Fit für den zahnärztlichen Notfalldienst -  - E-Book

Fit für den zahnärztlichen Notfalldienst E-Book

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Beschreibung

Die konkrete Situation im zahnärztlichen Notfalldienst ist häufig etwas anders, als im zahnärztlichen Praxisalltag. Gerade am Abend oder am Wochenende ist das Praxispersonal in der Regel begrenzt, wodurch das mögliche Therapiespektrum reduziert sein kann. Das vorliegende Buch beschäftigt sich mit vielen Details, die nur bzw. insbesondere den zahnärztlichen Notfalldienst betreffen, sowie mit allen häufigen und einigen selteneren Diagnosen. Es beschäftigt sich aber auch mit den verschiedenen Persönlichkeiten der Patientinnen und Patienten, die dabei anzutreffen sind. Das Buch ist kurz und knackig geschrieben, bildreich gestaltet und mit Videos, die per QR-Code aufzurufen sind, angereichert. Es kann daher schnell deutlich mehr Sicherheit im zahnärztlichen Notfalldienst geben. Aufgrund seines Konzepts eignet es sich auch hervorragend als Nachschlagewerk bei möglichen Unsicherheiten.

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Seitenzahl: 450

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FIT FÜR DEN ZAHNÄRZTLICHEN

NOTFALLDIENST

Ein Buch – ein Baum: Für jedes verkaufte Buch pflanzt Quintessenz gemeinsam mit der Organisation „One Tree Planted“ einen Baum, um damit die weltweite Wiederaufforstung zu unterstützen (https://onetreepianted.org/).

Ein Video zeigt mehr als viele Bilder

Zum Umfang dieses Buches gehören zahlreiche

Videos, die den Inhalt veranschaulichen und die Leseerfahrung bereichern. Diese können einfach per QR-Code mit dem Smartphone oder Tablet abgespielt werden.

Alternativ sind die Videos auch über diesen Link https://video.qvnet.de/b23870/erreichbar.

Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <https://dnb.ddb.de> abrufbar.

Postfach 42 04 52; D–12064 Berlin

Ifenpfad 2–4, D–12107 Berlin

© 2023 Quintessenz Verlags-GmbH, Berlin

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Korrektorat: Ursula Tanneberger, Berlin

Lektorat, Herstellung und Reproduktionen: Quintessenz Verlags-GmbH, Berlin

ISBN: 978-3-86867-609-9

Vorwort und Einleitung

Die meisten Zahnärztinnen und Zahnärzte sind verpflichtet, zahnärztlichen Notfalldienst zu leisten. Mögliche Ausnahmen von dieser Verpflichtung sind regional und lokal sehr unterschiedlich, sei es bezüglich des Lebensalters, ab dem man keinen Notfalldienst mehr leisten muss, oder für Kieferorthopädinnen und Kieferorthopäden, die je nach Land oder Region keinen allgemeinen zahnärztlichen Notfalldienst leisten müssen.

Die konkrete Situation im zahnärztlichen Notfalldienst ist häufig etwas anders, als im zahnärztlichen Praxisalltag. Gerade am Abend oder am Wochenende ist man in der Regel mit einer Zahnarzthelferin/Dentalassistentin allein. Schon dadurch kann das Therapiespektrum deutlich reduziert sein.

Ebenso stellen sich im zahnärztlichen Notfalldienst gegebenenfalls etwas andere Patientinnen und Patienten vor als zu den normalen Praxisöffnungszeiten: Manche haben seit Tagen Schmerzen, panische Angst vor dem Zahnarzt und kommen daher erst jetzt, weil sie es nicht mehr aushalten, die sprachliche Verständigung ist schwierig bis kaum möglich, manche sind genervt, alkoholisiert und/oder aggressiv, einige haben ein deutlich vernachlässigtes Gebiss, manche Patientinnen sind schwanger, andere Patienten nehmen regelmäßig Medikamente ein, deren Namen sie jedoch nicht angeben können, und ihr Hausarzt ist jetzt nicht mehr erreichbar, und wieder andere sind antikoaguliert oder in reduziertem Allgemeinzustand.

Auch das Spektrum zahnärztlicher Diagnosen ist im Notfalldienst sehr typisch und häufig auf weniger als zehn Diagnosen reduziert: die akute Pulpitis, Zahnfrakturen durch Unfall oder Ermüdung/Sekundärkaries/Füllungsverlust, Dislokationsverletzungen durch Unfall, die akute apikale Parodontitis, die akute Perikoronitis, lokalisierte odontogene Abszesse, Wundinfektionen, Nachblutungen und Frakturen von herausnehmbarem oder festsitzendem Zahnersatz.

Hinzu kommt, dass im zahnärztlichen Notfalldienst lediglich das Minimum an Behandlungsmaßnahmen durchgeführt werden sollte, das zur Beseitigung akuter Schmerzen notwendig ist. Das mag für die diensthabenden Zahnärztinnen und Zahnärzte im Einzelfall angenehm sein, weil es ihnen Zeit spart, sie primär die Symptome behandeln und die Ursachen der akuten (purulenten) Infektionen in der akuten Phase weder beheben müssen noch sollen und oft nur temporäre Versorgungen bei Füllungsverlust/Zahnfrakturen durchführen. Aus zahnmedizinscher Sicht ist das alles korrekt, es wird aber im Einzelfall den Bedürfnissen der betroffenen Patientinnen und Patienten nicht gerecht.

Auf der anderen Seite gibt es leider auch einige wenige Kolleginnen und Kollegen, die den zahnärztlichen Notfalldienst für eine maximale Diagnostik und eine maximale Therapie im Sinne der Gewinnmaximierung nutzen, gegen die sich der Patient aufgrund der akuten Problematik nicht objektiv entscheiden kann.

Das vorliegende Buch beschäftigt sich mit vielen Details, die nur bzw. insbesondere den zahnärztlichen Notfalldienst betreffen, sowie mit allen häufigen und einigen selteneren Diagnosen. Es beschäftigt sich aber auch mit den verschiedenen Arten von Patientinnen und Patienten, die uns im Notfalldienst begegnen können. Es ist wie die meisten Bücher unseres Teams überwiegend kurz und knackig geschrieben, bildreich gestaltet, leicht lesbar – ohne unnötigen Ballast – und wird daher schnell deutlich mehr Sicherheit im zahnärztlichen Notfalldienst geben. Aufgrund seines Konzepts eignet es sich auch hervorragend als Nachschlagewerk bei möglichen Unsicherheiten.

Manche Kapitel lassen sich nicht scharf von den anderen abgrenzen, was zu einzelnen inhaltlichen Redundanzen und auch einigen wenigen widersprüchlichen Angaben des trinationalen Autorenteams führt. Dies ist von den Herausgebern gewollt, denn nicht immer führt nur ein einziger Weg zum therapeutischen Erfolg.

In den Kapiteln wird zur leichteren Lesbarkeit bei nicht notwendiger gezielter geschlechtsspezifischer Angabe die männliche Form genutzt. Gemeint sind dabei immer alle Geschlechter.

Unser besonderer Dank gilt allen, die an der Entstehung dieses Buchs beteiligt waren: unseren vielen hervorragenden Mitautorinnen und Mitautoren und allen Kolleginnen und Kollegen, die darüber hinaus Bilder zur Verfügung gestellt haben.

Unser Dank gilt nicht zum ersten Mal auch Sabrina Peterer für das Titelbild, das den Stil der ikonischen Cover der Bücher von Andreas Filippi weiterführt (mittlerweile steht das in jedem Vorwort, aber es stimmt halt), Anita Hattenbach vom Quintessenz Verlag, der Lieblingslektorin von Andreas Filippi, für das immer vertrauensvolle, wirklich offene, unglaublich angenehme und hochprofessionelle Lektorat sowie allen involvierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Quintessenz Verlags in Berlin.

Und danke auch an alle Kolleginnen und Kollegen unserer wirklich tollen Klinik für Oralchirurgie am UZB in Basel für eure tägliche Unterstützung, eure Motivation und euer Engagement. Ihr macht an jedem Arbeitstag für unser gesamtes UZB Notfalldienst, ihr wisst definitiv, wie es geht, und habt vermutlich jede, aber auch wirklich jede Diagnose schon einmal gesehen. Und ihr macht dabei auch immer mal wieder Fotos, von denen dieses Buch unglaublich profitiert. Es macht wirklich Spaß, mit euch allen täglich arbeiten zu dürfen.

Basel, den 31.08.2022

Andreas Filippi, Fabio Saccardin und Sebastian Kühl

Die drei Herausgeber.

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit haben wir im Buch auf die gleichzeitige Verwendung männlicher, weiblicher und weiterer Geschlechterformen verzichtet. Dies impliziert keinesfalls eine Benachteiligung der jeweils anderen Geschlechter. Personen- und Berufsbezeichnungen sind daher in der Regel als geschlechtsneutral zu verstehen.

