Flop - Ken Bruen - E-Book

Flop E-Book

Ken Bruen

4,6

Beschreibung

Wenn du einen Killer engagierst, nimm keinen Psychopathen! Dies ist nur eine der bitteren Lektionen, die der skrupellose Geschäftsmann Max Fisher lernen muss, als er den ehemaligen IRA-Mann Dillon auf seine verhasste Gattin ansetzt. Was er nicht weiß: Seine unwiderstehliche Geliebte steckt mit dem draufgängerischen Profi killer unter einer Decke. Jeder versucht den anderen auszuspielen, am Ende kämpfen alle in dieser brutalen Komödie nur noch ums nackte Überleben ...

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 355

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
4,6 (18 Bewertungen)
13
2
3
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Titelseite

Impressum

Widmung

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Ken Bruen und Jason Starr

FLOP

Übersetzt von Richard Betzenbichler

Rotbuch Verlag

eISBN: 978-3-86789-502-6

2. Auflage

© 2010 (2008) by Rotbuch Verlag, Berlin

Titel der Originalausgabe: »Bust«

© 2006 by Ken Bruen und Jason Starr

Umschlagillustration: © 2006 by R. B. Farrell

Die Reihe »Hard Case Crime« in deutscher Sprache ist eine internationale Kooperation der Winterfall LLC und Rotbuch Verlag GmbH.

Das Logo und der Name »Hard Case Crime« sind Markenzeichen der Winterfall LLC und lizenziert für die Rotbuch Verlag GmbH.

Ein Verlagsverzeichnis schicken wir Ihnen gern:

Rotbuch Verlag GmbH

Alexanderstr. 1, 10178 Berlin

Tel. 01805/30 99 99

(0,14 Euro/Min., Mobil max. 0,42 Euro/Min.)

www.rotbuch.de

Für

Reed Farrel Coleman,

La Weinman (Sarah)

sowie

Jon, Ruth und Jennifer Jordan,

treue Freunde,

die bei jedem Flop zu einem halten

1

Leute mit festen Standpunkten machen sich das Leben nur gegenseitig schwer.

Buddha

Im rückwärtigen Teil der Famiglia Pizzeria an der Ecke Fiftieth und Broadway tupfte Max Fisher gerade mit einer Serviette so viel Fett wie nur möglich von seiner Pizza Margherita, als sich ihm schräg gegenüber ein Mann setzte, der einen Riesenbecher voller Eiswürfel in der Hand hielt. Der Kerl sah dem großen, breitschultrigen Killer, den Max erwartet hatte, überhaupt nicht ähnlich – er erinnerte eher an einen ausgehungerten Windhund. Er konnte nicht mehr als fünfundsechzig Kilo wiegen, war nicht sonderlich groß, hatte erstaunlich blaue Augen, eine dünne Narbe an der rechten Wange und auf dem Kopf einen Wust aus langem grauem Haar. Sein Mund sah äußerst seltsam aus, so, als hätte jemand Glasscherben hineingestopft und die Lippen verstümmelt.

Der Typ lächelte und sagte: »Du fragst dich wohl, was mit meinem Maul passiert ist?« Sein irischer Akzent war unüberhörbar.

Max hatte zwar gewusst, dass der Typ ein Ire war, aber er hatte nicht erwartet, dass er so irisch war. Die Unterhaltung mit ihm würde ähnlich anstrengend verlaufen wie die Gespräche mit diesen irischen Barkeepern in der Kneipe oben im Norden der Stadt, die die einfachsten Wörter nicht verstanden. Wenn er dort ein Bud Light bestellte, starrten die ihn bloß blöde an – so, als würde mit seiner Art zu sprechen etwas nicht stimmen, und er dachte dann unwillkürlich: Wer ist denn hier der Kartoffelfresser frisch vom Schiff, Kumpel? Du oder ich? Max wollte schon darauf antworten, dachte sich dann aber, Scheiß drauf, ich bin hier der Boss, und fragte: »Sind Sie …?«

Der Mann legte einen Finger auf seine verunstalteten Lippen und sagte: »Pst, pst … Keine Namen.« Er lutschte an seinem Eis, machte eine richtige Show daraus, stülpte die Lippen samt Würfel nach außen, dass Max sie gar nicht übersehen konnte. Schließlich schob er den Würfel wie ein Eichhörnchen in die Backe und sagte: »Du bist also Max?«

Max fragte sich, was aus dem Namensverbot geworden war. Beinahe hätte er etwas dazu gesagt, doch wahrscheinlich wollte der Kerl eh bloß seine Spielchen mit ihm treiben, also nickte er nur.

