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"Wer eine Reise macht, der kann was erzählen" - und so ist auch mit einem Schiff. Es gibt die kuriosesten Erlebnisse. Staunen, Lachen, Kopf schütteln. Alles kommt vor. Da kam mir die Idee - das muss man irgendwann festhalten. Freizeit-Kapitäne und Kapitänsfrauen kommen hier zu Wort und erzählen uns was sie so alles erlebt haben. Und so Manches hilft sicher auch uns künftig Fehler zu vermeiden. Seid gespannt und neugierig was sie uns zu sagen haben.
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Seitenzahl: 183
Veröffentlichungsjahr: 2021
Gleich zu Anfang ein persönliches Wort von mir zum Buchtitel und zu den Geschlechtern, um Missverständ nisse im Ansatz zu vermeiden
Er, der Titel, klingt ausgesprochen männlich, da habt ihr Recht. Mir ist sehr wohl bewusst, dass Skipperinnen mindestens ebenso gut oder genauso weniger gut drauf sind wie die Herren am Rad oder an der Pinne. Ich habe auch sehr lange überlegt, wie ich den Buchtitel wählen soll. Ehrlich gesagt, mir ist einfach nichts Besseres eingefallen, was in Kurzform das zum Ausdruck bringen könnte, was eben „im Buch drinnen ist“. Und ehrlich gesagt, „Freizeit-Kapitäne, Kapitäninnen und Crewmitglieder*innen“, das war mir dann doch zu unheimlich. Außerdem ist die Wortanzahl bei einem Buchtitel sehr begrenzt.
Also, schaut einfach genau hinein, in das Buch, dann werdet ihr sehen, dass Frau Kapitän und auch die weibliche Crew gut vertreten sind. Also, nichts für ungut, ich wollte nur einen „Knoten“ vermeiden.
Für meine liebe Bord-Frau Elke, und somit mit mir gemein sam die gesamte Crew auf unsere“m“ Albatros. Sie hat alles was hier erzählt wird selbst miterlebt und mitgehört, über manches gestaunt, gelacht oder den Kopf geschüttelt und sich nur gewundert. Scheinbar gibt es nichts, was es nicht gibt.
Zehn Meter hohe Wellen, 15 Knoten ‚Speed und das nur mit der Genua, fast durchgekentert, dem Weißen Hai nur knapp entkommen, mit einer riesigen Wasserhose Achterbahn gefahren oder von Blitzen getroffen und doch überlebt.. Aber, „alles im Griff.auf dem (fast) sinkenden Schiff“ – meinte schon Udo Lindenberg in einem seiner vielen Songs.
Ja, ob wirklich immer alles so stimmt was da so erzählt wird ist natürlich die große Frage. So manche oder mancher an Bord hat schon einen Delfin mit einem Hai verwechselt, weil dieses freundliche Tierchen ebenso eine Rückenflosse hat, die aber doch ganz anders aussieht. Und ein Hai ist noch lange kein Weißer Hai und, obwohl ich eigentlich keinem dieser Artgenossen im Wasser begegnen möchte, sind doch viele davon völlig ungefährlich und nicht angriffslustig. Was die Wellenhöhe angeht, ist ihre Einschätzung wirklich nicht einfach und zwischen drei Meter und fünf Meter zu unterscheiden gehört eine gehörige Portion Sachverstand. Zugegeben, wenn so eine wilde Dünung Achtern auf das Heck zurollt kommt man schon ins Grübeln und Blitze gehören nun wirklich auch nicht zu meinen Freunden.
Aber um diese Dinge soll es hier nicht gehen. Ich will einfach Erlebnisse, Geschichten und Erfahrungen von Freizeitkapitänen, Kapitänsfrauen oder Crewmitgliedern präsentieren. Viele davon als kleine Episoden mit einem kräftigen Schuss Humor – und vielleicht mit dem kleinen Nebeneffekt, den ein oder anderen „Fehler“ selber zu vermeiden.
