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Wo Magie blüht Tierra, Sol, Avia und Zacharias wachsen mehr und mehr in ihre Rollen als Hüter magischer Pflanzen. Da erhalten sie die erste verbotene Lieferung des Nachtschatten-Netzwerks: kostbare Samen der legendären Feuerranke. Floras uraltes Buch warnt vor dieser Pflanze, die eigentlich als längst ausgestorben gilt. Nun liegt es an den Zwillingsgeschwistern, das Rätsel um ihre Gaben und Gefahren zu lösen. Doch da taucht ein Problem auf, das alles in den Schatten stellt: Die skrupellose Firma Novocreos hat eine magische Pflanze in die Finger bekommen und ihre rücksichtslosen Experimente bedrohen mehr als nur das Geheimnis der Kinder … Eine mitreißende und außergewöhnliche Fantasy-Reihe Mächtige Geheimnisse, magische Entdeckungen und vier Kinder, die alles entscheiden – willkommen in der Welt der Pflanzen! Eine nostalgische und spannende Fantasy-Reihe für Jungs und Mädchen ab 9 Jahren mit All-Age-Charakter. - Fantasy-Plot trifft auf Familiengeschichte: Bestseller-Autorin Vanessa Walder entführt die Leser*innen in die wundersame und abenteuerliche Welt der Pflanzen, verwoben mit einer einfühlsamen Familiengeschichte. - Brandaktuelle Themen: Die Geschichte besticht mit hochaktuellen Themen wie dem Trend "Urban Gardening", dem Umgang mit Pharmakonzernen, unserer Nahrungsproduktion sowie einem Nachwort zum gegenwärtigen Forschungsstand. - Wissenswertes zu Pflanzen: Die Natur- und Abenteuerlektüre vermittelt auf spannende Weise faszinierende Fakten aus der Pflanzenwelt. - Großflächige Schwarz-Weiß-Illustrationen: Die opulenten Bilder von Marie Beschorner schaffen ein unvergleichliches Leseerlebnis und machen dieses Buch zu einem wahren Schmuckstück. - Leseförderung mit Antolin: Der Titel ist bei Antolin gelistet und fördert die Lesekompetenz.
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Seitenzahl: 237
Veröffentlichungsjahr: 2025
In Erinnerung anNIKOLAI VAVILOV (1887 – 1943)Никола́й Ива́нович Вави́лов&ELENA IVANOVNA BARULINA (1895 – 1957)Елена Ивановна Барулина
Es ist das Schicksal jeder Generation, dass sie unter Bedingungen in dieser Welt leben muss, die sie selbst nicht geschaffen hat.
– John F. Kennedy
Nachtschatten
Böse Kräuter
Gefährliche Freundschaft
Gastfeindschaft
Die magischen Vier
Nox
Symbiose
Ungeheuer
Asche
Dysbiose
Das Irgendwas
Verbotene Früchte
Dornen
Knospen
Meine lieben Urenkel, wie wunderbar, dass ihr endlich hier seid! Natürlich bedeutet das, dass ich es nicht mehr bin. Zumindest körperlich nicht, aber das ist Nebensache. Ich hoffe, ihr seid nicht traurig? Mit zwölf Jahren glaubt man noch, der Körper wäre alles und der Tod ganz furchtbar. Dabei muss man nur ein R verschieben, um ihn „fruchtbar“ zu machen. Gärtner und Bauern wissen, dass alles, was sie in den Boden stecken, damit seinen Anfang nimmt, nicht sein Ende findet.
Dies ist euer Anfang, Avia, Sol, Tierra und Zacharias!
Denn, seht ihr, ich schreibe euch diesen Brief, um euch eine Antwort zu geben und zugleich eine Frage zu stellen.
Ich habe mein ganzes Leben hier verbracht, in diesem Haus am See, inmitten der Gärten und Beete und Wiesen und Felder und Wälder. Seit vielen Hundert Jahren leben Mitglieder unserer Familie hier. Doch wir sind nicht die Eigentümer der Ländereien, wir Cunabulas. Wir sind ihre Hüter, ihre Beschützer und Bewahrer. Ich kann nicht alles in diesem Brief erzählen. Vieles werdet ihr verstehen, wenn ihr euch mit offenen Augen draußen umseht. Den Rest erklärt euch hoffentlich das Buch. Und dann gibt es das, was ihr selbst finden müsst.
Dies ist die Antwort, die ich euch gebe: Ein Dichter hat geschrieben, in einem einzigen Samenkorn stecken tausend Wälder. Wälder, deren Holz Häuser und Schiffe und Wärme und Energie zaubert. Doch es sind nicht nur Wälder. In einem Samenkorn stecken Felder, die Generationen ernähren. In einem Kern warten Obstgärten, die Länder reich machen. In einer Knolle schlummern Kräuter, die Krankheiten heilen. Saaten, Samen, Kerne, Sporen … das sind die wahren Schätze der Erde. Wir haben sie längst nicht alle entdeckt, erforscht und erfasst, doch schon vor langer Zeit angefangen, sie zu verlieren und zu vernichten.