Der Typ beugte sich vor und sagte leise: »Du kannst mich Popeye nennen.«

Noch ehe Max fragen konnte, So wie die Comicfigur?, fing der Kerl zu lachen an, dass sich Max die Haare aufstellten. »Hey Mann, nenn mich doch, wie du willst.« Wieder lächelte er und sagte dann: »Das Geld brauche ich im Voraus.«

Max fühlte sich gleich wohler – Verhandeln war seine Spezialität – und fragte: »Acht Riesen, richtig? Ich meine, das hat Angela doch …«

Die Augen des Kerls weiteten sich, und Max dachte, Scheiße, die Keine-Namen-Regel, und wollte sich schon entschuldigen, als Popeye eine Hand vorschnellen ließ und Max’ Handgelenk packte. Für einen so knochendürren Mann hatte er einen stahlharten Griff.

»Zehn«, zischte er, »ich will zehn!«

Max machte sich vor Angst fast in die Hose, war wegen des Geldes aber auch wütend. Er versuchte vergeblich, seine Hand frei zu bekommen, brachte aber immerhin heraus: »Hey, abgemacht ist abgemacht, Sie können nicht einfach die Konditionen ändern.«

Das gefiel ihm – diesem dürren, mickrigen Insulaner zeigen, wo der Hammer hängt.

Endlich ließ Popeye ihn los, lehnte sich zurück, starrte ihn an, lutschte noch ein wenig am Eis herum und sagte schließlich mit sehr leiser Stimme: »Du willst, dass ich deine Frau um die Ecke bringe, ich kann also verdammt noch mal tun und lassen, was ich will. Dein Arsch gehört mir, du Sack im Frack.«

Max fühlte einen Stich in der Brust und dachte, Mist, der Herzinfarkt, der ihn diesem Scheißkardiologen zufolge »jederzeit ereilen« konnte. Er nahm einen Schluck von seiner Pepsi Light, wischte sich über die Stirn und sagte schließlich: »Ja, in Ordnung, von mir aus. Wir können ja neu verhandeln. Fünf vorher, fünf hinterher – was halten Sie davon?«

Der springende Punkt war, er wollte Deirdre aus dem Weg geschafft haben, und er konnte mit Profikillern ja nicht einfach Bewerbungsgespräche führen und den Kandidaten mitteilen, Danke für Ihr Interesse, wir werden uns bei Ihnen melden.

Popeye griff in seine Lederjacke – sie hatte an der Schulter ein Loch, und Max dachte schon Einschussloch? –, holte eine seltsam aussehende grüne Zigarettenschachtel mit dem Aufdruck »Major« heraus sowie ein Messingfeuerzeug. Der Kerl glaubte doch nicht ernsthaft, dass er sich in einem Restaurant eine anstecken konnte, auch wenn sie nur in einer lausigen Pizzeria saßen. Popeye klopfte eine Zigarette aus der Packung – sie war kurz und dick – und ließ sie an seiner Unterlippe entlanggleiten, als würde er Lippenstift auftragen.

Mann, der Typ war vielleicht schräg drauf.

»Jetzt hör mir mal genau zu, du Quatschkopf«, sagte Popeye. »Ich bin der Beste, den es gibt, und das heißt, ich bin nicht billig zu haben, und das heißt außerdem, ich krieg die ganze Knete komplett im Voraus, und das wäre dann, lass mich kurz nachdenken, morgen.«

So besonders behagte dieser Gedanke Max nicht, doch er wollte die Sache über die Bühne bringen, also nickte er nur. Popeye klemmte sich die Zigarette hinters Ohr, seufzte und sagte: »Also abgemacht. Ich will kleine Scheine, und die bringst du Donnerstagmittag zu Modell’s an der Forty-second Street. Du erkennst mich daran, dass ich Tennisschuhe anprobiere.«

