Freizeit-kulturelle Bildung im Lebenslauf -  - E-Book

Freizeit-kulturelle Bildung im Lebenslauf E-Book

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Beschreibung

Freizeit-kulturelle Bildung mit dem Ziel einer reflektierten und selbstbestimmten Lebens-Kultur-Gestaltung, die sich lebenslaufbegleitend entwickeln soll, möchte zu entspannten, geselligen, verantwortungsbewussten und sozial-aktiven Lebensstilen beitragen. Die Gelingensbedingungen für diese Entwicklung bedürfen der kontinuierlichen Anregung und Förderung durch vielfältige Gestaltungsformen, beginnend mit der frühen Kindheit bis ins hohe Alter. Die einzelnen Buchbeiträge vermitteln durch freizeittheoretische Reflexionen, empirische Erhebungen und bewährte freizeit-kulturelle Beispiele, wie dies in den jeweiligen Lebensphasen praxisnah gelingen kann.

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Seitenzahl: 411

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

Cover

Titelei

Einführung

I Freizeit-kulturelle Bildung als individuelle und gesellschaftliche Herausforderung

1 Freizeitbildung als Lebens-Kultur-Gestaltung

1.1 Die Relevanz ganzheitlicher lebensbegleitender Bildung

1.2 Die Chancen freizeit-kultureller Bildung und Erziehung

1.3 Freizeit-kulturelle Formung und Entwicklung im Lebenslauf

1.3.1 Frühkindliche Sozialisation und Bildung

1.3.2 Interessenförderung in formalen, non-formalen und informellen Kontexten

1.3.3 Bedürfnisreflexive Selbstkompetenz im Erwachsenenalter

1.3.4 Freizeitkulturelle Lebensstile in ethischer Verantwortung

1.3.5 Teilhabe und Erlebnisgestaltung im Alter

Literatur

2 Lebensqualität – Freizeitqualität – Freizeitbildung. Sechs Zukunftsdiskurse für eine bessere Lebens-Kultur-Gestaltung

ZUKUNFTSDISKURS Nr. 1: Zukunftsdenken, vorausschauende Wissenschaft und prospektive Freizeitforschung

Zukunftsdenken im Alltag

Zukunftsbilder

Vorausschauende Wissenschaft

ZUKUNFTSDISKURS Nr. 2: Freizeit wird immer wichtiger

Steigende Lebenserwartung

Der Zeitbudgetanteil der »Freizeit« wächst

Freizeit als Wirtschaftsfaktor

»Life-Domain-Balance« statt »Work-Life-Balance«

Rund 85 % der Lebenszeit werden außerhalb der Lebensbereiche Beruf und Schule gestaltet

ZUKUNFTSDISKURS Nr. 3: Freizeitqualität als Teil der Lebensqualität

Der unrühmliche Anfang der Quality-of-Life-Definition im Eugenik-Diskurs

Der wissenschaftliche Diskurs über Quality of Life in Verbindung mit der Sozialindikatoren-Forschung und mit einem multifaktoriellen Nachhaltigkeitskonzept

Quality of Life – im Spannungsfeld zwischen dem skandinavischen und dem US-amerikanischen Ansatz

Sechs Beispiele für die vielfältige Verwendung der Begriffe »Quality of Life« bzw. »Lebensqualität«

ZUKUNFTSDISKURS Nr. 4: Zukunftsfähige Freizeitbildung in Schulen

Freizeitbildung erfordert ein neues Bildungsbewusstsein statt der Forderung nach »Unterrichtsvollzugsanstalten«

Ganztägige Schulformen: Zukunftskonzept für Freizeitbildung oder Aufbewahrungsprojekt?

Lernen funktioniert nur zum Teil durch Lehren

45- bis 50-minütige Unterrichtshäppchen bereiten weder auf die Arbeitswelt noch auf die Freizeitwelt der Zukunft vor

Innovationsbedarf beim schulischen Sportunterricht

Schulische Freizeitbildung erfordert multiprofessionelle Teams

PISA-Tests: Ergänzung der punktuellen pädagogischen Produktevaluation durch die kritische Analyse der Bildungsprozesse

Digitalisierte Maschinen werden immer öfter Bildungswerkzeuge des Menschen – auch im Bereich der Freizeitbildung

ZUKUNFTSDISKURS Nr. 5: Zukunftsfähige Freizeitbildung jenseits von Schulen

Modernisierung der Erwachsenenbildung

Lebensbegleitende Freizeitbildung

ZUKUNFTSDISKURS Nr. 6: Freizeitbildung und Zukunftskompetenzen

Vorausschauende Bildung aus der Sicht der UNESCO und der OECD: Futures Literacy und Futures Thinking

Freizeitbildung erfordert den Bedeutungszuwachs der Schlüsselkompetenzen

Kreativität und Innovationsfähigkeit als zentrale Zukunftskompetenzen

Literatur

3 Freizeit als Lebensaufgabe. Beiträge der Psychotherapiewissenschaft zur Lebens-Kultur-Gestaltung

3.1 Freizeit – Bedeutung und Entwicklung von der Gründerzeit der Psychotherapie bis heute

3.2 Zeitkultur und Zeitmangel – Zeitdiagnosen

3.3 Die psychotherapeutische Dimension der Freizeit

3.3.1 Zeitgewinn und Selbstverlust

3.3.2 Die Lebensaufgaben: Psychische Gesundheit aus individualpsychologischer Sicht

3.3.3 Freizeit als Erholungszeit

3.3.4 Die Bedeutung der psychischen Struktur für den Umgang mit Freizeit

3.3.5 Zwei Fallvignetten

3.3.6 Die symbolische Bedeutung der Freizeitgestaltung

Literatur

II Gestaltung der Freizeitbildung von der Kindheit bis ins Alter

4 Bildung als selbstbestimmte Freizeitgestaltung: Grundlagen der Freizeitbildung im Kindesalter

4.1 Einleitung

4.2 Bildungs- und erziehungstheoretische Grundlagen von Freizeitkompetenz und Freizeitmündigkeit

4.3 Familiale Grundlagen früher Freizeitbildung

4.3.1 Bindungssicherheit als psychische Voraussetzung selbsttätiger freier Zeit

4.3.2 Förderung des freien Spiels und der Peer-Kontakte

4.3.3 Erwachsene Freizeitvorbilder und Freude an gemeinsamen Familienaktivitäten

4.3.4 Unterstützung bei der Wahl organisierter Freizeitangebote

4.3.5 Rhythmisierung der freien Zeit

4.4 Eindimensionalität oder Vielseitigkeit? Zeitgeschichtliche Entwicklungen und soziale Ungleichheiten der Freizeitprofile von Kindern

4.5 Kompensatorische Förderung von Freizeitbildung in der Kindertagesbetreuung und der Ganztagsschule

4.6 Schlussbemerkung: Auf die Kooperation von Elternhaus, Kindertagesbetreuung und Ganztagsschule kommt es an!

Literatur

5 Zukunftsfähige Lernwelten: Neue Bildungsorte für die Jugend von heute und morgen

5.1 Das Jugendalter – mehr als eine Herausforderung

5.2 Von Generation @ bis Generation Z: die prägende Kraft der Digitalisierung

5.3 Zwischen Stereotypen und Realität: die Gefahr der Verallgemeinerung

5.4 Jugend zwischen Erwartung und Entfaltung

5.5 Talente entfalten, Zukunft gestalten: Jugendliche auf dem Weg zur Gestaltungskompetenz

5.6 Von formal zu informell: die Evolution der Bildungsangebote

5.7 Die Bildungslandschaft als ganzheitliche Lernumgebung

5.8 Bildungslandschaften der Zukunft: flexibel, partizipativ und inklusiv

Literatur

6 Fakten zum Freizeitverhalten: Umfang, Aktivitäten, Wünsche und Hindernisse

6.1 Einleitung: Freizeit, was ist das?

Freizeitbudget

6.2 Die beliebtesten Freizeitaktivitäten

Soziale Aktivitäten

Regenerative Aktivitäten

Kulturelle Aktivitäten

Außerhäusliche Aktivitäten

Mediennutzung

6.3 Freizeitfakten

6.3.1 Warum immer mehr Deutsche ein Hobby haben

6.3.2 Die Zukunft der Arbeit: Freizeit statt Gehalt

6.3.3 Was die Deutschen genießen

6.3.4 ZDF vs. Netflix: Wie wird ferngesehen?

6.3.5 Social Media am Wendepunkt?

6.3.6 Erlebnis Freizeitpark

6.3.7 Lesen im Wandel der Zeit

6.3.8 Spontaneität wird beliebter

6.3.9 Das Comeback des Kinos

6.3.10 Kochen und Backen werden zum Hobby

6.4 Ausblick: Wünsche für die Zukunft

Literatur

7 Freizeitkulturelle Lebenszeit im Alter: Teilhabe und Erlebnisgestaltung

7.1 Ein thematischer Einstieg

7.1.1 Im Blick: Freizeitbildung und Freizeitwissenschaft

7.1.2 Gestaltungskompetenz für ein Leben im Alter

7.1.3 »Gap« zwischen Altersträumen und alltäglichem Freizeitleben

7.2 Update zum demografischen Wandel

7.2.1 Gesellschaft des langen Lebens

7.2.2 Ansteigender Altenquotient und regionale Ungleichheiten

7.2.3 Mehr Vielfalt im Alter

7.3 Lebenssituation und Selbstbild älterer Menschen

7.3.1 Hohe Lebenszufriedenheit

7.3.2 Armutsrisiken in bestimmten Lebenslagen

7.3.3 Aktive Freizeitgestaltung im Alter

7.3.4 Subjektive Verjüngung als Phänomen

7.3.5 Einsamkeit ein mögliches Risiko

7.3.6 Mehr Zeit für Kultur

7.4 Mediennutzung und freiwilliges Engagement im Alter

7.4.1 Vielfältige Mediennutzung im Alter

7.4.2 Steigende Engagementquote bei Älteren

7.5 Bildung für das Alter – Bildung im Alter

7.5.1 Bildung für das Alter

7.5.2 Bildung im Alter

7.5.3 Dritte Orte: informelles Lernen und Begegnung

7.6 Ein Ausblick

Neue Muße oder Aktivismus

Literatur

III Exemplarische Beispiele freizeit-kultureller Entwicklungen

8 Erlebnispädagogik: Die Welt entdecken und aktiv mitgestalten

8.1 Einleitung: Die Lust Neues zu erkunden und sich zu erproben

8.2 Zu Aufstieg und Faszination der Erlebnispädagogik

8.3 Erlebnispädagogische Freizeitangebote

8.3.1 Handlungsorientierte Erfahrungsräume und Lerngelegenheiten für Kinder und Jugendliche

Jenseits eingeschliffener Routine – erlebnisorientierte Aktivitäten im Seniorenbereich

