, um zu sehen, wo er wohnte. Travis nahm das Angebot an, und ein paar Minuten später stieg er vor dem weißen zweistöckigen Haus aus, das mit seiner Garage Teil einer ganzen Gruppe ähnlicher Gebäude war. Es war keine arme Gegend, aber auch keine reiche. Sie war genau richtig.

»Nettes Haus«, bemerkte Hancock.

»Das ist das Einzige, was ich mir leisten konnte, was nahe genug an der Stadt ist und noch ein paar Bäume und Gras zu bieten hat.«

»Das ist für Sie nah an der Stadt?«

»Von wo pendeln Sie denn?«

Hancock lächelte und antwortete: »Trenton.«

»Und damit endet mein Plädoyer, und ich bin noch nicht einmal Anwalt.«

»Was, wenn ich noch Fragen habe?«

»Sie wissen ja, wo ich lebe und arbeite. Ich bin leicht zu finden. Ich gehe nirgendwohin, es sei denn, Cowl und Comely ziehen den Stecker bei mir. Falls sie das tun, finden Sie mich auf dem Arbeitsamt.«

Hancock fuhr mit seinem schäbigen, nach Kaffee und Nikotin stinkenden Wagen aus dem Fahrzeugpark der Polizei davon. Schwarzer Rauch quoll aus dem Auspuff und legte sich mit seinen krebserregenden Partikeln auf die weißen Ziegel und Travis’ Haut.

Hustend öffnete Travis die Tür und ging hinein. Im vorderen Raum saß einer seiner drei Mitbewohner, der dickbäuchige Will Valentine. Will arbeitete im Homeoffice. Er war ein sogenannter »White Hatter«, also jemand, den Technologieunternehmen, Banken und andere Firmen anheuerten, damit er versuchte, ihre Sicherheitssysteme zu hacken. Will und Travis hatten sich angefreundet, und Will hatte Travis sogar ein paar geniale Techniken beigebracht, um sich in unterschiedliche Datenbanken zu schleichen.

Von Geburt war Will eigentlich Russe, doch er hatte seinen Namen in etwas sehr Amerikanisches geändert. Er hatte Travis einmal seinen Reisepass gezeigt. Sein echter Name war schier unendlich lang und unmöglich auszusprechen, zumindest für Travis. Übermäßig viele Konsonanten waren noch nie sein Ding gewesen.

»Mit einem amerikanischen Namen bekomme ich mehr Mädchen«, hatte Will erklärt. »Aber meinen Kunden sage ich immer die Wahrheit, also dass ich Russe bin. Sie wissen, dass wir die besten Hacker sind. Warte nur ab. Irgendwann werde ich steinreich sein. Ich liiiebe den Kapitalismus. Und ich liebe eure Frauen.«

Travis konnte nie sagen, ob Will diese Hollywoodversion eines Russen nur spielte oder ob er wirklich so war.

Jetzt schnarchte Will leise auf dem Sofa und murmelte irgendetwas in seiner Muttersprache. In Travis’ Ohren klang Russisch immer bedrohlich, als würden sie ständig sagen: Und jetzt, Genosse, wirst du einen grausamen Tod sterben.

Wills Laptop lag auf seinem beeindruckenden Bauch und hob und senkte sich mit jedem Atemzug. Der Fernseher war an, aber stummgeschaltet. Auf dem Bildschirm lief offenbar eine dieser Miniserien, die ihre Geschichte in Lichtgeschwindigkeit erzählten und förmlich danach schrien, gebingt zu werden. Eine offene und leere Pizzaschachtel von Domino’s lag neben der Couch auf dem Teppich, und daneben standen zwei leere Flaschen Michelob. Der Russe war definitiv auf einer amerikanischen Diät.

Travis ging zu ihm und berührte den offenen Laptop. Der Bildschirm erwachte zum Leben, enthüllte aber nicht seine Schatzkammer an Daten. Stattdessen erschien ein großer Drache und spie Feuer gegen den digitalen Eindringling.