»Eine Frage noch«, sagte Max. »Wie wollen Sie es machen? Ich meine, ich will nicht, dass sie leidet. Ich meine, wird es schnell gehen?«

Popeye stand auf, strich sich mit beiden Händen über das rechte Bein, als müsse er eine Falte herausbügeln, und sagte schließlich: »Morgen … Ich brauch den Code für die Alarmanlage, die Bedienungsanleitung und den Wohnungsschlüssel. Du sorgst dafür, dass du um sechs mit irgendwem zusammen bist. Komm nicht vor acht nach Hause. Wenn du eher auftauchst, niete ich dich gleich mit um.« Er machte eine kleine Pause, ehe er hinzufügte: »Kriegst du das hin, was meinst du, Kumpel?«

Irgendwoher kenne ich das doch, dachte Max. Er zermarterte sich das Gehirn, dann fiel es ihm ein – Robert Shaw in Der Clou.

»Und mein Maul«, fuhr Popeye fort, »da hat so ein Knallkopf versucht, mir eine abgebrochene Flasche ins Gesicht zu rammen, hat aber nicht richtig getroffen. Ist auf der Falls Road passiert. Kann ich dir nicht empfehlen, die Gegend.«

Max konnte sich nie merken, ob The Falls den Protestanten gehörte oder den Katholiken, aber jetzt schien ihm nicht unbedingt der richtige Zeitpunkt, sich danach zu erkundigen. Er blickte wieder auf das Loch in Popeyes Lederjacke.

Popeye legte einen Finger darauf und sagte: »Das stammt von einem Kleiderhaken an meiner Garderobe. Was meinst du, soll ich es stopfen lassen?«

2

Sich selbst treu zu bleiben in einer Welt,die alles daran setzt, dass man wird wie alle anderen,ist der härteste aller Kämpfe,und er ist nie zu Ende.

E.E.Cummings

Bobby Rosa saß in seinem Quickie-Rollstuhl mitten auf der Sheep Meadow im Central Park und hielt Ausschau nach hübschen, jungen Bräuten. Er hatte den Kopfhörer auf, aus dem »Girls, Girls, Girls« von den Mötley Crue lärmte, und dachte, seiner eigenen Crew würden all die tollen Fotos, die er hier schoss, gefallen. Mann, diese Tussis mussten wohl ordentlich hungern, um so gut auszusehen. Wahrscheinlich lauter Pilates-Fans. Endlich entdeckte er, wonach er gesucht hatte – drei schlanke Mädels im Bikini, die hübsch aneinandergereiht auf dem Bauch lagen. Sie waren knapp dreißig Meter entfernt – die perfekte Fotodistanz. Bobby holte seine Nikon mit dem Weitwinkelobjektiv heraus und zoomte sie heran.

Er knipste etwa zehn Bilder, ein paar Ganzkörperaufnahmen und ein paar nur von ihren Hintern. Dann rollte er zum anderen Ende der Wiese hinüber, wo er zwei Blondinen erspähte, die auf dem Rücken lagen. Aus etwa zwanzig Metern Entfernung machte er ein Dutzend Brustaufnahmen, die er mit Bemerkungen wie »Oh ja, das gefällt mir«, »Ja, so ist es richtig«, »Ja, genau so, Baby« leise kommentierte. Gleich neben den Blondinen entdeckte er eine hübsche schwarze Mutti mit tollen Kurven allein auf einer Decke. Sie lag auf dem Bauch, und der String ihres Bikinihöschens war so dünn, dass man glauben konnte, sie sei nackt.

Bobby rollte vorwärts, um eine Nahaufnahme hinzukriegen. Fünf Meter hinter ihr hielt er an und verknipste den Rest des Films. In der Tasche seiner Windjacke hatte er zwar noch einen Reservefilm, aber er war zufrieden mit dem, was er im Kasten hatte, deshalb verließ er den Park durch einen der Ausgänge auf der Westseite.

Ein Bettler kam auf Bobby zu. Er trug die gleiche peinliche Mischung aus traurigem Dackelblick und Ich-hab-die-Schnauze-voll-Haltung zur Schau wie alle diese obdachlosen Ärsche. Der Typ war außerdem noch stockbesoffen und stank so penetrant nach Pisse, Schweiß und Fusel, dass Bobby beinahe gekotzt hätte.