8.4 Erlebnispädagogik als Alternative zur Event-Kultur der Freizeitindustrie

8.5 Ausblick: Erlebnispädagogik in der »Zeitenwende«

Literatur

9 Fußball ist unser Leben!? – Leerformel oder gesellschaftspolitische Herausforderung

9.1 Fußballalltag in den 1930erJahren: Fußball als Bestandteil des Familienlebens

9.2 Wandlungen vom »begeisterten« Anhänger, über den »Kutten«-Fan, zum Hooligan und Ultra

9.3 Der Verein als Lebensinhalt: Kuttenfans

9.4 »Hurra, wir leben!« – Hooligans und die Suche nach dem »Kick«

9.5 Fußball ist unser Leben: Ultras als Bewahrer der atmosphärischen Seele des Fußballs

9.6 Fußball – mehr als nur ein sportlicher Zeitvertreib: Fußball als Klassenkampf – Zur Bedeutung des Fußballsports in sozialen Brennpunkten und bei Migranten

9.7 Was ist zu tun?

9.8 Fußball ist unser Leben? – Fußball wird, Fußball muss jedenfalls überleben!

Literatur

10 Aktuelle Trends und Transformationsprozesse der Kulturellen Bildung in der Freizeitgestaltung

10.1 Zur Eingrenzung der Begriffe Kulturelle Bildung und Freizeit

10.2 Zu den Orten, Angeboten und Zielgruppen (non-formaler) Kultureller Bildung in der Freizeitgestaltung

10.2.1 Zu den Orten und Angeboten (non-formaler) kultureller Bildung

10.2.2 Zur Zielgruppenreichweite (non-formaler) kultureller Bildung

10.3 Fazit: Trends und Transformationsbedarf der Kulturellen Bildung in der Freizeitgestaltung

Literatur

IV Verzeichnisse

Die Autorinnen und Autoren

Udo Wilken/Reinhold Popp (Hrsg.)

Freizeit-kulturelle Bildungim Lebenslauf

Gestaltung und Förderungvon der Kindheit bis ins Alter

Verlag W. Kohlhammer

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

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1. Auflage 2025

Alle Rechte vorbehalten© W. Kohlhammer GmbH, StuttgartGesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Heßbrühlstr. 69, 70565 [email protected]

Print:ISBN 978-3-17-044835-3

E-Book-Formate:pdf: ISBN 978-3-17-044836-0epub: ISBN 978-3-17-044837-7

Einführung

Die Befähigung zu einer sinnvollen, verantwortungsbewussten sowie gegenwarts- und zukunftsorientierten freizeit-kulturellen Lebensgestaltung ist eine individuelle und gesellschaftliche Erziehungs- und Bildungsaufgabe, die sich über den gesamten Lebenslauf erstreckt. Ihr widmen sich aus unterschiedlichen Perspektiven die einzelnen Beiträge dieses Buches.

Beginnend mit der familialen und institutionellen Bildung in der frühen Kindheit sowie in der Phase der schulisch begleiteten Entwicklung des heranwachsenden jungen Menschen können die vermittelten freizeit-kulturellen Fähigkeiten und Fertigkeiten zu einer entspannten, interessegeleiteten und kommunikativen Lebensführung beitragen. Diese Kompetenzen sollen dann im Erwachsenenalter mit dem Eintritt in die Berufstätigkeit, im Umgang mit Kollegen und Freunden sowie hinsichtlich Partnerschaft, Ehe und Familiengründung die weitere Kultivierung konkurrierender Optionen der Lebensgestaltung in der Alltags-‍, Berufs- und Freizeitwelt ermöglichen. Neben den Angeboten zur freizeit-kulturellen Bildung für Kinder, Jugendliche und Erwachsene richtet sich sodann der Blick auf die Altersphase. Für sie werden angemessene Gestaltungsformen zur Entfaltung und Sicherung der Lebensqualität dargestellt. Die einzelnen Buchbeiträge vermitteln durch freizeittheoretische Reflexionen, durch erfahrungsbezogene Erkenntnisse und bewährte erlebnisbezogene freizeit-kulturelle Beispiele, wie Freizeitbildung als Lebens-Kultur-Gestaltung in den unterschiedlichen Lebensphasen und Erfahrungsräumen praxisnah gelingen könnte.

In diesem Zusammenhang wird verdeutlicht, dass neben den selbstbestimmten Aneignungs- und Gestaltungsformen von Freizeitbildung auch gesellschaftlich zu fördernde lebenszeitbegleitende Freizeitangebote benötigt werden. Diese sollen dazu beitragen, dass die Kultivierung der vielfältigen Einflüsse auf die individuelle Lebensführung in den sich kontinuierlich verändernden Lebenswelten gelingt und herausfordernde Lebensbedingungen bewusster gestaltet werden können. Gleichwohl bleibt die Verwirklichung einer selbstbestimmten und verantwortungsvollen freizeit-kulturellen Interessenentfaltung auf die lebensbegleitende individuelle Bildungsbereitschaft angewiesen, auch wenn diese immer wieder aufs Neue der Motivation, Anregung und Unterstützung bedarf.

Das vorliegende Buch zur freizeit-kulturellen Bildung im Lebenslauf ist in drei größere Abschnitte gegliedert: Der erste Teil thematisiert bedeutsame individuelle und gesellschaftliche Herausforderungen unter Rückgriff auf theoretische Aspekte sowie auf den Zusammenhang von Arbeit und Freizeit. Zudem werden die bestehenden psychosozialen Bedingungen, Chancen und Schwierigkeiten bei der Teilhabe und dem Erwerb freizeit-kultureller Bildung dargestellt. Dabei wird im Besonderen die Bedeutung der selbstbestimmten Umsetzung und Gestaltung der freien Zeit im Lebenslauf herausgearbeitet. Zugleich wird auf die ökonomische Bedeutung der Vielzahl wirtschaftlicher Wachstumspotentiale verwiesen, die sich mit der Freizeitgestaltung ergeben. Gleichwohl gilt, dass der Wunsch nach einem immer höheren Lebensstandard nicht automatisch zu mehr Lebensqualität führt; zumal dann nicht, wenn die individuelle Freizeitgestaltung in eine vornehmlich konsumistische Lebensführung abdriftet. Aus der Sorge etwas zu versäumen, erwächst dabei allzu leicht Hektik und Freizeitstress, anstatt sich in der freien Lebenszeit selbstbestimmt einer interessengeleiteten, entspannten, kommunikativen und zukunftsoffen Daseinsgestaltung zuzuwenden. Mit einem Beitrag zum Verhältnis von Psychotherapiewissenschaft und Freizeit-Kultur-Gestaltung wird der erste Gliederungsteil abgeschlossen. Da Freizeitgestaltung mit der Fähigkeit verknüpft ist, die eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen und zu befriedigen, erweist sich die psychische Befindlichkeit als wichtiger Einflussfaktor auf die Ausformung der Freizeit. Der daraus resultierende enge Zusammenhang von Freizeitgestaltung und psychischer Gesundheit verdeutlicht die psychoanalytische Dimension der Freizeit und zeigt, wie sich der gelingende Umgang mit der Freizeit als eine Herausforderung darstellt, die als zentrales Lebensthema für den Menschen des 21. Jahrhunderts wahrgenommen werden muss.

Der zweite Teil des Buches widmet sich differenziert der Gestaltung der Freizeitbildung von der Kindheit bis ins Alter. Dabei werden die Bedeutsamkeit der frühen familialen Kindheit, die Freizeitbildung im Rahmen der Kindertagesbetreuung sowie die damit verbundenen Aufgaben einer freizeit-kulturellen schulischen Ganztagsbetreuung thematisiert. Im Blick auf die zunehmend kulturell bedingten Unterschiede im familialen Erziehungsverhalten wird veranschaulicht, welche Hilfen insbesondere auch bildungsfernen und sozioökonomisch schwächeren Familien bei der Entwicklung von angemessenem Freizeitverhalten zu vermitteln wären, damit sich bei den Kindern nicht vornehmlich passiv-rezeptive Verhaltensweisen ausbilden. Insgesamt wird betont, dass sich die erwachsenen Bezugspersonen mit zunehmender interessegeleiteter Selbsttätigkeit der Kinder bei der Vorstrukturierung der freien Zeit zurücknehmen können und eine Überfülle an Freizeitangeboten vermeiden sollten.

Mit Blick auf freizeit-kulturell passende Gestaltungsformen von Jugendlichen und jungen Erwachsenen werden sodann die Einstellungen, Interessen und Vorlieben in diesen Lebensphasen herausgearbeitet und es wird auf entsprechend anregende freizeit-kulturelle Angebote verwiesen. Dabei gilt, dass Jugendliche grundsätzlich nicht als homogene Gruppe betrachtet werden sollten, denn sie unterscheiden sich deutlich nach familiärem Hintergrund, Lebensstandard, sozialen Milieus, kulturellen Szenen und formalem Bildungsniveau. Dennoch gibt es gemeinsame Merkmale, die sie als Generation charakterisieren. Für die freizeit-kulturelle Arbeit mit Jugendlichen ist es daher essenziell, die bestehenden sozialen Dynamiken zu verstehen, um ihre Bedürfnisse und Perspektiven im Kontext vielfältiger Einflüsse gezielter ansprechen zu können. Für Jugendliche bedeutet dies, dass sie befähigt werden sollen, ihre Zukunft aktiv, selbstbestimmt und nachhaltig zu gestalten. Als hilfreich haben sich dabei Bildungslandschaften erwiesen, die auf Grund ihrer flexiblen Bildungsstrukturen eine enge Verzahnung von Schule, Jugend-‍, Sozial- und Kulturarbeit ermöglichen.