Die Ländereien der Cunabulas, unsere Beete und Gewächshäuer waren immer eine Zuflucht, eine Arche Noah, in der wir bewahren, was sonst längst verschwunden wäre.
Wollt ihr, meine lieben Urenkel, zu Beschützern der Pflanzen und Hütern der Magie werden, wie es eure Ahnen vor euch waren? Bevor ihr antwortet, seid euch bewusst, was ein Ja bedeutet: Ihr würdet hier wohnen, bis euch andere Cunabulas ablösen. Hier, in der Villa am See, am Dorfrand, inmitten der Ländereien. Ihr seid zu viert, das macht es leichter. Trotzdem ist es keine leichte Entscheidung. Wenigstens einer von euch muss immer hier leben. Die Villa muss zu jedem Zeitpunkt das Zuhause eines Mitglieds der Familie Cunabula sein.
Oh, ich weiß, was ihr denkt: Wir sollen einen Garten pflegen! Pflanzen gießen, Laub rechen … Nein, darum geht es nicht. Es geht um nichts Geringeres als um die Bewahrung des Lebens.
Wir sind nicht die Einzigen in diesem geheimen Netzwerk, aber unter den Wichtigsten. Wir haben Verbündete, Freunde, Gleichgesinnte: die „Nachtschatten“. Vielleicht heißen wir so, weil wir die Welt ernähren – dabei aber durchaus giftig sein können. Wir halten zusammen und helfen einander. Trotzdem dürft ihr euch nicht täuschen: Es gibt viele, denen nicht gefällt, was wir tun. Das Alte, das wir schützen, bedroht das Neue, das sie erfinden. Die Magie, die wir behüten, passt nicht in die Welt, die sie erschaffen wollen. Sie versuchen, uns Steine in den Weg zu legen und zu stehlen, was sie nicht kaufen können. Sie wissen nicht, dass auf steinigen Pfaden die widerstandsfähigsten Blumen blühen und dass man nichts Lebendiges besitzen kann.
Dennoch: Unser Vermächtnis ist in ständiger Gefahr. Wir verstehen jedoch, es zu verteidigen. Wer bei Pflanzen nur an Blüten, Blätter, Früchte und Düfte denkt, der vergisst ihre Dornen und Stacheln, ihre Schlingen und Gifte. Selbst der zahmste Efeu reißt mächtigste Mauern nieder und am Ende fressen die Radieschen uns.
Wir Cunabulas sind seit Jahrhunderten auf der Seite der Pflanzen und haben ihre Magie auf unserer Seite. Wollt ihr lernen, was das bedeutet? Teil des Vermächtnisses werden? Denkt darüber nach und seid bereit zu antworten, wenn es so weit ist.
Für immer in Liebe, Eure Uroma Flora
Nicht durch die Rückbesinnung auf unsere Vergangenheit werden wir weise, sondern durch die Verantwortung für unsere Zukunft.– George Bernard Shaw
Die Zeit zwischen Mitternacht und vier Uhr morgens gehört nicht den Menschen. Die meisten ziehen es vor, sich in ihre weichen Betten zu kuscheln und die Sterne und die Stille anderen Lebewesen zu überlassen. Die Nacht ist das Königreich der Fledermäuse und der Füchse, der Wölfe und der Igel.
Lautlos teilen die Schwingen einer Schleiereule den mondlosen Himmel. Ein Waldkauz ruft gelassen seine Botschaft von den Baumwipfeln. Am Ufer des Saphirsees steht ein Graureiher auf einem Bein und schläft zum sanften Glucksen der Wellen.
Nichts, aber auch gar nichts deutet darauf hin, dass in den Stunden vor Sonnenaufgang etwas Außergewöhnliches passieren könnte.
Hinter den Fenstern der Villa Cunabula brennt kein Licht. Wie eine riesige, fremdartige Blume scheint auch das Haus mit seinen Türmchen und Balkonen, Erkern und Kuppeln friedlich zu schlummern.
Nur durch das Glas des riesigen, alten Gewächshauses im hinteren Teil der Gärten dringt ein geheimnisvolles Leuchten: violett und blau, rot und orange, golden und grün. Wie Fische in einem Aquarium gleiten die Lichtquellen im Inneren träge auf und ab, flitzen dann wieder hin und her oder halten still. Nur sind es keine Fische. Es sind überhaupt keine Tiere, die hinter dem Glas durch die Luft schweben und fliegen oder sich an den Regalen entlanghangeln. Es sind Pflanzen.
Sie spiegeln sich im Wasser eines großen runden Beckens in der Mitte des Gewächshauses. Dort schwimmen See- und Teichrosen, deren weiße, lila und pinke Blüten jetzt fest verschlossen sind. Ganz anders als die braunen Augen des Mädchens, das auf dem Beckenrand liegt und den rechten Fuß ins warme Wasser hängen lässt. Es betrachtet mit einem verträumten Lächeln die fantastischen Pflanzenwesen, die über ihm durch die Luft gleiten.