»Hast du’n paar Dollar, Kumpel?«

Wegen der Kopfhörer konnte Bobby ihn nicht hören, doch las er von seinen Lippen ab, was er wissen wollte. Bobby musterte ihn lange. So ein Schleimscheißer hätte es früher nie und nimmer gewagt, ihn anzuquatschen. Genau in dem Moment stoppte die Kassette mitten in »Bad Boy Boogie«. Das Band hatte sich verwickelt – billiger Schrott, den er vor … wie viel? … zehn Jahren? … jedenfalls von einem Straßenhändler in Chinatown gekauft hatte. Der reinste Betrug. Er riss das Mistding aus dem Walkman und dachte sich, er müsste nun doch allmählich mit der Zeit gehen und sich einen iPod zulegen. Die kaputte Kassette schleuderte er dem Typen vor die Füße, spuckte aus und sagte: »Da hast du was von den Crue. Sieh zu, dass du deinen Scheißhorizont ein bisschen erweiterst, du Hornochse … Und wenn du schon dabei bist, stell dich auch gleich noch unter die Dusche.«

Der Bettler starrte das Band an und stammelte: »Was zum Teufel soll ich denn damit anfangen?«

Das interessierte Bobby einen Dreck, er grinste nur. »Steck’s dir in den Arsch, du Penner.«

Dann rollte er weiter die Straße hoch, verfluchte sich und die Passanten.

Von morgens bis abends, sieben Tage die Woche, war Bobby Rosa mies drauf, oder, um es im momentan gerade angesagten Jargon zu formulieren, er hatte echt Probleme.

Als er wieder in seiner Wohnung an der Ecke Eighty-ninth und Columbus war, fuhr Bobby schnurstracks ins Gästezimmer, das er in eine Dunkelkammer umfunktioniert hatte, und entwickelte den Film. Die drei Bikini-Schönheiten kamen toll rüber, die Bilder der Schwarzen gefielen ihm jedoch am besten. Irgendwie erinnerte ihn die Frau an seine frühere Freundin Tanya.

Die Tittenbilder fügte Bobby seiner Sammlung im Schlafzimmer hinzu. Drei Wände waren schon mit Möpsen aus dem Central Park zugepflastert. Die Ergebnisse seiner Arbeit im Frühling und Sommer der letzten beiden Jahre. Er hatte alle Formen und Größen – Implantate, flache Brüste, alte Damen mit Hängebusen, Teenies im Sport-BH –, für ihn spielte das keine Rolle. Plötzlich kam ihm eine Idee. »Manhattans heiße Bräute«. Er hatte es laut ausgesprochen, und in seinen Ohren klang es ziemlich gut. Im Geiste sah er schon einen Bildband vor sich, mit dem er ein paar Dollar nebenher absahnen konnte und der sogar irgendwie edel wirkte. Reiche Arschlöcher würden ihn zwischen Champagner und Kaviar liegen haben. Er lachte in sich hinein, nahm dann die Arschfotos und hängte sie zu seiner Sammlung ins Bad. Danach rollte er ans Regal und holte eine Kassette heraus: The Best of Poison. »Talk Dirty to Me« röhrte los, er lehnte sich in seinem Rollstuhl zurück und bewunderte sein Werk. Er war überzeugt, er könnte, wenn er wollte, die Bilder an irgendein teures Kunstmagazin verhökern, eines von diesen großen, dicken Schinken, die man mit beiden Händen halten musste.

Nachdem er die Bilder ein paar Minuten angehimmelt hatte, warf er einen Blick auf die Armbanduhr. Es war 14 : 15 Uhr. Er hatte die gewohnte Zeit für seinen Stuhlgang verpasst. Also rollte er ins Klo und hievte sich auf die Schüssel. Als er den Zeigefinger in ein Glas Vaseline steckte, musste er laut lachen. »Alles für’n Arsch, oder was?«

Rund zwanzig Minuten später rief Bobby in der Lobby an und fragte den Portier, ob er ihm einen Wartungsmonteur in die Wohnung hochschicken könnte. Als der kleine Jamaikaner vor der Tür stand, bat er ihn, den großen Karton aus dem Wandschrank im Flur hervorzuholen.