Anschrift der Herausgeber

Prof. Dr. Andreas Filippi, Dr. Fabio Saccardin

Prof. Dr. Sebastian Kühl

Klinik für Oralchirurgie

Universitäres Zentrum für Zahnmedizin Basel UZB

Universität Basel

Mattenstr. 40

CH – 4058 Basel, Schweiz

Anschriften der Autoren

Zeynab Ahmed

Klinik für Oralchirurgie

Universitäres Zentrum für Zahnmedizin Basel UZB

Universität Basel

Mattenstr. 40

CH – 4058 Basel, Schweiz

Dr. Julia Amato

Klinik für Parodontologie, Endodontologie und Kariologie

Universitäres Zentrum für Zahnmedizin Basel UZB

Universität Basel

Mattenstr. 40

CH – 4058 Basel, Schweiz

Dr. Clemens Bargholz

Privatpraxis für Endodontie

Rothenbaumchaussee 125

D – 20149 Hamburg, Deutschland

Dr. Korbinian Benz, MHBA

Abteilung für Zahnärztliche Chirurgie und Poliklinische Ambulanz

Department für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde

Fakultät für Gesundheit

Universität Witten/Herdecke

Alfred-Herrhausen-Str. 45

D – 58455 Witten, Deutschland

Dr. Dr. Michael Blumer

Universitätsklinik für Schädel-, Kiefer- und Gesichtschirurgie

Inselspital Bern

Freiburgstrasse

CH – 3010 Bern, Schweiz

Prof. Dr. Michael M. Bornstein

Klinik für Oral Health & Medicine

Universitäres Zentrum für Zahnmedizin Basel UZB

Universität Basel

Mattenstr. 40

CH – 4058 Basel, Schweiz

Priv.-Doz. Dr. Thomas Connert

Klinik für Parodontologie, Endodontologie und Kariologie

Universitäres Zentrum für Zahnmedizin Basel UZB

Universität Basel

Mattenstr. 40

CH – 4058 Basel, Schweiz

Dr. Dorothea Dagassan-Berndt

Kompetenzzentrum Dental Imaging

Universitäres Zentrum für Zahnmedizin Basel UZB

Universität Basel

Mattenstr. 40

CH – 4058 Basel, Schweiz

Prof. Dr. Henrik Dommisch

Abteilung für Parodontologie, Oralmedizin und Oralchirurgie

Charité Universitätsmedizin Berlin

CharitéCentrum 3 für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde

Aßmannshauser Str. 4–6

D – 14197 Berlin, Deutschland

Dr. Florin Eggmann

Klinik für Parodontologie, Endodontologie und Kariologie

Universitäres Zentrum für Zahnmedizin Basel UZB

Universität Basel

Mattenstr. 40

CH – 4058 Basel, Schweiz

Judith Erb

Klinik für Allgemeine Kinder- und Jugendzahnmedizin

Universitäres Zentrum für Zahnmedizin Basel UZB

Universität Basel

Mattenstr. 40

CH – 4058 Basel, Schweiz

Dr. Cornelia Filippi

Klinik für Allgemeine Kinder- und Jugendzahnmedizin

Universitäres Zentrum für Zahnmedizin Basel UZB

Universität Basel

Mattenstr. 40

CH – 4058 Basel, Schweiz

Dr. Aiste Gintaute

Klinik für Rekonstruktive Zahnmedizin

Universitäres Zentrum für Zahnmedizin Basel UZB

Universität Basel

Mattenstr. 40

CH – 4058 Basel, Schweiz

Dr. Asin Ahmad Haschemi

Klinik für Allgemeine Kinder- und Jugendzahnmedizin

Universitäres Zentrum für Zahnmedizin Basel UZB

Universität Basel

Mattenstr. 40

CH – 4058 Basel, Schweiz

Dr. Daniela Hoedke

Abteilung für Parodontologie, Oralmedizin und Oralchirurgie

Charité Universitätsmedizin Berlin

CharitéCentrum 3 für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde

Aßmannshauser Str. 4–6

D – 14197 Berlin, Deutschland

Dr. Lothar Huck

Zahnklinik ABC BOGEN

ABC-Str. 19

D – 20354 Hamburg, Deutschland

Prof. Dr. Jochen Jackowski

Abteilung für Zahnärztliche Chirurgie und Poliklinische Ambulanz

Department für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, Fakultät für Gesundheit

Universität Witten/Herdecke

Alfred-Herrhausen-Str. 45

D – 58455 Witten, Deutschland

Dr. Marco Jäggi

Klinik für Rekonstruktive Zahnmedizin

Universitäres Zentrum für Zahnmedizin Basel UZB

Universität Basel

Mattenstr. 40

CH – 4058 Basel, Schweiz

Prof. Dr. Tim A. Joda, PhD

Klinik für Rekonstruktive Zahnmedizin

Universitäres Zentrum für Zahnmedizin Basel UZB

Universität Basel

Mattenstr. 40

CH – 4058 Basel, Schweiz

Dr. Marc Joos

Klinik für Oralchirurgie

Universitäres Zentrum für Zahnmedizin Basel UZB

Universität Basel

Mattenstr. 40

CH – 4058 Basel, Schweiz

Dr. Axel Knauth

Institut für Anästhesiologie

Universitätsspital Zürich

Rämistr. 100

CH – 8091 Zürich, Schweiz

Prof. Dr. Matthias Kreisler

Praxisklinik für Oralchirurgie und Implantologie

Sendlinger Str. 19

D – 80331 München, Deutschland

Dr. Wadim Leontiev

Klinik für Parodontologie, Endodontologie und Kariologie

Universitäres Zentrum für Zahnmedizin Basel UZB

Universität Basel

Mattenstr. 40

CH – 4058 Basel, Schweiz

Dr. Khaled Mukaddam

Klinik für Oralchirurgie

Universitäres Zentrum für Zahnmedizin Basel UZB

Universität Basel

Mattenstr. 40

CH – 4058 Basel, Schweiz

Prof. Dr. Susanne Nahles

CharitéCentrum für Orthopädie und Unfallchirurgie

Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie

Campus Virchow-Klinikum

Augustenburger Platz 1

D – 13353 Berlin, Deutschland

Dr. Virginia Ortiz

Klinik für Oralchirurgie

Universitäres Zentrum für Zahnmedizin Basel UZB

Universität Basel

Mattenstr. 40

CH – 4058 Basel, Schweiz

Dr. Puria Parvini

Poliklinik für Zahnärztliche Chirurgie und Implantologie

Zentrum der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (Carolinum)

Johann Wolfgang Goethe-Universität

Theodor-Stern-Kai 7

D – 60596 Frankfurt am Main, Deutschland

Rada Pejicic

Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie – Poliklinik für Oralchirurgie

Zentrum für Zahnmedizin

Universität Zürich

Plattenstr. 11

CH – 8032 Zürich, Schweiz

Dr. Melina Rausch

Praxisklinik für Oralchirurgie und Implantologie

Sendlinger Str. 19

D – 80331 München, Deutschland

Dr. Elisabeth Caroline Reichardt

Klinik für Pediatric Oral Health und Kieferorthopädie

Universitäres Zentrum für Zahnmedizin Basel UZB

Universität Basel

Mattenstr. 40

CH – 4058 Basel, Schweiz

Priv.-Doz. Dr. Dr. Keyvan Sagheb

Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Plastische Operationen

Universitätsmedizin

Johannes-Gutenberg-Universität

Augustusplatz 2

D – 55131 Mainz, Deutschland

Dr. Mona Schiefersteiner

Poliklinik für Oralchirurgie

Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie

Zentrum für Zahnmedizin

Universität Zürich

Plattenstr. 11

CH – 8032 Zürich, Schweiz

Prof. Dr. Andrea Maria Schmidt-Westhausen

Abteilung für Parodontologie, Oralmedizin und Oralchirurgie

Charité Universitätsmedizin Berlin

CharitéCentrum 3 für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde

Aßmannshauser Str. 4–6

D – 14197 Berlin, Deutschland

Dr. Martina Schriber

Klinik für Oral Health & Medicine

Universitäres Zentrum für Zahnmedizin Basel UZB

Universität Basel

Mattenstr. 40

CH – 4058 Basel, Schweiz

Michelle Simonek

Klinik für Oralchirurgie

Universitäres Zentrum für Zahnmedizin Basel UZB

Universität Basel

Mattenstr. 40

CH – 4058 Basel, Schweiz

Prof. Dr. David Sonntag

Poliklinik für Zahnerhaltung, Zentrum der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (Carolinum)

Johann Wolfgang Goethe-Universität

Theodor-Stern-Kai 7

D – 60596 Frankfurt am Main, Deutschland

Prof. Dr. Dr. Bernd Stadlinger

Poliklinik für Oralchirurgie

Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie

Zentrum für Zahnmedizin

Universität Zürich

Plattenstr. 11

CH – 8032 Zürich, Schweiz

Priv.-Doz. Dr. Frank Peter Strietzel

Abteilung für Parodontologie, Oralmedizin und Oralchirurgie

Charité Universitätsmedizin Berlin

CharitéCentrum 3 für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde

Aßmannshauser Str. 4–6

D – 14197 Berlin, Deutschland

Dr. Maximilian Struwe

Klinik für Oralchirurgie

Universitäres Zentrum für Zahnmedizin Basel UZB

Universität Basel

Mattenstr. 40

CH – 4058 Basel, Schweiz

Prof. Dr. Jens Christoph Türp, M. Sc., M. A.

Klinik für Oral Health & Medicine

Universitäres Zentrum für Zahnmedizin Basel UZB

Universität Basel

Mattenstr. 40

CH – 4058 Basel, Schweiz

Dr. Silvio Valdec

Poliklinik für Oralchirurgie

Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie Zentrum für Zahnmedizin

Universität Zürich

Plattenstr. 11

CH – 8032 Zürich, Schweiz

Prof. Dr. Dr. Christian Walter

Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie Medi+ MVZ GmbH

Haifa-Allee 20

D – 55128 Mainz, Deutschland

Prof. Dr. Roland Weiger

Klinik für Parodontologie, Endodontologie und Kariologie

Universitäres Zentrum für Zahnmedizin Basel UZB

Universität Basel

Mattenstr. 40

CH – 4058 Basel, Schweiz

Prof. Dr. Anne Wolowski

Poliklinik für Prothetische Zahnmedizin & Biomaterialien

Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde

am Universitätsklinikum Münster (UKM)

Albert-Schweitzer-Campus 1, Gebäude W 30

D – 48149 Münster, Deutschland

Dr. jur. Hendrik Zeiß

Ehlers & Feldmeier Rechtsanwälte PartGmbB Elisabethstr. 6

D – 44139 Dortmund, Deutschland

Prof. Dr. Nicola U. Zitzmann, PhD

Klinik für Rekonstruktive Zahnmedizin

Universitäres Zentrum für Zahnmedizin Basel UZB

Universität Basel

Mattenstr. 40

CH – 4058 Basel, Schweiz

Inhaltsverzeichnis

ALLGEMEINES

1

Wann ist ein zahnärztlicher Notfall ein Notfall?