Wir, das sind meine Frau Elke und ich, sitzen gemütlich am Tisch eines Restaurants im Süden Europas, mit am Tisch ein uns unbekanntes Pärchen. Elke und ich unterhielten uns angeregt über die Wetterlage der kommenden Wochen und über die Frage, wann wir aus unserer Marina auslaufen werden. Unser Gespräch scheint auf Interesse gestoßen zu sein, denn schon wurden wir gefragt, ob wir auch Segler seien. Nach einem bestätigenden „Ja“ kam es dann unvermittelt zu einer Unterhaltung. Zugegeben, meine Masche ist es nicht, sich über Boote, Wohnmobile oder ähnliches zu unterhalten. Na ja, und so kam es eben doch zum Austausch einiger Erlebnisse. Die Idee, doch einmal etwas genauer hinzuhören und das Ganze festzuhalten war damit geboren und hat mich letztlich veranlasst, Erlebnisse, Beobachtungen und Erzählungen vieler Yachties aller Altersklassen in Buchten, Häfen und auf dem Meer festzuhalten. Oft waren es zufällige Gespräche von Bord zu Bord, in einem Hafen, in einer kroatischen Konoba, einer griechischen Taverne oder in einem italienischen Ristorante. Manche Texte haben uns die Personen auch nachträglich geschickt und wir haben sie, bis auf kleine Korrekturen, unverändert übernommen. Mehrmals haben wir aber auch gezielt Skipper*innen und Crewmitglieder angesprochen und nach ihren Meinungen gefragt. Lustige Episoden, Erlebnisse, die zum Schmunzeln anregen, aber auch auszusprechen, was nervt, worüber man den Kopf schüttelt, ja sich sogar so richtig aufregen kann. Dabei geschieht manches durch Unachtsamkeit und auch „alten Hasen und Häsinnen“, kann schon mal das eine oder andere passieren. Bekanntlich sind noch keine Meister*innen vom Himmel gefallen und unsere Freizeitgesellschaft ist eben schnelllebig. Nicht immer sind die Kenntnisse und Erfahrungen durch erlebtes Tun vorhanden und die notwendigen Kurse, die dann zu den begehrten Scheinen führen, sind meistens eher technokratisch und theoretisch. Also, warum nicht einmal darüber nachdenken, helfen und sich helfen lassen. Was gibt es Schöneres als das Freizeitabenteuer „mit einem Schiff selber unterwegs zu sein“ und das Ganze ohne Ärger und Stress zu erleben. Arroganz und Selbstherrlichkeit sind immer der falsche Weg, auch auf dem Meer, egal ob Segel- oder Motoryacht.
Und was so manche oder mancher erzählen kann aus ihrem oder seinem bisherigen Privat-Skipper-Leben oder als Crewmitglied, da kann man nur staunen. Und in vielen Fällen denkt man sich auch ganz heimlich, na das hätte ich aber „von dem“ oder „von ihr“ gar nicht gedacht.
Ursprünglich wollte ich keine eigenen Erfahrungen und Erlebnisse präsentieren, sondern nur die von anderen Skipper*innen oder Crewmitgliedern. Aber irgendwie hat es mich dann doch gereizt, auch etwas beizusteuern.
Für „Erlebt und erzählt von“ und „Hauptdarsteller“ habe ich mich entschlossen, da es mir manchmal vorkam als wäre der oder die Erzählende Hauptdarsteller*in in einem Film, der gerade als Hafenkino läuft.
Regattasegler*innen, die mit Hightech Geräten Non Stop die Welt umsegeln, könnten sicher viel erzählen, aber um das geht es hier nicht. Es geht um ganz „normale“ Freizeitkapitäne und ihre weiblichen Artgenossen.
Also, sind wir gespannt was sie uns so zu erzählen haben.