»Ich dachte, Sie haben ein Problem mit der Dusche?«

»Falsch gedacht«, entgegnete Bobby.

Der Jamaikaner war ein kräftiger kleiner Kerl, aber der Karton war so schwer, dass er ihn nur ein paar Zentimeter schleppen konnte, ehe ihm die Puste ausging.

»Was zum Teufel haben Sie denn da drin?«

»Bloß ein paar alte Klamotten«, antwortete Bobby und drückte ihm einen nagelneuen Zwanzigdollarschein in die Hand.

Als der Mann gegangen war, riss Bobby ganze Schichten von Kreppband los und öffnete den Karton. Er räumte die Luftpolsterfolie beiseite und bekam einen regelrechten Adrenalinstoß, als er endlich seine Waffen sah: drei abgesägte Schrotflinten, ein paar Gewehre, eine MAC-11 Maschinenpistole, zwei Uzis, ein paar kleinere Knarren und eine Sporttasche voller Munition. Da gab es nichts zu rütteln: Wer Waffen hat, sitzt am Drücker. Schlagartig erschien die Welt in einem völlig anderen Licht: Jetzt bestimmte er, wo’s lang ging. Poison spielte gerade »Look What the Cat Dragged in«, und er dachte, Mann, das isses, Knarren und Rock’n’Roll.

Er holte eine seiner Lieblingspistolen aus dem Karton, eine 40 Millimeter Glock, Modell 27 compact. Die »Taschenflak« hatte nicht die Wucht einer Schrotflinte oder einer Magnum, aber ihm gefiel der schwarze Lauf. Wieder eine Waffe in der Hand zu halten, verschaffte Bobby den gleichen Kick wie früher. Besser war nur noch, eine abzufeuern, diese kraftvolle Explosion zu fühlen, die geradewegs aus seinem Körper zu kommen schien. In seinen besseren Tagen hatte er viele Frauen gehabt, aber wenn er sich zwischen einer Frau und einer Waffe entscheiden müsste, würde er die Waffe wählen. Sie beschwerte sich nicht und erledigte zuverlässig ihren Job. Außerdem gab eine Waffe ihm das Gefühl, noch mitmischen zu können, und sie brauchte auch niemanden, der sie tröstete.

Bobby zielte aus dem Fenster auf eine Taube, die auf der gegenüberliegenden Straßenseite auf einem Sims saß. Sein Zeigefinger krümmte sich schon. Er war immer ein guter Schütze gewesen, und zwischen den Überfällen hatte er fleißig auf dem Schießstand unten an der Murray Street trainiert. »Peng«, sagte er laut und malte sich aus, wie die Kugel durch den Kopf des Vogels fetzte.

Bobby schwitzte. Er rollte ins Bad und spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht, dann betrachtete er sich im Spiegel. In letzter Zeit kam das häufig vor – er sah in den Spiegel, erwartete, einen jungen Kerl zu sehen, doch stattdessen blickte ihm ein alter Mann entgegen.

»Wann ist das eigentlich passiert?«, murmelte er.

Früher hatte er dichtes schwarzes Haar gehabt, aber in letzter Zeit schien seine Stirn höher und höher zu werden, und in seinem Haar überwog bereits das Grau. Den Winter über hatte er sich einen Bart stehen lassen in der Hoffnung, er würde damit jünger aussehen, aber: Pech gehabt – der war auch schon fast vollkommen grau. Früher bekam er nur Falten um den Mund, wenn er lächelte, jetzt verschwanden sie überhaupt nicht mehr, und die Ringe unter seinen Augen waren so dunkel geworden, dass sie wie zwei Dauerveilchen aussahen. Zwar waren seine Arme und Schultern kräftig geworden, weil er den Rollstuhl immer selbst bewegte, dafür waren seine Beine zu beinahe nichts zusammengeschrumpelt, und er hatte einen hübsche Wampe angesetzt. Scheiß Bier, Mann, es hielt einen auf Trab, machte einen aber gleichzeitig fertig.

»Und wie soll’s jetzt weitergehen?«, fragte er sich.