Fabio Saccardin, Sebastian Kühl, Andreas Filippi

2

Abgrenzung zahnärztlicher/allgemeinmedizinischer Notfall

Mona Schiefersteiner, Axel Knauth, Bernd Stadlinger

3

Klinische Diagnostik und mögliche Befunde

Zeynab Ahmed, Fabio Saccardin

4

Röntgendiagnostik im zahnärztlichen Notfalldienst

Dorothea Dagassan-Berndt

DER ENDODONTOLOGISCHE ODER PARODONTOLOGISCHE NOTFALL

5

Die symptomatische Pulpitis

Thomas Connert, Wadim Leontiev, Roland Weiger

6

Die akute apikale Parodontitis

David Sonntag, Clemens Bargholz

7

Cracked-Tooth-Syndrom

Florin Eggmann, Julia Amato

8

Akute marginale Erkrankungen

Henrik Dommisch, Daniela Hoedke

9

Nekrotisierende parodontale Erkrankungen

Daniela Hoedke, Henrik Dommisch

DER ORALCHIRURGISCHE NOTFALL

10

Postoperative Schmerzen und Wundinfektionen

Marc Joos

11

Knochenkanten, freiliegender Knochen, infizierte Knochennekrosen

Khaled Mukaddam

12

Akute odontogene Sinusitis maxillaris

Matthias Kreisler, Melina Rausch

13

Die eröffnete Kieferhöhle

Fabio Saccardin, Sebastian Kühl, Puria Parvini

14

Akute implantologische Probleme

Sebastian Kühl

15

Perikoronitis

Michelle Simonek, Virginia Ortiz, Andreas Filippi

16

Der lokalisierte odontogene Abszess

Fabio Saccardin, Silvio Valdec

17

Sich ausbreitende Infektionen

Michael Blumer, Rada Pejicic

18

Atypische Schwellungen

Maximilian Struwe, Andreas Filippi, Fabio Saccardin

19

Blutungen

Frank Peter Strietzel, Susanne Nahles

DER STOMATOLOGISCHE NOTFALL

20

Schmerzhafte Veränderungen der Mundhöhlenschleimhaut

Martina Schriber, Michael M. Bornstein

21

Unspezifisches Ulkus

Martina Schriber, Michael M. Bornstein

22

Unspezifische Volumenzunahmen und Speicheldrüsenpathologien

Martina Schriber, Michael M. Bornstein

23

Inhomogene Veränderungen des Epithels

Martina Schriber, Michael M. Bornstein

24

Akute Arzneimittelnebenwirkungen

Martina Schriber, Michael M. Bornstein

25

Verletzungen, Verätzungen und Verbrennungen

Andrea Maria Schmidt-Westhausen, Frank Peter Strietzel

DER RESTAURATIVE ODER REKONSTRUKTIVE NOTFALL

26

Kronen- und Brückenrekonstruktionen

Nicola U. Zitzmann, Tim A. Joda

27

Herausnehmbare Prothetik

Nicola U. Zitzmann, Tim A. Joda, Marco Jäggi

28

Das okklusale Trauma

Nicola U. Zitzmann, Tim A. Joda, Aiste Gintaute

UNFÄLLE ALS NOTFALL

29

Trauma an bleibenden Zähnen

Zeynab Ahmed, Andreas Filippi

30

Trauma an Milchzähnen

Judith Erb, Andreas Filippi

31

Kieferfrakturen

Christian Walter, Keyvan Sagheb

ANDERE NOTFÄLLE

32

Besonderheiten des zahnärztlichen Notfalls bei kleinen Kindern

Cornelia Filippi, Asin Ahmad Haschemi

33

Akute Beschwerden in Kiefergelenken und Kaumuskulatur

Jens Christoph Türp

34

Kiefergelenkluxation

Christian Walter, Keyvan Sagheb

35

Der kieferorthopädische Notfall

Elisabeth Caroline Reichardt, Lothar Huck

36

Der psychosomatische Notfall

Anne Wolowski

37

Die wichtigsten Medikamente im zahnärztlichen Notdienst

Korbinian Benz, Jochen Jackowski

38

Rechtliche Aspekte des zahnärztlichen Notfalldiensts

Hendrik Zeiß, Jochen Jackowski

Wann ist ein zahnärztlicher Notfall ein Notfall?

1

Fabio Saccardin, Sebastian Kühl, Andreas Filippi

Zahnärztliche Notfälle kommen häufig vor und sind für eine gut frequentierte zahnärztliche Praxis meistens auch eine zusätzliche Arbeitsbelastung. Zum einen lassen sich Notfallkonsultationen nicht im Voraus planen und müssen kurzfristig, gerade bei hoher Interventionsdringlichkeit, in einer sonst schon sehr dichten Agenda untergebracht werden und zum anderen lassen sich am Telefon geschilderte Notfallsituationen mancher Patienten nicht immer adäquat einschätzen, sodass manche von ihnen trotz fehlender Dringlichkeit auf dem schnellstmöglichen Weg zu einer Notfallbehandlung gelangen. Andererseits wäre es aber auch fatal, wenn am Telefon ein (zahnärztlicher) Notfall nicht als solcher erkannt und später eine für den Patienten (potenziell) lebensbedrohliche Situation entstehen würde. Jeder zahnärztliche Notfall sollte immer ernst genommen und entsprechend seiner Dringlichkeit in den Praxisalltag integriert sowie adäquat versorgt werden können. Die hohe Kunst besteht darin, die Interventionsdringlichkeit eines Notfallpatienten korrekt einzuschätzen (Abb. 1-1 und 1-2). Freie Zeitfenster in der Agenda für kurzfristige Notfallbehandlungen oder ein praxisinternes oder auch -externes Triage-System können helfen, den Praxisalltag stressfreier zu gestalten.

Abb. 1-1 Die 83-jährige Patientin stellte sich mehrmals bei ihrem Zahnarzt aufgrund einer stark schmerzenden Prothesendruckstelle vor, die trotz mehrmaliger Retouche und Prothesenkarenz nicht behoben werden konnte. Aufgrund der langen Wartezeiten bis zum nächsten Notfalltermin stellte sich die Patientin andernorts vor.

Abb. 1-2 Dort wurde aufgrund einer positiven Bisphosphonat-Anamnese (Osteoporose) eine Panoramaschichtaufnahme angefertigt und eine Diskontinuität der Mandibula festgestellt. Die Diagnose lautete atypische bzw. pathologische Unterkieferfraktur.

Epidemiologie

Zahnärztliche Notfälle sind keine Seltenheit. Allerdings existieren nur sehr wenige Studien mit konkreten epidemiologischen Daten zu dieser Thematik. Eine amerikanische Studie zeigte, dass im Zeitraum von 2013 bis 2017 rund 10 % aller Zahnarztbesuche auf eine zahnärztliche Notfallkonsultation zurückzuführen waren3. Spannend zu sehen war hier auch, dass bei 28 % der Fälle keine Notfallbehandlung durchgeführt wurde, sondern lediglich eine Diagnostik erfolgte, was schon ein Hinweis dafür ist, dass nicht jeder zahnärztliche Notfall auch eine hohe Interventionsdringlichkeit aufweist und dennoch abgeklärt werden muss. Eine am Universitären Zentrum für Zahnmedizin Basel durchgeführte Untersuchung zeigte, dass vor der COVID-19-Pandemie die häufigsten Gründe einer zahnärztlichen Notfallkonsultation akute Schmerzen waren, gefolgt von prothetischen Notfällen (Defekte am herausnehmbaren Zahnersatz, Druckstellen, Retentionsverluste von Kronen/Brücken), Restaurationsfrakturen (Füllungsfrakturen und nicht unfallbedingte Zahnfrakturen), chirurgischer Nachsorge, dentoalveolären Traumata, Abszessen, Fokussuchen vor allgemeinmedizinischer Intervention (z. B. vor Radio-/Chemotherapie, Herzklappenersatz, Antiresorptiva) und Mundschleimhautläsionen (Abb. 1-3). Seltener hingegen waren Gesichtsschmerzen/Myoarthropathien, hämorrhagische oder kieferorthopädische Notfälle2.

Abb. 1-3 Häufige Gründe einer zahnärztlichen Notfallkonsultation vor der COVID-19-Pandemie2.

Gerade im Zusammenhang mit akuten Schmerzen neigen viele Patienten (77 %) schon vor der zahnärztlichen Notfallkonsultation dazu, im Sinne einer Selbstmedikation Pharmaka einzunehmen. Zu den häufigsten gehören nichtsteroidale Antirheumatika (61 %), Antibiotika (34 %) und Glukokortikoide (2 %)6.

Wenn Patienten notgedrungen zahnärztliche Hilfe suchen, haben sie auch eine bestimmte Erwartungshaltung. Zum einen sehnen sie sich nach einer raschen Schmerzlinderung und zum anderen wünschen sie Informationen über die Ursache, insbesondere die Gewissheit, dass es sich bei ihren Beschwerden nicht um ein schwerwiegendes Problem handelt1.

Interventionsdringlichkeit

Wann ist ein zahnärztlicher Notfall ein wirklicher Notfall? Das lässt sich relativ einfach beantworten, insbesondere dann, wenn hierzu die entsprechende Definition aus der Notfallmedizin hinzugezogen wird: Ein Notfall ist ein plötzlich eingetretenes Ereignis, das eine unmittelbare Gefahr für Leben und Gesundheit des Patienten bedeutet. Die vitalen Funktionen sind dabei durch eine Verletzung oder auch durch eine akute Erkrankung bedroht, gestört oder ausgefallen4. Daher stellt sich eher die Frage: Welcher zahnärztliche Notfall ist kein wirklicher Notfall? Um diese Frage besser beantworten zu können, wurde von der Schweizerischen Zahnärzte-Gesellschaft für alle Zahnärztinnen und Zahnärzte, die eine Verpflichtung haben, Tag- und Nachtnotfalldienste zu leisten, eine Liste von Notfällen unter Angabe der jeweiligen Interventionsdringlichkeit erstellt (Tab. 1-1). Während Unfälle im Kiefer-/Gesichtsbereich, orale Blutungen, rasch progrediente Schwellungen und medizinische Komplikationen nach einer zahnärztlichen Intervention oder einem oralchirurgischen Eingriff eine sehr hohe Interventionsdringlichkeit (Stufe 1) haben und eine Behandlung am besten sofort oder innerhalb von 1 bis 3 Stunden erfolgen sollte, haben Zahnschmerzen und odontogene Infektionen ohne Ausbreitungstendenz eine eher mäßige Interventionsdringlichkeit und können daher auch innerhalb von 6 bis 12 Stunden behandelt werden. Eine geringe Interventionsdringlichkeit haben kosmetische Notfälle, Frakturen am Zahnersatz, Füllungsverlust, Prothesendruckstellen oder störende kieferorthopädische Bögen bzw. Apparaturen. Eine solche Einteilung kann hilfreich sein, allerdings sollte die Interventionsdringlichkeit eines zahnärztlichen Notfalls vom Zahnarzt persönlich und individuell beurteilt werden.

Tab. 1-1 Einteilung der Interventionsdringlichkeit im zahnärztlichen Notfalldienst (Schweizerische Zahnärzte-Gesellschaft, Sektion Zürich5).

