Frauen lieben jüngere Männer - Ursula Richter - E-Book

Frauen lieben jüngere Männer E-Book

Ursula Richter

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Beschreibung

Es gilt noch immer als ungewöhnlich, wenn Frauen jüngere Männer lieben. Dennoch gibt es solche unkonventionellen Paare immer häufiger. Ursula Richter befasst sich seit vielen Jahren mit ihnen, auch aus persönlichem Anlass. Sie erzählt die Geschichten solcher Paare, beleuchtet ihre Lebenswelt und die Reaktionen der Verwandten, Freunde und Öffentlichkeit. Ihr Fazit: Zum Glück braucht's keinen älteren Mann. Aber Wissen um die Chancen und Gefahren für diese besondere Form der Liebe - damit das Glück hält.

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Ursula Richter

Frauen liebenjüngere Männer

Ein anderer Weg zum Glück

KREUZ

© KREUZ VERLAG in der Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2010

Alle Rechte vorbehalten

www.herder.de

Datenkonvertierung eBook: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

ISBN (E-Book) 978-3-7831-8125-8

ISBN (Buch) 978-3-7831-3489-6

Einstimmung

Er kam in der Kantine an meinen Tisch, zielstrebig, mit einem strahlenden Lächeln, und unterhielt sich mit mir über das Leben in China. Typisch chinesisch sah er nicht aus, dieser selbstbewusste, schöne junge Mann; er war groß und kräftig gebaut.

Er gefiel mir, und ich wusste, dass er mich interessiert.

Wir treffen uns fast täglich, zuerst zufällig, dann verabredet. Sprechen über mein Leben, sein Leben, Demokratie und Freiheitskontrolle, immer wieder sind wir die letzten Gäste in der Kantine. Der Mann, der das Geschirr abräumt, die Tische abwischt, wird ungeduldig. David nicht. Mein Gott, was wohl die Leute denken? Ist es nicht offensichtlich, was mit uns passiert? Gestern, als ich später gekommen bin, hat er mich zur Begrüßung umarmt und auf die Wange geküsst.

Nein, üblich ist dies hier ganz und gar nicht.

David führt mich zu seinem Haus und stellt mich seinen Mitbewohnern vor. Sie sind überrascht, aber sehr freundlich und neugierig der Frau aus Europa gegenüber. Wir kommen schnell vom politischen Gespräch ins ganz persönliche. David reagiert eifersüchtig, wenn die Konversation mit den anderen zu angeregt wird. Ich bemerke es mit Genuss. Er lenkt das Gespräch und es gelingt ihm immer wieder, deutlich zu machen, dass ich seine Bekanntschaft bin. Er stellt sich ganz nah an meine Seite, berührt mich aber nicht.

Wie sich David für mich begeistert und um mich wirbt, das ist so unerwartet. Ich blicke in den Spiegel und lächle mir aufmunternd zu, dann wieder schüttle ich ungläubig den Kopf, und manchmal strahle ich. Ich sehe zwar nicht uralt aus – aber David ist immerhin jünger als meine Tochter. Er wirkt interessant und authentisch, in seinen Augen liegt Bewunderung. Sein Wesen ist, glaube ich, eine Mischung aus Mut, Können, Aufbruchsdynamik und Träumen, die er sich zu erfüllen bereit ist – und seine Jugend gibt ihm das Recht, alles anzustreben.

Natürlich weiß ich viel mehr über das Leben und ich weiß auch, was er nicht wissen kann. Um dieser Erfahrung willen, dieses für ihn Noch-nicht-Erfahrene, aber Angestrebte und Ersehnte, hat er sich wohl in mich verliebt. Ich verkörpere das, was er in Zukunft leben will. Das, was ich bereits gelebt habe und nicht mehr wiederholen kann, weil ich nicht mehr in dieser Art von Aufbruch bin. Während mir David begegnet, kann ich schon das Ende meiner Zukunft sehen.

Ich denke oft an »Harold und Maude«, das bizarre Paar aus dem Kultfilm der 1970er Jahre.

Muss man gehen, bevor der Zauber fällt?