Einige davon erkennt Tierra inzwischen, andere bemerkt sie heute zum ersten Mal. Wie die Säule mit der runden Steinschale, in der ein dicker Teppich aus winzigen Blättern im Wasser schwimmt. Im Beckenrand eingraviert sind die Worte: CAVE PERICVLVM und Blatta aquatica. Sie nimmt sich vor, später im Buch ihrer Urgroßmutter nachzuschlagen: Magische Pflanzen und ihre Geheimnisse. Dem Buch allein hätte Tierra wohl nie geglaubt. Selbst jetzt, wo die magischen Geschöpfe zum Greifen nahe vor ihr schweben, erscheint es ihr manchmal noch wie ein Traum, dass es solche Wesen geben kann.
Da ist die Schlingpflanze, die ihre fußballgroßen Früchte in unregelmäßigen Abständen an die nächste Glaswand schleudert, wo die orangen Kugeln abprallen und zurückfliegen, bis sie wieder an ihrer Mutterpflanze haften. Tierra hat erst nicht verstanden, was das Spiel bewirken soll. Bis sie erkannte, dass Mücken an den klebrigen Bällen hängen bleiben. Der Schlinger ist fleischfressend.
„Mondschlingen“, flüstert Tierra den offiziellen Namen. „Ansas lunae.“
Wie durch ein Wunder hat bislang keiner der Bälle die großen grünblauen Blütenquallen Globi medusae getroffen, die langsam auf und ab wabern. Dabei verteilen sie glitzerndes Silberpulver über dem Boden, das Tierra zum Niesen bringt. Sie weiß es nicht, aber ihre olivbraune Haut und ihr schwarzes Haar sind damit überzogen und leuchten im Mondlicht. Dazu haben sich ein paar Schlingpflanzen-Sprösslinge in Tierras dunkle Strähnen gewunden und dort blaue Blüten sprießen lassen.
Nox: Du siehst aus wie ein frisches Grab.
Tierra zuckt zusammen. Richtig. Da ist auch noch Nox, die magischste aller magischen Pflanzen, die in der Lage ist, mit Menschen zu sprechen. Zumindest mit manchen. Allerdings wünschen die sich oft, sie würden Nox nicht verstehen. Er ist weder höflich noch freundlich. Dafür kennt er erstaunlich viele Schimpfwörter und hat keine Bedenken, sie großzügig einzusetzen.
„Das ist nicht besonders nett“, stellt Tierra fest und sieht die Pflanze streng an, die auf ihrem Bauch sitzt und sich an ihr linkes Knie lehnt.
Auf den ersten Blick könnte man Nox für einen Kaktus halten. Oder für eine Sukkulente. Die Luftwurzeln unter dem stacheligen Kopf benutzt er zum Laufen, zum Klettern und sogar zum Schwimmen. Doch er ist kein Kaktus. Er ist auch keine Sukkulente. Er ist ein Gedankenfresser, ein Vorator mentis – und nach eigener Aussage der beste Freund von Tierras verstorbener Urgroßmutter Flora.
Nox: Die Wahrheit muss nicht nett sein. Was kann ich denn dafür, dass ihr Menschen immer abgeschnittene Blumen auf den Boden werft, nachdem ihr einen toten Menschen verbuddelt habt?
Sofort sieht Tierra das Grab von Flora Cunabula vor sich, das auf dem Friedhof von Bergklammheim liegt. Dabei hätte es ihrer Urgroßmutter wahrscheinlich hier besser gefallen, in ihren eigenen Gärten.
„Es ist ein Zeichen der Wertschätzung“, erklärt Tierra nachdenklich. „Ein Ausdruck der Zuneigung.“
Nox: Nicht für die Blumen.
Tierra schnaubt. „Du musst nicht mit mir warten, weißt du? Vielleicht passiert heute Nacht auch gar nichts mehr …“
Nox: Was machen deine Ohrläppchen?
„Sie jucken“, gibt Tierra zu. „Wie verrückt.“
Nox: Ich bleibe.
Sie grinst. „Du bist wahnsinnig neugierig. Für eine Pflanze.“
Nox: Danke. Oder war das als Beleidigung gemeint? Ihr Menschen seid doof genug, Neugier für etwas Schlechtes zu halten.
Darüber denkt Tierra nach. Er hat recht. Neugier ist tatsächlich nichts Schlechtes. Aber sie ist nicht der Grund dafür, dass Tierra um drei Uhr zweiundzwanzig nachts wach ist. Oder dass sie im Gewächshaus Wache hält.
Tierra hat eine Gabe, auch wenn sie das selbst nie so gesehen hat. Sie hat … juckende Ohrläppchen. Genauer gesagt Ohrläppchen, die immer dann jucken, wenn etwas Besonderes passieren wird. Oft weiß Tierra nicht mal, ob es etwas besonders Schlechtes oder etwas besonders Gutes sein wird. Sie weiß nur, dass etwas kommt und sie besser darauf vorbereitet sein sollte.