Als aufschlussreich erweisen sich sodann die Ausführungen zu den aktuellen freizeitbezogenen statistischen Daten der erwachsenen Bevölkerung. Sie verdeutlichen die vielfältig vorhandenen Interessen, Wünsche und Bedürfnisse im Blick auf die Bedeutung einer freizeit-kulturellen Lebensgestaltung. Zugleich machen sie unter Berücksichtigung geschlechtsspezifischer Aspekte deutlich, wie wichtig ein reflektierter und bedürfnisorientierter Umgang mit dem jeweils gegebenen Freizeitbudget ist.

Betrachtet man zudem den gegenwärtigen demographischen Wandel auf Grund des deutlichen Anstiegs der Lebenserwartung von älteren Menschen, so wird einsichtig, wie sich dies auch in besonderer Weise auf den sozial-kulturellen Stellenwert der Freizeit in unserer Gesellschaft auswirkt. Für die immer stärker wachsende Bevölkerungsgruppe älterer Personen bedeutet der Eintritt in den Ruhestand, sich neuen Herausforderungen zu stellen und sich mit den veränderten Bedingungen und Ansprüchen hinsichtlich der Gestaltung der vor ihnen liegenden Lebensfreizeit auseinanderzusetzen. Die damit einhergehenden Chancen und Risiken werden herausgearbeitet und es wird auf die gesamtgesellschaftliche Verpflichtung verwiesen, freizeit-kulturelle Teilhabe zu fördern. Dabei zeigt sich, welche Bedeutung ein angemessener Umgang mit den unterschiedlichen Formaten der freizeit-kulturellen Lebensgestaltung für diesen heterogenen Personenkreis hat, um durch sinnvolle und befriedigende Aktivitäten zur Lebenszufriedenheit beizutragen.

Der dritte Buchabschnitt veranschaulicht exemplarische Beispiele freizeit-kultureller Entwicklungen. Hier werden zunächst bewährte erlebnispädagogisch gestaltete Freizeitformate vorgestellt, die sich auf Grund ihrer handlungsorientierten kommunikativen Aktionen als geeignet erweisen, eine anregende freizeit-kulturelle Lebensgestaltung zu ermöglichen. Zudem besitzen diese Angebote das Potential, nicht nur flüchtige Eindrücke, sondern nachhaltig wirksame Lern- und Erlebnissituationen zu generieren, und zwar durch selbstgesteuerte, bisweilen auch anstrengende Aktivitäten, bei denen es um etwas anderes geht, als nur den routinierten »Alltag« zu meistern. Damit wird anschaulich, dass und wie entsprechende Angebote der Erlebnispädagogik von der Kindheit bis ins Alter zu einer individuell passenden Lebens- und Erlebnisgestaltung beitragen können, und wie sie in der Tradition ganzheitlicher Bildung durch humanistisches Denken und Handeln mit Ihren Aktionen das Erlebnis freizeit-kultureller Selbstverwirklichung fördern.

Die nachfolgende Thematik zum Fußballsport verdeutlicht seine Bedeutung als eine der beliebtesten Freizeitinteressen. Als Grund dieser spezifischen Faszination wird darauf verwiesen, dass Fußball für die Zuschauer noch nicht zu einem austauschbaren Segment der Unterhaltungsbranche geworden ist, nicht zuletzt deshalb, weil er bei vielen Menschen zu psychischer Entlastung beiträgt. Dies verdeutlichen auch die beschriebenen Wandlungen der Fußballzuschauer1 vom leidenschaftlichen Anhänger zum fanatischen Fan und elitären Hooligan bis hin zu den neuzeitlichen Ultras sowie die damit verbundene eminente sozialkommunikative Bedeutung, die der Fußball für diese Gruppierungen in ihrem Leben besitzt. Neben durchaus notwendigen gewaltpräventiven Aufgaben wird im Blick auf die freizeit-kulturelle Bildung die Bedeutung des aktiven Fußballspielens insbesondere für junge Menschen herausgearbeitet und die gesellschaftspolitische Herausforderung verdeutlicht, adäquate Freiräume für kind- und jugendgemäßes Gruppenverhalten zu schaffen, in denen sich Bewegungsdrang, Abenteuerlust und Aggressionserprobung in spielerischer Art ausagieren können. Dadurch soll es ihnen möglich werden, sich selbst zu verwirklichen, einen Sinn für ihr Leben zu finden, Perspektiven für die Zukunft zu entwickeln und eben auch ein wenig Spannung und Abenteuer zu erleben.

Den Abschluss des Bandes bilden Ausführungen zu den in unserer Gesellschaft vorhandenen freizeit-kulturellen Bildungsangeboten und aneignungsbezogenen Bildungsformaten sowie zu aktuellen und zukunftsorientierten Veränderungstendenzen. Entfaltet werden die Bedeutsamkeit der kulturellen Bildung für die Persönlichkeitsentwicklung, ihr gesellschaftsstärkender Aspekt sowie – angesichts des hohen Migrationsanteils in der Bevölkerung – der angemessene Umgang mit kultureller Vielfalt. Diese breit gefasste kulturelle Bildung wird für die freizeit- und alltagsbezogene Lebensstilgestaltung unter Einbezug digitaler Medien und Techniken näher dargestellt. Verwiesen wird dabei auf die Öffnung klassischer Kultureinrichtungen unter dem Motto einer altersspezifisch ausdifferenzierten »Kultur für alle« mit Eventcharakter, soziokulturellen Begegnungsräumen, aber auch verstärkten Ökonomisierungstendenzen mit vielfältigen Auswirkungen auf die individuellen Bedürfnisse und freizeit-kulturellen Gestaltungsformen.

Die Autorinnen und Autoren hoffen, dass die in diesem Buch versammelten Ausführungen dazu beitragen, die Bedeutung der freizeit-kulturellen Bildung im Lebenslauf verständlich und nachvollziehbar zu verdeutlichen, und zu einer kritischen Reflexion und Diskussion anregen. Insgesamt gilt es für eine zukunftsfähige Bildungspolitik, angesichts der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungsprozesse den Blick für die Weite der Bildungswelten zu schärfen und eine nachhaltige Verallgemeinerung der benötigten freizeit-kulturellen Kompetenzen zu fördern.

Udo Wilken & Reinhold Popp

Endnoten

1Den Autorinnen und Autoren dieses Bandes wurde es frei überlassen, eine Variante des Genderings zu wählen. Soweit hier das generische Maskulinum verwendet wird, gilt auch dieses für alle Geschlechter.

I Freizeit-kulturelle Bildung als individuelle und gesellschaftliche Herausforderung

1 Freizeitbildung als Lebens-Kultur-Gestaltung

Udo Wilken

1.1 Die Relevanz ganzheitlicher lebensbegleitender Bildung

Der Lebensbereich Freizeit hat sich als bedeutsames Segment umfassender individueller und gesellschaftlicher Kulturgestaltung entwickelt. Dabei stellt die Befähigung zu freizeit-kultureller Selbstverantwortung in normativ-sozialer wie auch kritisch-reflexiver Perspektive eine gegenwarts- und zukunftsorientierte Erziehungs-‍, Bildungs- und Gestaltungsaufgabe dar, die mit vielfältigen Erwartungen an die Lebensqualität verbunden ist. Auf Nachhaltigkeit hin orientierte freizeit-kulturelle Konzepte müssen deshalb gleichermaßen auf die Person wie auf die Umwelt gerichtet sein, um hinsichtlich gelingender Tages-‍, Wochen-‍, Jahres- und Lebensfreizeit verantwortlich zu gestaltende Freiheitsräume in der Spannung von ›Freiheit von‹ und ›Freiheit für‹ erschließen zu können.

In diesem Zusammenhang wird nachfolgend der Begriff Kultur nicht mit Kunst in einem hochkulturellen musisch-ästhetischen Sinne gleichgesetzt, der über die alltagsweltlichen Gegebenheiten hinausweist, sondern generalistisch als inhaltliche und zielgruppenoffene Breitenkultur verstanden (vgl. Schmid 1998, 129 ff., Opaschowski 2004, 283), die sich auf die bestehenden und sich entwickelnden natürlichen, technischen und sozialen Lebenswelten und Lebensformen bezieht, die auf Grund diverser Lebensentwürfe und Gestaltungsbedingungen zu unterschiedlichen bedürfnisreflexiven Praktiken, Beziehungen und Identitätsausprägungen führen. Dieser erweiterte Kulturbegriff erfasst, »wie der Mensch lebt und arbeitet, wie er wohnt, seine körperlichen und geistigen Fähigkeiten entwickeln kann, welche Kunst ihm zugänglich ist und welche er sich selbst schafft, wie er seine freie Zeit verbringt und wie er seine Beziehungen zu anderen Menschen gestalten kann« (Doris Gau zit. n. Freericks et al. 2010, 197).

Demgemäß thematisieren die nachfolgenden Ausführungen die Förderung freizeit-kultureller Teilhabemöglichkeiten über die gesamte Lebensspanne hin durch freizeitpädagogisch sowie kultursensibel gestaltete Bildungs- und Entscheidungsprozesse, seien diese durch formale Lernarrangements sowie non-formale Lerngegebenheiten oder durch informelles Erfahrungslernen vermittelt (vgl. Freericks et al. 2010, 30, 42). Insbesondere werden die sich lebensgeschichtlich entwickelnden Lebensentwürfe und die an das Individuum herangetragenen gesellschaftlichen Bildungserwartungen sowie die notwendigen förderlichen Bedingungen zur individuellen Interessenentwicklung unter Berücksichtigung altersgemäßer Lebensbezüge von der frühen Kindheit bis in die Phase des Ruhestands bedacht. Dabei soll verdeutlicht werden, wie sich in der Verwirklichung des Möglichen die Gestaltung des Lebens entfalten könnte und wie durch eine allseitige lebenskulturelle Bildung diese Ermöglichung bedürfnisreflexiv zu fördern wäre.