Interventionsdringlichkeit Stufe 1 (innerhalb von max. 1 bis 3 Stunden)

a) Lebensbedrohliche oder potenziell lebensbedrohliche Zustände wie:

▪ Unfälle im Kiefer-/Gesichtsbereich (wie: Frakturen des Kiefers, Alveolarkamms, Lazeration der oralen Weichteile)

▪ Orale Blutungen, die durch den Patienten nicht kontrolliert werden können

▪ Starker Trismus (Kieferklemme)

▪ Erhebliche und rasch progrediente orofaziale Schwellungen (z. B. Logenabszess)

▪ Schwere medizinische Komplikationen nach zahnärztlichen Eingriffen (z. B. hohes Fieber, Schüttelfrost, Exanthem)

▪ Schwere medizinisch bedingte Komplikationen nach zahnärztlichen Eingriffen (z. B. dentogene Infekte bei Diabetikern)

b) Verletzungen, bei denen schnelle Diagnose und Intervention für die Prognose entscheidend sind:

▪ Dentoalveoläre Traumata im bleibenden Gebiss

▪ Komplizierte Traumata im Milchgebiss (Intrusion, Längsfraktur, Fraktur mit offener Pulpa)

Interventionsdringlichkeit Stufe 2 (innerhalb von max. 6 bis 12 Stunden)

▪ Postoperative Blutungen, die durch den Patienten temporär kontrolliert werden können

▪ Starke Zahn- und Gesichtsschmerzen, die nicht durch Beratung und Selbsthilfe kontrolliert werden können (z. B. durch Einnahme von Medikamenten)

▪ Orale Infektionen ohne systemischen Effekt (dental, parodontal, gingival), z. B. Dentitio difficilis, Plaut-Vincent-Gingivitis

▪ Schmerzhafte kieferorthopädische Bögen und Apparaturen

Interventionsdringlichkeit Stufe 3 (nach Absprache)

Subjektive Notfälle, die den Patienten sozial und/oder psychisch belasten wie:

▪ Kosmetischer „Notfall“

▪ Fraktur oder Verlust von prothetischem Ersatz, Prothesenfraktur

▪ Prothesendruckstelle

▪ Störende kieferorthopädische Bögen und Apparaturen

▪ Füllungsverlust mit scharfen Kanten

Literatur

1. Anderson R. Patient expectations of emergency dental services: a qualitative interview study. Br Dent J 2004;197:331-334.

2. Eggmann F, Haschemi AA, Doukoudis D et al. Impact of the COVID-19 pandemic on urgent dental care delivery in a Swiss university center for dental medicine. Clin Oral Invest 2021;25:5711-5721.

3. Fiehn R, Okunev I, Bayham M et al. Emergency and urgent dental visits among Medicaid enrollees from 2013 to 2017. BMC Oral Health 2020;20:355.

4. Sefrin P. Notfallmedizinische Begriffsdefinitionen. In: Scholz J, Sefrin P, Böttiger BW, Dörges V, Wenzel V (Hrsg.). Notfallmedizin. Stuttgart: Thieme, 2013.

5. SSO, Schweizerische Zahnärzte-Gesellschaft. Organisation des zahnärztlichen Notfalldienstes für den Kanton Zürich. https://ozn-zh.ch/Interventionsdringlichkeiten-2019.pdf (abgerufen am: 04.06.2022).

6. Stolbizer F, Roscher DF, Andrada MM et al. Self-medication in patients seeking care in a dental emergency service. Acta Odontol Latinoam 2018;31:117-121.

Abgrenzung zahnärztlicher/allgemeinmedizinischer Notfall

2

Mona Schiefersteiner, Axel Knauth, Bernd Stadlinger

Im zahnärztlichen Notfalldienst treten in aller Regel klassische zahnärztliche Notfälle auf wie z. B. Zahnschmerzen, Infektionen, Zahnunfälle sowie Frakturen oder der Verlust von Füllungen, Rekonstruktionen oder Zähnen. Neben Patienten mit isoliert zahnmedizinischen Problemen können ebenso Patienten mit komplexen Beschwerden und komplexer allgemeinmedizinischer Vorgeschichte in der Zahnarztpraxis erscheinen. Wenn die Zahnarztpraxis die erste Anlaufstelle für Beschwerden im Mund- und Kieferbereich ist, muss eine dentale und oralmedizinische Ursache abgeklärt werden. Der Blick soll grundsätzlich, im Notfalldienst jedoch besonders, auf den gesamten Patienten gerichtet sein, da Zusammenhänge zwischen oralen und systemischen Krankheiten bestehen können. Möglicherweise stehen sogar allgemeinmedizinische Faktoren im Vordergrund. So kann z. B. bei älteren Patienten eine den Abszess begleitende Schluckstörung zu einer Dehydrierung führen und eine stationäre Aufnahme erfordern, während der Abszess selbst ambulant behandelt werden könnte. Somit kann einerseits eine zahnmedizinische Problematik eine systemische Auswirkung direkt oder indirekt verursachen und andererseits eine systemische Erkrankung wie z. B. eine Leukämie intraorale Symptome hervorrufen. Der Zahnarzt sollte auch immer bedenken, dass eine zahn- oder oralmedizinische Problematik auf eine noch nicht diagnostizierte Grunderkrankung des Patienten hindeuten kann. Wird also die Erkrankung erkannt und der Patient nachfolgend zu einer anderen Fachdisziplin überwiesen, um weiterführende Abklärungen und Therapien einzuleiten, kann dies für den Patienten lebenswichtig sein.

Wesentlich sind auch allgemeinmedizinische Symptome wie Fieber. Gerade bei der Behandlung einer odontogenen Infektion ist es für den weiteren Verlauf bzw. zur Entscheidungsfindung der Therapie wichtig, solche Symptome zu erkennen. Dennoch kann Fieber in Kombination mit Symptomen im Mund- und Kieferbereich auch auf akute virale oder bakterielle Infektionskrankheiten hinweisen. Somit können sich ebenso Patienten mit einer infektiösen Mononukleose, der Hand-Fuß-Mund-Krankheit oder Scharlach in der Zahnarztpraxis vorstellen. Neben dem intraoralen ist der extraorale Befund mit der Palpation der Lymphknoten wichtig.

Auch Auffälligkeiten wie eine unklare örtliche oder zeitliche Orientierung des Patienten sowie eine mögliche Bewusstseinstrübung müssen beachtet werden. In erster Linie muss in einem solchen Fall eine akute allgemeinmedizinische Ursache abgeklärt werden. Lehnt der Patient die stationäre Aufnahme bzw. die direkte Überweisung in eine medizinische Notaufnahme ab, gilt es, Bezugspersonen auszumachen, die z. B. im Fall einer akuten Verschlechterung reagieren könnten.

Des Weiteren dürfen die Besonderheiten eines Zahnarztbesuchs nicht vernachlässigt werden. Zum einen handelt es sich bei intraoralen Problemen um Beschwerden in einer sensiblen, intimen Region, was ein großes Vertrauen zum Behandler erfordert. Zum anderen können Zahnschmerzen zu einem sehr hohen Leidensdruck mit akuten, schwer erträglichen Schmerzen führen. Diese Faktoren können durch ein seelisches Leiden oder eine Zahnarztphobie verstärkt werden und zu schwierigen Situationen führen. Gerade hier sind ein Gespräch mit dem Patienten, eine ausführliche Anamnese sowie weiterführende Informationen zur Behandlung wichtig.

Der Risikopatient in der Zahnarztpraxis

In der Zahnarztpraxis können sich Risikopatienten durch verschiedene Faktoren auszeichnen. Hierzu zählen ein fortgeschrittenes Alter, Grunderkrankungen, die Einnahme von Medikamenten, Schwangerschaft und Stillzeit sowie eine vorausgegangene Chemo- oder Radiotherapie im Mund- und Kieferbereich. Die häufigsten und relevantesten Allgemeinerkrankungen sind Allergien, Hypertonie, Diabetes mellitus und kardiale sowie Schilddrüsenerkrankungen. Risikofaktoren erhöhen dementsprechend stets die Gefahr einer Notfallsituation. Die häufigsten Notfälle in der Zahnarztpraxis sind in Tabelle 2-1 aufgeführt.

Tab. 2-1 Auflistung der häufigsten medizinischen Notfälle in der Zahnarztpraxis (aus Lambrecht und von Planta1).

Vasovagale Synkope

Hypoglykämie

Angina pectoris

Epilepsie

Atemnot

Asthmaanfall

Unspezifischer Kollaps

Hypertensive Krise

Anaphylaktische Reaktion

Myokardinfarkt

Herz-Kreislauf-Stillstand

Dank des stetigen Fortschritts in der Medizin erhöht sich auch das Lebensalter. Im Jahr 2020 lag es in Europa im Durchschnitt insgesamt bei 81,3 Jahren (78,5 Jahre bei Männern; 84,0 Jahre bei Frauen). Da es bessere Möglichkeiten der medizinischen Versorgung gibt, steigt folglich auch die Anzahl der Risiko- und der multimorbiden Patienten.

Der erste Schritt, um Risikofaktoren zu identifizieren, ist eine ausführliche Anamnese. Die genaue Anamnese bedeutet auch die beste Notfallprophylaxe im Hinblick auf lebensbedrohliche Notfallsituationen. Ebenso wichtig ist allerdings der „klinische Blick“. Dieser Begriff aus der inneren Medizin beschreibt ein vollständiges Erfassen des Patienten. Dies beginnt bereits ab dem ersten Kontakt zum Patienten. So können schon die Sitzposition im Wartezimmer, das Aufstehen und Entgegenkommen, die Atmung, der Gesichtsausdruck und das Gespräch einen ersten und wichtigen Eindruck von der allgemeinen Gesundheit und dem Zustand des Patienten geben.

Die Anamnese

Eine ausführliche Anamnese ist bei jedem Patienten essenziell. Standardisiert empfiehlt es sich, die Anamnese schriftlich zu erheben und anschließend mit dem Patienten durchzusprechen. In Tabelle 2-2 finden sich relevante Punkte der allgemeinen Anamnese. So gilt es z. B. bei Allergien, spezifisch nach Antibiotika und bei Verdacht auf Antiresorptivagaben nach Infusionen oder subkutanen Verabreichungen in monatlichen, 3- oder 6-monatlichen Abständen zu fragen. Macht der Patient unklare Angaben, kann die Diagnose- und Medikamentenliste bei dem behandelnden Hausarzt oder auch von betreuenden Personen oder dem Pflegeheim eingeholt werden. Auch im Rahmen der meist knappen Zeit während eines Notfalldiensts ist eine Anamnese unerlässlich. Sollte in einer akuten Notfallsituation keine verlässliche Information zu Diagnosen und Medikamenten vorliegen, ist das weitere Vorgehen individuell abzuwägen.

Tab. 2-2 Übersicht über die relevanten Punkte einer Anamnese.

Erheben der Anamnese

Beispiele/wichtige Punkte

Kardiologische Vorerkrankungen

Koronare Herzerkrankung

Hyper-/Hypotonie

Herzinsuffizienz

Herzrhythmusstörungen

Pulmonale Vorerkrankungen

Asthma bronchiale

Pneumonie

Hyperventilation

Lungenembolien

Stoffwechselerkrankungen

Diabetes mellitus

Schilddrüsenerkrankungen

Verdauungsstörungen

Neurologische Vorerkrankungen

Epilepsie

Zerebrovaskulärer Insult

Psychiatrische Erkrankungen

Seelisches Leiden

Osteoporose

Antiresorptive Therapie

Blutgerinnungsstörungen

Tumorerkrankungen

Chemotherapie

Radiotherapie

Operationen im Kieferbereich

Antiresorptive Therapie

Infektionskrankheiten

HIV

Hepatitis

Tuberkulose

Geschlechtskrankheiten

Unfall

Vorangegangener Unfall im Zahn- und Kieferbereich

Intakte Tetanusimmunisierung

Allergien

Medikamente

Anästhesie

Sonstige

Suchtverhalten

Alkohol

Rauchen

Drogen

Medikamente

Regelmäßige Medikamenteneinnahme

Gegebenenfalls Medikamentenliste

Intravenöse oder subkutane Medikamentenverabreichungen

Ausweise

Endokarditisprophylaxe

Transplantation

Gelenkersatz

Herzschrittmacher

Mit der speziellen Anamnese werden die aktuellen Beschwerden der Patienten erhoben. Weiterführende Angaben und Untersuchungen können je nach Beschwerdebild notwendig werden (Tab. 2-3).