In den letzten Wochen sind ihre Vorahnungen deutlicher geworden. Sie weiß nicht nur, dass etwas auf sie zukommt, inzwischen kann sie auch ungefähr erahnen, aus welcher Richtung es kommt. Ob es etwas mit ihrer Familie zu tun hat oder mit der Schule oder … mit den Pflanzen, deren Hüterin sie ist. Diese gewaltige, beängstigende und wundersame Aufgabe, die Flora Cunabula ihren vier Urenkeln hinterlassen hat.
Diesmal haben ihre Ohrläppchen Tierra ins Gewächshaus geführt. In Wahrheit zweifelt sie nicht daran: Etwas kommt. Und es hat mit den Pflanzen zu tun. Vielleicht mit dem Netzwerk der Nachtschatten, das Floras Urenkel kontaktiert haben? Sicherheitshalber hat Tierra eine Dose mit fünf goldenen Beeren dabei. Die Dose ist sorgfältig beschriftet:
Wandernder Wandelwurzler – Terrigenus transitas, Ernte 2025
Es sind die ersten Samen einer magischen Pflanze, die Tierra, ihr Bruder Sol, ihre Cousine Avia und ihr Cousin Zacharias gesammelt haben. Wenn sie die Sache mit dem geheimen Netzwerk richtig verstanden haben, dann tauschen die Mitglieder untereinander Samen und Kerne, Knollen und Sporen aus. Die pflanzen sie dann in Gärten, Wäldern und Gewächshäusern auf der ganzen Welt, um seltene und magische Pflanzen zu bewahren. Also müssen die Cunabulas ihre goldenen Beeren auch teilen.
Doch seit sie dem Netzwerk die Blüte der Wandelwurzler gemeldet haben, sind Wochen vergangen, ohne ein Wort. Das geheime Netzwerk scheint nicht gerade schnell zu arbeiten.
Tierra spürt, wie sich unter Wasser etwas um ihren rechten Knöchel schlingt, und setzt sich ruckartig auf. Dadurch rutscht Nox von ihrem Bauch und landet mit einem Platsch im Becken.
Nox: Manno, pass doch auf, du Stinknelke! Ich bin keine Wasserpflanze!
Das Ding, das sich um Tierras Knöchel geschlungen hat, entpuppt sich als Verschlingender Wasserschlauch, eine im Wasser treibende fleischfressende Pflanze, die auf kleine Wasserlebewesen spezialisiert ist. Sie scheint Tierra mit einem Wasserfloh zu verwechseln, denn sie saugt sich richtig fest.
„Utricularia devoratrix“, flüstert Tierra wie zur Begrüßung. So richtig glücklich ist sie allerdings nicht über den Körperkontakt. Der Verschlingende Wasserschlauch sieht nicht nur aus wie eine Schlange, sondern bewegt sich auch so. Außerdem ist er giftig.
Nox: Wenn sie dich mit ihren Dornen sticht, bist du hinüber.
Er klettert aus dem Becken und schüttelt sich wie ein Hund.
„Er ist nicht tödlich“, berichtigt Tierra ihn, lässt die Pflanze dabei aber nicht aus den Augen. „Man schläft nur ein.“
Nox: Und wacht nie wieder auf.
„Du bist immer so dramatisch!“, sagt Tierra lachend. „Das ist nur bei ganz kleinen Kindern und Babys eine Gefahr.“
Nox: Gut, wenn du weiter mit ihr kuscheln willst …
„Äh … nein, eigentlich nicht.“
Nox: Dann willst du meine …
„Hilfe!“, ruft Tierra, als er nicht weiterredet und versucht dabei, nicht genervt zu klingen.
Nox fasst mit einer seiner Wurzeln nach der Pflanze und zieht sie aus dem Becken, bis sie auf dem Trockenen liegt. Sofort lässt der Verschlingende Wasserschlauch Tierras Bein los und kriecht aufgeregt über den Beckenrand zurück ins Wasser.
Nox: Wenn sie austrocknet, ist sie hinüber. Deshalb hält sie immer Wasserkontakt. Dabei hätte sie genug gespeichert, um einen Tag an Land zu überleben … Manche Pflanzen sind echt feige Säcke.
„Danke“, seufzt Tierra und krault Nox hinter zwei Blättern, die aussehen wie Ohren. Er mag das. „Manchmal vergesse ich, dass einige von euch gefährlich sind.“
Nox: Das solltest du nicht … Hörst du das?
„Was?“
Nox: Da ist jemand. Zwei. Ich kann sie denken hören. Sie sind aufgeregt.
Tierra springt auf und setzt sich Nox auf die Schulter. Als sie das Gewächshaus verlässt, schlägt ihr die kühle Nachtluft entgegen. Es ist zwar Juni, aber in den Bergen bleiben die Nächte trotzdem frisch.