Zudem erstreckt sich der Aspekt der gesellschaftlichen Bildungserwartung auch auf die Befähigung des Individuums, einen zukunftsorientierten Beitrag zum »Fortbestand der Welt« zu übernehmen (Hannah Arendt zit. n. Herzog 1991, 18). Dieser Beitrag besteht nicht zuletzt in der verantwortungsvoll realisierten Kultivierung konkurrierender Lebensgestaltungsoptionen in der Alltags-‍, Berufs- und Freizeitwelt. Es geht darum, ein individuell und sozial verbundenes sinnhaftes und befriedigendes Leben führen zu können, in dem die Entfaltung kultureller und humaner zivilisatorischer Betätigungen ermöglicht wird. Im Blick auf die Herausbildung eines selbstbestimmten freizeit-kulturellen Verhaltens sind dabei insbesondere die von den sozialen Verhältnissen mitbestimmten milieuspezifischen Gegebenheiten, Risiken und Chancen zu bedenken. Deshalb sind die Voraussetzungen zu schaffen, damit sich angesichts wandelnder existenzieller Bedingungen (vgl. Freericks et al. 2010, 22 ff.) bedürfnisorientierte, altersgerechte und kulturgemeinschaftliche Lebensstile entwickeln können, die hinsichtlich der Ausgestaltung einer Work-Life-Balance zu einer guten Lebensführung verhelfen und ein gesundes Gleichgewicht zwischen privatem, familialem, beruflichem und öffentlichem Leben ermöglichen (vgl. Vester 2015; Sinus-Milieus 2020). Hilfreich sind dabei Fähigkeiten und Gestaltungsbedingungen, die Zeitsouveränität, Mündigkeit, Kommunikationsfähigkeit, Konflikttoleranz und Kreativität ermöglichen.

Anders als noch zu Beginn dieses Jahrhunderts (vgl. Wilken 2005, 292 f.) konstatiert gegenwärtig selbst die Wirtschaft: Bildung ist mehr als Fachlichkeit. Programmatisch kommt diese Sicht in einem Gutachten zum Ausdruck, das im Auftrag der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft erstellt wurde und mit Nachdruck die Notwendigkeit einer lebenslangen mehrdimensionalen und ganzheitlichen Bildung hervorhebt (vgl. vbw 2015). Demzufolge können Menschen

»nur dann zu sich selbst und einem erfüllten Leben gelangen, wenn sie über Wissen und Kompetenz hinaus über eine Persönlichkeitsstruktur verfügen, die ihnen neben Verhaltenssicherheit auch die Bereitschaft und Fähigkeit zur Gestaltung ihres eigenen Lebens und zur Beteiligung an den gesellschaftlichen Herausforderungen ... vermittelt« (ebd. 9).

Es gilt deshalb u. a., im Rahmen der schulischen Bildung die Aufmerksamkeit wieder auf die Bedingungen für die Entwicklung und Entfaltung »von Persönlichkeit im Sinne von Identität, moralischer und politischer Kompetenz, interkultureller Fähigkeiten, aber auch musischer und ästhetischer Bildung« zu richten – Aspekte einer mehrdimensionalen Bildung, die oftmals als eine lediglich für »nachrangig gehaltene Dimension« eingeschätzt wird (ebd., 10).

Bildung ist also umfassend als individuelle und gesellschaftliche Herausforderung zu betrachten, die sich zudem über die gesamte Lebensspanne erstreckt, wobei sie die Kultivierung der eigenen Person wie auch den achtsamen Bezug zu anderen Menschen und zur Umwelt anstrebt. Auch wenn grundlegende schicht- und milieuspezifische Gewohnheiten, Mentalitäten und Einstellungen bereits in früher Kindheit weitgehend unbewusst erworben werden und Wissen, Können und Verhalten während des Schul- und Jugendalters zunehmend reflexiv vermittelt, angeeignet und erprobt werden, müssen sich die erworbenen Qualifikationen, einschließlich jener mit freizeit-kultureller Relevanz, im Erwachsenenalter unter dem kritischen Aspekt der Lebenstauglichkeit bewähren. Sie sollen ihren nachhaltigen Nutzen im Lebenslauf erweisen, auch indem sie die Stärkung der freizeit-kulturellen Selbstkontrolle im Rahmen unterschiedlicher Formen der Lebensverwirklichung gemäß den eigenen Maßstäben fördern. Zugleich sind die vorhandenen Kompetenzen durch passende lebenszeitbegleitende Bildungsformate weiterzuentwickeln, damit sie zur Kultivierung der zivilisationsbedingten Einflüsse auf die Lebensgestaltung in den sich kontinuierlich verändernden Lebenswelten und Lebensbedingungen beitragen können.

Dabei sind die unterschiedlichen Wahrnehmungen und Umsetzungsaktivitäten von Freizeitbildungsangeboten im Lebenslauf auf Grund der jeweiligen kulturellen Sozialisationsbedingungen in Verbindung mit den Prägungen durch das soziale Milieu im Blick zu behalten. Dies ist zudem relevant, weil Erwachsene für junge Menschen hinsichtlich eines nachvollziehbaren reflexiven, handlungsbezogenen und emanzipatorischen Umgangs mit den unterschiedlichen Standards der bestehenden kulturellen Lebensformen eine Motivations-‍, Vorbild- und Modellfunktion besitzen (vgl. Ahrbeck 2004, 151 ff.). Deshalb sollten sich Eltern, Erzieher und Lehrer sowie Sozial-‍, Freizeit- und Erlebnispädagogen, aber auch Personen aus den unterschiedlichsten individuell und gesellschaftlich bedeutsamen Lebensbereichen ihrer besonderen Verantwortung bewusst sein, die sie bezüglich der Formung guter und richtiger freizeit-kultureller Verhaltensgewohnheiten besitzen. Denn sie fungieren im intergenerationellen Transformationsprozess hinsichtlich des fortwährenden Kulturwandels in den diversen Lebenswelten als Vorbilder für die nachfolgenden Generationen und können sich im Blick auf die Entwicklung genuiner humaner Interessen, Fähigkeiten und Verhaltensweisen wie Neugier, Verantwortungsbewusstsein, Empathie, Kompromissfähigkeit und Gerechtigkeit als anregend und prägend erweisen.

1.2 Die Chancen freizeit-kultureller Bildung und Erziehung

Mit der Disziplin Freizeitpädagogik als einer interdisziplinären Repräsentantin der lebensweltlichen Bezüge des Pädagogischen gibt es hinsichtlich der Förderung freizeit-kultureller Bildung ein Fachgebiet zur Kompetenzvermittlung für eine bewusste Gestaltung der freien Lebenszeit als Teil der Kultivierung der gesamten Lebensführung. Freizeitbildung mit dem Ziel der Enkulturation möchte denn auch zu einer verantwortungsvollen selbstbestimmten Lebensführung in der Freizeit befähigen, die entsprechend den subjektiven Bedürfnissen Entspannung und Erholung, geistige Anregung und Geselligkeit sowie die Befriedigung eigener Wünsche und erlebnisreiche Erfahrungen ermöglicht.

In dieser Perspektive beabsichtigt Freizeitpädagogik, freizeit-kulturelles Wissen, Können und Verhalten zu vermitteln, damit sich das Individuum, angeregt durch diesbezügliche Bildungsprozesse, als weitgehend selbstbestimmte, freizeit-kulturell gebildete Persönlichkeit entfalten kann, um das eigene Leben im Blick auf den Gestaltungsrahmen einer befriedigenden Work-Life-Balance führen zu können. Es geht mithin um eine bewusste und sinnerfüllte Lebensgestaltung, die nicht mehr einseitig nur von der existenziellen Relevanz der Berufsarbeit und ihren aktuellen Veränderungsdynamiken dominiert wird. Vielmehr sollen Arbeit und private Lebensgestaltung stärker in ein gesundes Gleichgewicht gebracht werden – wobei sich im Falle des Gelingens dieser Balance positive Auswirkungen gerade auch auf die berufliche Lebens- und Leistungsgestaltung ergeben, zumal wenn unter dem Aspekt der Humanisierung der Arbeitswelt der Arbeitsplatz zugleich als kommunikativer, kreativer und emotionaler Lebensraum dient.

Zu bedenken ist allerdings auch, dass die Realisierung einer balancierten freizeitbezogenen Lebensführung oftmals durch eine vornehmlich fremdbestimmte Konsumlust erschwert wird, wenn diese lediglich zu einer kurzfristigen Wunsch- und Bedürfnisbefriedigung beiträgt und, motiviert durch die Verheißungen einer verführerischen Freizeitwerbung, nach immer stärkeren Konsumerlebnissen und Prestigegewinnen verlangt. Deshalb bedarf es auch im Blick auf eine notwendige Konsumentensouveränität begleitender lebenslaufbezogener Anregungen zur Förderung angemessener Sach-‍, Sozial- und Selbstkompetenzen.