Tab. 2-3 Übersicht über die spezielle Anamnese mit weiterführenden Punkten.

Schmerzen

Beginn/Auftreten/auslösender Reiz

Lokalisation

Qualität

Intensität

Ausstrahlen

Mund- und Kieferbereich

Schwellung

Rötung oder andere Verfärbung der Haut/Schleimhäute

Mundöffnungseinschränkung

Schluckbeschwerden

Sensibilität

Motorik

Mundschleimhautveränderungen

Hypo-/Hypersalivation

Missempfindung

Geschmacksstörung

Allgemeine Beschwerden

Abgeschlagenheit

Fieber

Einschränkung der Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme

Reflux

Heiserkeit

Gewichtsverlust

Begleiterscheinungen

Bisherige Therapie

Bisherige Abklärungen oder Therapien

Vergangene Interventionen (zahnärztlich/chirurgisch)

Medikamente

Die Schulung des klinischen Blicks

Eine erste Einschätzung eines Patienten beginnt bereits mit dem Auftreten und der Begrüßung sowie beim Besprechen der Anamnese und Schilderung der aktuellen Beschwerden. Hierbei geben das Verhalten und die Körpersprache Hinweise auf den Allgemeinzustand und das Befinden des Patienten. Tabelle 2-4 zeigt Faktoren auf, die Hinweise auf den Allgemeinzustand des Patienten geben.

Tab. 2-4 Faktoren für eine erste klinische Inspektion und Beurteilung des Patienten.

Inspektion

Beispiele/Hinweise

Bewusstseinszustand

Allseits orientiert

Adäquate Auskunft

Eingetrübt

Eingeschränkte Reaktion

Unruhe

Desorientierung/Verwirrtheit

Intoxikation

Mimik und psychischer Affektzustand

Schmerzen

Depression

Krankheit

Gestik und Motorik

Tremor

Körperhaltung und Beweglichkeit

Ernährungszustand

Sprache

Mundöffnungseinschränkung

Schluckstörung

Wortfindungsstörungen

Gesicht und Haut

Färbungen

Schwellung

Asymmetrien

Atmung

Anstrengung beim Atmen

Atemfrequenz

Atemgeräusche

Bei der klinischen Untersuchung auf dem Zahnarztstuhl sollte auch auf spezielle Faktoren im Gesichts- und Halsbereich geachtet werden (Tab. 2-5).

Tab. 2-5 Weiterführende klinische Inspektion im Kopf- und Halsbereich.

Inspektion

Beispiele/Hinweise

Haut

Allgemeine Färbung (Ikterus, Zyanose, rötlich, blass)

Lokale Färbung (Infektion, Hämatom, allergische Reaktion)

Hautveränderungen (Tumor, Voroperationen, Trauma, dermatologische Erkrankung, Narben)

Hydratationszustand

Schwellungen

Infektionen

Abszesse

Ödeme (generalisiert, lokal)

Allergische Reaktionen (z. B. Quincke-Ödem)

Traumata

Geschwollene Lymphknoten

Beweglichkeit und Motorik

Kopfhaltung

Beweglichkeit des Kopfs/Halses

Beweglichkeit der Gesichtsmuskulatur

Mundöffnungseinschränkungen

Gesicht

Form und Größe

Augen

Nase

Lippen

Symmetrie/Asymmetrie

Hals

Narben (Voroperationen, Unfälle)

Schwellungen

Rückstau Halsvene

Stationäre Aufnahme

Die häufigsten odontogenen Beschwerden bei Patienten, die eine sofortige Überweisung in eine Klinik und ein stationäres Setting bedingen, sind Logenabszesse sowie neurologische Auffälligkeiten, die sich nach einem Unfall im Verlauf einer zahnärztlichen Erstuntersuchung und Behandlung entwickelt haben. Eine weitere Ursache für eine Zuweisung zu einer Klinik sind nicht kontrollierbare Blutungen oder Nachblutungen, die gegebenenfalls auch eine hämatologische Mitbetreuung erfordern.

Zeigt der Patient einen reduzierten Allgemeinzustand, kann auch dies eine sofortige Überweisung zu einem Arzt oder in eine Klinik erfordern. Sind bei speziellen oder unklaren Beschwerden, die nicht auf einen akuten lebensbedrohlichen Zustand hindeuten, weitere Abklärungen durch Spezialisten notwendig, soll eine Weiterleitung zur entsprechende Fachdisziplin oder an den betreuenden Hausarzt erfolgen.

Falls eine Vorstellung in einer medizinischen Notfallstation notwendig erscheint, ist abzuklären, ob der Patient die Notfallstation eigenständig aufsuchen kann oder der Rettungsdienst aufzubieten ist. Es kann sogar sein, dass eine notärztliche Begleitung indiziert ist, wie z. B. bei Verdacht auf einen Herzinfarkt oder bei einem schweren Asthmaanfall. Hierbei kann die Rettungsdienstleitstelle, über die der Rettungsdienst angefordert wird, helfen, die Indikation für den Notarzt zu stellen.

Der medizinische Notfall

Bei akuten allgemeinmedizinischen Notfällen ist es selbstverständlich erforderlich, entsprechende Notfallmaßnahmen sofort einzuleiten und einen Notarzt hinzuzuziehen.

Bis zum Eintreffen des Rettungsdiensts müssen bei einer Bewusstlosigkeit oder einem Herzstillstand zwingend Sofortmaßnahmen durchgeführt werden. Die notwendigen Maßnahmen orientieren sich an den Vorgaben der aktuell gültigen Leitlinien zur Reanimation, einzusehen auf den entsprechenden Internetseiten (Deutschland: https://www.grc-org.de, Schweiz: www.resuscitation.ch, Österreich: https://www.arc.or.at). Personal, das mit Patienten Kontakt hat, sollte regelmäßig in Reanimation geschult sein und einen Kurs (BLS – Basic life support) absolviert haben. Für Interessierte bietet es sich an, einen weiterführenden Kurs in Notfallversorgung und Reanimation zu besuchen (ALS – Advanced life support). Folglich ist auch der korrekte Ablauf der Rettungskette in der Zahnarztpraxis entscheidend. Hier empfiehlt es sich, die Abläufe in der Praxis gemeinsam durchzugehen und sie in regelmäßigen Abständen zu wiederholen.

Verzögerungen in der Notfallversorgung der Patienten sind nicht selten dadurch bedingt, dass Kenntnisse über das notwendige und vorhandene Equipment fehlen. So ist es ebenfalls wichtig, sich vor dem Auftreten eines Notfalls mit dem verfügbaren Material auseinanderzusetzen. Wo ist der Notfallkoffer zu finden und welches Material befindet sich darin? Wo befindet sich medizinischer Sauerstoff? Gibt es einen Defibrillator und wie wird er eingesetzt? Nur auf diese Art lässt sich sicherstellen, dass bei einem medizinischen Notfall schnell und adäquat Hilfe geleistet werden kann.

Literatur

1. Lambrecht JT, von Planta M. Zahnärztliche Risikopatienten. Berlin: Quintessenz, 2018.

Empfohlene Literatur

Füeßl H, Middeke M. Duale Reihe Anamnese und Klinische Untersuchung. Stuttgart: Thieme, 2018.

Türp JC, Spranger H. Nicht übertragbare Krankheiten und ihre Bedeutung in der Zahnmedizin. Swiss Dent J 2016,125:473-482.

Klinische Diagnostik und mögliche Befunde

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Zeynab Ahmed, Fabio Saccardin

Die Diagnostik im Notfalldienst sollte, wann immer möglich, nach einem standardisierten Vorgehen erfolgen. Das reduziert insbesondere im zahnärztlichen Notfalldienst das Stresslevel und sorgt dafür, dass wichtige Hinweise für eine bestimmte Diagnose nicht übersehen werden. Üblicherweise beginnt die klinische Untersuchung nach der Anamnese mit der extraoralen, danach der intraoralen Befundung. Es lässt sich allerdings kaum vermeiden, dass im zahnärztlichen Notfalldienst aus Zeitgründen nur eine zielgerichtete Diagnostik durchgeführt wird, vor allem dann, wenn bereits aufgrund der speziellen Anamnese eine Verdachtsdiagnose vorliegt. Allerdings besteht hierbei die Gefahr, dass wichtige (Neben-)Befunde übersehen und deshalb falsche Diagnosen gestellt oder gar falsche Therapien eingeleitet werden. Um dies zu verhindern, sollte möglichst immer genügend Zeit für eine gründliche Diagnostik aufgewendet werden.

In diesem Kapitel werden wichtige Instrumente der allgemeinen klinischen Diagnostik beschrieben. Die zielgerichtete Diagnostik findet sich in den nachfolgenden Kapiteln.

Anamnese

Die Anamnese bildet die Grundlage für jede zahnärztliche Tätigkeit: von der Diagnose bis hin zur späteren Therapie und Festlegung der Nachsorge. Mithilfe der allgemeinmedizinischen Anamnese werden bereits durchgemachte und bestehende Allgemeinerkrankungen, eingenommene Medikamente sowie Allergien erfasst (Abb. 3-1 und 3-2). Insbesondere sollten auch im Notfalldienst potenzielle Risikofaktoren identifiziert werden, die die bevorstehende Therapie, aber auch den Heilungsverlauf negativ beeinflussen können (z. B. hämorrhagische Diathesen, antiresorptive Medikation, Allergien gegen Medikamente, Immunsuppression, Radiotherapie). Im Zweifelsfall sollte eine Rücksprache mit dem behandelnden Arzt erfolgen – was jedoch während des zahnärztlichen Notfalldiensts, der meist außerhalb der Regelarbeitszeit stattfindet, kaum bis gar nicht möglich ist.

Abb. 3-1 und 3-2 Beispiel einer allgemeinmedizinischen Anamnese, die am Universitären Zentrum für Zahnmedizin Basel (UZB) verwendet wird (Vorder- und Rückseite).