Hauptdarsteller
Ingrid und ein Marinero
Erlebt und erzählt von
Ingrid und Alfons
Ja, was es doch so alles gibt. Alfons und Ingrid, zwei waschechte bayrische Gewächse und heute auf einer geräumigen 45-er unterwegs haben allerdings auch einmal viel kleiner angefangen. Obwohl sie auch bereits seit mehr als zehn Jahren in derselben Marina liegen wie wir, hatten wir nie persönlichen Kontakt. Auch kein Wunder, denn wir lagen an absolut unterschiedlichen Stegen. Durch eine Sanierung der Stege wurden wir zeitweise verlegt und so kamen wir zusammen.
Und, so wie es eben oft üblich ist und man irgendwie die gleiche Einstellung zum Leben auf einem Boot hat, ergeben sich Erlebnisse und Geschichten, an die man sich gerne erinnert. Wir haben zum Beispiel dieselbe Meinung zum hüllenlosen Baden. Damit hier kein Missverständnis aufkommt, Nacktheit ist ja keine Schande und auch keine Sünde, auch wenn man dem einen oder anderen Gesangbuch angehört. Aber muss man sich bei jeder Gelegenheit anderen zur Schau stellen und gar noch splitternackt einer Bojenkassiererin die Gebühr übergeben. Ebenso sind wir zum Glück derselben Meinung, dass man nicht unbedingt die gesamte Haut in voller Breitlage zeigen muss wenn man an einem Kai in einem Ort liegt. Ich habe jedenfalls noch niemand kennen gelernt, der nackt im Kofferraum seines Autos auf einem Parkplatz in einem Ort sitzt.
Und schon war Ingrid´s Story bereit, die schon einige Jahre auf dem Salzbuckel hat, aber irgendwie schön ist. Die Beiden hatten damals eine 26-er Traileryacht und waren im Bereich Istrien unterwegs. Der Segeltag neigte sich langsam dem Ende zu und sie entschieden sich für einen offiziellen Kai eines Camps. Alfons an der Pinne, Ingrid am Bug, bereit die Leinen an den inzwischen bereit stehenden Marinero zu übergeben. Durchaus auffällig war sein Kostüm – oben T-Shirt, unten nix, also unten ohne. Na ja, dachte sich Bordfrau Ingrid, ist ebenso. Wenn er meint, dass er unbedingt seine allerschönsten Teile präsentieren muss, soll er doch ruhig tun. Ohne gewisse Dinge in den Leinen zu verheddern und diese zu beschädigen, übergab er die Festmacher an Ingrid, die sich auch brav bedankte und ihm dabei in die Augen sah beziehungsweise maximal bis zum T-Shirt-Ende.
Als sie aber glaubte, dass das schon das Ende des Anlegemanövers wäre, lag sie absolut falsch. Denn jetzt kam der unmissverständliche Befehl des Campinghafenmeisters: “So, jetzt zieh dich aber sofort aus“. Das Gehirn sendete einen unmissverständlichen Verdacht – der spinnt offenbar. Nein, ich zieh mich nicht aus, der kann mich mal.
Alfons regelte das Problem, indem er „oben ohne aber unten mit“ eine Vereinbarung mit dem Untenohnemarinero traf: „Wir ziehen uns hier nicht aus, bleiben aber freiwillig in FKK-Quarantäne an Bord.“
„Nicht, dass wir ein Problem mit FKK gehabt hätten“, meinte Ingrid, „aber es war mir einfach zu blöd, mich von so einem Typen anraunzen zu lassen, wann ich mich auszuziehen habe.
Pasta. Aber lustig war es doch irgendwie.
Hauptdarsteller
Rüdiger alias Carlo und Lorenzo aus Italien
Erlebt und erzählt von
Marika und Rüdiger
Carlo ist ein alter Seebär und mit fast allen Wassern gewaschen. Eigentlich heißt er Rüdiger, aber da das Schiff Carlo II heißt, hört er eben auf den Namen Carlo. Und so kennt man ihn auch überall. Würde man nach Rüdiger fragen, würde man nur fragendes Kopfschütteln erwidern. Halt, fast hätte ich vergessen – ständig mit an Bord ist natürlich seine Crew. Sie hört auf den Namen Marika und ist ebenso lang unterwegs wie er. Carlo II ist eine wunderschöne klassische Biga mit Holzausbau, wie man heutzutage auf den meisten Plastikschüsseln eben nicht mehr findet. Ihr persönlicher Heimathafen ist ein kleiner Ort in der Nähe Forggensees im Allgäu und ihr langjähriges Segelrevier ist die kroatische Adria.