Wie niedlich, dachte Travis. Er schaute kurz ins Esszimmer, wo es nicht ein einziges Möbelstück gab, nur einen weiteren Menschen. Seine zweite Mitbewohnerin, eine dunkelhäutige Frau mit Namen Helen Speers, hatte ihre Yogamatte auf dem grünen Teppichboden ausgebreitet und machte ihre Übungen. Sie war barfuß und posierte in einem engen Elastaneinteiler auf allen vieren wie ein Hund. Speers hatte gerade an der NYU ihren Abschluss in Jura gemacht, und normalerweise war sie nie vor Travis zu Hause. Sie war klein, schlank und hübsch, und eines Tages würde sie in einem Gerichtssaal stehen und andere Menschen mithilfe des Gesetzes auseinandernehmen.

»Hattest du heute früher Schluss?«, fragte Travis.

Speers trug ihre AirPods. Sie nickte und antwortete zwischen zwei tiefen Atemzügen: »Eigentlich war ich in SoHo auf einen Drink verabredet, bin aber versetzt worden. Ist das zu glauben? Jetzt setze ich aus Rache meine Endorphine frei.«

»Also das ist wirklich nicht zu glauben«, erwiderte Travis, doch Speers hatte bereits die Pose gewechselt und hörte ihm nicht mehr zu.

Travis stieg die Treppe hinauf in den ersten Stock. Seine dritte und letzte Mitbewohnerin, Jill Tapshaw, war wirklich brillant. Sie hatte ihr eigenes Online-Dating-Portal gegründet, ein Unternehmen mit Namen »Hummingbird«. Travis staunte immer wieder über ihren Mut, ihren Ehrgeiz und ihren Intellekt. Sie spielte definitiv in ihrer eigenen Liga. Während Will und Helen ungefähr zur gleichen Zeit hier eingezogen waren wie Travis, war Jill erst seit knapp vier Monaten hier, aber sie war freundlich und offen, und Travis hatte sie inzwischen ganz gut kennengelernt.

Jills Unternehmen war ein echtes Startup. Sie führte es sowohl aus ihrem Schlafzimmer als auch aus einem Zwei-Zimmer-Büro in einer Einkaufsstraße in Mount Kisco, gut eine halbe Meile von hier. Sie hatte fünf Vollzeitangestellte sowie ungefähr drei Dutzend freiberufliche Mitarbeiter im Homeoffice, hatte sie Travis mal erzählt. Ihr Unternehmen war darauf spezialisiert, Menschen zusammenzubringen, die Angst hatten, von sich aus Kontakt zu anderen aufzunehmen, oder die sich das üblicherweise langwierige Online-Dating schlicht nicht antun wollten. Das war eine Marktlücke gewesen, und Jill hatte sie gefüllt. Sie hatte Travis erzählt, ihre Seite hätte bereits Millionen von Besuchern und mehr als einhunderttausend zahlende Abonnenten aus der ganzen Welt.

»Und jeden Tag kommen Zehntausende Nutzer hinzu. Wir haben in der ersten Investmentrunde eine halbe Million eingenommen und dann noch einmal fünf in der zweiten, ein Jahr später. In der dritten rechne ich mit dem Fünffachen, und dann können wir auch verstärkt Werbung schalten. Mit genügend Kapital kann ich meine Nische beherrschen und das Angebot schließlich auch diversifizieren, bis wir alles abgedeckt haben, vom ersten Date bis zum Grab. Willst du nicht bei mir investieren? Noch sind die Anteile billig. Das ist deine letzte Chance. Außerdem bekommen Freunde, Familie und natürlich auch Mitbewohner einen Rabatt.«

Cowl und Comely bezahlte seine Burner beschissen. Sie quälten sich nur in der Hoffnung durch die Achtzig- bis Neunzig-Stunden-Wochen, dass sie später davon profitieren würden. Von Travis’ Gehalt ging das meiste für Miete und Fahrkarten drauf. Und dann waren da noch so Kleinigkeiten wie zum Beispiel Essen.