Zwar ist der Bedarf an freizeit-kultureller Kompetenzentwicklung gegenwärtig relativ unstrittig und deren Realisierung als bedeutsame Ressource zur individuellen und sozialen Kultivierung im Blick auf eine umfassende und ganzheitliche Lebensgestaltung durchaus anerkannt. Gleichwohl werden Angebote zur Befähigung der »Lebensführung« unter Einbezug freizeitpädagogischer Bildungsprozesse, die auch die Kluft zwischen Wissen und Handeln in den Blick nehmen, immer wieder in ihrer grundlegenden Bildungsrelevanz als nachrangig eingestuft, »als verstünden sie sich von selbst, sodass sie zu erlernen kein Gegenstand von Bildung und Erziehung« zu sein bräuchten (Schmid 1998, 119). Zudem sei der Erwerb von Freizeitkompetenzen ein Vorgang, der sich möglichst naturwüchsig ereignen müsse und deshalb jegliche ›Pädagogisierung‹ zu vermeiden wäre (vgl. Wilken 2015a, 481 f.). Solche und weitere Fehleinschätzungen (vgl. Popp 1999, 76 ff.) haben schließlich vor einigen Jahren zu einem akademischen Bedeutungsverlust geführt und mit dazu beigetragen, dass entgegen der internationalen Entwicklung von ›Recreational and Leisure Studies‹ zahlreiche freizeitwissenschaftliche Modellstudiengänge in Deutschland geschlossen wurden. Es mangelt deshalb in Deutschlands Bildungssystem bis heute an der notwendigen Zahl von Forschungs- und Ausbildungsstätten für diejenigen, die sich mit dem Stellenwert von Freizeit-Kultur-Arbeit im Rahmen der frei verfügbaren Lebenszeit beruflich und wissenschaftlich beschäftigen sollten (vgl. Nahrstedt 1995, 19 ff., Freericks et al. 2010, 34 ff.).

Allerdings liegt diesen eher kulturrelativistischen und ideologischen Perspektiven ein didaktisches Selbstmissverständnis zugrunde, wenn nicht hinreichend unterschieden wird, dass pädagogisches Handeln zwar auf subjektive Aneignungsprozesse angewiesen ist, diese aber die objektive Notwendigkeit und Möglichkeit pädagogisch-intentionalen Handelns nicht ausschließen, sondern sie nachgerade erforderlich machen (vgl. Ahrbeck 2004, 93 ff.). Denn das Wissen um die eigenen Bedürfnisse und die darauf zu beziehende reflexive Selbstbestimmung der freien Zeitgestaltung hat die Vermittlung einer kriteriengeleiteten Wertsetzung bei der handlungsbezogenen Interessenentfaltung zur Bedingung, ohne die eine Kultivierung der Lebensgestaltung und die ihr zugrunde liegende Bildsamkeit des Menschen kaum verwirklicht werden kann (vgl. Wittpoth 2018, 287 f.).

Bei den freizeit-kulturellen Erziehungs-‍, Bildungs- und Sozialisationsprozessen geht es eben auch um motivierende Anregungs- und Gestaltungsformen bezüglich der Entfaltung einer Freizeitfähigkeit, die den vielfältigen Einflüssen subtiler Fremdbestimmung (vgl. Hellmann 2015) sowie einer diskriminierenden Zugangs- und Teilhabebeschränkung (vgl. Meder 2008, 210; Wilken 2015a, 471 f.) im Freizeitkulturbereich entgegentreten muss. Deshalb sollen aktivierende, kreative und sozial-kommunikative Fähigkeiten individuell geweckt und gesellschaftlich gefördert werden, die Gegenkräfte mobilisieren gegen ein nur passives Sich-treiben-Lassen, das Erlebnis- und Erfahrungsmöglichkeiten verkennt, anstatt sie zur bewussten Förderung der Lebensqualität zu nutzten. Wenn empirische Erhebungen zeigen: »Fast jeder dritte junge Erwachsene (31 % der 18 bis 24-Jährigen) langweilt sich oftmals in seiner Freizeit und weiß nicht, was er tun soll«, dann ist dies, angesichts eines nicht selten durch »Passivität statt Aktivität« bestimmten Freizeitalltags der Mitbürger (Stiftung für Zukunftsfragen 2019), ein wichtiges Indiz für die Bedeutsamkeit der Befähigung zu reflektierten freizeit-kulturellen Gestaltungsformen im Zusammenspiel mit einer gesellschaftlich zu fördernden Lebens-Kultur-Entwicklung.

Freizeitpädagogik hat deshalb ganz wesentlich auch die motivierende Aufgabe, Generationen übergreifend durch ermutigende Anstöße (vgl. Thaler, Sunstein 2012) und animierende Vorbilder anzuregen und das Gegebene mit neuem Sinn für das Mögliche zu füllen. Denn es sollen inkonsistente und für den Einzelnen letztlich ungünstige Präferenzen durch bessere Entscheidungsoptionen kompensiert werden. Zudem ist es aus pädagogischer Sicht nicht beliebig, ein individuell mögliches freizeit-kulturelles Niveau zu unterschreiten, weil dies die befriedigende lebenszeitbegleitende Entfaltung humaner Entwicklungs- und Gestaltungspotentiale begrenzt und damit die Aneignung und weitere Ausformung der gesellschaftlich tradierten freizeit-kulturellen Wertefülle nachhaltig behindert (vgl. Wilken 2015a, 479).

Es braucht deshalb zur Verlebendigung freizeit-kultureller Gestaltungsaktivitäten verlässliche Vermittlungswege, damit sich die Lebensrelevanz von Goethes Diktum: »Was du ererbt von deinen Vätern hast, erwirb es, um es zu besitzen« in kritisch reflektierter intergenerationeller Auseinandersetzung bewähren kann (vgl. Meder 2008, 208). Demgemäß sollten die nachfolgenden Generationen durch entsprechende Lern- und Bildungsangebote befähigt werden, sich des kulturellen Erbes unserer Zivilisation bewusst zu werden, um dann in freizeit-kultureller Hinsicht nachhaltige, d. h. zukunftsoffene und transformationsfähige Gestaltungsformen entwickeln zu können, die in individueller wie auch kollektiver Hinsicht zu reflexiven, sozialverträglichen und umweltfreundlichen Lebensstilen führen (vgl. Weizsäcker et al. 2017, 369 ff.).

Wichtig ist dabei jedoch zu bedenken, dass ›standard of living‹ nicht gleichbedeutend mit ›quality of life‹ ist. Dies zumal dann, wenn es auf Grund des massenhaften Konsums von Waren und Informationen zu exzessiven ökosozialen Verwerfungen kommt. Deshalb sollte ein verantwortliches wertebezogenes Handeln zu einem möglichst entschleunigten und »reduktiven Kulturmodell« führen, das Übernutzung meidet und sich an dem Grundsatz ›Weniger ist mehr‹ orientiert (Welzer 2019, 19). Anschaulich wird dieses Erfordernis einer selbstbegrenzenden ›Konsumaskese‹ etwa bei gewissen Formen des Massentourismus, wenn es zu ›Overtourism‹ mit negativen Auswüchsen für die Urlaubsgebiete und deren Bewohner kommt, oder bei den Folgen der Reizüberflutung auf Grund eines hyperdigitalisierten Kulturwandels des Zusammenlebens, der ein permanentes kommunikatives Up-to-date suggeriert, aber zu einer Vernachlässigung von unmittelbaren Face-to-face-Kontakten führt.

1.3 Freizeit-kulturelle Formung und Entwicklung im Lebenslauf

Von Beginn seines Lebens an ist der heranwachsende Mensch vor allem Objekt der seitens der Umwelt auf ihn einwirkenden Kulturförmigkeit, die er zudem überwiegend unbewusst verinnerlicht. Allerdings wird er im Laufe seiner Entwicklung zunehmend herausgefordert, die Fähigkeit zur Kultivierung seiner Lebensgestaltung bewusster auszubilden, um als Subjekt im Prozess der lebensbegleitenden Selbsterziehung und Ausbildung seiner Charakterstrukturen verantwortlich handeln zu können.

Aufgabe des Konzeptes der Freizeitbildung und seiner inhaltlichen Anwendungspotentiale ist es dabei, mittels unterschiedlicher Formen freizeit-kultureller Anregungs-‍, Aneignungs- und Gestaltungsprozesse zur Entwicklung individueller Lebensstilkompetenzen beizutragen. Auf diese Weise kann eine zunehmend reflektierte Freizeitgestaltung angesichts konkurrierender Ansprüche von Alltag, Beruf und Freizeit dazu verhelfen, dass die Work-Life-Balance gelingt. Deren Leitbild sollte als Inspirationsquelle und Potential zur Kultivierung der gesamten Lebensgestaltung beitragen, indem sie hilft, sowohl die Bereiche der berufs- und alltagsbezogenen Lebensführung wie auch die der bewusst gestalteten Freizeit- und Mußeaktivitäten unter Berücksichtigung sozial-kommunikativer, familien- und genderspezifischer Anforderungen auszubalancieren (vgl. Beckmann 2015, 220 ff.).

Demgemäß sind Arbeit und Freizeit eben nicht als konkurrierende Lebensformen zu bewerten, bei denen der Freizeit lediglich die Aufgabe zufällt, angesichts einer bestehenden Dominanz der Welt der Arbeit kompensatorisch regenerative Gestaltungsformen anzubieten. Vielmehr sollten Arbeit und Freizeit jeweils als Lebenszeit immer wieder in ihrem komplementären Aufeinander-bezogen-Sein in den Blick genommen werden (vgl. Wilken 2015a, 475 f.). Dadurch soll eine Work-Life-Balance ermöglicht werden, die durch umfassende Humanisierung und Kultivierung dieser Lebenswelten zu individueller Lebenszufriedenheit beiträgt, auf der Grundlage eines reflektierten »Verhältnisses zu sich selbst, zum Anderen und zur Welt« (Schmid 1998, 130). Gleichwohl ergeben sich im Blick auf mögliche Zukunftsperspektiven durchaus ambivalente Herausforderungen bezüglich der Bedingungen für eine angemessene und sinnvolle Gestaltung von Alltag, Beruf und Freizeit.