Ich lernte die Beiden kennen als wir wegen drohender schwerer Bora mit Gewittern eine Zwangspause in einem winzigen Hafen einlegen mussten. Drei Tage dauerte das Ganze, aber es hat sich am Ende doch gelohnt. Als ich auf meiner Gitarre, die eigentlich meistens mit an Bord ist, friedlich dahinzupfte, meldete sich Rüdiger, sorry Carlo natürlich, und erzählte von seiner musikalischen Vergangenheit. Leider hatte er sein Schlagzeug und sein Akkordeon und sein Keyboard nicht an Bord. Also, wir verstanden uns vom ersten Moment an und tauschten bei genügend Flaschen so manches Erlebnis aus. Der Renner war ein Roter Secco von einer uns bekannten Winzerfamilie in Franken. Unsere Wege kreuzten sich in den Jahren immer wieder und immer wieder ist es ein schönes Erlebnis mit den Beiden zu quatschen.
Und schon hatte Carlo eine Story in der Pipeline, die eigentlich fast nicht zu glauben ist, aber, wie man selbst weiß, durchaus nicht so selten ist. Lassen wir ihn einfach erzählen.
„Wir liegen an der Kaimauer in Zaglav, wie immer seit vielen Jahren. Hier bleiben wir auch meist ein paar Tage, gehen in der gemütlichen Konoba zum Essen und kennen eine Reihe Einheimischer, die sich immer freuen wenn wir kommen. Aber in diesem Jahr war manches anders, wohlgemerkt nicht alles. Es nähert sich eine Segelyacht, die um einiges länger ist als unser kleiner Carlo II mit seinen rund 8 Metern und beginnt uns den Platz streitig zu machen. Als er begreift, dass ich diesen Platz mit Zähnen und Klauen verteidigen werde legt er sich so knapp neben uns, dass seine Bordwand unsere fast berührt. Seine lächerlichen drei Fender, die ohnehin falsch platziert waren änderten daran nicht wirklich etwas – und unsere sind eben doch etwas kleiner. Toller Typ, ein Skipper wie man ihn sich wünscht! Wir liegen mit dem Bug zum Kai. Und was kommt da? Sechs Yachten, also eine Flotille. Damit ist alles klar – dieser Supertyp ist so etwas was man meist als Leader bezeichnet. Also der Alleskönner auf der Leaderyacht mit wehenden „Betttüchern“ meist am Achterstag, ausgerüstet mit mobilem Funkgerät und natürlich tollem T-Shirt mit Namen, damit man ihn auch richtig ansprechen kann. Dieser Typ hörte auf den Namen Lorenzo. So, jetzt wurde Lorenzo aktiv, denn es galt die überwiegend Unwissenden auf den Flotillen-Yachten an ihr Tagesziel zu bugsieren, ohne größere Schrotthaufen zu verursachen. Jeff hatte einen Plan, er legte alle sechs ins Päckchen neben uns. Gut, sein Problem. Aber, was macht er jetzt? Er fummelt an einer dünnen Leine, eher eine Schnur, herum und beginnt sie hoch zu holen. Spinnt der, das ist die Sorgleine unserer Muring und jetzt beginnt er seinen Kahn an dieser Leine zusätzlich zu fixieren. Es reicht, ich beginne zu toben, mein Gesicht nimmt teuflische Züge an und verfärbt sich rot. Mach die Leine los und zwar schnell. Warum machst du so einen Mist, fragte ich ihn. Seine klare und unmissverständliche Antwort: Vieni stasera Bora – aha, heute Nacht kommt also Bora.
Es reicht, ich kündige unmissverständlich an, dass ich die Leine durchschneide, wenn er sie nicht sofort löst. Meine Drohgebärden waren offenbar so beeindruckend, dass er es doch befolgte.