Es ist das erste Mal, dass ich verliebt bin und nicht an »ewig« denke. Jetzt gibt es kein Grübeln über Fallen, keinen Argwohn, keinen Vergleich mit vergangenen Erfahrungen. In seine glänzenden blauschwarzen Haare habe ich mich verliebt. In seine dunklen Augen, deren Mandelform so klar geschnitten ist, als hätte ein Künstler die vollendete Symmetrie beweisen wollen. In seine samtige Haut, die zum Berühren einlädt. Sein ovales Gesicht, die Lippen, die makellosen Zähne, alles erscheint mir perfekt. In seinen warmen, lebendigen Körpergeruch. Seinen beschwingten Gang. Ich fühle mich umhüllt von seiner Wärme. Eine seltsame Verliebtheit: unvorstellbar noch vor Kurzem. Ich freue mich darüber, dass dieses Hochgefühl möglich ist, dass es mich erfasst hat. Umso mehr, nachdem meine jahrzehntelange Beziehung mit meinem jüngeren Ehemann in die Brüche gegangen war. Auch deshalb hatte ich das Angebot ins weit entfernte Ausland angenommen: um dem Schmerz zu entfliehen.

An einem Donnerstag blieb David über Nacht, in dem erdgelben Steinhaus, von dem die Farbe schon in großen Flecken abgeblättert ist, meiner »Datscha«, die nur durch den schmalen Streifen der Gemüsefelder, die wie Gärten anmuten, vom kilometerbreiten Fluss getrennt war, auf dem auch nachts große und kleine Lastkähne dahintuckern und das Wasser einem silbrig glänzenden riesigen Teppich gleicht.

Selbstverständlich, zärtlich, wunderbar.

Das Frühstück am Morgen: Nähe, Freude, Wärme, Spaß.

Brot zum Frühstück? Wie seltsam! Gefilterter Kaffee? Wie umständlich! Warum soll die Aprikosenmarmelade nicht auf den Honig? You have to teach me. It is my first time. Wir lachen, wie lange ist Glück genießbar? Schnell, die Zeit läuft, es sind nur noch 20 Minuten, bis der Arbeitstag beginnt! Zeit genug, lächelt David.

Seine Augen sind wie ein Spiegel: Ich erkenne jetzt das junge Mädchen, dessen Schönheit mir einst hinter Zweifeln und Ängsten verborgen geblieben war.

Ich bin aus dem dahinbrausenden Lebenszug ausgestiegen und habe eine Weile Station gemacht, habe Erfahrenes und Ersehntes angetroffen. Ist es jetzt an der Zeit, wieder einzusteigen?

Ich kann dein Lächeln sehen, sagt David zum Abschied, es ist in meinen Augen, auch dann, wenn ich sie schließe, ich werde wissen, wann du traurig bist und wann du lachst.

Kapitel I: Eine andere, aber nicht mehr ungewöhnliche Beziehung

Kapitel I:

Eine andere, aber nicht mehrungewöhnliche Beziehung

Der Wettstreit des Alters mit der Liebe

Die Anzahl der Paare mit dem »verkehrten Altersunterschied« steigt kontinuierlich an. In jeder fünften deutschen Ehe, so der Befund des Statistischen Bundesamtes, ist mittlerweile der Bräutigam jünger als die Braut, bei jeder dritten Ehe beträgt der Altersunterschied mehr als fünf Jahre, und bei 40-Jährigen traut sich jede Zweite mit einem Jüngeren. Zu dieser Statistik gilt es, die Paare, die unehelich zusammenleben, hinzuzuzählen. Es werden viele sein, auch wenn es keine offiziellen Zahlen gibt. Kennt nicht fast jeder in seinem Umfeld ein solches Liebespaar? Es spricht sich herum, weil es »anders« ist: Die Frau ist älter als er. Der Jüngere des Paares ist der Mann. Gehört nicht die jüngere Frau zum älteren Mann? Heißt das, die geltende Norm wird auf den Kopf gestellt? Das stimmt. Aber doch nur in Bezug auf das Alter. Die Liebe sollte davon nicht betroffen sein. Denn die Liebe ist gesellschaftlich akzeptiert für die Wahl eines Partners. Liebe begründet nicht nur Beziehungen, sie rechtfertigt sie auch. Weil eine Verbindung aus Liebe als Idealform einer Beziehung gilt, scheint das Konzept Liebe geeignet, für jedes Paar gesellschaftliche Legitimation und Anerkennung zu versprechen. Dem Ideal nach hätten damit andere Regeln der Partnerwahl untergeordnete Bedeutung.