In den Gärten leuchten überall Solarlampen und tauchen die Wege in romantisches Licht. Über einen dieser Wege kommen zwei Gestalten aufs Gewächshaus zu. Ziemlich sicher zwei Erwachsene.
Nox: Sie haben gestritten.
Interessant.
„Hallo?“, ruft Tierra, weil es noch komischer wäre, schweigend zu warten, bis die beiden bei ihr sind.
Die Gestalten zucken kurz und gehen dann weiter. Eine scheint ein Mann zu sein, die andere eine Frau. Die Frau hebt kurz die Hand zum Gruß. Der Mond ist völlig hinter einer dicken Wolke verschwunden und Tierra sieht die Gesichter erst, als beide direkt vor ihr stehen bleiben. Die Frau ist ungefähr so alt wie Tierras Eltern, der Mann ist viel jünger.
„Hallo“, sagt die Frau. Sie hat einen langen dunklen Zopf und erinnert Tierra ein bisschen an ihre Mutter. „Wir suchen jemanden aus der Familie Cunabula.“
Ihre Blicke bleiben an Nox hängen, der auf Tierras Schulter sitzt. Für sie sieht er aus wie eine Sukkulente. Normale Menschen erkennen die magischen Geschöpfe nur im Mondlicht. Floras Urenkel hingegen können sie immer sehen, seitdem jeder von ihnen eine Traube des Wandelwurzlers gegessen hat. Allerdings sitzen gewöhnliche Sukkulenten normalerweise nicht auf Schultern.
„Ich bin Tierra Cunabula“, stellt sich Tierra vor. Dabei kiekst ihre Stimme ein bisschen. Sie hätte nicht gedacht, dass sie so nervös sein würde. „Seid ihr Nachtschatten?“
Der Mann schnaubt, sagt aber nichts. Hat sie etwas Dummes gefragt? Sollte sie nicht über das geheime Netzwerk sprechen? Ist es so geheim, dass nicht mal die darüber reden, die ein Teil davon sind?
Die Frau lächelt Tierra freundlich an. „Das sind wir. Ich bin Donna – wie Belladonna, die Schwarze Tollkirsche. Das ist … Capsicum.“
„Oh.“ Tierra grinst breit. „Und ich hab gedacht, die Cunabulas sind die Einzigen mit außergewöhnlichen Namen.“
Capsicum schnaubt wieder.
„Das sind unsere Namen im Netzwerk“, erklärt die Frau. „Wir geben uns Namen von Nachtschattengewächsen. Capsicum annuum ist Chili. Brennt zwar, ist sonst aber harmlos. Ein sehr treffender Name …“
„Hey!“, ruft der junge Mann in einem Ton, der Tierra vermuten lässt, dass er mit der Frau verwandt ist. Dann wendet er sich wieder an Tierra. „Wie alt bist du?“
„Zwölf. Und du?“, fragt sie im selben Ton zurück.
Donna lacht und Capsicum verzieht einen Mundwinkel. „Zwanzig“, sagt er dann, als wäre es ein besonderes Talent.
Tierra nickt. „Bald erwachsen.“
Daraufhin lacht Donna noch lauter und sogar Capsicum grinst.
„Touché“, sagt er, was so viel heißt wie „Punkt für dich“.
„Wir haben euch etwas mitgebracht“, ergreift Donna wieder das Wort und hält Tierra eine silberne Dose hin. „Ich fürchte, es ist sehr … hm … delikat diesmal.“
Tierra nimmt die Dose in die Hand und liest, was auf dem Etikett steht. Auch Nox beugt sich vor. Dann gibt er ein merkwürdiges Quieken von sich und springt mit einem gewaltigen Satz von Tierras Schulter. Sie hören nur noch, wie er ins Gewächshaus läuft.
„Ist die Sukkulente gerade weggerollt?“, fragt Capsicum. „Ist sie magisch?“
„Er“, sagt Tierra abgelenkt. „Und: ja.“ Sie ist mit den Gedanken ganz bei den neuen Samen und ihren Verheißungen. Noch einmal liest sie das Etikett: „Feuerranke. Nie gehört. Brennt sie auf der Haut?“
„Nicht nur“, sagt Capsicum. „Du solltest sie sofort ins große Becken im Gewächshaus bringen. Und mach die Dose unbedingt erst unter Wasser auf!“ Er sieht Donna vorwurfsvoll an. „Wir können die nicht einfach einem Kind in die Hand drücken!“
Aha. Das war also der Streit, den Nox gespürt hat. Das Netzwerk zweifelt an Floras Erben, weil sie ihnen zu jung sind.
Donna schüttelt den Kopf. „Flora war auch nicht viel älter, als –“
In dem Moment schafft es der leichte Wind endlich, die dicke Wolke vor dem Mond wegzuschieben. Auf einen Schlag ist es richtig hell und die Pflanzen im Gewächshaus hinter Tierra leuchten auf.
„Oh“, macht Capsicum und starrt Tierra mit großen Augen an.