Jetzt trat Marika auf die Bühne und fragte ihn, ob er überhaupt weiß was Bora ist. Als die Antwort ausblieb erteilte sie ihm eine unmissverständliche Lektion Nachhilfe zum Thema Wetter auf der Adria. Auf eine Kontrolle durch mündliche Abfrage hat sie dann doch verzichtet. Und so bleibt ihre persönliche Benotung ein Geheimnis.
Hauptdarsteller
Ankerwinsch
Erlebt von
Elke und Gerhard
Das Segelpaar Heide und Erich Wilts berichten in ihrem Buch „Im Sturm – Segeln im Extremwetter“ in einem Abschnitt über Ankerketten viel Interessantes und Nützliches, von dem ich einen Tipp sofort auf unserer Segelyacht umsetzte. Eines hat mich aber überrascht, denn sie schreiben, dass ihre Ankerwinsch in den rund 40 Segeljahren rund 30 mal ausgefallen ist. Umgerechnet heißt das, dass im Durchschnitt von 1 1/3 Jahren dieses unbedingt notwendige Gerät seinen Dienst versagte. Eine Ankerkette mit der Kurbel zu heben ist immerhin ein Erlebnis und erspart sicher den Eintritt in ein Fitnessstudio. Ehrlich gesagt, ich hatte auch schon mehrmals darüber nachgedacht, ob dieses Gerät nicht doch einmal seinen Dienst versagt und in den Streik tritt, wofür ich durchaus Verständnis hätte bei der enormen Arbeitsbelastung. Aber ich verdrängte diesen Gedanken und hoffte auf seine Treue und Zuverlässigkeit.
Nix da, offenbar hatte unsere „Winschi“, nennen wir sie einfach mal so, die Schnauze voll und überlegte sich, ob sie nun doch einmal in den Streik treten solle. Zugegeben, sie war zumindest so nett und kündigte ihr Vorhaben irgendwie an.
Wir ankerten im Ionischen Meer nach der Überfahrt von Otranto in einer einsamen Bucht auf rund 16 Metern Wassertiefe. Da Gewitter und starker Wind drohte und außer uns nur eine weitere Yacht ankerte, gönnten wir uns 50 Meter Kette für eine ruhige Nacht. Als wir am anderen Morgen nach dem Frühstück auf „Winschi“ aufweckten hatte ich den Eindruck, dass sie irgendwie zickte. Vielleicht war sie noch nicht so richtig wach, jedenfalls hatte sie einige Aussetzer, was mich schon stutzig werden ließ. Letztendlich war aber die Kette dann doch im Kasten. Keine Ahnung, aber leichtes Unbehagen blieb doch.
Auf geht’s Kurs Paxi. Es ist Angang Juni, nicht viel los, keine andere Yacht weit und breit. Denkste, stimmt nur für das Meer, wie meist. Anker-, Bojen- oder Kailieger sind überall gleich – um 9 Uhr aufwachen, Frühstück, ausruhen vom Morgenstress, um 11 Uhr den Platz verlassen und spätestens um 13 Uhr in der nächsten Bucht ankern, Boje sichern oder anlegen. Als wir Irrgläubigen um 15 Uhr in der schmalen Ankerbucht ankamen war natürlich alles voll belegt. Eine kurze Inspektionsfahrt lieferte das Ergebnis, keine Lücke.
Elke war da anderer Meinung, sie erspähte mit Adlerblick eine Lücke, eher ein Lückchen zwischen zwei 50ern. Eine davon unbesetzt, die andere gehörte einem Paar aus Frankreich. Nach kurzer Diskussion, wie sie bekanntlich bei Paar-Crews regelmäßig üblich sind und nicht im Konjunktiv geführt werden war klar, Cäptn, du musst in diese Lücke einschippern. Alles klar, Rückwärtsgang, Anker runter, Kette stecken, Seitenwind keiner und schon wartet die freundliche französische Crew auf unsere Heckleinen. Ankerkette spannen. Denkste, da spannt sich nichts. Bittere Erkenntnis, das Eisen hält einfach nicht.