Im Rahmen der speziellen Anamnese werden die Patienten nach dem Grund der Konsultation, dem Zeitpunkt des Erstauftritts, der Dauer bzw. dem Verlauf, der Lokalisation bzw.Ausstrahlung, der Art und Qualität der bestehenden Beschwerden, aber auch nach Maßnahmen befragt, die eventuell andere Behandler oder die Patienten selbst bereits vorgenommen haben. Vor allem der Schmerzcharakter kann hier wichtige differenzialdiagnostische Hinweise liefern: So sind z. B. die Schmerzen bei einer reversiblen Pulpitis eher stechend, reizabhängig (meistens bei Kälteapplikation), kurz und lokalisiert, wohingegen sie bei einer irreversiblen Pulpitis eher pochend/pulsierend, reizüberdauernd/anhaltend (auch nachts) sowie ausstrahlend (Ohr, Temporalbereich) sind. Bei einer Schwellung kann der Verlauf hinsichtlich des Wachstums bzw. der Größenprogredienz wichtige Hinweise für die Diagnose geben: Beispielsweise können Schwellungen mit einem langsamen Wachstum (Wochen bis Monate) auf reaktive Veränderungen, chronische Infektionen, Zysten oder benigne (selten auch maligne) Tumoren hindeuten. Schwellungen mit einer raschen Größenprogredienz (Stunden bis Tage) hingegen treten meist infektionsbedingt auf (z. B. Ödem, Infiltrat, Abszess). Wenn eine Schwellung im Mundboden in Abhängigkeit von Mahlzeiten auftritt, kann dies z. B. ein Hinweis auf einen Sialolith sein. Insgesamt ermöglicht die spezielle Anamnese eine differenzialdiagnostische Eingrenzung.

Klinische Diagnostik

Die klinische Untersuchung wird üblicherweise von extra- nach intraoral durchgeführt. Anhand einer bestimmten Abfolge der klinischen Untersuchung kann der Zahnarzt sich dem Patienten langsam annähern, um so das Vertrauen aufzubauen. Auch sollte darauf geachtet werden, dass klinische Untersuchungen, die dem Patienten Schmerzen verursachen können, tendenziell am Schluss der Untersuchung durchgeführt werden.

Inspektion

Die Inspektion beinhaltet die genaue Betrachtung sichtbarer struktureller und funktioneller Veränderungen hinsichtlich der Symmetrie (Seitenvergleich), der Lokalisation/Ausdehnung (bei Schwellungen), des Kolorits sowie der Oberflächenbeschaffenheit. Die extraorale Inspektion sollte idealerweise im Abstand von einer Armlänge durchgeführt werden, um so einen besseren Überblick zu erhalten (Abb. 3-3 und 3-4).

Abb. 3-3 und 3-4 Inspektion des Kopf-Hals-Bereichs von ventral und lateral. Hierbei sollte idealerweise ein Abstand von einer Armlänge eingehalten werden, um so einen besseren Überblick zu erhalten.

Für die intraorale Inspektion können zwei zahnärztliche Spiegel verwendet werden, um das Weichgewebe besser abzuhalten. Ist die Mukosa besonders trocken und vielleicht auch klebrig (z. B. bei Mundtrockenheit), sollten die zahnärztlichen Spiegel zuvor mit Wasser befeuchtet werden, um die Entstehung schmerzhafter Risse zu verhindern.

Palpation

Bei der Palpation werden einzelne Organe (Lymphknoten, große Speicheldrüsen, Kiefergelenke, Kaumuskeln, Schilddrüse etc.) auf ihre Konsistenz, Elastizität, Beweglichkeit/Verschieblichkeit, Temperatur sowie Druckdolenz beurteilt. Liegt eine Schwellung vor, können Geräusche (z. B. Knistern bei subkutanem Emphysem), Farbveränderungen (Hämatom, Hämangiom), Exsudatentleerung, Blutungen oder Blasenbildungen während der Palpation ebenfalls wichtige differenzialdiagnostische Hinweise liefern (s. Kap. 18).

Lymphknoten

Für die Palpation der submentalen und submandibulären Lymphknoten sollte der Patient den Kopf nach vorn beugen und seitlich leicht drehen, damit durch die reduzierte Oberflächenspannung veränderte Lymphknoten einfacher ertastet werden können. Der Daumen wird hierbei lateral auf dem Unterkieferrand positioniert und mit den restlichen vier Fingern das submentale und submandibuläre Weichgewebe von medial nach lateral über den Unterkieferrand geschoben (Abb. 3-5 und 3-6). In der Regel können asymptomatische/unauffällige Lymphknoten nicht ertastet werden, es sei denn, sie sind reaktiv oder pathologisch verändert. Sind Lymphknoten vergrößert, druckdolent, im Gewebe verschiebbar und kompressibel, ist das ein Hinweis auf ein entzündliches bzw. infektiöses Geschehen. Einzelne Lymphknoten, die fest, indolent und im Gewebe verschiebbar sind, können sklerosiert sein, was typisch für eine abgelaufene Infektion ist. Sind jedoch mehrere Lymphknoten fest, indolent und mit dem umliegenden Weichgewebe verwachsen, sollte an lymphogene Metastasen eines malignen Geschehens gedacht werden. Können submentale und submandibuläre Lymphknoten ertastet werden, sollte auch die Palpation der zervikalen Lymphknoten erfolgen. Diese befinden sich anterior und posterior des Musculus sternocleidomastoideus. Wird der Kopf auf die kontralaterale Seite des zu untersuchenden Halsbereichs rotiert, können die Lymphknoten besser palpiert werden.

Abb. 3-5 Palpation der submandibulären Lymphknoten.

Abb. 3-6 Palpation der zervikalen Lymphknoten (und der Schilddrüse).

Große Speicheldrüsen

Zur klinischen Untersuchung der großen Speicheldrüsen dient in erster Linie die Palpation (Abb. 3-7 und 3-8). Zum Beispiel sind generalisiert geschwollene Speicheldrüsen (bei reduziertem nicht stimuliertem Speichelfluss, aber normalem stimuliertem Speichelfluss) auf eine medikamenteninduzierte Speicheldrüsendysfunktion zurückzuführen. Chronisch vergrößerte Speicheldrüsen können mit Autoimmunerkrankungen (z. B. Sjögren-Syndrom), Neoplasien (benigne und maligne Tumoren), Schilddrüsenerkrankungen, ungenügend eingestelltem Diabetes mellitus, Alkoholabusus, Essstörungen (Bulimia nervosa, Anorexia nervosa) bzw. Malnutrition assoziiert sein (Abb. 3-9). Schwellungen, die typischerweise bei mastikatorischer oder olfaktorischer Stimulation an der Glandula parotis oder Glandula submandibularis unilateral auftreten, entstehen durch eine Obstruktion des Hauptausführungsgangs. Gründe dafür können Sialolithen oder aus Speichelproteinen bestehende visköse Konglomerate sein. Ist eine unilaterale Schwellung der Glandula parotis jedoch eher hart und rezidivierend, kann auch eine Gefäßerkrankung oder Hypertonie vorliegen. Weiche, temporäre Schwellungen, bei denen Pus aus dem Hauptausführungsgang fließt, sind häufig bei einer bakteriellen Sialadenitis durch Staphylokokken oder Streptokokken zu beobachten. Tritt kein oder kaum Speichel bei Palpation aus, kann dies auf eine virale Sialadenitis durch ein Mumps-, Influenza-, Coxsackie- oder Zytomegalievirus hindeuten4.

Abb. 3-7 Bimanuelle Palpation der Glandula submandibularis und Glandula sublingualis.

Abb. 3-8 Bimanuelle Palpation der Glandula parotis.

Abb. 3-9 Sialadenose, bedingt durch eine Anorexia nervosa (Abbildung von Dr. med. Lukas Horvath).

Neurologischer Status

Im Rahmen des neurologischen Status kann die Funktionsfähigkeit des Nervus facialis und des Nervus trigeminus erfasst werden. Wird der Nervus facialis überprüft, sollte der Patient aufgefordert werden, nacheinander die Stirn zu runzeln, die Augen zu schließen und den Mund zu spitzen. Liegt eine periphere Fazialisparese vor, zeigt sich eine einseitige Lähmung der mimischen Gesichtsmuskultur. Bei einer vollständigen Lähmung sind daher das Runzeln der Stirn, das Schließen der Augen sowie das Spitzen des Mundes in der betroffenen Gesichtshälfte nicht mehr möglich. Liegt eine zentrale Fazialisparese vor, kann der Patient trotz allem die Stirn noch runzeln und die Augenlider beidseits schließen. Um die somatosensible Funktionsfähigkeit des Nervus trigeminus zu testen, wird mit den Enden der zahnärztlichen Spiegel über das Innervationsgebiet des Nervus supraorbitalis, Nervus infraorbitalis, Nervus mentalis gefahren (Abb. 3-10 bis 3-12). Der Patient sollte dabei beidseits einen gleichmäßigen Instrumentenkontakt verspüren.

Abb. 3-10 bis 3-12 Sensibilitätstest am Nervus supraorbitalis, Nervus infraorbitalis und Nervus mentalis.

Kiefergelenke und Kaumuskeln

Besteht der Verdacht einer Funktionsstörung des Kausystems oder einer kraniomandibulären Dysfunktion (CMD), erfolgen die Palpation der Kaumuskeln und der Kiefergelenke sowie die Messung der maximalen, schmerzfreien Kieferöffnung.

Die Palpation des Musculus masseter wird mit einer Kraft von circa 10 N durchgeführt. Dabei können mögliche Triggerpunkte sowohl mit dem Zeigefinger als auch mit dem Daumen (auch von extraoral, aber Zeigefinger intraoral) durch mehrere Palpationsstellen (jeweils drei in anterior-posteriore und drei in superior-inferiore Richtung) erfasst werden (Abb. 3-13 und 3-14). Die Palpation des Musculus temporalis wird ebenfalls mit einer Kraft von 10 N an mehreren repräsentativen Stellen durchgeführt (Abb. 3-15). Die Palpation der Kiefergelenke erfolgt sowohl mit geöffnetem als auch mit geschlossenem Mund mit einer Kraft von circa 5 N (Abb. 3-16). Sollte ein klinischer Befund nicht eindeutig sein, kann bei geöffnetem Kiefer der kleine Finger in den Gehörgang des Patienten eingelegt werden. Schließt der Patient nun den Kiefer, kommt es zu einer Kompression der bilaminären Zone, was bei einer vorliegenden Entzündung sehr schmerzhaft sein kann. Zuletzt wird noch die Schneidekantendistanz (SKD) gemessen, d. h. der Abstand zwischen den Inzisalkanten der mittleren Schneidezähne im Ober- und Unterkiefer (Abb. 3-17). Bei den Männern beträgt er circa 40 mm, bei den Frauen circa 38 mm.3

Abb. 3-13 und 3-14 Palpation des Musculus masseter.