Für einige Leute mochte siebenundvierzig nicht alt sein, aber für einen Mann, der vierzehn Jahre im Gefängnis, ein Jahr im Irak und drei Jahre in diesem beschissenen Rollstuhl verbracht hatte, war es alt.

Zeit, wieder an die Arbeit zu gehen.

3

Flop: Misserfolg meist finanzieller Art, Pleite /Maßeinheit für die Geschwindigkeitvon Computerprozessoren /die ersten drei Gemeinschaftskarten beim Pokern

Bis zum Alter von sieben Jahren hatte Angela Petrakos ihre Kindheit in Irland verbracht, dann hatte ihr Vater alles zusammengepackt und sie und ihre Mutter nach Amerika verfrachtet. »Schluss mit Knickern und Knausern, ab jetzt leben wir den amerikanischen Traum!«

Ja, klar.

Gelandet waren sie schließlich in Weehawken, einem Kaff in New Jersey, und hatten dort in, wie man so schön sagt, »vornehmer Armut« gelebt. »Man« mussten Reiche sein, denn Angela hatte nie gehört, dass wirklich arme Leute so geschwollen dahergeredet hätten. Angelas Mutter war Irin durch und durch – gehässig, verbittert und stur wie ein Maulesel. Sich selbst bezeichnete sie immer als »Vertriebene«. Wenn sie dies sagte, erklärte Angelas Vater ihr leise, die Mutter meine damit, »dass sie die Gegend hier hasst«. Ihr Vater war gebürtiger Dubliner, seine Familie stammte jedoch aus Griechenland, genauer gesagt: von Chios. Angelas Mutter war aus Belfast und andauernd meckerte sie herum, was für ein Fehler es gewesen sei, einen aus dem Süden zu heiraten, noch dazu mit griechischem Einschlag. Als Angela ein Teenager war, musste sie unaufhörlich die Lobeshymnen ihrer Mutter auf die ruhmreichen Tage Irlands über sich ergehen lassen, und den ganzen Tag dudelte irische Musik – Jigs und Reels, Dudelsäcke und Bodhráns. In der Küche hing außerdem eine riesige Green Harp an der Wand, die alte grüne Revolutionsflagge mit der Harfe. Angelas Vater durfte zu Hause weder Theodorakis noch sonst eine Musik anhören, die er liebte. Und so hörte Angela Zorbas Tanz zum ersten Mal mit zwanzig. Wenn die Iren Regeln festlegen, sind sie in Granit gemeißelt. Kein Wunder, dass von ihnen der Ausdruck stammt: Kampf bis in den Tod.

All die Widerstandslieder, die gesamte Geschichte der IRA waren in Angelas Seele fest verankert. Sie war darauf programmiert, alles Irische zu lieben. Also hatte sie den Plan gefasst, in ihre alte Heimat zu fahren und mit Gerry Adams eine Affäre anzufangen. Sicher, er war glücklich verheiratet, aber ihrer Fantasie tat das keinen Abbruch, im Gegenteil: Sie wurde dadurch eher noch beflügelt. Trotz all der Jahre in Amerika sprach sie noch mit leichtem irischen Akzent. Ihr gefiel, wie sie redete. Auf der Junior High und danach auf der High School bekam sie häufig das Kompliment zu hören, sie klinge »scharf«, und zwar von den älteren Jungs, die sie abschleppen wollten – oftmals mit Erfolg. Später besuchte sie eine Berufsfachschule und belegte Kurse in Excel und Power-Point, aber sie fand bald heraus, dass ihr wahres Talent in der Kunst der Verführung lag. Und als sie zwanzig war, kannte sie bereits alle Tricks, wie sie mit Hilfe von Sex ihre Ziele erreichen konnte.