Kein Problem, Heckleinen los und das ganze Manöver nochmal. Wie kann es anders ein, Poseidon ist erwacht und hat seine Windmaschine eingeschaltet, natürlich von der Seite. Also, los geht’s, Anker runter, Kette stecken. Elke meldet vom Bug, 8 Meter Kette sind drin aber mehr geht nicht. „Winschi“ befindet sich im Streik. Sicherung aus und wieder ein, nix bewegt sich, außer unser Albatros seitwärts. Jetzt wird’s ernst, Vollgas rückwärts, die Franzosen fendern schon ihre Kette ab, da sie ahnen was los ist. Zum Glück. Mit letzter Kraft fummle ich unsren Albatros in die Lücke, den Rest erledigen unsere lieben Nachbarn mit den Heckleinen. 8 Meter Kette im Wasser bei rund 12 Meter, na ja, es gibt entspanntere Ankermomente. Wir fixieren uns an den beiden Yachten und liegen auch ohne Anker wie in Abrahams Schoß.
Schnellcheck – Winschmotor freilegen, Kontakte prüfen, umstecken – die bekannte Elektrikerdiagnose. Nix bewegt sich. Poseidon schickt den rettenden Engel. Eine Visitenkarte eines mit einer Griechin verheirateten Engländers. Er betreibt eine Servicestation in Paxi und lebt, wie er selbst sagt, von den täglichen Crashs einer bekannten englischen Chartergesellschaft, die offenbar an jede/n verchartert, sofern Sie ihren oder Er seinen Namen buchstabieren und eine Segelyacht von einer Luftmatratze unterscheiden kann. Sie fällt zum Glück durch rote UV-Schutzstreifen bei der Genua auf – ihr Name soll lieber nicht genannt werden. Sorry, vielleicht gibt es auch Ausnahmen…schön wär´s.
Anruf und dann ging alles sehr schnell. Sein albanischer Mitarbeiter, ausgebildet in Stuttgart zum Elektriker, baute den Treffpunkt am nächsten Morgen im Kafenion. Ergebnis - alle Kontakte verschmort. Angebot – 800 € neuer Motor, 300 € Ersatzkit. Klare Entscheidung, Variante zwei. Telefonat mit Korfu, in 3 Stunden war das Ding mit der Schnellfähre in Paxi und zwei 2 Stunden später eingebaut.
Testphase – der junge freundliche Albaner verfolgte mit Spannung meinen Test. Ankerschalter ein, Taste drücken, das Eisen geht zu Boden. Freundliches Abklatschen und ein frisches Bier auf diese Leistung. Jammas.
Ehrlich, wir hätten nie gedacht, dass so etwas in Griechenland so schnell möglich ist. Oder liegt es doch nur an den Yachten mit dem roten UV-Schutz? Nein, natürlich nicht. Unsere Gedanken begannen zu kreisen. Was wäre gewesen, wenn „Winschi“ ihren Totalstreik schon in der vorherigen Bucht begonnen hätte und nicht nur den Warnstreik oder gar in der ersten Bucht nach den Überfahrt von Otranto, wo wir sogar auf 18 Meter Tiefe ankerten?
Tipp:
Eine lange Leine mit Ankerkralle bereithalten, um über eine Cockpit-Winsch den Anker hochzuholen. Oder eben kurbeln, sofern sich die Winsch überhaupt noch bewegen lässt.
Hauptdarsteller
Anette und Ullrich
Erlebt und erzählt von
Anette und Ullrich
Wassereinbruch während der Fahrt, ein Schreckgespenst, das man sich nun wirklich nicht wünscht. Verantwortliche Skipper*innen haben wohl ihr „Erste Hilfe Set“ parat, um dieses Gespenst einiger maßen zu bändigen, sofern es nicht zu groß ist. Aber was ist, wenn das Schiff zu einer Art Badewanne während des Winterschlafs in der Marina wird.