Auch Donna schweigt und sieht Tierra anders an als zuvor. Schließlich fragt sie heiser: „Weißt du, dass deine Haut silbern leuchtet und du blühende Ranken in den Haaren hast?“
Tierra fasst nach ihren Haaren. Sofort schlingt sich eine der Ranken um ihr Handgelenk. Als sie es betrachtet, bemerkt sie das silberne Pulver, das an ihrer Haut haftet. Es funkelt im Mondlicht wie winzige Sterne. Sie lächelt.
„Och, das ist nur Blütenstaub der Globi medusae.“ Sie zupft die Ranke von ihrem Handgelenk. „Und Mondschlingen-Ableger. Die sind harmlos. Die Utricularia devoratrix hat sich zum Glück verkrochen.“ Sie hören, wie im Gewächshaus etwas zu Bruch geht. „Ähm … das ist ein Gedankenfresser, der offenbar versucht, sich zu verstecken.“ Tierra reicht Capsicum das Glas, das sie mitgebracht hat. „Hier, Terrigenus transitas-Samen. Ich glaube, es sind die ersten seit über hundert Jahren. Meine Cousine Avia hat sie geerntet.“
Die beiden Nachtschatten sind einen Augenblick lang sprachlos. Dann verschränkt Donna die Arme und sieht Capsicum mit Genugtuung an. „Ich denke, unsere Feuerranke ist in guten Händen. Was meinst du, Chili?“
Er murmelt etwas Unverständliches und nickt widerstrebend.
„Ihr habt also einen der letzten Verschlingenden Wasserschläuche. Ich wollte immer mal einem begegnen …“, erklärt Donna.
„Kommt gern mit. Ich bring die Samen ins Becken“, schlägt Tierra vor. „Und danach … wollt ihr vielleicht Kaffee?“
„Aah“, freut sich Donna. „Die magischste aller Pflanzen. Sehr gern!“
Tierra geht vor den beiden Nachtschatten zurück ins Gewächshaus und achtet darauf, alle Mondschlingen-Ableger mitzunehmen.
„Mach die Dose erst im Wasser auf!“, warnt Capsicum.
„Das hast du schon gesagt“, erinnert ihn Donna.
„Besser, ich sag’s zweimal, als wir fliegen alle ein Mal in die Luft.“
Tierra erstarrt. Sie blickt auf die Dose in ihren Händen. Langsam kapiert sie, warum Nox abgehauen ist.
Wer das Wort „Unkraut“ benutzt, zeigt damit deutlich, dass er weder etwas von Kräutern noch etwas von Wörtern versteht. Die Franzosen sprechen sogar von „mauvaise herbe“ – schlechtem Gras, wenn sie unerwünschte Gewächse meinen. In Russland ist die Rede von „сорняк" (sornjak), den Müllpflanzen. Die Spanier bezeichnen Unkräuter als „hierba mala“ oder „maleza“ – die bösen Kräuter.
Was Menschen damit immer meinen, ist: Pflanzen, die nicht tun, was der Mensch will, die sich nicht zähmen, züchten und ziehen lassen.
Der passendere Ausdruck ist: Wildkräuter.
Kenner magischer Pflanzen verwenden das Wort „Unkraut” nicht. Einzig bei einer Pflanze scheiden sich die Geister:
Bei der Feuerranke.
Sie hat die Fähigkeit, sich sogar durch Glas und Stahl zu bohren und beides dabei zu zerstören. Es gibt kein Material, das sie nicht kleinkriegt. Innerhalb kürzester Zeit verschlingt sie ganze Gebäude. Das Einzige, was eine Feuerranke eindämmen kann, ist sie selbst. Je nach Umgebung breitet sie sich rasend schnell aus, fängt binnen kürzester Zeit an zu blühen und bildet Bohnen – die dann explodieren. Das resultierende Feuer verschlingt alles in seiner Reichweite, auch die Pflanze selbst. Nur die Samen bleiben übrig. Vorausgesetzt, man sammelt sie ein, bevor auch sie Feuer fangen. Es ist von immenser Wichtigkeit, die Samen luft- und lichtgeschützt in klarem Wasser aufzubewahren. Andernfalls verbrennen auch sie.
Die Feuerranke gilt als ausgestorben. Sie hat viel Schaden angerichtet und wird deshalb von den Wenigsten vermisst. Das ist verständlich: Allein die geheimen magischen Gewächshäuser, die in Kapstadt und Tromsø 1688 und 1904 abgebrannt sind, haben einige andere Pflanzenarten ausgerottet.
Und dennoch: Wir haben die Feuerranke kaum erforscht und wissen nichts über ihre Eigenschaften und ihre Rolle im Kreislauf der Natur.
Ihr Verlust könnte immens sein. Wir werden es bloß nie erfahren.