So werden aktuell Entwicklungshorizonte im Zusammenhang mit ›New Work‹ thematisiert (vgl. APuZ 2023), die sich etwa auf das flexibilisierte Arbeitszeitmodell einer ›4-Tage-Woche‹ mit 32 Stunden bei vollem Lohnausgleich beziehen, oder auf Modellüberlegungen für ein ›Bedingungsloses Grundeinkommen‹, die bei Teilen der Bevölkerung durchaus positive Reaktionen hervorrufen, nicht zuletzt hinsichtlich der damit erhofften umfänglicheren Freizeitgestaltungsmöglichkeiten. Andererseits gibt es Bedenken, dass die existenziellen Konsequenzen der digitalen Transformation zu einem möglichen Verlust klassischer beruflicher Beschäftigungsverhältnisse, einschließlich bestehender unternehmenskultureller Werte, führen könnten und damit eine weitere Erhöhung des Leistungsdrucks sowie weniger arbeitnehmerorientierte Arbeitsbedingungen oder gar Arbeitslosigkeit verbunden wären. In diesem Zusammenhang wird befürchtet, dass in Verbindung mit den Folgen der Corona-Pandemie und weiteren weltpolitischen Eskalationen bisherige zivilisatorische Errungenschaften mit ihren Standards der Kultivierung des individuellen und gesellschaftlichen Lebens infrage gestellt würden und gänzlich veränderte alltagspraktische, berufliche sowie sozial- und freizeit-kulturelle Gestaltungsformen erforderlich werden.

Unbeschadet der zukünftigen gesellschaftlichen und ökonomischen Entwicklungsverläufe ist es daher bei der Gestaltung von nachhaltigen lebenslaufbegleitenden Bildungsprozessen prinzipiell sinnvoll, eine interessenbezogene und bedürfnisreflexive Selbstbestimmung sowie die Stärkung der individuellen psychischen Stabilität im Blick zu haben, um die jeweiligen Herausforderungen an die Kultivierung der Lebensgestaltung aktiv, pragmatisch und möglichst resilient angehen und bewältigen zu können.

1.3.1 Frühkindliche Sozialisation und Bildung

Um die benötige allseitige Befähigung für einen möglichst gelingenden und resilienten Lebenslauf zu fördern, kommt nun in besonderer Weise der frühkindlich-familialen, der vorschulischen und schulischen Sozialisation mit ihren Erziehungs-‍, Lern- und Bildungsprozessen eine grundlegende Bedeutung zu, die dann im selbstverantworteten lebenslangen Lernen, in der Erwachsenenbildung und angesichts des demographischen Wandels, zunehmend auch durch die Geragogik, ihre angemessene Fortführung im jeweiligen Lebenskontext finden sollte.

Beginnend mit dem Einfluss der familialen Tradition auf die soziokulturelle Entwicklung der nächsten Generation (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2020, 76) gilt die Weitergabe von Generationen übergreifendem Wissen und Verhalten als eine sinnvolle, Identität bildende Orientierung und Befähigung in der jeweiligen Lebenswelt. Dabei entstehen schon in der allerersten Lebenszeit für den Säugling Lernprozesse, die bedeutsame und prägende Grunderfahrungen bilden. Um sich nämlich als Akteur seiner Entwicklung entfalten zu können, ist für den Säugling das Erleben verlässlicher Zuwendung und Zugehörigkeit im Rahmen der Befriedigung alltäglicher Lebensbedürfnisse bedeutsam. Hierzu zählen insbesondere die aufmerksamen, zu wechselseitiger Kommunikation führenden emotionalen Reaktionen der Menschen im primären Lebensumfeld auf seine unterschiedlichen situationsbezogenen kindlichen Lautäußerungen wie auch auf Gestik und Mimik (vgl. Tomasello 2011, 342 f.). Die auf Grund solcher Achtsamkeit der Bezugspersonen ermöglichte Entwicklung von ›Urvertrauen‹ erleichtert die Entfaltung einer nachhaltigen Persönlichkeits- und Interessenbildung. Mit dem Hineinwachsen in die vorherrschende Sprachkultur erweitert sich sodann dieser basale kommunikative Austausch und eröffnet damit zugleich Verwirklichungschancen für einen von Neugier, Wissbegierde und Kreativität geleiteten Umgang mit den unterschiedlichsten Lebenssituationen.

Einen weiteren interessanten Beitrag zur Einbeziehung in das gesellschaftliche Gefüge auf Grundlage praktizierter frühkindlicher familialer Kulturgestaltung bietet das Feiern von Festen, Bräuchen und Ritualen, etwa im Zusammenhang mit der Namensgebung oder der Taufe. Über die Identifikation mit dem Bedeutungsgehalt der jeweiligen Vornamen hinaus wird durch die damit verbundene Sitte der Übernahme einer Patenschaft ein bedeutungsvolles familienergänzendes Angebot ermöglicht. Denn durch den vertrauensvollen Sozialkontakt zu den Paten ergeben sich für das heranwachsende Kind vielfältige Gelegenheiten, über den engeren Familienkreis hinaus unterschiedliche Formen der Lebens-‍, Wohn- und Alltagskulturgestaltung in einem solidargemeinschaftlichen Rahmen kennenzulernen.

Unter Berücksichtigung entwicklungsangemessener Bedingungen führen im weiteren Verlauf der frühen Kindheit spielerisch angebotene Bewegungsaktivitäten, kreatives Basteln und Malen, phantasievolles Gestalten wie auch musische Betätigungen zu freudvollen und interessegeleiteten Vorlieben und Hobbies. Solche Primärerfahrungen dienen in besonderer Weise als Alternativen angesichts einer immer stärker um sich greifenden ›digitalen Familienkindheit‹. Im weiteren Lebensverlauf können sie unter positiv verstärkenden sozial-kommunikativen Bedingungen, die Ausprägung und Verwirklichung erlebnisbereichernder und bedürfnisorientierter Freizeitbetätigungen ermöglichen.

Als zudem für die Enkulturation bedeutsam erweist sich in den sensiblen frühpädagogischen und vorschulischen Entwicklungsphasen die Förderung von Soziabilität durch die Begegnung mit den diversen Gleichaltrigen-Kulturen. Da diese Kontakte, etwa im Blick auf die Einhaltung bestimmter Verhaltensstandards, nicht immer konfliktfrei ablaufen, kommt insbesondere den institutionalisierten Betreuungs- und Förderangeboten, zumal unter dem Einfluss multikultureller Milieubedingungen, die Aufgabe zu, die Beziehungs- und Konfliktfähigkeit der Kinder achtsam und empathisch zu begleiten (vgl. Brinkmann 2015, 204). Dies vor allem, weil durch gelingendes sozial-kommunikatives Peer-to-Peer-Learning sich das Interesse an anderen kulturellen Lebensformen auf die Identitätskonstruktion bei den Kindern positiv auswirken kann, insbesondere dann, wenn auch die Eltern entsprechend sensibilisiert werden.

Gerade in dieser Entwicklungsphase sollte bei allen Betätigungen auf die begleitende unmittelbare alltagsintegrierte Förderung der sprachlichen Kommunikationsfähigkeit geachtet werden. Dies gilt für das Leben in der Familie wie für die institutionellen Angebote der Kindertageseinrichtungen, zumal 2019 22 % der diese Tagesstätten besuchenden 3- bis unter 6-jährigen Kinder »zu Hause vorrangig nicht Deutsch sprachen« (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2020, 97). Das gemeinsame Betrachten von Bilderbüchern und das unmittelbare dialogische Gespräch mit dem Kind über deren Inhalt erweist sich dabei als besonders förderlich für die sprachliche Kompetenzentwicklung. Denn Sprache als fundamentales menschliches Kulturgut hat zumal in dieser Entwicklungsphase eine umfassende und nachhaltig prägende Bedeutung im Blick auf die individuelle Entfaltung und Ausformung der zukünftigen Lebensgestaltung.

1.3.2 Interessenförderung in formalen, non-formalen und informellen Kontexten

Das durch dialogisches Vorlesen geweckte Interesse an Kinderliteratur kann etwa bei zusätzlicher Verwendung von digitalen Lese- bzw. Hörstiften für Kinderbuch-Dateien zu einer immer selbstständigeren Beschäftigung mit Bilderbüchern und schriftlichen Informationen führen. Auf diese Weise angeregt und durch die schulisch vermittelte Lesekompetenz befähigt, ermöglicht die Schlüsselqualifikation Lesen als eine wesentliche Bedingung für gute Bildung, beruflichen Erfolg, soziale Integration und gesamtgesellschaftliche Entwicklung, sich eigenbestimmt und interessenbezogen die Welt zu erschließen (vgl. Stiftung Lesen 2020). Nicht zuletzt nimmt durch die angemessene Vermittlung der Lesekompetenz ihre Bedeutsamkeit für ein anregendes, entspanntes und phantasievolles Lesevergnügen in der freien Zeit zu, auch wenn es bedenklich ist, dass die Lesefähigkeit und eine nachhaltige Lesekultur in den unterschiedlichen Sozialmilieus, zumal auf Grund der allgemeinen digitalen Überflutung, mitunter mangelhaft ausgeprägt sind (vgl. Börsenblatt 2019).

Hinsichtlich der schulischen Bildungssozialisation ist zu bedenken, dass die verschiedenen Unterrichtsfächer nicht nur auf Grund ihrer jeweiligen Fachdisziplin bedeutsam sind, sondern dass sie zudem das Potenzial besitzen, einen wichtigen und wirksamen Beitrag für die Entwicklung einer unmittelbar anwendungs- und erlebnisbezogenen freizeit-kulturellen Interessenbildung zu leisten. Insofern gilt: ›Nicht für die Schule, sondern für das Leben – auch in der Freizeit – lernen wir.‹

Von daher können freizeitpädagogische Verknüpfungen unter dem didaktisch-methodischen Aspekt der Förderung intrinsisch motivierter selbstgesteuerter Bildungsprozesse und der sich daraus ergebenden alltagskulturellen Handlungspraxen zu interessengeleiteter Lernfreude, kreativer Anstrengungsbereitschaft und damit zu einer erweiterten und vertieften Bedeutung der jeweiligen Unterrichtsfächer führen (vgl. Rat für Kulturelle Bildung 2017, 42 – 54). Dabei erstreckt sich der hier gemeinte freizeitpädagogische Bezug nicht allein auf den Schulsport und die Fächer der musisch-kulturellen und ästhetischen Bildung. Vielmehr betrifft er als unterrichtsdidaktische Querschnittsaufgabe mehr oder weniger alle schulischen Unterrichtsfächer, die gemäß den individuellen Vorlieben vielfältige freizeit-kulturelle Teilhabechancen eröffnen.