Trotzdem hatte er tausend Dollar in Jills Aktien gesteckt, obwohl er kein qualifizierter Investor nach Kapitalmarktrecht war.

Jetzt klopfte er an ihre Tür und rief ihren Namen.

»Ich habe gleich eine Videokonferenz mit einem taiwanesischen Investor«, bellte Jill. »Bei denen sinkt die Geburtsrate. Ist es wichtig? Brennt’s? Oder verblutest du gerade, Travis?«

»Nein«, rief er durch die Tür. »Alles gut. Vergiss nicht zu essen.« Jill hatte immer ein Glas Erdnussbutter und Selleriesticks im Zimmer. Dabei war sie dünn wie eine Bohnenstange, und das schien ihr auch zu gefallen. Sie hatte Travis einmal erzählt, dass sie schon seit über einem Jahr kein Date mehr gehabt hatte, noch nicht einmal digital.

»Tu, was ich sage, und nicht, was ich nicht tue«, hatte Jill gescherzt.

Travis war zwar müde, aber er war auch rastlos und gereizt, und er wollte jetzt einfach nicht schlafen. Er ging in sein Zimmer und zog seine Sportsachen an.

Dann verließ er das Haus wieder und lief im selben Augenblick los, als eine schwarze Limousine neben ihm hielt.

Darin saßen zwei Männer. Ernst dreinblickende Männer. Anzug und Sonnenbrille, trotz der zunehmenden Dunkelheit.

»Mister Devine? Travis Devine?«, fragte ihn nun schon zum zweiten Mal an diesem Tag ein Fremder.

Travis blieb stehen und antwortete: »Ja?«

Der Mann hielt ihm eine Dienstmarke unter die Nase, diesmal von einer Bundesbehörde, die Travis sofort erkannte. »Ihr Erscheinen wird gewünscht. Bitte steigen Sie ein.«

»Gewünscht von wem?«, verlangte Travis zu wissen.

Der Mann bewegte sich gerade weit genug, dass Travis die Pistole im Schulterholster sehen konnte.

»Steigen Sie ein.«

Travis schaute sich um, und wie der Soldat, der er einst gewesen war, gehorchte er dem Befehl und stieg ein.

KAPITEL 7

Die Fahrt dauerte dreißig Minuten. Sie fuhren nach Süden, in Richtung Stadt. Niemand sagte ein Wort, und Travis wusste, dass es sinnlos war, Fragen zu stellen. Erst das NYPD und jetzt die Feds. All diese Aufmerksamkeit gefiel ihm nicht im Mindesten.

Sie erreichten eine kleine Stadt, nicht viel anders als Mount Kisco: in einigen Teilen extrem reich und in anderen extremes Arbeitermilieu. Schließlich fuhren sie hinter ein unauffälliges Bürohaus, hinter dem sich ein einzelnes Ziegelgebäude befand. Davor standen keine Autos, und an dem Gebäude war auch kein Schild zu sehen. Die Fenster waren geschwärzt. Es sah verlassen aus.

Der Mann parkte und stieg mit seinem Kollegen aus. Dann öffnete er die Tür für Travis, und gemeinsam gingen sie zu dem Gebäude. Der Mann hielt eine Sicherheitskarte vor ein Lesegerät, und Travis hörte, wie die Tür sich mit einem Klicken öffnete.

Das sah alles gleichzeitig viel zu offiziell und viel zu heimlichtuerisch aus. Travis nahm an, das bedeutete nichts Gutes für ihn.

I shot the sheriff, but I did not shoot the deputy.

Der Fahrer ging voraus; Travis folgte ihm, und der andere Kerl bildete die Nachhut. Weniger hätte Travis auch nicht erwartet. Genauso transportierte man Gefangene oder Leute, die schon bald Gefangene sein würden.

Das automatische Licht schaltete sich ein, als sie durch einen leeren Flur gingen.