Abb. 3-15 Palpation des Musculus temporalis.

Abb. 3-16 Palpation der Kiefergelenke.

Abb. 3-17 Messung der maximalen Schneidekantendistanz (maximale Kieferöffnung).

Nasenblastest

Besteht der Verdacht auf eine Mund-Antrum-Verbindung (MAV) oder oroantrale Fistel (OAF), erfolgt ein sogenannter Nasenblastest, auch Valsalva-Test genannt (s. Kap. 13). Herbei wird die Nase des Patienten mit den Fingern zugehalten und auf Anweisung Druck in der Nasenhöhle aufgebaut (wie beim Schnäuzen). Liegt eine MAV/OAF vor, entweicht mit einem zischenden oder pfeifenden Geräusch Luft in die Mundhöhle. Gelegentlich kann auch eine Bläschenbildung beobachtet werden. Ist in der Kieferhöhle die Schneider’sche Membran verdickt oder hat polypöse Veränderungen, kann der Nasenblastest durch den Ventileffekt auch falsch negativ sein. Daher sollte immer auch der umgekehrte Nasenblastest durchgeführt werden. Dazu muss der Patient den Mund schließen und die Wangen aufblasen. Liegt eine MAV/OAF vor, wird ihm das nicht gelingen, da die Luft aufgrund des Drucks durch die Kieferhöhle in die Nasenhöhle entweichen kann. Zuletzt wird der Fundus der Extraktionsalveole bzw. die verdächtige Stelle mit der Sonde nach Bowman taktil auf eine knöcherne Kontinuitätsunterbrechung hin überprüft. Ist der Fundus der Extraktionsalveole gut einsehbar, insbesondere bei breitem Durchmesser und geringer Tiefe, kann eine alleinige Sondierung ausreichend sein. Es gilt jedoch zu beachten, dass bei unvorsichtiger Sondierung die Kieferhöhle iatrogen eröffnet werden kann.

Sensibilitätstest

Die Sensibilität einer Pulpa wird in der Regel mithilfe von Kälte, in seltenen Fällen auch mit Wärme oder elektrischem Strom, getestet und darf nicht mit einem Vitalitätstest verwechselt werden. Während eine gesunde Pulpa eine normale Reaktion auf den (Schmerz-)Reiz aufweist, kann die Reaktion der Pulpa bei einer Pulpitis verstärkt oder anhaltend sein und bei einer Pulpanekrose ganz ausbleiben (CAVE: Pulpaobliteration). Wichtig hierbei ist, dass es keine verzögerten Reaktionen auf den Sensibilitätstest gibt, insbesondere nach Zahnunfällen. Gerade nach Zahntrauma sind am Unfalltag alle Arten von Pulpatests nicht aussagekräftig und auch nicht relevant, sodass weitere klinische und radiologische Befunde (insbesondere in Bezug auf den weiteren Verlauf) hinzugezogen werden müssen. Sollte ein Sensibilitätstest mithilfe von Kälte durchgeführt werden, empfiehlt sich die Anwendung von Kohlensäureschnee (Abb. 3-18). Mit -78,5 °C ist dieses Verfahren mit Abstand die kälteste Testvariante und zugleich die zuverlässigste. Alternativ kann ein Kältespray verwendet werden (Abb. 3-19). Allerdings ist seine Aussagekraft wegen der höheren Temperatur auch wesentlich geringer. Die Applikation erfolgt üblicherweise drucklos an einer pulpanahen Stelle des Zahns für nur 0,5 Sekunden, da sonst aufgrund der parodontalen Reaktion ein falsch positives Resultat provoziert wird. Weitere Sensibilitätstests, die auf Wärmeapplikation oder elektrischem Strom basieren, sollten wegen der häufigen falsch negativen und falsch positiven Befunde nicht verwendet werden2.

Abb. 3-18 Sensibilitätstest mithilfe von Kohlensäureschnee.

Abb. 3-19 Kältespray mit Schaumstoffpellet als Alternative.

Mundschleimhaut

Bei jeder zahnärztlichen Untersuchung, auch während des zahnärztlichen Notfalldiensts, sollte zumindest auch die Mundschleimhaut kurz, aber systematisch inspiziert werden. Gingiva, Wangeninnenseiten, Zunge, Mundboden und Gaumen sollten auf ihre Farbe, Oberflächenbeschaffenheit und Effloreszenzen im Seitenvergleich beurteilt werden. Hierbei ist auch die Anamnese zu beachten (Alter, Rauchgewohnheiten, Prothesennutzung etc.).

Bei weißlichen Veränderungen/Belägen sollten Lokalisation, Ausdehnung und Abwischbarkeit untersucht werden. Rötliche Veränderungen können unterschiedlicher Genese sein. Im zahnärztlichen Notdienst durchführbar ist der sogenannte Glasspateltest (Abb. 3-20): Kann mittels Glasspatel eine intra- oder submukosale Rotfärbung „weggedrückt“ (also anämisiert) werden, handelt es sich meist um eine vaskuläre Veränderung.

Abb. 3-20 Mit einem Glasspatel kann auf einfache Weise herausgefunden werden, ob die Verdachtsdiagnose einer Gefäßmalformation plausibel ist: Auf Druck mit dem Glasspatel „entfärbt“ sich der Befund, da das Blut aus den Gefäßen verdrängt wird1.

Bei erkennbaren lokalen Irritationen der umgebenden Weichgewebe können und sollten im zahnärztlichen Notfalldienst Reizfaktoren wie z. B. scharfe oder abgebrochene Füllungskanten oder Druckstellen entfernt werden. In solchen Fällen sollte grundsätzlich ein Recall nach maximal einer Woche erfolgen oder empfohlen werden, um die Läsion nachzukontrollieren.

Parodontale Untersuchung

Die parodontale Untersuchung (parodontaler Kurzbefund) ist eine einfache Methode, um einen Überblick über mögliche parodontale Destruktionen und entzündungsbedingte Veränderungen zu erhalten. Zur Diagnostik werden die zirkulären Sondierungstiefen um den betroffenen Zahn sowie Blutung bei Sondierung (BOP) erhoben. Zur Beurteilung des Knochenniveaus sind Zahnfilme erforderlich. Beispielsweise können zwei gegenüberliegende Stellen am gleichen Zahn mit lokal begrenzten erhöhten Sondierungstiefen Hinweise auf eine Längsfraktur geben (Abb. 3-21). Eine J-förmige Aufhellung auf dem Zahnfilm kann ein weiterer Hinweis sein (Abb. 3-22). Davon zu unterscheiden ist eine Aufhellung im Bereich der Furkation bei parodontal erkrankten Zähnen (Abb. 3-23).

Abb. 3-21 Typische, oft gegenüberliegende isolierte Knochenverluste als Indiz für eine Längsfraktur.

Abb. 3-22 Zahn 47 mit J-förmiger Aufhellung im Bereich der mesialen Wurzel: Hinweis auf Längsfraktur.

Abb. 3-23 Parodontitis marginalis mit Furkationsbeteiligung.

Literatur

1. Filippi A, Saccardin F, Kühl S (Hrsg.). Das kleine 1 x 1 der Oralchirurgie. Berlin: Quintessenz, 2021.

2. Hellwig E, Schäfer E, Klimek J, Attin T (Hrsg.). Einführung in die Zahnerhaltung: Prüfungswissen Kariologie, Endodontologie und Parodontologie. Köln: Deutscher Zahnärzte Verlag, 2018.

3. Schindler HJ, Türp JC (Hrsg.). Konzept Okklusionsschiene: Basistherapie bei schmerzhaften kraniomandibulären Dysfunktionen. Berlin: Quintessenz, 2017.

4. Sreebny LM, Vissink A (Hrsg.). Dry mouth – The malevolent symptom: a clinical guide. Oxford: Wiley-Blackwell, 2010.

Röntgendiagnostik im zahnärztlichen Notfalldienst

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Dorothea Dagassan-Berndt

Die Behandlung eines zahnärztlichen Notfalls bezieht sich auf die unbedingt notwendige Therapie, um Verletzungen/Traumata, Nachblutungen oder Schmerzen bzw. Entzündungen zu versorgen. Ziele sind eine Beschwerdelinderung für die Patienten sowie eine suffiziente Versorgung bis zum nächsten regulären Zahnarzttermin.

Im dentoalveolären Bereich können neben den Zähnen auch die umgebenden Knochenstrukturen betroffen sein. Eine Inspektion und klinische Untersuchung der Mundhöhle ergibt konkrete Befunde und Hinweise, jedoch sind viele betroffene Strukturen nicht direkt einsehbar oder vollständig beurteilbar. Eine radiologische Darstellung kann hier eine Verdachtsdiagnose bestätigen, das gesamte Ausmaß der Verletzungen oder Entzündungen darstellen oder Pathologien ausschließen. Die Röntgendiagnostik spielt für eine korrekte und zielführende Therapieentscheidung gerade auch im zahnärztlichen Notfalldienst eine zentrale Rolle.

Die Anwendung ionisierender Strahlen unterliegt unabhängig von einer Notfallsituation immer den entsprechenden Strahlenschutzgesetzen der Länder und muss daher in jedem Fall indiziert, gerechtfertigt und in optimierter Art und Weise angewendet werden. Der Schutz des Personals und der Patienten muss entsprechend beachtet werden.

In der Zahnmedizin stehen grundsätzlich vier bildgebende Verfahren zur Verfügung, die auch im zahnärztlichen Notfalldienst zur Anwendung kommen: intraorale Einzelröntgenaufnahme, Panoramaschichtaufnahme, Fernröntgenaufnahme und digitale Volumentomografie.

Intraorale Einzelröntgenaufnahme

Intraorale Einzelröntgenaufnahmen sind sehr detailgenau, in den Zahnarztpraxen leicht verfügbar und zudem eine kostengünstige Variante. Hochauflösende Bildempfänger (Filme, Speicherfolien oder Sensoren) stellen kleine Bereiche von einem oder mehreren Zähnen inklusive direkter anatomischer Nachbarschaft dar. Sind größere Bereiche betroffen, müssen mit diesem Verfahren mehrere Aufnahmen angefertigt werden. Da der Bildempfänger in der Regel nicht mit der Ebene des Zentralstrahls in definiertem Abstand und Winkel verbunden ist, besteht in solchen Fällen der Nachteil von Projektionsabweichungen und somit Verzerrungen. Dies kann durch die Verwendung von Röntgenhalterungen minimiert werden. Darüber hinaus kann die intraorale Einzelröntgenaufnahme mit reduzierten Einstellungsparametern zur Darstellung von Fremdkörpern im Weichgewebe (z. B. nach einem Zahnunfall) genutzt werden.