Als Unkraut bezeichnet man eine Pflanze, deren Vorzüge man noch nicht erkannt hat.– Ralph Waldo Emerson
Es gibt diese seltenen Momente, in denen es sich anfühlt, als würde man in einem Fotoalbum leben. An diesem Morgen, in der Küche der Villa Cunabula, breitet sich so ein Moment aus und umhüllt alle, die ihn teilen. Das Sonnenlicht fällt schräg durch die tanzenden Birkenblätter vor den hohen, alten Sprossenfenstern und malt Muster auf den Holztisch und die Gesichter rund um ihn herum: Lakus und seine Kinder Tierra und Sol. Seine Schwester Diligentia und ihre Kinder Avia und Zacharias. Zdenka, die Haushälterin, und Reinhold, den Verwalter. Und Elfi, die Bäckerin aus dem Ort, die gekommen ist, um sich Giersch-Salbe aus der Hausapotheke zu holen. Bezahlt hat sie in Croissants, Mohnweckerln und Kipferln. Seitdem sitzen alle rund um den Küchentisch, essen, trinken und reden – meistens gleichzeitig. Die blaue Haustür wird von einem großen Stein offen gehalten und eine leise Sommerbrise weht durch die Räume, um sie durch die gekippten Fenster wieder zu verlassen. Sie trägt die Stimmen aus der Küche nach draußen und das Rauschen der Blätter und der Wellen, das Singen der Vögel und das Surren der Insekten nach drinnen. Auch die Unterhaltungen im Haus klingen eher wie ein menschlicher Bienenschwarm.
„Ich weiß einfach nicht, wie man so was bindet …“, murmelt Lakus irritiert und fummelt weiter an seiner grünen Krawatte herum. „Mit Doppelknoten?“
„Du hast noch nie eine Krawatte getragen“, meint Diligentia fast vorwurfsvoll und beißt in ihr zweites Croissant, um sich nahtlos an Zacharias zu wenden: „Denk an deine Klavierstunde heute!“
„Da gibt’s bestimmt YouTube-Videos“, wirft Sol hilfreich ein und meint damit das Krawattenbinden. Er macht allerdings keine Anstalten, ein derartiges Video zu suchen. Stattdessen beobachtet er genüsslich weiter, wie sein Vater sich beinahe erwürgt.
Avia verschluckt sich an ihrem Tee und hustet, winkt aber ab, als ihr Bruder ihr auf den Rücken klopft.
„Das bringt nichts“, widerspricht sie keuchend. „Warum machen Leute das?“
Zacharias schaut verdutzt. „Keine Ahnung. Man klopft halt, wenn sich wer verschluckt.“
„Lass es!“
„Naa, naa“, erklärt Reinhold auf der anderen Tischseite Elfi. „Den Giersch konn’st a jez no eant’n. Es miass’n hold de jungan, zoatn Blattln sein. Und die Pflonzn deafn ned blian. Sunst steckn’s die gonze Kroft in de Doldn.“
„Müde schaust du aus“, sagt Zdenka auf Slowenisch zu Tierra und streicht ihr eine Haarsträhne hinter die Ohren.
Tierra nickt und unterdrückt ein Gähnen. Sie versteht Slowenisch, seitdem sie die Traube des Wandelwurzlers gegessen hat. Sie versteht auch den Kärtner Dialekt, in dem sich Reinhold und Elfi unterhalten. Und sie versteht, was die Blicke sagen, die Zacharias, Sol und Avia ihr immer wieder zuwerfen.
Zacharias: Was ist passiert?
Sol: Was ist los?
Avia: War heute Nacht irgendwas?
Dazwischen immer wieder, wenn auch nicht allzu vorwurfsvoll:
Zacharias/Sol/Avia: Warum hast du mich nicht geweckt?
Tierra genießt den Morgen trotzdem. Was für ein Unterschied gegenüber den Frühstücken in ihrer alten Wohnung in London! Da waren sie fast immer zu zweit, nur Sol und sie. Das Äußerste der Gefühle war, dass sie im Stehen neben der Spüle Cornflakes aßen, Orangensaft tranken – und dann losrasten zur U-Bahn, weil sie auch dafür kaum Zeit hatten. Wenn sie mal zu dritt waren, lag es daran, dass ihr Vater keinen neuen Job finden konnte, und die Stimmung sehr trüb wurde.
Bis vor sechs Wochen haben alle Urenkel von Flora Cunabula noch in anderen Ländern und weit voneinander entfernt gelebt: Tierra und ihr Zwillingsbruder Sol mit ihrem Vater in London. Avia und ihr Zwillingsbruder Zacharias mit ihrer Mutter in Berlin. Ihre Eltern kannten die Villa Cunabula und die Ländereien noch aus ihrer Kindheit in Österreich. Doch selbst sie waren seit Jahrzehnten nicht mehr zu Besuch in Kärnten gewesen … Nun leben sie alle hier.
In diesem gigantischen Anwesen, das aussieht wie eine fremdartige Blume, die aus dem Boden gewachsen ist und Türmchen und Kuppeln in den Himmel streckt. Mit seiner hauseigenen Apotheke, seiner riesigen Küche und eigenen Zimmern für alle Familienmitglieder und für einige Angestellte und Helfer, die auf den Ländereien arbeiten – wie Reinhold, der Verwalter, und Zdenka, die Haushälterin.