Travis wurde zu einer Tür geführt. Der Mann klopfte, und eine Stimme antwortete: »Herein.«

Die Tür ging auf, und der Mann winkte Travis hinein. Dann schloss er die Tür wieder, und Travis schaute sich in dem kleinen Raum um und musterte dann den Mann, der hinter dem Schreibtisch saß.

»Setzen Sie sich, Devine«, sagte der Mann. »Wir haben viel zu besprechen. Also hören Sie gut zu. Wir dürfen keine Zeit verschwenden.«

Travis setzte sich.

Der Kerl sah aus wie ein abgewetztes Stück Granit. Sein graues Haar war zu kurzen Stoppeln geschnitten, und sein Gesicht war wie gemeißelt. Die zweifarbigen Augenbrauen zuckten in alle Richtungen. Der jahrzehntealte Anzug war einst sicher verdammt teuer gewesen, doch jetzt war er vollkommen unscheinbar. Gleichzeitig war die rot-blau gestreifte Krawatte viel zu breit für die heutige Zeit, und das Hemd sah ziemlich abgetragen aus. Travis konnte die Schuhe des Mannes zwar nicht sehen, aber er nahm an, dass sie schwarz waren, alt und perfekt poliert.

Der Mann hatte eine gewisse Ausstrahlung. Seine Körperhaltung, die Art, wie er Befehle gab – und das waren Befehle –, die breiten Schultern, die kräftigen Hände …

Dieser Schlipsträger war ein ehemaliger Soldat. Travis erkannte das sofort. Es hieß nicht umsonst: einmal Soldat, immer Soldat. Irgendwann wurde das Teil der DNA.

Stumm taxierte der Mann Travis von Kopf bis Fuß.

Er versucht abzuschätzen, wie dick meine Eier sind.

Travis starrte zurück und wartete. In seiner Militärzeit hatte er mit seinen Vorgesetzten so oft die gleiche Situation erlebt, dass ihm das schon zur zweiten Natur geworden war.

»Ihre Akte aus West Point ist vorbildlich. Dann die Grundausbildung zum Infanterieoffizier, Ranger School, Fallschirmspringerlehrgang, Stryker Bataillon in Fort Lewis … und schließlich anderthalb Jahre lang Zugführer mit jeder Menge Auszeichnungen. Anschließend Beförderung zum First Lieutenant und sechs Monate lang stellvertretender Kompanieführer. Dann wieder Zugführer in einem Ranger Bataillon. Sie waren also ausgebildeter und aktiver Ranger«, sagte der Mann und spielte damit darauf an, dass Travis die Ranger School abgeschlossen und später im 75th Ranger Regiment gedient hatte. »Dann, nach genau vier Jahren, sind Sie zum Captain befördert worden und haben achtzehn Monate lang eine Panzergrenadierkompanie in Fort Stewart geführt. Danach ging es zu einem Ranger-Bataillon auf dem Hunter Army Airfield. Zuerst waren Sie dort Kompanieführer, dann Stabsoffizier. Es folgten Einsätze in Afghanistan und dem Irak sowie Sondereinsätze in zehn weiteren Drecksländern, wo man, wenn man Scheiße baut, nichts als eine Flagge auf dem Sarg und eine Rückführung zur Dover Air Force Base zu erwarten hat.«

Travis war beeindruckt. Der Mann hatte all das nicht abgelesen, sondern offensichtlich auswendig gelernt. Einiges davon hatte sogar er selbst vergessen.

Der Mann lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. »Sie haben Granatsplitter in Schulter und Bein, und die werden auch bis zu Ihrem Tod dort bleiben. Sie waren schon für eine Beförderung zum Major vorgesehen, und es hätte mit Sicherheit auch nicht mehr lange gedauert, bis Sie das Laub am Kragen gehabt hätten«, fuhr er fort. »Und dann haben Sie Ihren Abschied eingereicht. Ich frage mich warum.«

Das war keine Frage, sondern eine Feststellung. Trotzdem beschloss Travis, darauf zu antworten.