Dennoch ist das Alter, das man gerne vernachlässigen möchte, die Ursache für eine eigene Dynamik, die die Liebesbeziehung zwischen einer Frau und einem jüngeren Mann bestimmt. Verantwortlich dafür ist im Wesentlichen die vorherrschende Einstellung unserer Gesellschaft, die von dem Muster der konventionellen Alterszusammensetzung einer Beziehung zwischen einer Frau und einem älteren Mann als Norm nicht abzuweichen imstande zu sein scheint. Längst geht es dabei nicht mehr um das archaische Argument, die traditionelle Alterszusammensetzung sei notwendig, weil nur die junge Frau hohe Fruchtbarkeit verheißt und so den Fortbestand der Menschheit sichern kann. Die traditionelle Rollenteilung des älteren Versorgers und der Frau, die drinnen im Haus schaltet und waltet und die Kinder erzieht, ist ebenfalls keine zwingende Begründung mehr. Und auch das Überlegenheitsmodell bei der Partnerwahl bröckelt, wonach ein Mann der Frau voraus sein soll, an Geist, Status, Reichtum, Körperkraft und eben auch an Jahren. Emanzipatorische Erfolge der Frauen haben längst unsere gesellschaftliche Landschaft in Bewegung versetzt: Wir verzeichnen heute in unserer westlichen Welt ein buntes Miteinander von Frauen und Männern in jedem öffentlichen Bereich. Da stellt sich die Frage, ob – wenn es ins Private geht – für eine Liebesbeziehung noch immer eine Norm gelten soll, die als überholt betrachtet werden kann?

Die Nichtbeachtung dieser Norm ist die Basis für das »andere« Liebespaar, mit dem sich dieses Buch beschäftigt. Da sich ihre Liebe vor dem Hintergrund des in unserer Gesellschaft als »normal« definierten Paares »Mann älter als Frau« abspielt, werde ich das Paar mit dem »anderen« Altersunterschied immer wieder einmal mit der Norm vergleichen, weil dadurch die gesellschaftlich erzeugten Konflikte und Probleme klarer zu erkennen sind.

Das Alter kann man nicht verändern. Der Altersunterschied eines Liebespaares bleibt auf immer unverändert. Niemand kann mit Siebenmeilenstiefeln schneller durchs Leben gehen, weder vorwärts noch zurück. Wir altern alle im gleichen Schritt. Aber doch sehr individuell. Das liegt manchmal an den Genen, Einfluss nimmt aber auch die Lebenseinstellung, die Neugier aufs Leben, die Flexibilität, die Lust, etwas Neues zu wagen. Eine Person, die ein bestimmtes Lebensalter hat, kann daher durchaus als altersuntypisch gelten. Aussagen wie etwa »Das hätte ich nicht gedacht, dass sie schon so alt ist« sind oft zu hören. Es mag am Aussehen liegen, manchmal lediglich an der Stimme, die jung klingt, oder am Lachen, am lebhaften Erzählen, und dann, wenn körperliche Leistungen im Spiel sind, etwa bei Sportarten, die eine ältere Person »wie ein junger Mensch« absolviert.

Weil wir unterschiedlich altern, könnte der kalendarische Altersunterschied seine trennende Bedeutung für das unkonventionelle, das »andere« Liebespaar verlieren. Denn abgesehen vom Alter, den tatsächlichen Lebensjahren, gibt es keine Unterschiede, die nicht zu überbrücken wären. Alles, was als trennend empfunden wird, liegt entweder in der gesellschaftlichen Bewertung der Lebensjahre und der normativen Vorstellungen einer Paarbeziehung zwischen Frau und Mann begründet, oder in der individuellen (Un-)Fähigkeit der Personen, eine Beziehung gestalten und leben zu können. Die Herausforderung ist, das, was als trennend empfunden wird, zu überbrücken. Dazu braucht es zwei gleich starke Persönlichkeiten. Wenn eine Frau und ihr jüngerer Partner eine ernsthafte Beziehung eingehen, werden sie sich selbst und einander beweisen (wollen), dass sie sich von der Wirkung des mit Vorurteilen und traditionellen Forderungen beladenen »anderen« Altersunterschieds befreien können. Das schaffen sie kraft ihrer Liebe.