Allerdings wird der jeweilige immanente freizeit-kulturelle Mehrwert zu selten vermittelt und für die notwendige Gestaltung von Schule als kollektivem Lernort und Lebensraum für die Ermöglichung von Selbstbildungsprozessen herausgearbeitet. Um dem abzuhelfen, wird empfohlen, »den Schülern und den Lehrern mehr freie Verfügungsstunden für selbstständiges Arbeiten und freigewählte Beschäftigungen in Neigungs- und Interessengruppen« zu gewähren (Opaschowski 2004, 313), die sich an Lehr- und Lernformen orientieren, die Kopf, Herz und Hand aktivieren; und es gilt zu vermeiden, dass die zwanghafte Dominanz der Prüfungsrelevanz des Unterrichtstoffes zu ›Bulimie-Lernen‹ führt, das eine nachhaltige Interessenbildung am Unterrichtstoff begrenzt.

Zudem reduziert ein undifferenzierter Ganztagsschulbetrieb (vgl. Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung 2023) wie auch das Anfertigen einer übertriebenen Fülle häuslicher Schularbeiten die den Schülern verbleibende disponible Zeit für außerschulische Interessenentfaltung und für unmittelbare Freizeitkontakte mit Freunden (JIM-Studie 2019, 10). Diese Kontakte stehen jedoch im Rahmen der beliebtesten Freizeitaktivitäten mit an vorderster Stelle (vgl. Shell Deutschland 2020, 214). Infolge der zeitlichen Komprimierung kommt es deshalb hinsichtlich der erwünschten selbstbestimmten Gestaltungsaktivitäten einerseits immer wieder zu Freizeitstresssituationen, die sich negativ auf die Gesundheit auswirken können. Andererseits ergeben sich durch begrenzte kommunale Angebotsstrukturen und fehlende jugendkulturelle Aktionsräume sowie im Falle wenig entwickelter individueller Freizeitgestaltungsinteressen und einer durch die Länge des Schultags reduzierten Eigenmotivation anhaltend passiv-konsumtive Freizeitverhaltensweisen. Diese können alsbald zu einem von Langeweile geprägten ›Zeitvertreib‹ führen, der oftmals in einer exzessiven Nutzung digitaler Medien (vgl. ebd., 29 f., 226), in selbstgefährdenden riskanten Aktionen oder gar im Verlust eines zivilisierten Umgangs mit Menschen und Sachen besteht.

In Kenntnisnahme der Bedürfnisse junger Menschen (vgl. ebd., 106, 214), wozu auch die Ermöglichung einer aktiven Mitgestaltung der Schüler an der Schulgemeinschaft und ihrer demokratischen Schulkultur gehört, aber auch im Blick auf die Bedeutung von Schule angesichts der gesellschaftlichen Zukunftsherausforderungen bedarf es einer verstärkten freizeit-kulturellen Selbstvergewisserung der Lehrkräfte aller Schulformen. Sie soll dazu befähigen, sich mit den Möglichkeiten und Chancen einer freizeitdidaktischen Konzept- und Praxisentwicklung im Blick auf unterrichtsbezogene wie auch schulergänzende Angebote stärker vertraut zu machen, um diese Thematik angemessen mit den Schülern bearbeiten zu können. Entsprechende Anregungen zu einer motivierenden und emotional aktivierenden freizeit-kulturellen Bildungs- und Erziehungsarbeit liegen auf der Grundlage der Ergebnisse der pädagogischen Freizeitforschung (vgl. DGfE 2020) sowie der Spiel-‍, Medien- und Erlebnispädagogik vor (vgl. Rehm 2020).

Grundsätzlich bedarf es hinsichtlich einer nachhaltigen Planung und Durchführung von Projektwochen und Schullandheimaufenthalten (vgl. Wilken 2002a), einschließlich Interesse weckender AGs in Sexualkunde, Werken, Ernährung und Hauswirtschaft, kreativem textilen Gestalten sowie der MINT-Fächer und der beruflichen Orientierung (vgl. aluMINTzium 2020), eines erweiterten Bildungsverständnisses in Verbindung mit einer entsprechend qualifizierten Lehreraus- und -fortbildung. Deren Aufgabe ist es zu vermitteln, wie die Relevanz der Unterrichtsthemen didaktisch motivierend für die Lebenswelt der Schüler herauszuarbeiten ist. Allerdings besteht an der Sicherstellung einer dementsprechenden ›Fortbildungskultur‹ ein eklatanter Mangel.

Dabei ist zu verdeutlichen, dass eine nachhaltige Steigerung der Schülerinteressen nicht primär vom Einsatz digitaler Medien abhängig ist, die ohnehin ihr persönliches Leben bestimmen – wenn auch teilweise nicht ohne problematische Effekte, sondern von Lerngelegenheiten mit Wirklichkeitsbezug und einer handlungsdidaktisch sinnvollen Einbindung sowohl von analogen als auch von digitalen Methoden in das jeweilige Unterrichtsgeschehen (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2020, 283, 296). Diese immer notwendiger werdende neue schulische Lernkultur zielt auf die Entwicklung und Förderung von kreativer Intelligenz und Neugierverhalten, auf ein gesundes Selbstvertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit, auf eine resiliente Frustrationstoleranz sowie auf Team- und Kooperationsfähigkeit.

Allerdings stellen sich die gegenwärtigen schulisch-formalen Gestaltungsmöglichkeiten immer wieder als begrenzt heraus, was den oftmals wenig schülerfreundlichen Schulbauten, den medientechnischen Rahmenbedingungen, wie auch den pädagogischen Prozessen unter Einschluss des heterogenen Profilbildes der Schulsozialarbeit geschuldet ist (vgl. Zankl 2017, 43). Deshalb empfiehlt sich im Blick auf einen notwendigen schulischen Kulturwandel eine verstärkte Kooperation mit außerschulischen Trägern der verbandlichen und offenen Jugend-‍, Sozial-‍, Bildungs- und Kulturarbeit, um den freizeit-kulturellen Herausforderungen mehr Raum zu geben, wobei diese gleichwohl der kommunalen freizeitpolitischen Förderung bedürfen (vgl. Popp 1999, 83 ff.; Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2020, 128 ff.). Deren Angebote im Rahmen non-formaler und informeller Bildungskontexte, aber auch weitere Kontakte zu regionalen Hobby- und Do-it-yourself-Initiativen, zu Freizeitsportgruppen und musisch-kulturell aktiven Zirkeln sowie zu Netzwerken des sozialen und ökologischen Engagements erweisen sich oftmals als geeignet, über die Schul- und Berufsschulzeit hinaus lebenslaufbegleitend mit Freude sowohl individuell als auch mit Gleichgesinnten weiterbetrieben zu werden. Nicht zuletzt die Erfahrungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie haben aber auch gezeigt, wie bedeutsam es ist, beim Wegbrechen gewohnter alltäglicher Routinen, allein mit sich selbst und seinem Leben auch in ›unfreiwillig freier Zeit‹, etwas Sinnvolles anzufangen wissen, ohne gleich in eine übertrieben singularisierte Lebensführung abzudriften (vgl. Sinus-Jugendstudie 2020, 580 ff.).

1.3.3 Bedürfnisreflexive Selbstkompetenz im Erwachsenenalter

Die durch den familialen Lebensstil vermittelten und während der Kindheit sowie der Schul- und Jugendzeit mit Freude und Begeisterung verfolgten freizeit-kulturellen Aktivitäten sind in ihren nachhaltig animativen Auswirkungen insbesondere dann gefragt, wenn junge Menschen, nach Adoleszenz, Berufsausbildung und Auszug aus dem elterlichen Zuhause, mit dem Eintritt ins Erwachsenalter als selbstständig handelnde Personen eigenverantwortlich ihre Lebensgestaltung ergreifen. Im Zusammenhang mit den vielfältigen Anforderungen dieses neuen Lebensabschnitts sind auch Entscheidungen zu treffen, die sich auf eine angemessene Work-Life-Balance erstrecken. Wie die 18. Shell-Jugendstudie belegt, geht es dabei den meisten jungen Leuten »nicht allein um die materiellen Aspekte der eigenen Erwerbstätigkeit. Sie wünschen sich vielmehr, ihre Berufstätigkeit als sinnvoll und erfüllend zu erleben«. Damit verbunden steht sehr deutlich »die Erwartung, genügend Freizeit neben der Berufstätigkeit zu haben, [...] sehr hoch im Kurs« (Shell-Deutschland 2020, 189). Es gilt daher für junge Erwachsene, die eigenen Vorstellungen bezüglich ihrer Lebensplanung als Herausforderung anzunehmen und sich in Hinsicht auf die Kultivierung ihrer jeweiligen aktuellen Lebenslage durch ein reflektiertes pragmatisches ›Selbstmanagement‹ auf der Grundlage von Wissen, Können und Verhalten weiter zu vervollkommnen, ohne dabei ihre Selbstentfaltungswerte einem dysfunktionalen Perfektionismus der Selbstoptimierung zu opfern.

Richtet man den Blick auf die gegenwärtige Einschätzung erwachsener Personen hinsichtlich des Gelingens ihrer freizeit-kulturellen Lebensgestaltung, so steht einer diesbezüglich befriedigenden Selbstwirksamkeit nicht selten das schon in biblischer Zeit formulierte Hindernis entgegen: »Wollen habe ich wohl, aber vollbringen das Gute finde ich nicht« (Römer 7, 18). Augenscheinlich wird dies bereits bei den negativen Auswirkungen eines wenig gesundheitsförderlichen Ernährungsverhaltens auf den BMI, auf Grund mangelhafter Ernährungsbildung in Verbindung mit einer geringen reflexiven Bedürfnissteuerung, sowie eines bundesweit immer stärker um sich greifenden kollektiven Bewegungsmangels. Denn trotz langjähriger Schulsporterfahrungen bewegen sich der WHO zufolge einer von vier Erwachsenen und vier von fünf Jugendlichen nicht ausreichend (vgl. aerzteblatt.de 2020). Diese und weitere nicht unproblematische Bedingungen und Verhaltensweisen tragen dazu bei, dass mit Ausnahme der Ruheständler nur etwa jeder zweite Bundesbürger mit der eigenen Alltags- und Freizeitgestaltung zufrieden ist, die sich zudem häufig zwischen den Polen passiver Routine und digitaler Hektik bewegt (vgl. Stiftung für Zukunftsfragen 2019).