Sie bahnte sich ihren Weg durch miese Jobs und einen ganzen Haufen bescheuerter Freunde. Im herkömmlichen Sinn war Angela nicht übermäßig hübsch, aber sie wusste das, was sie hatte, geschickt einzusetzen. Sie war durchschnittlich groß, hatte braune Augen und ebensolches Haar, doch das änderte sie rasch – sie wurde blond, blauäugig und richtig flippig. Sie ließ sich die Brust vergrößern, besorgte sich Kontaktlinsen. Die passende Einstellung zum neuen Outfit hatte sie schon seit Langem. Dann starb ihre Mutter. Ihr Vater ließ sie einäschern, »damit sie ganz bestimmt nicht mehr zurückkommt«. Angela bekam die Asche und bewahrte sie in einer Urne in ihrem Bücherregal auf. Als Die Asche meiner Mutter erschien, rannte sie auf der Stelle los und kaufte das Buch. Sie hielt das für ein Zeichen oder so. Die Mühe, es zu lesen, machte sie sich nicht, aber sie sah es gern auf dem Regal stehen. Sie kaufte auch andere Bücher, die sie nie las, etwa Ein rundherum tolles Land und Der Junge aus Limerick. Die Asche meiner Mutter hatte sie auch auf DVD ebenso wie In einem fernen Land oder The Commitments. Was Musik betraf, stand sie ausschließlich auf irisches Zeug – Enya, Moya Brennan und selbstverständlich U2. Um bei Bono einen Treffer zu landen, hätte sie sogar Gerry Adams niedergetrampelt.

Ihr Geld ging hauptsächlich für Klamotten drauf. Die wichtigste Grundregel, die sie gelernt hatte, war: Zieh einen kurzen Rock, Schuhe mit Mörderabsätzen und ein enges Top an, und schon drehen die Jungs durch. Ihre Beine machten was her, und sie wusste, wie sie mit dem Hintern wackeln musste, damit sich wirklich alle Köpfe nach ihr umdrehten. Sie sparte etwas Geld zusammen, buchte im Internet eine Woche Belfast und nahm die Urne mit – was einigen Trubel bei der Heimatschutzbehörde auslöste. Schließlich durfte sie ihre Mutter mitnehmen, wenn auch nur im Frachtraum. Sie stieg im Europa ab, dem am häufigsten ausgebombten Hotel Europas – behauptete jedenfalls ihr Reiseführer. Allerdings sahen auch die Gäste hier ziemlich mitgenommen aus. Die Stadt war ein richtiges Dreckloch – trist, grau, deprimierend. Und mit der Währung kam sie auch nicht besonders zurecht. Andauernd machten die Leute sie an wegen des Irakkriegs, als hätte sie da groß was mit zu tun. Sie brachte das ganze touristische Pflichtprogramm hinter sich – vielleicht gab es ja ein paar Leute, die auf gesprengte Häuser abfuhren, sie langweilte das alles zu Tode. Als sie die Asche in den Fayle streuen wollte, kam – natürlich – Wind auf, und der Großteil ihrer Mutter wurde zurückgeweht und blieb in ihrem Haar hängen. Der alte Mann an der Hotelrezeption, dem sie davon erzählte, meinte nur: »Das ist der Beweis, Schätzchen, dass die Toten immer bei uns sind.«

Abends aß sie im Hotel und trank etwas an der Bar. Groß ausgehen wollte sie nicht, allerdings nicht, weil sie ängstlich gewesen wäre, nein, sie verstand nicht ein verdammtes Wort, das die Einheimischen zu ihr sagten. Der Barkeeper baggerte sie an, und hätte er nicht derart gelbe Zähne gehabt, dann hätte sie ihn vielleicht sogar rangelassen. Zum ersten Mal in ihrem Leben fühlte sie sich als Amerikanerin und betrachtete Irland als Fremde. Der Akzent, der ihr in New York so gute Dienste erwies, half ihr hier überhaupt nicht.

Als sie am vorletzten Abend wieder an der Bar saß, wurde sie von einem Betrunkenen belästigt. Der Barkeeper kam ihr selbstverständlich nicht zu Hilfe. Der Besoffene trug eine Kampfjacke, hatte Mundgeruch wie ein Abflussrohr und nuschelte die ganze Zeit: »Na, komm schon, willst du mir einen blasen? Das willst du doch, oder?« Wegen seines starken Akzents dauerte es eine Weile, bis ihr klar wurde, wovon der Kerl eigentlich sprach. Sie hatte im ersten Moment bloß Bahnhof verstanden, und auch das nur sehr undeutlich.