Fest steht, dass die Frau, die älter ist als er, in unserer Gesellschaft noch immer als »nicht normale« Partnerin für einen Mann betrachtet wird. Der Mann soll vielmehr der Ältere in einer Paarbeziehung sein. Er liebt die jüngere Frau. Das ist die Norm. Das Ideal aus grauer Vorzeit, als Fortpflanzung der Sinn der Verbindung war. Zur Fortpflanzung braucht man die Liebe nicht.

Wird das Liebespaar, bei dem die Frau die Ältere ist, vor dem Hintergrund dieser Norm betrachtet, ist es natürlich »anders«:

Es ist »normal«, wenn sich ein Mann mit einer jungen Frau verbindet. Wenn er sie liebt oder sie nur als Schmuckstück will. Er kann mit ihr eine Familie gründen oder sie nur als Gefährtin im Alter im Auge haben. Auch wenn so mancher Zeitgenosse bei einem Altersunterschied von 40 Jahren den Kopf schütteln mag: Das Paar wird in Ruhe gelassen, mit einem Achselzucken vielleicht und der Bemerkung, dass man persönlich diese Wahl nicht treffen würde, aber als unmöglich wird sie nicht betrachtet und nur deshalb als zeitlich begrenzt erachtet, weil der Mann aller statistischen Wahrscheinlichkeit nach zuerst verstirbt. Sie wird auch nicht öffentlich als widernatürlich oder gar geschmacklos verspottet.

Wohingegen im anderen Fall, wenn eine ältere Frau sich mit einem jüngeren Mann verbindet, ihn liebt oder ihn nur als Schmuckstück oder aber als Gefährten fürs Alter wählt, es wahrscheinlich ist, dass sie innerhalb ihres sozialen Umfelds auf Ablehnung stößt – das kann bis an verächtliche Diskriminierung grenzen. Eines kann die Frau im fortgeschrittenen Lebensalter sowieso nicht: mit ihrem Partner eine gemeinsame Familie gründen, auch wenn er 40 Jahre jünger ist. Doch bringt sie die beste Voraussetzung mit, um mit ihm zusammen alt zu werden, weil sie, laut statistisch errechneten Prognosen, eine längere Lebensdauer als der Mann zu erwarten hat.

Der Volksmund spricht davon, dass die Liebe alle Schranken überwindet, eine Auffassung, die alle Liebenden vertreten. Das ist auch für das unkonventionelle Paar die Eintrittskarte für ihr Glück, das sich, ebenso wie bei traditionellen Paaren, im Alltag bewähren muss.

In den Medien wird uns heute vor allem die Frau im mittleren Lebensalter, etwa 40 bis 50 Jahre alt, vorgestellt. Ihr Partner ist mindestens eine Dekade jünger. Demi Moore, die 47-jährige amerikanische Schauspielerin, und ihr 16 Jahre jüngerer Ehemann Ashton Kutcher zum Beispiel fehlen seit ihrer Heirat vor fünf Jahren in keiner Reportage zu diesem Thema. Auch Nena, die deutsche Pop-Sängerin, gerade 50 Jahre alt geworden, und ihr zwölf Jahre jüngerer Ehemann Philipp Palm werden ebenfalls seit Jahren als »ungleiches« Vorzeigepaar bemüht. Die Liste ließe sich beliebig verlängern.

Im Alltagsleben sind jedoch Frauen fast jeden Lebensalters mit einem jüngeren Mann zusammen. Es kann die Frau mit Anfang 20 sein, und auch die Frau, die älter als 70 ist. Lediglich der Altersunterschied zum Mann variiert. Für die 20-Jährige wird es der zwei oder drei Jahre jüngere Mann sein, den sie liebt. Für die 70-Jährige kann es auch der 40 Jahre jüngere Mann sein, mit dem sie zusammenleben will. Für die Frau im mittleren Lebensalter gilt ein Partner, der bis zu fünf Jahre jünger ist, im Allgemeinen als »gleichaltrig« und zugehörig zur gleichen Generation.

Wie die Altersdifferenz wahrgenommen wird, ist unterschiedlich. Ich habe mich in diesem Buch auf Paare konzentriert, bei denen die Frau mindestens fünf Jahre älter ist als der Mann. Denn ein geringerer Altersunterschied wird von vielen betroffenen Frauen und Männern als vernachlässigbar und ohne Einfluss auf ihre Beziehung empfunden.

Zweifellos ist eine Liebesbeziehung, in der die Frau älter ist als der Mann, kein Tabu mehr, wie sie es noch vor gut 30 Jahren war, als ich mich, damals 34 Jahre alt, mit einem 13 Jahre Jüngeren einließ, der mein zweiter Ehemann geworden ist. Auch die Bewertung der weiblichen Lebensjahre hat sich gewandelt. Die Mittdreißigerin als Frauentyp ist neu. Noch vor zwei, drei Jahrzehnten galt eine 30-jährige Frau entsprechend der Parole »Trau keinem über 30« als alt und im Denken festgefahren. Spätestens mit 30 war eine Frau verheiratet, kümmerte sich um den Nachwuchs und jobbte nebenbei. Oder sie war unverheiratet und Lehrerin. Heute steht die 30-Jährige mitten im Berufsleben und am Anfang einer Familiengründung. Sowohl das Erstheiratsalter als auch das Alter, erstmals Mutter zu werden, liegen in Deutschland derzeit bei Frauen im Lebensabschnitt zwischen 30 und 40. Hingegen wird die Frau ab 40 in der öffentlichen Meinung bereits an den Anfang der älteren Generation gedrängt, auch wenn ihr gefühltes Alter und ihre äußere Erscheinung gar nicht »älter« sind. Sie kann als »Junggebliebene« bezeichnet werden, die immer öfter zu hören bekommt, dass sie sich »für ihr Alter gut gehalten« hat. Die Gründung einer Familie hat sie im Allgemeinen schon hinter sich. Sie ist häufig auf Karrierekurs im Rahmen ihrer (lebenslangen) Selbstverwirklichung.

Probleme, die für Frauen ab 40 typisch sind in der Verbindung mit dem jüngeren Mann, können somit für die 30-jährigen Frauen unbedeutend sein.

Doch alle, die den anderen Weg zum Glück gehen, begegnen den Schwierigkeiten, die nicht nur von Außen lauern, sondern auch aus ihrer eigenen Verunsicherung kommen. Es sind die mit der Norm verbundenen Erwartungen und Einstellungen, die sich in Vorurteilen und Klischees dem »ungleichen« Paar gegenüber äußern. Mit ihnen muss sich das Paar auseinandersetzen.

Meine Gespräche mit vielen Frauen und deren jüngeren Männern machten deutlich, dass es noch stets die Frauen sind, die sich weitaus mehr Gedanken machen, wie die Beziehung mit einem jüngeren Partner wohl funktionieren könne. Es sind immer noch die Frauen, die selbstkritischer, unsicherer, beeinflussbarer von den Klischees und Vorurteilen sind, die sich mehr von zeitgeistigen Auffassungen über Schönheit verwirren lassen, die wenig selbstbewusst an ihr hohes Alter denken, wenn es um die Vorstellung einer dauerhaften Beziehung zum jüngeren Mann geht. Fast alle glauben, sich nur ein »Glück auf Zeit« einzuhandeln. Und nicht wenige verabsäumen den ersten Schritt zu wenigstens einem versuchten Glück, wie die folgende Geschichte von Irene, 55, zeigt:

»Er setzte sich neben mich, schenkte mir Wasser nach, fragte, ob ich mit ihm einen Ausflug mit dem Fahrrad machen würde. Er fand Vorwände, um mich zu berühren. Ich fühlte mich geschmeichelt, war belustigt und neugierig.

Dann ging er zu den anderen, die sich auf der Veranda unterhielten, küsste die beiden anderen Frauen, jünger als ich, liebkosend, raffiniert und berechnend. Ich versuchte diese Szenen nicht zu beachten, sah aus den Augenwinkeln jedoch, wie er mir rasch einen Blick zuwarf, um festzustellen, ob ich seine Vertrautheit mit den anderen gesehen, bemerkt und darauf reagiert hatte.

Seine dunklen Augen. Breite Schultern, ein wohlgestalteter Körper. Was für ein schöner Mann! Wenn ich auch nur zehn Jahre jünger wäre!

Ich wehrte mich gegen das, was ich empfunden hatte. Verschwendete keine Zeit damit, mir klarzumachen, dass es absurd war, denn das verstand sich von selbst. Aber ich sah mich gezwungen zuzugeben, dass ich mich ein bisschen in diesen jungen Mann verliebt hatte. Zweifellos gab er sich große Mühe, das zu erreichen. Ich hatte mich nicht ein einziges Mal neben ihn gesetzt, ihn angesprochen oder sonst etwas unternommen, um ihn anzuziehen.

Man hatte mir gesagt, dass er erzähle, er sei in diese Frau verliebt, die doppelt so alt sei wie er. Freilich, ich hatte geahnt, dass er auch in mich verliebt war. ›Verliebt‹, ein Wort, das vielseitig zu deuten ist. Es gibt so viele Schattierungen des Verliebtseins. Er hatte es gesagt, weil er wusste, dass man es mir zutragen würde. Mein Körper wurde von schrecklichem Verlangen erfüllt. Ich ging vor dem Haus, auf der Veranda, auf der Straße hinter dem Haus auf und ab, beinahe hätte ich mich ihm anvertraut. Doch immer wieder versperrte mir ein Wort den Weg: unmöglich.

Ich tröstete mich damit: Es ist nur eine Schwärmerei.

Betrachtete meine nackten Arme, noch wohlgeformt, aber schon erkennbar erschlaffend. Aber ich wollte weder daran erinnert werden noch darüber nachdenken müssen.

Ich wusste, dass es mir unmöglich wäre, den anderen sagen zu müssen, dass ich mich in diesen jungen Mann verliebt hatte. Egal wie flüchtig oder oberflächlich.«

Vornehmlich wegen der hartnäckig haftenden Verunsicherungen wird der »andere« Weg zum dauerhaften Glück für die ältere Frau und den jüngeren Mann kein leichter sein. Die 40-jährige Carolin fühlt sich zum Beispiel angreifbar, weil sie die Ältere ist, und beschreibt dies beim Interview:

»Es ist wie mit der Hautfarbe, man denkt immer, die Leute reagieren darauf mit vorgefassten Meinungen. So ist es auch, wenn ich die Ältere bin. Ich denke, weil ich älter bin als mein Partner, schauen sie mich doof an, tuscheln, machen sich lustig, sprechen über mich, unterhalten sich nicht mit mir und Ähnliches. Geht der Mann fremd, dann heißt es: klar, weil sie so alt ist. Oder wenn es Streit gibt, ist immer die ältere Frau Schuld usw.«

Viele Frauen denken ähnlich wie Carolin und glauben, diesen selbst empfundenen »Makel« der Älteren nie loswerden zu können. Die Ältere in der Beziehung werden sie natürlich immer sein. Um mit den damit zusammenhängenden Ängsten besser zurechtzukommen, ist der jüngere Mann an ihrer Seite perfekt: Wie sich in den Gesprächen mit Frauen und ihren jüngeren Partnern bestätigen ließ, ist es hauptsächlich die Leistung des jüngeren Mannes, mit den Zweifeln seiner Partnerin aufzuräumen, sie zumindest zu entschärfen. Es gelingt ihm, sie davon zu überzeugen, dass die Tatsache, die Ältere eines Paares zu sein, für die Liebe keine Rolle spielt.

Der Jüngere schafft es, den Weg zum anderen Glück zu ebnen. Den Weg, den die Frau mit ihm gehen will. Denn andererseits sind es auch die Frauen, die sich heute die Freude mit dem jüngeren Mann nicht versagen wollen, die ein Recht auf Liebe und Lust einfordern. Nicht zuletzt argumentieren sie auf der Grundlage emanzipatorischer Errungenschaften, wonach es nicht länger angehen kann, die Liebe einer älteren Frau zu einem jungen Mann mehr zu missbilligen als diejenige eines alternden Mannes zu einer jungen Geliebten. Auch Frauen im fortgeschrittenen Lebensalter sind heute risikobereiter, wenn es um ihr persönliches Glück geht. Sie verlassen lieblose Partner konsequenter als früher oder trennen sich entschiedener, wenn die Liebe erkaltet ist.

Zur Konstruktion ihres individuellen Glücks fällt die Wahl der Frauen immer häufiger auf den jüngeren Mann. Die Beziehung zum jüngeren Mann ist eine Freiheit, die sie sich erobern. Eine Freiheit, mit der die heute 20- bis 40-jährigen Frauen bereits aufgewachsen sind. Mit ihr entdecken sie die eigenen Fähigkeiten und Chancen. Immer wiederkehrende Glücksmomente ermutigen sie, den Weg weiterzugehen, denn die Freiheit, einen jüngeren Mann zu lieben, birgt immer wieder Fallen. Und was die Zukunftsprognosen des »Glücks auf Zeit« anbelangt: Jedes Bild wird entworfen, man stellt es her und kann es auch wieder auflösen. Es ist ein Geschehen. Auch die zäh verweilenden Vorurteile ändern nichts daran, dass die ältere Frau und der jüngere Mann als glückliches Paar längst Alltag geworden sind.

Der Mann ist jünger und trotzdem auf Augenhöhe

Es ist keineswegs überraschend, wenn das Paar mit dem – im Vergleich zur Norm – »altersverkehrten« Unterschied heute sagt, es sei »normal« und doch »anders«.

»Wir lieben uns«, sagen sie. Und das ist auch bei jedem traditionellen Liebespaar so – also »normal«.

»Anders« sind sie, weil sie hinsichtlich des Altersunterschieds nicht der Tradition entsprechen.

Warum sie trotzdem gut zusammenpassen, haben sie nicht nur ihrer Liebe zu verdanken oder den Persönlichkeitsmerkmalen, den Charaktereigenschaften, die sie angezogen haben, sondern vor allem auch der Tatsache, dass ihre Lebensphasen gerade gut zusammenpassen. Das lässt sich auch aus Nellys Aussage erschließen:

»Meine inzwischen 12-jährige Beziehung zum 13 Jahre jüngeren Partner ist eigentlich ganz normal, aber trotzdem kann man sie nicht vergleichen mit einer normalen Beziehung. Es kommt auf die Lebenssituation an. Ich wäre zum Beispiel nie mit ihm zusammengekommen in der Phase, als ich Kinder haben wollte. Und jetzt funktioniert die Beziehung nur, weil er keine eigenen Kinder haben will, denn ich habe meine Kinderphase abgeschlossen.«

Nelly weist auf eine ganz entscheidende Voraussetzung für eine erfolgreiche Liebesbeziehung zwischen der Frau und dem jüngeren Mann hin: die unterschiedlichen Lebensalter spielen keine Rolle, wenn und weil die Lebensphasen oder »die Lebenssituation«, wie die 51-jährige Nelly es formuliert, zusammenpassen.

Lori, 34, spricht von der Gemeinsamkeit des Lebensgefühls:

»Ich bin sehr aktiv, lebendig, quirlig, auch in der Sexualität. Da passe ich einfach viel besser zu einem jüngeren Mann. Ältere Männer sind so verunsichert in ihrem Sexualverhalten. Viel zu kompliziert. Sie erwarten, dass Frauen für all ihre Problemchen Verständnis zeigen.«

Altersmäßig betrachtet ist die Verbindung der Frau mit dem jüngeren Mann eine asymmetrische Beziehung, die am Anfang ausgeglichen wird, weil sich die Lebenswünsche zu diesem Zeitpunkt ergänzen: Der Jüngere sucht die Erfahrene, Unabhängige; die Ältere sehnt sich nach mehr Idealismus, Romantik und Abenteuer. Der ältere Mann ist im mittleren Lebensalter im Allgemeinen in geordneten Bahnen, auf festen Karrierepfaden, scheut Risiken. Demgegenüber beginnt die Frau im mittleren Lebensalter gern, neue Wege zu suchen, sie ist experimentierfreudig, nicht zuletzt auch in der Sexualität.

In dieser Phase bietet ihr der ältere Mann zu wenig. Ihrem Lebenselan – den Bedürfnissen ihrer Lebensphase und ihrem Lebensgefühl – entspricht der jüngere Mann viel mehr.

Dazu kommt noch ein weiterer Aspekt: In Partnerschaften, in denen der Mann älter ist als die Frau, ist das Geschlechterverhältnis meist vom traditionellen Bild des besser verdienenden, Status vergebenden Mannes geprägt. Der Mann hat mehr Status, weil er älter ist und im Allgemeinen einen höheren beruflichen Erfolg aufweisen kann.

Trotz der Tatsache, dass die Emanzipation auch in der Wirtschaft längst Fuß gefasst hat, wird an diesem Bild immer noch festgehalten. Eine Umfrage bei den Hörerinnen und Hörern des Bayerischen Rundfunks im Januar 2010 zeigte beispielsweise, dass Männer zwar eine selbstbewusste, attraktive, tatkräftige Frau haben wollen, doch Karriere soll sie nicht machen, mehr verdienen schon gleich gar nicht. Dementsprechend hat die Frau als einziges gesellschaftlich anerkanntes Machtmittel in einer Beziehung zum Mann ihre Jugend, ein zeitlich begrenztes Gut.

Ist die Frau dagegen älter als der Mann, entsteht ein Machtgleichgewicht, denn dem Mann fehlen wegen seiner Jugend die ihm ansonsten zugeschriebenen Überlegenheitsmerkmale des höheren Status. Gleichzeitig wird die an sich unterbewertete Rolle der Frau durch ihre größere Lebens- und berufliche Erfahrung sowie Unabhängigkeit ausgeglichen. Auf diese Weise wird die »normale«, dem traditionellen Bild entsprechende Machthierarchie zwischen den Geschlechtern aufgehoben. Sehr zum Vorteil des nichttraditionellen Paares, denn Energien werden nicht mehr in Kämpfen gegen diese Hierarchie verbraucht, Freiräume werden geschaffen. Die Liebesbeziehung zwischen der Frau und dem jüngeren Mann kann somit leichter eine Partnerschaft auf Augenhöhe sein.

Die gesellschaftlichen Veränderungen der letzten Jahrzehnte

Frauen, die einen jüngeren Mann lieben, verheimlichen dies heute nicht mehr. Sie brauchen sich und ihn nicht mehr zu verstecken. Dazu haben verschiedene Veränderungen in unserer Gesellschaft im Laufe der vergangenen Jahrzehnte beigetragen:

Es hat sich eine größere Toleranz gegenüber einer Vielfalt von verschiedenen Beziehungsformen, wie etwa interkulturellen oder gleichgeschlechtlichen Paaren gegenüber entwickelt.

Frauen der mittleren Lebensjahre sind geistig und körperlich jünger im Vergleich zu früheren Frauengenerationen. Dazu haben die höheren Bildungs- und beruflichen Möglichkeiten beigetragen sowie ein gesteigertes Bewusstsein für körperliche Gesundheit und seelisches Wohlbefinden.

Frauen suchen immer weniger einen Versorger. Sie brauchen ihn nicht. Sie sind eigenständig, unabhängig, sowohl emotional als auch in ökonomischer Hinsicht.

Für jüngere Männer sind emanzipierte Frauen kein Schreckgespenst mehr. Sie wachsen zunehmend mit einem Frauenbild auf, das kaum noch an die überkommene Rollenteilung von Frau und Mann erinnert, und flexiblere Lebensmodelle sind realistisch für sie.

Auch nichtkonventionelle Formen der Partnersuche haben zugenommen. Im Internet etwa finden sich Partnervermittlungsseiten wie altersvorsprung.de und toyboywarehouse.com, die auf den Kontakt älterer Frauen mit jüngeren Männern spezialisiert sind.

Die Beziehung zum jüngeren Mann gilt jedoch noch immer nur als ein Trend. Das war auch vor 30 Jahren so. Rein statistisch wurde zwar auch damals die Einschätzung »lediglich ein Trend« durch die hohe Anzahl der Ehen von Frauen mit jüngeren Partnern widerlegt, im öffentlichen Verständnis wurde aber an dem Gedanken festgehalten, dass es sich nur um eine vorübergehende »Mode« handeln kann, die sich die in den Medien zitierten prominenten Frauen leisten können. Die Glamour-Welt war schon immer von der Norm entbunden. Und somit waren Stars wie Elizabeth Taylor, Joan Collins oder Zsa Zsa Gabor als Trendsetter ungeeignet, denn die »normale« Frau wurde und wird am »Normal«-Verhalten gemessen. »Normal« in diesem Sinne ist die Verbindung, bei der der Mann älter ist als die Frau. Für die Frau gehörte deshalb vor 30 Jahren noch sehr viel Mut dazu, sich klar zum jüngeren Mann zu bekennen.