Angesichts einer Übereinstimmung von 46 % der Bevölkerung mit der Einstellung, in meiner Freizeit »mache ich nicht das, was ich wirklich will« (ebd. 4), wird die kollektive Bedeutsamkeit einer diesbezüglich umfassenden Kultivierung der Lebensgestaltung deutlich, und zwar sowohl hinsichtlich eines reflektierten individuellen Verhaltens als auch hinsichtlich des Bedarfs an freizeit-kulturell motivierenden gesellschaftsstrukturellen Informations-‍, Bildungs- und Animationsinitiativen, die über die freizeitpädagogischen Zielsetzungen der Schul- und Jugendzeit hinausreichen. Demzufolge möchte freizeit-kulturelle Erwachsenenbildung dazu beitragen, dass Selbstwirksamkeit durch bedürfnisreflexive Selbstkompetenz gelingen kann. Insofern ist sie bestrebt, den Einzelnen in seinem Wollen zu unterstützen und ihn anzuregen, individuell das Gute und Richtige zu tun, um dadurch dem Leben mit seinen unterschiedlichen Rollenanforderungen in verantwortlicher Weise Sinn, Befriedigung und einen gesellschaftsförderlichen Nutzen geben zu können.

Bei der Kulturvierung der freien Lebenszeitgestaltung in Verbindung mit der Aktivierung der Potenziale zur Steigerung der Lebensqualität des erwachsenen Menschen geht es denn auch nicht allein um die Realisierung von Bedingungen, die ein gelegentliches ›Fit for fun‹ ermöglichen sollen – so faszinierend die damit verbundenen ›Flow-Erlebnisse‹ auch sein mögen (vgl. Szell 2019). Vielmehr gilt es jeweils aktuell herauszufinden, in welcher Form die erwünschte freie Zeitgestaltung der Tages-‍, Wochen-‍, Jahres- und Lebensfreizeit innerhalb der gesamten Lebensführung möglichst nachhaltig verwirklicht werden kann, und zwar unter dem Aspekt des Wohlbefindens durch Pflege eigener Interessensbereiche, durch Rhythmisierung des Tagessablaufs, durch Besinnung auf das Wesentliche, durch Muße und Spontaneität sowie durch gesellige Kontakte, das Feiern von Festen und durch erlebnisreiche Betätigungen, die Spaß, Freude, Abwechslung und Entspannung bringen.

1.3.4 Freizeitkulturelle Lebensstile in ethischer Verantwortung

Für die Förderung und Verwirklichung von freizeit-kulturellen Bildungs- und Gestaltungsinteressen stehen der erwachsenen Bevölkerung in unserer Gesellschaft, nicht zuletzt auf Grund ihres sozial- und kulturstaatlichen Selbstverständnisses, die verschiedensten zielgruppenspezifischen Angebotsformate für Körper, Seele und Geist zur Verfügung (vgl. Keuchel 2015, 310). Hierzu zählen auch die in vielen Kommunen vorhandenen öffentlichen Parkanlagen, Spiel- und Sportplätze, Bäder, Bibliotheken, Museen, Theater, Chöre und Volkshochschulen. Die dort bestehenden nutzerorientierten Angebote unterliegen einer kontinuierlichen Angebots- und Nachfrageveränderung durch neue Entwicklungen, die Interesse wecken und zum Handeln anregen möchten. Häufig sind sie so gestaltet, dass sie die benötigte intrinsische Motivation stimulieren, die es braucht, um verschüttete Bedürfnisse zu beleben und den Einzelnen anzuregen, seine ihm möglichen freizeit-kulturellen Teilhabe- und Gestaltungsinteressen im Blick auf ein umfassend resilientes ›Well-Being‹ zu aktivieren.

Zugleich besteht aber im Blick auf weitere vielfältige und unterschiedlichste Angebote zur Freizeitgestaltung bei nicht wenigen Menschen das Problem einer plakativen konsumistischen Bedarfsweckung und manipulativen Bedarfslenkung durch die Freizeitwerbung, die nicht zuletzt vom wirtschaftlichen Interesse der Freizeitindustrie am Konsumgut Freizeit bestimmt wird. Diese Problematik ergibt sich insbesondere dann, wenn etwa bei mangelhaft ausgebildeter Bedürfnis- und Konsumkompetenz die Selbstinszenierungshoffnungen der angepriesenen Verheißungen mit ihren prestigeträchtigen Events, Marken und Trends obsiegen und zu unbedachtem Konsum verleiten (vgl. Opaschowski 2004, 281 ff.). Dadurch wird die Entfaltung freizeit-kultureller Werte und Verhaltensweisen begrenzt und damit eine selbstbestimmte Lebensorientierung, die sich, etwa im Blick auf die individuelle Konsumfreiheit, nicht in einem unreflektierten konsumbezogenen Konformitätsverhalten erschöpfen sollte. Es wäre deshalb bei manchen überzogenen Formen der konsumorientierten Lebensführung sinnvoll und bedenkenswert, sich nach dem Motto ›Weniger könnte mehr sein‹, zu verhalten, um dadurch zu einer individuell suffizienten und auch kollektiv nachhaltigeren Lebens-Kultur-Gestaltung beizutragen.

Indes sind die Zugangswege zu freizeit- und konsumkulturellen Offerten wie auch zu gesundheitsförderlichen Fitnessangeboten in Verbindung mit den jeweils aktuellen Gestaltungsformen der Kultivierung zeittypischer Szenen und modischer Lebensstile nicht nur von den individuellen Freizeitinteressen und den sozialisationsgeprägten Verhaltensweisen abhängig, sondern eben auch von den materiellen Ressourcen der Nachfragenden (vgl. Sparwelt 2019). Diese beeinflussen zudem die schicht- und milieuspezifischen Werthaltungen bei der Realisierung der jeweiligen sozial-kulturellen Lebensentwürfe (vgl. Schulze 1995, 277 ff.; Sinus-Milieus 2020). Sie erschweren damit, zumal bei begrenzten finanziellen Spielräumen, die kritisch-korrektive Ausbildung einer nachhaltig angemessenen Bedürfnisbalance. Aus diesem Grund müssten die in Teilen der Bevölkerung bestehenden begrenzten partizipativen Lebensbedingungen sowie ihre berechtigten bedürfnisorientierten Freizeitwünsche und internalisierten Konsummuster bedacht werden. Sie sind als sozial-inklusive Herausforderungen wahrzunehmen und bedürfen einer differenzierten sozialpolitischen Berücksichtigung, um eine sinnvolle und gleichberechtigte Teilhabe aller an einer demokratischen und humanen Lebens-Kultur-Gestaltung zu ermöglichen (vgl. Kramer 2016, 137 ff.).

Gemeinsam ist allerdings den meisten Menschen, dass sie unter Beachtung ihres persönlichen Lebensstils ihre Muße- und Freizeitinteressen unmittelbar im Rahmen der Gegebenheiten ihrer individuellen Wohnkultur durch die Gestaltung ihres Haushalts befriedigend verwirklichen wollen (Popp 2015, 207 ff.). Insofern hat ein behagliches, funktionsgerechtes und bezahlbares Zuhause große Bedeutung, denn

»fast sämtliche von der Mehrheit der Bevölkerung ausgeübte Freizeitaktivitäten finden daheim statt. [...] Nach Feierabend wird sich auf dem Sofa entspannt, informiert und unterhalten. [...] Außerhausaktivitäten sind dagegen das Highlight der Woche, wenn nicht sogar des Monats« (Stiftung für Zukunftsfragen 2019).

Fernsehen ist für 94 % der Bevölkerung das häusliche Leitmedium, gefolgt von Radiohören, Telefonieren, Musikhören, im Internet surfen und Smartphone-Nutzung. Mit deutlichem Abstand folgen außerhäusliche Freizeitunternehmungen: 35 % der Bevölkerung geben an, wenigstens einmal pro Woche sportlich aktiv zu sein, 28 % besuchen Sportveranstaltungen. 25 % beschäftigen sich mit Gartenarbeit. 20 % sind wenigstens einmal pro Monat ehrenamtlich engagiert, 17 % treffen sich wöchentlich persönlich mit Freunden. Ins Restaurant, die Kneipe, die Kirche, zum Stammtisch oder zum Shopping in die Geschäfte zieht es knapp jeden zehnten Bürger regelmäßig. 14 % gehen wenigstens einmal im Monat ins Kino, 4 % ins Theater, in die Oper, ins Ballett oder besuchen ein klassisches Konzert. 5 % finden den Weg in ein Museum. Nicht zu vergessen ist das Interesse an Zeitungen und Zeitschriften, das noch von 67 % wenigstens einmal die Woche wahrgenommen wird, sowie an der Buchlektüre (29 %) (vgl. ebd.).

Durch die Coronakrise bedingt ergaben sich verständlicherweise veränderte Freizeitverhaltensweisen und -bedürfnisse, da viele Freizeitangebote nur begrenzt zugängig waren oder nicht ausgeübt werden konnten. So nutzten im Jahr 2020

»96 % der Bundesbürger regelmäßig (wenigstens einmal in der Woche) das grenzenlose Onlineangebot des World Wide Web als Informationsquelle, Kontaktbrücke, Spiele- oder Unterhaltungsplattform. Mit einigem Abstand folgt das Fernsehen (86 %) auf Platz zwei, knapp vor der Computer-/Laptop- oder Tabletnutzung (83 %). Auch auf den weiteren Plätzen zeigt sich die Dominanz der Medien in der Freizeitgestaltung: Privater Mailverkehr, Musik und Radio hören und mit dem Smartphone spielen, surfen und chatten« (Stiftung für Zukunftsfragen 2020a, 1).