Irgendwann hatte sie dann alles so weit kapiert. Doch bevor sie noch reagieren konnte, tauchte wie aus dem Nichts ein Mann auf, packte den Kerl am Kragen und beförderte ihn im Handumdrehen an die frische Luft. Zitternd steckte sie sich eine Virginia Slim in den Mund, und schon kam der Barkeeper angeschossen, hielt ihr ein Feuerzeug hin und sagte: »Bitteschön.«

Sie ließ sich Feuer geben, weil sie dringend den Nikotinschub brauchte, blies Gelbzahn dann die erste Rauchwolke mitten ins Gesicht. »Selber bitteschön, du rückgratloser Scheißer!«

Unbeeindruckt entgegnete der Barkeeper: »Ich steh drauf, wenn Sie so fluchen.«

In dem Moment kam der andere zurück. Er starrte den Barkeeper böse an und sagte: »Zieh Leine, Arschgesicht!« Dann wandte er sich Angela zu und fragte: »Alles in Ordnung, Missus?«

Ihn verstand sie auf Anhieb, was daran lag, dass er aus der Republik Irland stammte und die Vokale weich aussprach, ähnlich wie ihr Vater. Im Gesicht hatte er eine Narbe, außerdem langes graues Haar, und er war so dünn wie die Jungs auf der Christopher Street. Seine Lippen sahen übel aus, dafür war er der erste in dieser Scheißprovinz, der gute Zähne hatte. Und irgendwie wirkten die Lippen sogar sexy. Es müsste zwar merkwürdig sein, sie zu küssen, für andere Dinge aber wären sie riesig. Vielleicht lag es an dem spontanen Gewaltausbruch, jedenfalls verströmte er eine rohe Sexualität, die ihn schier unwiderstehlich machte. Eine Sache, auf die Angela abfuhr, war Gefahr, und der Kerl roch danach.

Ihr Gesicht fing sofort an zu glühen. »Wow, ich bin Ihnen ja total dankbar. Darf ich Sie auf einen Drink einladen?«

Er lächelte. »Jameson.« Er sagte es wie einer dieser Actionhelden aus Hollywood, kein »bitte«, kein »mit Eis«, kein gar nichts. Nur das eine Wort, mit einem leicht drohenden Unterton, der besagt: Bring mir den Drink jetzt, und denk nicht mal dran, dich mit mir anzulegen.

»Sind Sie auch wirklich echt?«, fragte sie.

Er parkte seinen Arsch auf dem Stuhl neben ihr und antwortete: »Das Herz begehrt, was es nicht fassen kann.«

Meine Herren, dachte Angela, Poesie und Gewalt, welches Mädchen könnte da schon widerstehen! Die Iren mochten ja einen Scheiß davon verstehen, was es hieß, cool zu sein, aber reden konnten sie, das stand mal fest. Und seine Stimme erst – tief, diabolisch und, ja, sexy. Mit einem ähnlich flirtenden Tonfall fragte sie: »Möchten Sie ihn on the rocks?«

Er warf ihr einen Blick zu, den sie noch zur Genüge kennenlernen und nicht immer mögen würde, und sagte: »Ich nehme alles … pur.«

Er griff in seine Jacke und holte ein dünnes Buch hervor. Sie konnte den Titel lesen: Die Weisheiten des Zen. Sie war beeindruckt, dass ein Typ wie er ein so tiefsinniges Buch bei sich hatte.

Er fragte: »Gefallen Ihnen die Pogues?«

Sie dachte: Scheiß auf die Pogues, du gefällst mir.

4

Tue nie Böses, tue stets Gutes, bewahre einen reinen Geist– so haben es uns alle Buddhas gelehrt.

Aus dem Dhammapada

Max brüllte. »Scheren Sie sich zum Teufel, Sie Stümper!« Dann knallte er mit voller Wucht den Hörer auf die Gabel und schlug mit der Faust auf den Schreibtisch. Kurz darauf spürte er einen Stich in seiner Brust. , dachte er und durchwühlte alle Taschen nach seinem Mevacor, als ihm einfiel, dass er die Tabletten heute schon genommen hatte. Jetzt bekam er Angst, dass das Mevacor sich mit dem Viagra nicht vertrug und unerwünschte Nebenwirkungen auftraten.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!