Manchmal können es die Kinder noch immer nicht ganz glauben.
Wenn Zacharias morgens die Augen aufschlägt, erwartet er immer noch, sein kleines Zimmer in Berlin zu sehen, das er mit seiner Schwester Avia geteilt hat. Es dauert jedes Mal einen Moment, bis ihm klar wird, dass das Rauschen vor seinem Fenster die Wellen des Saphirsees sind, nicht die Berliner Stadtautobahn.
Er weiß, dass seine Mutter seit ihrem Umzug ständig mit ihren Kollegen in Berlin textet. Sie hat ein furchtbar schlechtes Gewissen, die anderen Pfleger im Seniorenheim am Lietzensee alleingelassen zu haben. Andererseits ist sie mit der Leitung der hauseigenen Naturapotheke nicht nur ausgelastet, sondern offensichtlich auch glücklich. Ganz selten wird Dilli mal von der alten Glocke über der Seitentür zur Apotheke aus dem Schlaf gerissen, weil jemand dringend was gegen Zahnschmerzen oder Bauchkrämpfe braucht. Hier gibt es keine Nachtschichten, keine zermürbenden Gespräche mit der Heimleitung, weil das Geld hinten und vorne nicht reicht, keine Schuldgefühle, weil die Heimbewohner so viel mehr brauchen würden, als das Personal geben kann, und keine ausgebrannten Mitarbeiter, die schlicht nicht mehr können … Zum ersten Mal in ihrem Leben sehen ihre Kinder Diligentia Cunabula ohne rote Äderchen in den und dunklen Ringe unter den Augen. Immer, wenn Zacharias in die Apotheke kommt, summt sie lächelnd und tänzelt zwischen den Regalen voller Tees, Pulver, Kristalle, Pilze und Tinkturen herum, als hätte sie nie etwas anderes getan.
Und ihr Bruder Lakus steht ihr in nichts nach. In Berlin war der Chemiker monatelang arbeitslos. Jetzt hat er seit vier Wochen eine Stelle in einem großen Pharmakonzern – und trällert fröhlich ein Liedchen, wenn er morgens aufsteht.
Die Kinder sind von seinem Arbeitsverhältnis jedoch deutlich weniger begeistert. Das liegt daran, dass er für das biochemische Labor der Firma Novocreos arbeitet. Ausgerechnet der Firma, die alles tun würde, um magische Pflanzen in die Finger zu kriegen und für ihre eigenen Zwecke auszunutzen. Flora Cunabula war noch nicht mal unter der Erde, als schon ein führender Mitarbeiter des Konzerns ums Haus schlich und versuchte, es zu kaufen. Dieser Mann ist jetzt Lakus’ Boss: Adam Benning.
„Ich verstehe nicht, warum du überhaupt eine Krawatte tragen musst“, stellt Avia schließlich fest und gibt den Versuch auf, ihrem Onkel zu helfen. Sie hat eher einen Knödel als einen Knoten fabriziert. „Du hast doch eh den Laborkittel an, oder?“
Lakus zuckt mit den Schultern und steht auf. „Manchmal sogar einen Schutzanzug. Aber Adam sagt, die Geschäftsleitung besteht darauf. In der Firma tragen alle grüne Krawatten.“
Er wirft einen Blick auf die Uhr. „So, Leute – ich muss los. Wir sehen uns heute Abend! Sol, denk an die Formulare für die Schule. Tierra, ruf deine Mutter zurück. Sie hat mir schon dreimal getextet, was los ist.“
„Ich hasse telefonieren“, mault Tierra. „Das weiß sie auch. Kann sie nicht eine Sprachnachricht schicken wie normale Menschen?“
Aber da ist Lakus schon aus der Tür. Sie hören, wie er pfeifend zu seinem Firmenwagen geht, einem kleinen weißen Elektroauto, auf dessen Türen Novocreos und der Slogan Grüner wird’s nicht! steht.
Reinhold sieht ihm mit gerunzelter Stirn hinterher und schüttelt den Kopf. Er hasst das kleine Auto. Auch Zacharias, Avia, Sol und Tierra ist es unheimlich. Das ist genau der Feind, vor dem Flora ihre Urenkel gewarnt hat. Und jetzt parkt er vor der Villa Cunabula, keine hundert Meter vom Gewächshaus mit den magischen Pflanzen entfernt.
Ein Glück, dass es Donna und Capsicum nicht aufgefallen ist, denkt Tierra erleichtert. Sie fängt Sols Blick auf. Er zieht eine Augenbraue hoch.
Sol: Erzählst du’s uns jetzt endlich? Oder isst du noch ein viertes Mohnweckerl?
Zacharias und Avia sehen sie genauso angespannt an. Also nickt Tierra und streckt sich.
„Danke für das tolle Frühstück“, sagt sie und räumt ihr Geschirr in die Spülmaschine.