Indikationen

Schmerzen durch Zahnhartsubstanzdefekte, (profunde) kariöse Läsionen, Pulpitis, apikale Parodontitis, Dislokationsverletzungen nach Zahntrauma, parodontale Verletzungen nach Zahntrauma, wobei bei Kronen-Wurzel-Frakturen und/oder Wurzelfrakturen je nach individueller Situation auch die digitale Volumentomografie indiziert ist (Abb. 4-1 und 4-2).

Abb. 4-1 Intraorale Einzelröntgenaufnahme bei einer Wurzelfraktur am Zahn 11.

Abb. 4-2 Akute Schmerzen bei profunder kariöser Läsion am Zahn 35 und Wurzelkanalfüllung mit apikaler Parodontitis am Zahn 36.

Panoramaschichtaufnahme

Die Panoramaschichtaufnahme ermöglicht eine Übersichtsdarstellung beider Kiefer, der Zähne, des Kiefergelenks sowie der angrenzenden anatomischen Strukturen. Ist der Kopf korrekt positioniert, lässt sich eine fast standardisierte Aufnahme erreichen. Gerade nach schwereren Unfällen oder bei größerem Infektionsgeschehen bietet diese Aufnahmetechnik eine gute zweidimensionale Übersicht bei geringer Strahlenbelastung und relativ geringen Kosten. Vorteilhaft ist zudem, dass kein Bildempfänger in der Mundhöhle platziert werden muss, was insbesondere bei akuten Schmerzen oder stark eingeschränkter Kieferöffnung eine einfache Durchführung ermöglicht.

Indikationen

Hierzu gehören ausgeprägte Schmerzzustände mit Verdacht auf sich ausbreitende Tendenzen; Verdacht auf retinierte Zähne, insbesondere Weisheitszähne; Verdacht auf Pathologien bzw. zum Ausschluss von Pathologien; Verdacht auf Frakturen im Kieferbereich inklusive Kiefergelenk (Abb. 4-3).

Abb. 4-3 Panoramaschichtaufnahme zur Darstellung mehrerer potenzieller Schmerzursachen. Nebenbefund: Prävertebral beidseits zeigen sich Verkalkungen im Sinne von arteriosklerotischen Verkalkungen, die bisher nicht bekannt waren und folglich beim Hausarzt abzuklären sind.

Kontraindikation

Ein Frontzahntrauma, da durch die Überlagerungen der Wirbelsäule im anterioren Bereich nur eine ungenügende Detailgenauigkeit erreicht wird7.

Fernröntgenaufnahme

Mit der Fernröntgenaufnahme können der Schädel oder die größten Schädelanteile in posterior-anteriorer Orientierung von lateral oder aus weiteren definierten Projektionsrichtungen dargestellt werden. Im Notfall spielt dieses Verfahren lediglich zur Frakturdiagnostik eine Rolle, sofern keine digitale Volumentomografie verfügbar ist.

Indikation

Zur Frakturdiagnostik im Einzelfall.

Digitale Volumentomografie

Die digitale Volumentomografie (DVT) stellt definierte Bereiche unterschiedlicher Größe (verschiedene Volumen durch definierte Fields of view, FoV) dreidimensional, überlagerungs- und verzerrungsfrei dar. Dieses Verfahren ist jedoch mit der höchsten Strahlenbelastung und den höchsten Kosten sowie mit der niedrigsten Detailauflösung verbunden. Die dreidimensionale Darstellung kann jedoch bei korrekter Indikation einen Mehrwert bei der Therapieentscheidung leisten2,4,5. Ein digitales Volumentomogramm muss im zahnärztlichen Notfalldienst trotzdem nur selten angefertigt werden. Einerseits muss das entsprechende Gerät verfügbar sein und andererseits auch das dafür ausgebildete Personal, das im Sinne des Strahlenschutzes eine optimierte und adäquate Aufnahme anfertigen und abschließend auch beurteilen bzw. interpretieren kann. Für die digitale Volumentomografie gilt insbesondere, dass derjenige Zahnarzt über die Bildgebung entscheidet, der den Patienten letztlich auch behandelt. Eine Missachtung der oben genannten Regel bewirkt im Zweifelsfall, dass die Bildgebung zweimal notwendig ist, weil sich für den behandelnden Zahnarzt nicht alle für die Therapie wichtigen Antworten aus dem angefertigten Röntgenbild ergeben.

Indikation

Hierzu gehören unklare Schmerzzustände, die mithilfe einer vorangegangenen zweidimensionalen Bildgebung nicht geklärt werden konnten, z. B. bei Verdacht auf knöcherne Frakturen. Bei Kronen-Wurzel-Frakturen und/oder Wurzelfrakturen ist zur Beurteilung bezüglich der Kommunikation des Frakturspalts mit der Mundhöhle ein digitales Volumentomogramm indiziert.

Besonderheiten beim Einsatz von bildgebenden Verfahren

Eine korrekte Erhebung der Anamnese sowie eine ausführliche klinische Untersuchung sind die Basis für die Verdachtsdiagnose und dienen damit als Grundlage für jegliche Bildgebung. Die Anamnese sowie der dentale Befund klären zunächst die Notwendigkeit einer radiologischen Darstellung im Allgemeinen. In einem zweiten Schritt wird festgelegt, welcher Bereich dargestellt werden muss (einer oder mehrere Zähne, gegebenenfalls Kieferabschnitte oder gesamte/beide Kiefer). Der dritte Schritt klärt, ob die Darstellung des definierten Bereichs zwei- oder dreidimensional erforderlich ist.

Röntgenstrahlen zählen zu den ionisierenden Strahlen und haben daher biologische Effekte auf das menschliche Gewebe. Bei der Anwendung von Röntgenstrahlen muss zusätzlich auch das Nutzen-Risiko-Verhältnis der entsprechenden bildgebenden Modalität abgewogen werden. Die effektiven Dosen der einzelnen Modalitäten sind in Tabelle 4-1 angegeben.

Tab. 4-1 Effektive Dosis für zahnärztliche Röntgenaufnahmen6.

SD: Standardabweichung, μSv: Mikrosievert, PSA: Panoramaschichtaufnahme, DVT: digitales Volumentomogramm, CT: Computertomogramm

In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass für Kinder ein höheres Risiko bezüglich Röntgenstrahlen besteht als für Erwachsene. Spezielle Maßnahmen wie die Verwendung von digitalen Bildempfängern mit angepassten Einstellungsparametern, die Nutzung von Rechteckblenden, Thyroidschutz sowie eine besonders strenge Indikationsstellung sind zu empfehlen1,3.

Grundsätzlich gelten im zahnärztlichen Notfalldienst bei der radiologischen Bildgebung in Bezug auf den Strahlenschutz, die Qualitätskriterien und Durchführung die gleichen Richtlinien wie unter normalen Umständen. Einige wenige Besonderheiten müssen für den Nachtnotfalldienst oder den Notfalldienst an Sonn- und Feiertagen beachtet werden. Mitunter steht im zahnärztlichen Notfalldienst nur eine eingeschränkte Röntgeninfrastruktur zur Verfügung. Eine fehlende Infrastruktur bedingt in manchen Fällen die Überweisung an Zentren oder Kliniken, um eine korrekte Therapie einzuleiten.

Besonderheiten bei Kindern

Die Behandlung von Kindern im zahnärztlichen Notfalldienst erfolgt am häufigsten aufgrund von Zahnunfällen. Eine Anästhesie vor der Röntgendiagnostik kann einerseits eine schmerzfreie Bildgebung unterstützen und andererseits eine ausreichend tiefe Wirkung der Anästhesie für die spätere Behandlung begünstigen. Meist sind bei Kindern nach Zahnunfällen im bleibenden Gebiss intraorale Einzelröntgenaufnahmen der Oberkiefer-Frontzähne erforderlich (s. Kap. 29 und 30). Je jünger die kleinen Patientinnen und Patienten sind, desto sinnvoller ist es, einen Bildempfänger der Größe 2 interokklusal einzulegen und die Technik einer sogenannte Aufbissaufnahme durchzuführen (Abb. 4-4).

Abb. 4-4 Intraorale Einzelröntgenaufnahme mit Einstelltechnik einer Aufbissaufnahme (Milchzahngebiss einer 5-jährigen Patientin) zur Abklärung einer Intrusion.

Besonderheiten im Nacht- oder Sonn-/Feiertagsnotfalldienst

Die wesentlichen Unterschiede im Nacht- oder Feiertagsnotfalldienst zur normalen Sprechstunde sind:

Reduzierte Infrastruktur zur Behandlung:

Nicht selten ist das Team, das sich um einen zahnärztlichen Notfall kümmert, nicht mit allen Bereichen des Materials oder seiner Handhabung vertraut, sodass kein routinierter Ablauf möglich ist. Hier empfiehlt es sich, gerade bei der Röntgendiagnostik, die Schutzmaßnahmen für Personal und Patienten im Vorfeld der Notfallzeiten zu wiederholen und durchzuspielen. Auch Einstelltechniken und die Handhabung der Geräte inklusive der Passwörter für den Log-in und die Freigabe der entsprechenden Geräte sollten aktiv geübt werden.

Reduzierte Verfügbarkeit von Informationen über den Patienten:

Hierzu zählt insbesondere das Visualisieren von bereits vorhandenen Röntgenbildern oder Befunden. Patienten, die nicht in der Notfallpraxis registriert sind, besitzen somit vor Ort keine radiologischen Voraufnahmen, die zur Therapieplanung genutzt werden könnten. Im Nacht- oder Feiertagsdienst kann normalerweise auch nicht auf eine Übermittlung bereits vorhandener Röntgenbilder gewartet werden. Dies ist die einzige Indikation, bereits kurz zuvor durchgeführte radiologische Aufnahmen zu wiederholen, sofern diese zur Behandlung des Notfalls zwingend erforderlich sind.

Zustand der Patienten:

Je nach individueller Situation kann es vorkommen, dass zu den oben genannten Zeiten Patienten übermüdet, erschöpft, eventuell alkoholisiert oder durch andere Substanzen stimuliert bzw. reduziert sind. Um solche Situationen bewältigen zu können, muss das Personal, das den nächtlichen Notfall- oder den Sonn- und Feiertagsdienst übernimmt, entsprechend instruiert werden. Bezüglich der radiologischen Diagnostik gilt es hier vor allem abzuschätzen, inwieweit Patienten in solchen besonderen Zuständen in der Lage sind, ausreichend für eine Bildgebung zu kooperieren. Um extraorale Aufnahmen anzufertigen, müssen die Patienten für eine gewisse Zeit den Kopf ruhig halten können. Eine ungenügende Diagnostik kann daher durchaus zur Verschiebung des Behandlungstermins führen, sofern der Zustand des Patienten nicht lebensbedrohlich ist.

Strahlenschutz: