Frei wie die Vögel - Ann-Helena Schlüter - E-Book

Frei wie die Vögel E-Book

Ann-Helena Schlüter

4,7

Beschreibung

Am 10. November 1943 wurden in Hamburg vier Geistliche durch das Fallbeil hingerichtet. Die katholischen Kapläne Eduard Müller, Johannes Prassek und Hermann Lange sowie der evangelische Pastor Karl Friedrich Stellbrink hatten öffentlich Stellung bezogen gegen die Verbrechen des Nazi-Regimes. Voller Leidenschaft für die historischen Hintergründe verwebt Ann-Helena Schlüter die vier Biografien der Lübecker Märtyrer erzählerisch miteinander. Ein Roman voller tiefer Emotionen, eine Geschichte voller Hoffnung im dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte.

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Seitenzahl: 356

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SCM Hänssler ist ein Imprint der SCM Verlagsgruppe, die zur Stiftung Christliche Medien gehört, einer gemeinnützigen Stiftung, die sich für die Förderung und Verbreitung christlicher Bücher, Zeitschriften, Filme und Musik einsetzt.

ISBN 978-3-7751-7420-6 (E-Book)ISBN 978-3-7751-5865-7 (lieferbare Buchausgabe)

Datenkonvertierung E-Book: Satz & Medien Wieser, Stolberg

© der deutschen Ausgabe 2018SCM Verlagsgruppe GmbH · Max-Eyth-Straße 41 · 71088 HolzgerlingenInternet: www.scm-haenssler.de; E-Mail: [email protected]

Die Bibelverse sind, wenn nicht anders angegeben, folgender Ausgabeentnommen:Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift, vollständig durchgesehene undüberarbeitete Ausgabe© 2016 Katholische Bibelanstalt GmbH, StuttgartAlle Rechte vorbehalten.Textauszüge Peter Voswinckel aus:Peter Voswinckel, Geführte Wege. Die Lübecker Märtyrer in Wort und Bild© 2010 Butzon & Bercker GmbH, Kevelaer, www.bube.de

Umschlaggestaltung: Rebecca Insam, SCM Bundes-Verlag gGmbH | WittenTitelbild: Adrian Curiel, unsplash | Everett Historical, shutterstock | ChananGreenblatt, unsplashFotos im Innenteil: Sammlung Voswinckel, Berlin/Lübeck; Bildarchiv derPropsteigemeinde LübeckSatz: Satz & Medien Wieser, Stolberg

Inhalt

Über die Autorin

Stimmen zu Ann-Helena Schlüter

Vorwort von Prof. Heike Henning

Prolog

Vier Männer geben ihr Leben – Biografien der vier Märtyrer

1 | Die Hitlerjugend

2 | Die Steinzelle

3 | Zwangsarbeiter

4 | Reinrassige?

5 | Nacht

6 | Die Vögel

7 | Lisbeth und Hitlers Knechte

8 | Tötende Schuld

9 | 10. November 1943

10 | Johanna Rechtien, »Tante (Jo)Hanna«

11 | Piotr

12 | Alle vier zusammen

13 | Untermenschen

14 | Aufruhr

15 | Seelsorge

16 | Aussonderung

17 | Die Männer der Gestapo

18 | Die Predigt

19 | Lübeck, Parade 4

20 | Hitlers Buch

21 | Die Bombennacht

22 | Sie kommen

Epilog von Else Pelke

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Über die Autorin

Ann-Helena Schlüter ist eine deutsch-schwedische Pianistin, Komponistin und Autorin. Sie studierte u. a. in Köln, Würzburg, Frankfurt, Leipzig, Salzburg, in den USA und Australien. Für ihr künstlerisches Wirken hat sie viele Literatur- und Musikpreise gewonnen.

www.Ann-Helena.de

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Stimmen zu Ann-Helena Schlüter

Ann-Helena Schlüter hat einen bemerkenswerten Stil und großes Talent.

Sebastian Fitzek,Autor

Bilderreiche, plastische, sehr schöne Sprache, dazu unterhaltsam – die Geschichten entstehen regelrecht vor dem inneren Auge, wenn Ann-Helena schreibt. Großes schriftstellerisches Talent mit guten, mit wichtigen Texten!

Hagen Kunze,Autor und Musikwissenschaftler

Ich staune über diese lyrischen und literarischen Begabungen dieser Frau!

Prof. Dr. Siegfried Zimmer,Pädagogische Hochschule Ludwigsburg

Wie selten und schön, dass Kunst so ganzheitlich gelebt ist wie bei Ann-Helena Schlüter – zwischen Flügel, Feder und Lyrik, zwischen Konzertieren und Verkündigen, wobei das »zwischen« bei ihr gerade kein Zwischen, sondern ein Zusammenführen ist.

Prof. Dr. Peter Lampe,Universität Heidelberg

Für meinen Vater Karl-Heinz Schlüter

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Vorwort von Prof. Heike Henning

Frei wie die Vögel – so lautet der Titel des historischen, im Dritten Reich angesiedelten, anspruchsvollen Romans von Ann-Helena Schlüter. Diese Erzählung gegen das Vergessen führt die Lesenden hinein in die vergangene, bedrohliche und grausame Zeit, eine, die man gerne vergessen mag, die aber auch Momente der Menschlichkeit und echter Begegnung beinhaltet. Diese Momente sind es, die das Leben lebenswert machen – heute wie damals.

Der Ton, den die Autorin hierbei anschlägt, ist nicht düster, sondern immer wieder fein, zärtlich und poetisch. Wie keine Musik, sei sie in Dur oder Moll, per se nur fröhlich oder traurig gedeutet werden kann, denn jede Musik zeigt Verbindungen und Verläufe zwischen unterschiedlichen Stimmungen, die gegensätzlich sein können, aber dennoch zusammengehören, so verbindet Ann-Helena Schlüter in ihrem Schreiben Spielerisches, Leichtfüßiges mit tiefen Gefühlen, Spannung und lyrischen Bildworten. Als Pianistin beherrscht die Autorin die Balance zwischen Konsonanz und Dissonanz. Sie weiß außerdem, was es bedeutet, sich einer Sache ganz hinzugeben, für sie einzustehen und sich zum Glauben zu bekennen. Disziplin, Hingabe, Ernsthaftigkeit und Leidenschaft sind ihr Leben; dadurch gelingt es ihr glaubwürdig, sich in das Schicksal dieser Menschen im Dritten Reich einzufühlen und deren teils vergessenen Alltag, teils vergessene Namen einfühlsam aufleben zu lassen. Dabei ist es beeindruckend und inspirierend, Frauen und Männer mit Haltung und Rückgrat zu begegnen. Ihr Mut, ihre Werte, ihre Aufopferungsbereitschaft, ihr Einsatz für Mitmenschen und ihr Glaube machen sie zu wahren Helden, die wir in unserer Gesellschaft zu jeder Zeit, auch heute, dringend brauchen. Die frei wie Vögel Zäune, Ländergrenzen und Meere überwinden.

Gewaltig und behutsam durchschreitet Ann-Helena die verwobenen Grenzen zwischen Sprache, Dichtkunst und Musik und deren gemeinsame künstlerische Poesie.

Prof. Dr. Heike Henning

Professorin für Instrumental- und Gesangspädagogikan der Universität MOZARTEUM Salzburg

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Prolog

Noch immer sind wir Menschen sehr aufgewühlt, wenn es um das Dritte Reich geht. Der Zweite Weltkrieg ist noch nicht so lange her. Es leben noch viele Zeitzeugen. Dieser Roman ist nicht nur eine Erzählung gegen das Vergessen, sondern auch gegen die Wiederkehr, gegen die Rückkehr von Antisemitismus und Fremdenhass, gegen den Gedanken von »unwertem Leben« in jeglicher Form, seien es Flüchtlinge, Demenzkranke, Ungeborene, Benachteiligte.

Durch das Schreiben dieses Romans habe ich von Menschen erfahren, die während dieser Zeit lebten und nun meine Vorbilder geworden sind. Zuvor hatte ich, wie sicher viele andere, noch nie von Heinrich Schniers, Johanna Rechtien, Maria Meures, Anna Ostarek, Hildegard Stellbrink, Guda Dittrich, Robert Wilhelm August Köster und Aloys Boecker gehört, um nur einige zu nennen. Diese sieben Namen hat Wikipedia nicht einmal gelistet, und die Frauen werden vielfach einfach vergessen in der Geschichtsschreibung.

Ich bin tief berührt von diesen gläubigen, mutigen Menschen, die es wirklich gegeben hat und die im Verborgenen aus Liebe Widerstand gegen das Terror-Regime leisteten – und davon, dass es im Zweiten Weltkrieg so viele gab, die ihr Leben für die Wahrheit aufs Spiel setzten. Die große Unannehmlichkeiten, Schmerz und Erniedrigung in Kauf nahmen, was sie hätten vermeiden können, wären sie still gewesen.

Diese wahre Geschichte hat trotz allem ein gutes Ende: Die vier Märtyrer Johannes Prassek, Eduard Müller, Karl Friedrich Stellbrink, genannt Fritz, und Hermann Lange sind – obgleich vorzeitig – glücklich und frei gestorben, damit die Wahrheit nicht länger in Ungerechtigkeit gefangen gehalten wird. Sie wussten, dass ihre Heiligkeit nur dadurch besteht, weil sie zu Jesus gehören. Durch Mitläufer, Unterstützer und Fahnenträger einer gelebten Ideologie konnte sich das System der Nazidiktatur überhaupt so weit ausbreiten. Doch diese Menschen stellten sich gegen den Strom. Sie waren äußerlich gefangen in der Enge der Diktatur. Innerlich aber konnte sie keiner im Käfig halten, sie flogen frei wie die Vögel. Dabei sind nicht nur die Märtyrer Helden, sondern all die Frauen und Männer, die gegen Hitler und seine Regierung Widerstand geleistet haben.

Warum Helden? Natürlich kann man sich fragen, ob man Christen als »Helden« bezeichnen kann. Doch Christen sind Menschen, Menschen sind Helden und Helden sind Menschen; besonders, wenn sie ihr Leben opfern. Hermann, Eduard, Fritz und Johannes sind Helden, auch wenn (oder gerade weil) sie sich nie als Helden gesehen haben. Sie sind Vorbilder. Selbst die große Schwester Eduards nannte ihn ihren »Heldenbruder«.

Helden sind für mich aber vor allem die Frauen, die im Hintergrund geholfen und alles riskiert haben. Ihr Heldentum wurzelt in und wächst aus ihrem Glauben, nicht aus ihnen selbst. Es ist wichtig, ihrer zu gedenken, nicht auf reißerische, plakative Art, doch auch nicht zu distanziert, nüchtern und blass. Ich gehe narrativ, subjektiv nachempfindend an das Lübecker Geschehen heran, zwar auf der Grundlage des durch mehrere Dokumentationen historisch Belegten, aber in der Absicht, dass dadurch das ganze Grauen des Nationalsozialismus und die Größe jener Lübecker Helden noch einmal gegenwärtig gesetzt wird, indem ich mich in ihre inneren seelischen Befindlichkeiten und spirituellen Prozesse tief nacherlebend hineinversetzt habe.

Im Grunde waren die vier Geistlichen Hermann Lange, Eduard Müller, Johannes Prassek und Karl Friedrich Stellbrink »Antihelden« aus der Sicht des Systems ihrer Zeit. Für das System gab es nur eine Art von Helden: Soldaten, die an der Front für das Vaterland starben – Kriegshelden. Auch das Wort »Märtyrer« ist problematisch in unserer Zeit. In der Bibel ist von Märtyrern die Rede – Menschen, die ihr Leben für den Glauben gaben. Es ist ein zutiefst christliches Wort.

Ich bin dankbar, die 92-jährige Else Pelke gesprochen und mit ihr per E-Mail im regelmäßigen Austausch gestanden zu haben. Sie hatte im Jahre 1955 die ersten Untersuchungen zu den Märtyrern Lübecks unternommen und war wie ich nach Lübeck zur Recherche gefahren. Für mich ist sie eine Art »Zeitzeuge«, da sie noch mit Menschen von damals persönlich sprechen konnte. Ich bewundere sie sehr und hoffe, wir bleiben in engem Kontakt. Sie leidet jedoch noch immer unter ihrem Kriegstrauma. Die Recherche zu den Mutigen aus Lübeck war ihr Lebenswerk, wie sie mir erzählte. »Wenn ich nur eines im Leben gemacht haben sollte, das wirklich Frucht gebracht hat, dann mein Buch Der Lübecker Christenprozess 1943«, sagte sie mir. »Dadurch habe ich nun auch Sie kennengelernt.« Sie hat das Nachwort zu meinem Buch geschrieben.

Das wunderbare Buch Geführte Wege von Peter Voswinckel mit Fotos und Abschiedsbriefen der Märtyrer und die langen Telefonate mit ihm haben mir ebenfalls geholfen, mich einzufühlen in das, was damals geschehen ist. Die Briefe dieser vier Gläubigen aus Lübeck haben mich sehr bewegt.

 Und wer hat schon von der mutigen Haushälterin der drei katholischen Geistlichen Johanna Rechtien gehört, die Briefe unter Lebensgefahr in und aus dem Gefängnis schmuggelte? Wer von der Ordensschwester Maria Merkert, die als junge Frau früh die Zeichen der Zeit erkannte und einen Orden für Krankenpflege gründete? Wer von Schwester Guda Dittrich, die Kinder und Arme im Zweiten Weltkrieg betreute? Wer von Anna Ostarek, die Johannes Prassek das Theologiestudium finanziell überhaupt erst ermöglichte? Wer von der Lehrerin Maria Meures, die alles gab, um mittellose Schüler und Studenten zu unterrichten? Wer von Hildegard Stellbrink, die nach der Ermordung ihres Mannes Hohn und Spott ertragen musste, drei Kinder alleine großziehen und sogar die Rechnung für die Enthauptung ihres Karl Friedrichs bezahlen sollte? Der Pfarrer Karl Friedrich Stellbrink war eine Schlüsselfigur in diesem Christenprozess und der erste evangelische Pfarrer, der hingerichtet wurde in der Zeit der Nationalsozialisten. Diese Menschen sollen nicht vergessen werden. Deswegen habe ich dieses Buch geschrieben, denn es ist eine wahre Geschichte der Ökumene, des Mutes und der Liebe.

Es gibt auch Menschen, die mich erschüttern, wie zum Beispiel Hans Lüers, der die Geistlichen verriet. Dieser Spitzel konnte vielleicht nicht ahnen, dass der Prozess vor dem Volksgerichtshof mit der Todesstrafe endete, aber er nahm es in Kauf. Beim zweiten und dritten Mal, als er anschließend wieder Pfarrer verriet, musste er gewusst haben, dass er das Leben dieser Menschen riskierte. Er tat es trotzdem.

Hans Lüers floh mit seiner Frau aus Deutschland nach England, legte sich dort einen neuen Namen zu und erzählte seinen Kindern nie, was er getan hatte, sondern tischte ihnen Lügen auf. Einer der Söhne, Busfahrer in London, wird 2018 fünfundsiebzig, so wie sich in diesem Jahr auch das Gedenken der Märtyrer zum fünfundsiebzigsten Mal jährt. Es existiere kein Foto von seinem Vater, berichtete der Sohn dem Historiker Peter Voswinckel, von dem er am Telefon das erste Mal von den Machenschaften des verstorbenen Vaters erfuhr. Hans Lüers habe sich aus Bildern überall herausgeschnitten. Konnte er sein eigenes Gesicht nicht mehr ertragen oder war es nur die Angst, entdeckt zu werden? So gibt es kein Foto von diesem Mann.

Erschütternd ist auch, dass Johannes Prasseks Vater seinen Sohn nicht im Hamburger Gefängnis besucht hatte. Er wohnte doch in Hamburg. Es kann sein, dass er wirklich nichts von der Gefangenschaft und der drohenden Hinrichtung seines Sohnes wusste. Johannes hatte ihn nicht informiert.

Es liegt dem Historiker Voswinckel ein Schreiben des Vaters an den Oberreichsanwalt vor, indem er fragt, warum er als Vater nichts von der Hinrichtung seines Sohnes und von dem Verbleib seiner Sachen erfahren habe. »Das sei nicht üblich«, schrieb ihm ein junger, frecher Unterstaatsanwalt zurück, der sich ein Jahr später wegen nervlicher Zerrüttung das Leben nahm, so Peter Voswinckel.

Dies ist eine Erzählung, kein Tatsachenbericht, eher eine literarische Studie, zu großen Teilen aus der Sicht von Johannes Prassek geschrieben. Die wahren Begebenheiten wurden mit manchen fiktiven ausgeschmückt, die sich so hätten zutragen können. Alle kursiv gedruckten Anfangszeilen der Kapitel sind Zitate der vier Geistlichen, entnommen aus dem Buch Geführte Wege von Peter Voswinckel. Auch alle weiteren zitierten Stellen sind kursiv gedruckt und stammen aus diesem Buch, das ich sehr empfehle. Fiktive Figuren sind namentlich erwähnte Zwangsarbeiter und Randfiguren wie zum Beispiel Frau Huber.

Ich bin Pianistin, Lyrikerin, Komponistin und Organistin. Ich hätte nie gedacht, einen Roman über Geschehnisse aus dem Dritten Reich zu schreiben. Durch diese Erzählung habe ich viel über die Geschichte unseres Landes und unserer Kirchen gelernt. Als Achtjährige hatte ich in meinem Kinderzimmer ein Erlebnis mit Gott. Ich fragte ihn, ob er existiere, und Gott hat mir in meinem Herzen geantwortet: Ja, ich bin. Seitdem weiß ich, dass es Gott gibt. Er hört mein Gebet, antwortet mir und kennt mich. Ich bin dankbar und froh, dass Menschen wie die vier Geistlichen und die Frauen und Männer um sie herum Gottes Liebe so ernst nahmen, dass sie bereit waren, für die Wahrheit zu sterben und diese dadurch deutlich und öffentlich zu bekennen.

Obwohl lange nach dem Krieg in Nürnberg geboren und aufgewachsen, ist der Zweite Weltkrieg sogar in meinem Leben präsent; ich bin eine der wenigen Frauen in meinem Alter, deren eigener Vater (und nicht nur, wie meist, der Großvater) tatsächlich im Zweiten Weltkrieg gekämpft hat. Das liegt daran, dass mein Papa, der Pianist Karl-Heinz Schlüter, recht alt war, als ich zur Welt kam. Er hatte schon ein ganzes Leben vorher gehabt. Mein Vater, in Torgau geboren, wurde als Einziger seiner Familie Pianist. Seine Eltern unterstützten ihn sehr. Er kam nach Berlin an die Musikhochschule und studierte Klavier, von einer jüdischen, reichen Dame finanziell gefördert. Als Achtzehnjähriger wurde er eingezogen, bekam aber vorher noch seinen Abschluss mit Auszeichnung. Im Krieg musste er morsen, weil er musikalisch war, und Trompete spielen, doch auch kämpfen. Mein Papa geriet dann für viele Jahre in russische Kriegsgefangenschaft. Er überlebte den Hunger, weil er für die Musik Zigaretten erhielt, die er eintauschte gegen Brot. Er hasste Blasinstrumente, als er aus dem Krieg heimkehrte. Mit der sibirischen Eisenbahn kam er nach Hause zurück, als der Krieg vorbei war, stehend am Fenster, wo er Luft bekam. Um ihn herum starben Menschen im Stehen, erzählte er. Schon ein Jahr später gewann er die ersten internationalen Klavierwettbewerbe im Ausland, obwohl er während der Gefangenschaft natürlich keine Taste anrühren konnte. Er heiratete die Frau, die im Krieg acht Jahre auf ihn gewartet hatte, gründete mit ihr eine Familie, spielte Konzerte und unterrichtete Klavier.

Lange Zeit danach lernte er eine schwedische Musikstudentin kennen und lieben, die bei ihm Klavier lernte. Sie heirateten, und dann kam ich. Als ich ein kleines Mädchen war, erzählte mir mein Vater wenig vom Krieg. Er sagte: »Kleine Mädchen können doch nichts damit anfangen.« Aber von meiner Mutter erfuhr ich später, was er ihr berichtet hatte. Und manchmal ließ mein Papa meine beiden jüngeren Schwestern und mich sogar teilhaben an den lustigen Sachen. Ja, selbst im Zweiten Weltkrieg gab es lustige Sachen. Kaum zu glauben. Meinem Vater widme ich diesen Roman.

Eduard, Hermann, Johannes und Fritz sind in großer Einheit einen schweren Weg gegangen, auch die Menschen um sie herum. Was sie in ihrem Leben und in den Gefängniszellen lernten und aufschrieben, ist ein großer Schatz, der uns erhalten bleiben soll, aus dem auch wir lernen können. Das war und ist meine Motivation für diesen Roman.

»Als Diener Christi soll man uns betrachten und als Verwalter von Geheimnissen Gottes. Von Verwaltern aber verlangt man, dass sie sich treu erweisen.«

1. Korinther 4,1–2

Ann-Helena Schlüter im Frühjahr 2018

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Vier Männer geben ihr Leben –Biografien der vier Märtyrer

Vier Geistliche aus Lübeck, evangelisch und katholisch, werden am 10. November 1943 um achtzehn Uhr ermordet, weil sie aufgrund ihres Glaubens die Ideologie des Nationalsozialismus ablehnten, diese öffentlich kritisierten, Zwangsarbeitern und bedrängten Menschen halfen und Unrecht in Predigten beim Namen nannten. Die Nationalsozialisten verurteilten sie als Verräter und Volksverhetzer in Hamburg zum Tode und richteten sie auf dem Schafott mit dem Fallbeil hin. Die vier Männer wurden Zeugen der Liebe und der Wahrheit und hielten trotz ihrer unterschiedlichen Konfession zusammen. Starben zusammen.

Zu den Helden von Lübeck zählen aber auch viele Bürger, meist weibliche, die aus Liebe Widerstand im Verborgenen leisteten. In diesem Roman geht es um das Leben dieser mutigen Menschen und um die vier Männer in der Öffentlichkeit und darum, wie es sich zugetragen haben könnte in ihren letzten Jahren und Tagen, Stunden und Minuten.

Johann Heinrich Wilhelm Prassek, geboren am 13. August 1911 in Hamburg, Johannes oder Hannes genannt, wird evangelisch und katholisch getauft. Die Eltern sind jung und noch nicht verheiratet. Er erlebt eine Kindheit im jüdischen Viertel Hamburgs, dann den Ersten Weltkrieg und den sogenannten Steckrübenwinter voll Hunger und Armut. Der Vater ist arbeitslos. Doch seine Muter, ein einfaches Kindermädchen, fördert ihn mit allem Geld, was sie auftreiben kann, denn ihr Sohn ist ein sehr guter Schüler und Abiturient, sodass Johannes Theologie studieren kann, was er sich von Herzen wünscht. Er studiert in Frankfurt, Münster und Osnabrück, erlebt 1937 im Osnabrücker Dom die Priesterweihe. Seine Mutter stirbt bereits 1935.

Johannes arbeitet zunächst in Hamburg, anschließend ein paar Monate in Wittenburg (hier steht er schon unter Beobachtung der Gestapo) und zuletzt in Lübeck als Adjunkt, dann als dienstältester Kaplan. In der katholischen Herz-Jesu-Kirche im Zentrum Lübecks nimmt er sich besonders der polnischen Zwangsarbeiter an, kritisiert offen das Regime der Nationalsozialisten, predigt frei und offen und wird von Hans Lüers denunziert, der vorgibt, sich zum Glauben bekehren zu wollen. Johannes wird 1942 von der Gestapo verhaftet, steht in der Haft weiterhin zu seiner Kritik am nationalsozialistischen System und wird am 10. November 1943 mit zweiunddreißig Jahren wegen Hochverrat und Zersetzung der Wehrmacht mit dem Fallbeil hingerichtet; ein junger Mann, der mutig, klug und voller Liebe für bedrängte Menschen gelebt hat. Mit ihm zusammen ermordet werden Eduard Müller, Hermann Lange und Karl Friedrich Stellbrink, alles gläubige Geistliche wie er. Zwei Tage nach seiner Hinrichtung kommt per Post das Luftschutz-Ehrenabzeichen, das Johannes erhalten sollte, da er in der Bombennacht 1942 Kranke und Alte aus den Trümmern des Marienkrankenhauses in Lübeck gerettet hat.

Eduard Müller, geboren am 20. August 1911, erlebt eine ähnliche Kindheit in Hunger und Armut wie Johannes Prassek, allerdings mit sechs Geschwistern; er ist der Jüngste. Die Familie ist arm, der Vater, dessen Namen er trägt, fehlt ganz. Der hat die Familie verlassen, als Eduard noch ein kleiner Junge war. Die Mutter ernährt als Waschfrau sich und die große Kinderschar. Eduard wird Tischler; aber die Arbeit mit Menschen, besonders mit jungen Menschen, und Seelsorge liegen ihm am Herzen. Er möchte Priester werden, ist jedoch mittellos. Ein Kaplan und seine Lehrerin Maria Meures organisieren Geldgeber und sorgen dafür, dass er als »Spätberufener« mit vierundzwanzig Jahren das Abitur nachholen und anschließend Theologie in Münster studieren kann. Es ist ein schwieriger, oft demütigender Weg für Eduard, doch er hält durch, unternimmt in den Semesterferien Auslandsreisen und erlebt drei Jahre nach Johannes und ebenfalls in Osnabrück die Priesterweihe. Er kommt als der dienstjüngste Kaplan nach Lübeck und tritt wenige Wochen nach seiner Priesterweihe seine erste Stelle an. Er lebt mit Johannes und Hermann im Pfarrhaus der Herz-Jesu-Kirche.

Er hat eine Vorliebe für Vögel und Blumen und ist ein sehr geschickter Fotograf. Wie Johannes spricht auch Eduard offen über die Sinnlosigkeit des Krieges und wehrt sich gegen die Tötung von sogenanntem »lebensunwertem« Leben. Doch in seinen Gesprächskreisen im Gesellenhaus sitzt ein Spitzel. Am 10. November 1943 wird Eduard drei Minuten nach Johannes Prassek wegen »landesverräterischer Feindbegünstigung« mit dem Fallbeil ermordet, das Blut seines direkt vor ihm hingerichteten Bruders vor Augen.

Hermann Lange, geboren am 16. April 1912, wächst nicht in armen Verhältnissen auf, sondern erlebt eine bürgerliche Familie und eine gut behütete Kindheit ohne materielle Not, dazu einen Vater, der ihn fördert, schätzt und liebt. Von seinem Onkel und Vorbild, Dompriester gleichen Namens, an dem er hängt, erbt er früh das Verlangen, ebenfalls wie dieser Priester zu werden. So studiert Hermann Lange nach dem Gymnasiumbesuch Theologie in Münster, um auch im Osnabrücker Dom ein Jahr nach Johannes Prassek die Priesterweihe zu erhalten. Sein jüngerer Bruder Paul strebt ebenfalls den Priesterberuf an. Auch Hermann wird als Vikar nach verschiedenen seelsorgerlichen Tätigkeiten und Pfarrvertretungen an die heutige Propsteikirche Herz Jesu in Lübeck berufen.

Er lehnt den Nationalsozialismus entschieden ab, verabscheut ihn geradezu als einen Angriff auf das Christentum und zeigt eine große Liebe zur christlichen Verkündigung, für die er sich sehr gewissenhaft und lange vorbereitet. Auch eine große pädagogische Begabung und Qualität in der Seelsorge junger Männer wird ihm nachgesagt, die er mit Ernsthaftigkeit und Hingabe ausübt. Hermann ist ein belesener, ruhiger und stiller Mann, der Bücher liebt. Er spricht öffentlich von den Kriegsverbrechen und kritisiert die nationalsozialistische Führung. Es wird ihm zum Verhängnis, dass er Flugblätter zusammen mit Karl Friedrich Stellbrink und Johannes Prassek verteilt und die Schriften des Bischofs Graf von Galen, der die Massenmorde an geistig und körperlich beeinträchtigten Menschen anprangert. Als Hermann denunziert und festgenommen wird, leugnet er seine Kritik und Ablehnung des totalitären Regimes nicht, wofür er ebenfalls am 10. November 1943 wegen »Verrat und Heimtücke« enthauptet wird, nur wenige Minuten nach Johannes und Eduard.

Karl Friedrich Stellbrink, genannt Fritz, geboren am 28. Oktober 1894, ist siebzehn Jahre älter als seine katholischen Brüder, mit denen er zusammen am 10. November 1943 durch den Scharfrichter Friedrich Hehr ermordet wird. Von dem Friedrich Hehr, der Tausende von Menschen hinrichtete. Stellbrink, Vater von drei Kindern, ist der Erste, der verhaftet wird: unmittelbar nach dem schweren Bombenangriff 1942 auf Lübeck. Der evangelische Pfarrer Karl Friedrich ist eine schillernde Persönlichkeit und eine Schlüsselfigur in dem Christenprozess, ein Saulus, der zum Paulus wird, was das Evangelium und »das Völkische« angeht. Seine Einstellung ändert sich um 180 Grad.

Fritz, aus einem gut situierten, intellektuellen Elternhaus, möchte nach der Schule zunächst Künstler werden, wendet sich aber dann der Theologie zu, da er nicht an der Düsseldorfer Kunstakademie antreten kann; seine Schul- und Internatserziehung impft ihm ein stark nationales Denken ein. Stellbrink kämpft als junger Mann noch in der Ausbildung zum Pfarrer am Predigerseminar freiwillig im Ersten Weltkrieg und wird 1917 verwundet. Er darf im Herbst heimkehren, holt das Abitur nach, besteht das Predigerseminar, heiratet seine Hildegard und erhält die Ordination. Er möchte im Ausland dienen und wird mit seiner Frau, einer Lehrerin, als »Missionar« nach Brasilien geschickt. Das Paar bekommt dort vier Kinder, ein Mädchen stirbt kurz nach der Geburt.

Karl Friedrich arbeitet acht Jahre als Pfarrer in Brasilien, dann kehrt er heim und nimmt einige Pfarrstellen in der Heimat an, erst in Thüringen, dann in Lübeck. Er ergreift zunächst offen Partei für die Nationalsozialisten. Als er jedoch die anhaltenden Konflikte zwischen der Hitlerjugend und der Evangelischen Jugend erlebt und seine Kinder deswegen aus der Hitlerjugend austreten, kritisiert er die NSDAP und wird ausgeschlossen. Er lehnt Hitlers Massenmorde ab, freundet sich mit den jungen Priestern der Herz-Jesu-Kirche und mit anderen katholischen und jüdisch-christlichen Gläubigen an. Besonders mit Johannes Prassek tauscht er sich aus, arbeitet mit ihm zusammen, verteilt verbotene Schriften und hört verbotene Auslandssender. Fritz Stellbrink äußert sich in seinen Predigten kritisch über die grausame Vorgehensweise der Nationalsozialisten und betrauert öffentlich die gefallenen jungen Männer an der Front. Nachdem er den katastrophalen Bombenangriff auf Lübeck im Frühjahr 1942 in der Predigt am darauffolgenden Palmsonntag als »das Reden Gottes« bezeichnet und diese Attacke damit als »Gottesgericht« betitelt haben soll, wird er nur wenige Tage später verhaftet. Über ein Jahr lang wird er gefangen gehalten, bevor alle vier Geistlichen im Juni 1943 zum Tode verurteilt und im darauffolgenden November im Dreiminutentakt ermordet werden, von Hitler persönlich beauftragt. Scharfrichter Hehr wollte danach schnell nach Hause, um seine Kinder ins Bett zu bringen.

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]

1Die Hitlerjugend

»Was macht denn meine Vogel- und Blumenwelt auf dem Balkon?«

»Meine liebe, liebe Lisbeth, jetzt ist es so weit! Was tat der Meister? Er ließ durch Boten sagen: ›Selig ist, wer sich nicht an mir ärgert!‹«

Mitte April 1941

Hinten ging das Gartentor auf. Eduard Müller stand noch am Balkongitter. Er hatte einige Holzlatten für die Voliere auf ihr Eigengewicht geprüft und Werkzeug bereitgelegt. Die Voliere war noch nicht gebaut, noch nicht sichtbar, aber er wusste schon, wie sie aussehen würde: hell und groß, voller Singvögel. Er musste lächeln. Die Kinder würden bald kommen und helfen, die Voliere an den Seiten weiß zu bemalen. Die kleine Traude wollte sogar innen ein paar blaue Farbtupfer anbringen.

Erst jetzt bemerkte er, dass zwei junge Männer in den Garten gekommen waren. Sie trugen bis oben hin enge, zugeknöpfte Jacken, obwohl es ein sonniger Vormittag Mitte April 1941 war. Braungrau sahen sie aus. Das kurze hellblonde Haar stach unwirklich ab. Sie waren jünger als er, Mitte zwanzig höchstens, kaum älter als seine Gesellen aus den Gesprächskreisen.

Die jungen Erwachsenen und Jugendlichen lagen Eduard in der Seelsorge sehr am Herzen. Er hatte das Gefühl, dass sie ihn brauchten. In dieser Zeit des Krieges kamen sie ihm oft wie Schafe ohne Hirten vor, verwirrt und durcheinander. Die Jugendlichen duzten ihn und liebten es, wenn er mit ihnen schwimmen ging oder Fußball spielte. Auch die Kinder scharten sich um ihn. Sport mit ihnen zu machen, war für Eduard keine Hitlerjugend-Leibesertüchtigung, sondern Beziehungsarbeit. Das größte Geschenk war für ihn, wenn die Jugendlichen und Gesellen ihm vertrauten.

Weil sie ihm vertrauten, stellten sie ihm viele Fragen.

»Was hältst du vom Führer, Eduard?«, fragten sie ihn.

»Ist etwas gegen uns geplant? Betrifft es jetzt auch uns?«

»Was meinst du, was mit Ruth passiert ist? Wo ist sie? Wo hat man sie hingebracht?«

»Und wo sind ihre Eltern? Und unsere Nachbarn? Warum hat man sie geholt?«

So ähnlich ging es mittlerweile jeden Tag. Ständig hörte er erstaunte, ängstliche Fragen. Wie, wann und wo sollte er diese vielen Fragen beantworten? Beim Fußballspielen? Er musste etwas tun. Aber was? Nicht nur die Jugendgruppen organisieren, sondern auch mindestens einen Abend in der Woche für die kleinen und auch die großen Kinder reservieren – und für die Erwachsenen. Vielleicht könnte er eine Versammlung oder politische Diskussionsrunde leiten oder zumindest eine ins Leben rufen. Er musste sich mit Johannes absprechen. Die Menschen sehnten sich nach Antworten. Sie erwarteten Auskunft von einem Geistlichen. Als Priester hatte er Vorbildfunktion.

Es könnte nach außen hin ein Diaabend werden, überlegte er. Mit den Dias aus Rom, falls die Gestapo kontrollieren würde.

Ich muss solche Versammlungsabende kulturell verpacken, dachte er. Meine Dias von den Reisen sind spannend genug und in der Gegend hier beliebt und bekannt geworden. Ich habe so viele davon, dass es bestimmt nicht auffallen wird, damit einen wöchentlichen Abend in Herz Jesu zu planen.

»Offene Diskussionsrunden? Viel zu gefährlich!«, würde seine Schwester Lisbeth sagen. Bei ihrem letzten Telefonat hatte sie ihn scharf kritisiert. Dabei liebte sie ihn und nannte sich in dem Orden, in dem sie lebte, »Schwester Eduarda«, nach seinem Vornamen. »Was, bitte, denkst du, wird Hitler dazu sagen, wenn du die Leute in Lübeck anstachelst, eine eigene Meinung zu haben und Dinge zu hinterfragen und zu verstehen, die er plant?«

»Aber großes Schwesterchen, Hitler weiß doch gar nicht, dass es mich überhaupt gibt. Ich bin ein kleiner Fisch!« So sagte er immer, wenn er eine neue, ungewöhnliche Idee unbedingt umsetzen wollte.

»Da wäre ich mir nicht so sicher, Eduard! Bitte sei vorsichtig. Ich habe von Verhaftungen gehört.« Sie klang alarmiert, wenn sie das Wort »Verhaftung« aussprach oder wenn das Wort »Hitler« fiel. Und diese zwei Worte häuften sich in letzter Zeit.

»Ich will nicht, dass sie dich holen. Du lebst mit Menschen, die verbotene Schriften und Predigten verteilen. Du hörst mit ihnen diese englischen Sender. Wenn das ans Licht kommt! Das ist doch verboten! Wenn du verraten wirst … Wenn dich nur einer verrät … ein Jugendlicher vielleicht, der nicht nachdenkt … eines der Kinder …«

»Die Kinder?«

»Ja, aus Versehen … sich verplappert … dich zitiert … in der HJ … «

»Ich hätte dir gar nichts erzählen dürfen. Du machst dir jetzt nur unnötig Sorgen.«

»Eduard, weißt du denn nicht, wie ernst die Lage ist?«

»Graf von Galens Worte müssen nach Lübeck, müssen ins ganze Land. Dieser Bischof ist mein Vorbild. Ich wünschte, ich könnte so frei und mutig predigen wie er. Ich traue mich einfach noch nicht.«

»Bischof Graf von Galen ist ein alter, erfahrener Mann im Gegensatz zu dir. Warum setzt du dich dieser Gefahr aus? Was wird es bringen? Du bist für die Seelsorge zuständig, nicht für Mutproben dieser Art!«

»Ich bin für die Jugend verantwortlich, Lisbeth. Clemens August schreibt die Wahrheit. Soll das sinnlose Töten etwa weitergehen? Der Nationalsozialismus Hitlers ist nicht vereinbar mit wahrem Christentum. Möchtest du unwürdig leben und schweigen, während um uns herum Menschen ermordet werden, nur weil sie anders sind?«

»Und wenn du ausgeliefert und ermordet wirst? Wem wird das nützen? Wie soll ich dann weiterleben? Du kannst doch solche Schriften nicht verteilen. Denkst du, es wird dich schützen, dass du katholischer Priester bist? Wenn die Gestapo Wind davon bekommt, was du denkst und tust, werden sie dich mundtot machen.«

»Sie können mich nicht einfach holen. Johannes und Hermann haben auch keine Angst. Warum sollte ich welche haben? Nein. Die beiden sind meine Freunde, neben dir die besten, die ich jemals hatte.«

»Und wenn dir die Nationalsozialisten eine Falle stellen?«

»Das Risiko muss ich eingehen. Denk an meine Verantwortung.«

»Dir wurde die Jugendseelsorge anvertraut! Was ist, wenn es dich nicht mehr gibt?«

»Schwesterchen, hab Vertrauen. Gott weiß, was unsere Aufgabe ist. Du glaubst doch auch, dass er zu uns spricht?«

»Achte wenigstens darauf, dass keine Soldaten in deinen Gesprächsrunden sind. Sonst wird es richtig gefährlich, wenn die Gestapo erfährt, dass du dich in irgendeiner Weise kritisch äußerst.«

Ob seine offenen Diskussionsrunden der Gestapo auffallen würden oder nicht, wie sollte er es wissen? So etwas machte er doch auch zum ersten Mal.

»Herr Müller?«

Eduard wurde aus seinen Gedanken gerissen. Die beiden Männer unter ihm im Garten blickten sich um, schritten um die Decken, Bibeln und Kissen im Gras, die von gestern liegen geblieben waren, und suchten ihn offenbar. Es war keine Neugierde, es war ein geübtes Schnüffeln, ein professionelles Kontrollieren und Aufspüren wie bei scharfen, trainierten Hunden. Sie steckten ihre Nasen in die Luft, als würden sie etwas wittern. Ihre Gesichter waren ausdruckslos, die mechanischen Blicke beängstigend und einschüchternd. Was wollten sie hier? Es war Mittwoch, später Vormittag. War etwas Besonderes vorgefallen? Sie waren doch noch nie hierhergekommen.

Eduard war froh, dass er auf dem Balkon stand. Sicherheitsabstand. Einer von beiden hob eine Bibel hoch und blätterte darin. Er ließ sie wieder fallen, als wäre sie etwas Widerwärtiges. Dann stießen sie mit ihren Stiefeln gegen die alte Schubkarre, blickten umher.

Schließlich entdeckten sie ihn.

Eduard sah von oben direkt in die Augen des Größeren. Ein strenges, beinahe hartes junges Gesicht mit Mütze und Tuch. Eduard konnte nicht lächeln und grüßen, wie er es sonst tat. HJ. Er hatte ja schon in den ersten Momenten geahnt, dass diese zwei Männer aus der Führung der Lübecker Hitlerjugend sein mussten.

»Heil Hitler!«, riefen sie und hoben den Arm.

Eduard konnte sich nicht bewegen.

Der Größere der beiden kam immer näher an das Balkongitter heran. Eduard konnte auf beide herabsehen. Obwohl die Männer unter ihm standen, wirkten sie gefährlich. Der Abstand war Eduard angenehm und schwächte das Gefühl von Bedrohung. Trotzdem spürte er die Kälte, die von ihnen ausging, bis zum Balkon hinauf.

»Herr Müller? Kommen Sie bitte herunter, Herr Müller! Wir müssen mit Ihnen reden.«

Er nickte und bewegte sich nicht.

Nun kam auch der kleinere Mann näher. Er maß den Rasen mit langen Schritten ab. Es sah komisch aus, wie er ging.

»Müller, Sie wissen ja, heute Nachmittag ist Heimnachmittag«, sagte der größere Fremde.

Eduard nickte. »Ja, das weiß man«, antwortete er.

»Nun kommen Sie schon, Herr Kaplan, wir haben ein hervorragendes Angebot für Sie! Sie werden staunen!«

Langsam drehte sich Eduard um und ging ins Haus. Verstecken ging nicht, auch wenn er kurz und kindlich mit dem Gedanken spielte. Aber er war kein Kind. Er stieg die Treppen hinunter, am Zimmer des Dekans und an der Küche vorbei. War Albert Bültel nicht zu Hause oder hatte er Angst? Seine Tür war zu. Musste er ihn ausgerechnet jetzt alleine lassen? Eduard nahm sich Zeit für ein Stoßgebet, bevor er aus dem Haus unten wieder ins Freie trat.

Da waren noch immer die Männer in ihren braunen Pumphosen, unten eng, oben weit, dazu Gürtel und schwarze Stiefel. Trugen sie Waffen? Sicher nicht. Er sah neben den Männern die Spielsachen der Kinder im Gras und die Bibeln, die die Jugendlichen nach der gestrigen Jugendgruppe vergessen hatten. Wie gut, dass es nicht geregnet hatte über Nacht, dachte er noch und lächelte über diesen Gedanken.

Die Männer warteten. Eduard kam mit schweren Schritten. Er kam sich vor wie ein kleiner Junge, dabei war er ein erwachsener Mann, ein Studierter, ein Theologe, älter als die beiden Männer vor ihm, stärker, größer.

»Nun, Herr Müller« – man schüttelte ihm die Hand – »wir wollen gleich zur Sache kommen. Die Hitlerjugend braucht einen fähigen jungen Mann wie Sie! Deswegen sind wir hier!« Diesmal redete der Kleinere von beiden. Er war deutlich kleiner als Eduard.

Eduard sah zur Seite. Sorge, Zuneigung und Mitgefühl waren in ihm hochgestiegen, alles gleichzeitig, und er wollte nicht, dass der Fremde diese Gefühle in seinen Augen las. Er konnte schon immer nur schwer verbergen, was in ihm vorging.

»Müller, seien Sie nicht überrascht, wir haben entschieden: Sie arbeiten ab heute mit der Jungenschaft der Hitlerjugend! Das ist eine Ehre für Sie. Wir haben von Ihrer Kreativität gehört und wollen Sie gern für uns gewinnen. Das wird eine schöne Veränderung für Sie!«

»Ich bin Priester«, sagte Eduard.

Der kleine Mann hüstelte. »Das wissen wir. Nun, das Jungvolk sucht Menschen wie Sie, die begeistern können. Sie können doch begeistern, oder nicht? Wir haben immer wieder von Ihrer sehr erfolgreichen Arbeit mit den Jugendlichen gehört! Sie haben wirklich ein Händchen für unser junges Volk! Gratulation!«

Eduard hörte diese Worte wie aus weiter Ferne. Er konnte es nicht fassen, ausgerechnet von der Reichsjugendführung gelobt zu werden. Das war das Letzte, was er erwartet hatte. Sollten sie ihn bedrohen und beschimpfen, aber loben? Die Eltern seiner Jugendlichen hatten dies nicht ein einziges Mal fertiggebracht. Ihm Anerkennung entgegenzubringen. Und da kamen diese beiden Männer von der Hitlerjugend daher und lobten ihn.

Seine Mutter hatte ihn oft ermutigt, aber sie war tot. Der Vater hatte die Familie mit den insgesamt sieben Kindern verlassen, als Eduard klein war, und die geliebte Mutter musste ihn und seine Geschwister irgendwie durchbringen.

Und Lisbeth? Hatten seine große Schwester oder seine anderen Geschwister jemals etwas Anerkennendes zu seinen Plänen gesagt? Lisbeth schon. Doch die Zeiten waren schwer, zu schwer für Erbauung; für Lob schien kein Platz zu sein. Dabei hatte er sich so sehr nach ein paar aufmunternden Worten gesehnt. Dass diese nun ausgerechnet aus der Richtung der Abgesandten Adolf Hitlers kamen, erschreckte ihn und schmeckte ihm bitter. Wie paradox und traurig! Doch es stimmte. Die Jugendlichen liebten ihn und kamen in Scharen in seine Jugendgruppen, und das, obwohl sie bereits mindestens zweimal die Woche in die Hitlerjugend gehen mussten – mittwochs und samstags – und dadurch völlig eingespannt waren. Vielleicht kamen sie gerade deswegen dennoch gern zu ihm, um diese Müdigkeit des Eingespanntwerdens und die Schikanen in der HJ wieder loszuwerden. Auch die Mädchen schauten oft vorbei, obwohl ihre Zeit mit Gesundheitsdiensten und BDM, der Hitlerjugend für Mädchen, von den Nationalsozialisten immer mehr eingesaugt wurde.

»Herr Müller, Sie wirken so abwesend! Geht es Ihnen nicht gut? Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen, unsere Heimnachmittage der HJ unterscheiden sich in nichts von Ihren Jugendgruppen!«

»Oh doch, das tun sie!«, sagte Eduard.

»Nun, wir hoffen, das tun sie nicht!«

Eduard schloss die Augen. Er dachte an seine Voliere für die Singvögel. Es würde eine große Außenvoliere werden. Die unterschiedlichsten Vögel sollten darin Platz zum Fliegen haben. »Wird in der Hitlerjugend in der Bibel gelesen? Wird Gott gelobt?«, fragte er schließlich.

»Kommen Sie mir nicht mit der Bibel, Müller. Lenken Sie nicht vom Wesentlichen ab. Das Wesentliche ist und bleibt allein der Führer!«

»Ich möchte mit meiner Arbeit keineswegs Konkurrenz sein, falls das Ihre Befürchtung ist!«, sagte Eduard.

»Sie sind keine Konkurrenz, überschätzen Sie sich nicht, mein Bester. Allein der Gedanke ist absurd. Diesen lächerlichen Christenkram kann man nicht auf dieselbe Stufe stellen mit der durchdachten Ausbildung, die der Führer unserem Jungvolk gnädiglich ermöglicht und zugedeihen lässt.« Das Gesicht des Größeren, der immer noch kleiner war als Eduard, zeigte einen kalten Ausdruck und seine Augen waren plötzlich voller Verachtung. Er sah aus, als würde er gleich nach ihm schnappen wie ein abgerichteter Schäferhund. So schnell konnte Lob in Hass umschlagen.

Der Kleinere schlug Eduard freundschaftlich auf den Rücken. »In der HJ laufen, schwimmen, basteln, bauen und lesen wir zusammen«, schwärmte er.

»Und singen – ja, das auch. Wir singen und spielen Fußball. Sie singen und basteln doch auch gern und gut zusammen mit der Jugend, wie wir gehört haben?«, sagte der Größere.

Eduard sah auf den Boden. Woher wussten diese Männer so genau, was er gerne und gut tat? Das erneute Lob hatte ihn berührt, was ihn beschämte und nun einen schlechten Nachgeschmack in ihm auslöste. Seine Seele schien sich in ihm zu wölben und aufzustellen, wie sich die Zunge wölbt, wenn man würgen muss. »Was wollen Sie?«, fragte er. »Woher kennen Sie mich?« Er konnte sich doch nicht einfach und ohne Gegenwehr ködern lassen. Und er würde auch keine weiteren lobenden Worte mehr erlauben. Dieses unangenehme Gespräch sollte möglichst schnell einen Abschluss finden.

Der Kleinere lachte. »Was wir wollen? Mein Guter, denken Sie nach. Wir haben es doch schon gesagt!«

»Sie kennen doch sicher unsere Schriften?«, fragte der Größere. Dann zog er etwas aus seiner Umhängetasche. Eine Mappe. Er hielt sie hoch.

Eduard las die Titel: Brandstifter Jude und Die Reinerhaltung des Blutes. Wieder würgte seine Seele. Eduard dachte an seine Schwester, damit das Würgen aufhörte. Er musste sich ablenken. Die zarte Lisbeth mit den klugen, schönen Augen. Eigentlich waren Lisbeths Ermahnungen ein verstecktes Lob, wurde ihm jetzt klar. Sie machte sich eben Sorgen, weil seine Ideen erfolgreich waren und sich umsetzen ließen, trotz allem. Sie würde sich ja keine Sorgen machen, wenn seine Pläne nur Geschwätz wären und Theorie blieben. Was würde sie jetzt sagen an seiner Stelle, wie würde sie reagieren? Wenn diese Männer in ihrem Garten ständen, was täte sie? Sie käme wohl gar nicht erst in diese missliche Lage. Sie hatte keine Versammlungsidee und plante keine große, nach außen hin sichtbare Außenvoliere auf ihrem Balkon. Würde sie ihn für verrückt erklären?

Vieles durfte er Kollegen erst gar nicht erzählen, da die Vorbehalte gegen seine neuen Ideen zu groß waren.

»Sei doch nicht so ausgefallen mit dem, was du tust! Du bist Priester! Hüte dich vor der Gestapo«, waren die ständigen Warnungen seiner Schwester. Liebevoll verstecktes Lob.

Lisbeth war einmal dabei gewesen, als er mit den Kindern über Hitler sprach. »Warum musst du immer ein Risiko eingehen? Glaubst du, das hätte Mutter gefallen? Du kannst doch nicht diesen Kindern erzählen, Hitler habe ein psychisches Problem!«

Sie hatte ja recht. Er sagte niemandem, dass auch er sich manchmal fürchtete. Das besprach er nur mit Gott allein. Wieso sollte er seine Schwester damit belasten? Sie sorgte sich ohnehin die ganze Zeit. »Ich habe so dunkle Vorahnungen, Eduard«, sagte sie manchmal. »Wo ist mein Glaube?«

»Lies die Psalmen, die Mutter uns in unserer Kindheit so oft vorgelesen hat«, erinnerte Eduard seine liebe Lisbeth dann.

»Uns geht es um die Reinerhaltung des Blutes in unserem Volk«, holten ihn die beiden Männer in die Wirklichkeit zurück. »Unser Krieg ist gut. Es geht um Säuberung, um Reinigung, um die dringende Reinerhaltung des Blutes! Alles, was rein ist, tut auch Ihnen gut. Oder mögen Sie Schmutz?«

Eduard träumte sich fort. Wo sollte die Voliere eigentlich stehen? Links würde sie sein Schlafzimmerfenster ganz zustellen. Also war rechts besser. Die Jungs wären jedenfalls von der Voliere begeistert.

»Kommen Sie am besten gleich mit uns mit!« Eduard wurde aus seinen Gedanken aufgeschreckt, als erneut eine Wagentür zugeschlagen wurde. Wie viele der Männer warteten wohl draußen in einem Auto?

Der größere Mann baute sich vor ihm auf und räusperte sich ungeduldig. »Müller! Packen Sie Ihre Sachen! Wir warten im Wagen. Sie wissen ja, was in ein paar Tagen geschieht? Am 20. April? Na? Beeilen Sie sich. Des Führers Geburtstag! Wir haben heute Abend die letzten Vorbereitungen für den Geburtstag Adolf Hitlers zu treffen! Was sagen Sie?«

Eduard reagierte nicht. Er dachte an die Kinder. Sie fingen an, seine Liebe zu Vogelstimmen und zu Bäumen und Tieren zu teilen, was sie noch vor einem Jahr selbst nicht gedacht hatten. Früher fanden sie Pflanzen und Vögel langweilig. Aber jetzt war es anders. Vielleicht, weil das Singen der Vögel und ihre bunte Schönheit einen solchen Kontrast darstellten zur Realität, in der sie lebten. Und diese Realität war die Hitlerjugend – eine andere Welt als die, die Eduard aufzeigte und ihnen anbot. Seine war eine Gegenwelt. In der HJ wurden die Kinder gedrillt und über Straßen und Plätze gejagt, auch die Kleinen, die Zehnjährigen – und jeder Schmutzfleck auf der Uniform und jedes kleinste Zuspätkommen wurde hart bestraft. Bei ihm sollte es ganz anders sein. Die Kinder sollten gern kommen, freiwillig, lachen, singen, beten und Geschichten hören dürfen, die sie liebten. Und vor allem: Vertrauen und Gemeinschaft lernen.

Die Mädchen waren ohnehin Feuer und Flamme für alles, was er tat. Sie durften eigentlich nicht am Jungenkreis teilnehmen. Aber Eduard ließ sie immer mal wieder dazustoßen, was den älteren Jungs natürlich gefiel. In der HJ war alles streng getrennt, nach Geschlecht, Alter und Können. Eduard versuchte, zu verbinden.

Er wurde aus seinen Gedanken aufgeschreckt, als sich der größere Mann vor ihm aufbaute und ungeduldig räusperte. »Leiden Sie unter Schwächeanfällen oder Konzentrationsproblemen, Müller? Hören Sie zu. Die Reinerhaltung des Blutes …«

»Mit mir geht das nicht«, unterbrach ihn Eduard.

»Wir freuen uns, dass wir Sie für unser Vorhaben gewinnen konnten«, sagte der kleine Mann, als hätte er nichts gehört.

Eduard sah ihm in die Augen. »Ich sagte, mit mir geht das nicht.«

»Es ist eine große Ehre für Sie, das wissen Sie ja, deswegen sind Sie wahrscheinlich auch verwirrt und sprachlos!«

»Ich bin nicht sprachlos. Welches Vorhaben?«, fragte Eduard. Seine Gedanken irrten und ächzten. Wie kam er hier nur wieder heraus? Die Männer akzeptierten kein Nein. Wie hoch war das Risiko, sich zu wehren?

»Nun, Herr Müller, Sie kennen doch unsere Arbeit. Wir haben gehört, dass Sie ein guter Redner sind. Diesen Eindruck haben wir bisher zwar nicht von Ihnen gewonnen, aber sicher tauen Sie auf, wenn Sie viel junges Volk vor sich haben!«

Eduard erinnerte sich an seine eigene Kindheit. Schwer war sie gewesen, die Armut, der fehlende Vater, der auf und davon gegangen war, dessen Beerdigung vor Kurzem er aus Wut und Schmerz nicht hatte besuchen wollen, was er nun bereute; die Mutter, die treu die große Kinderschar allein versorgt hatte … Ach, die Mutter! Ohne ihre Psalmen jeden