Fremdsprachendidaktische Professionsforschung: Brennpunkt Lehrerbildung -  - E-Book

Fremdsprachendidaktische Professionsforschung: Brennpunkt Lehrerbildung E-Book

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Beschreibung

Der Band versammelt empirische Arbeiten aus der fremdsprachlichen Professions-, Ausbildungs- und Fortbildungsforschung und zeigt die derzeitigen Forschungsschwerpunkte in diesem Bereich auf. In den letzten zwei Jahrzehnten entstanden zahlreiche innovative Aus- und Fortbildungskonzepte, deren Auswirkungen auf die Unterrichtspraxis in Universitäten, Studienseminaren und Schulen bislang nur unzurei- chend untersucht wurden. Dieser Band füllt diese Lücke und ist somit für all jene von Interesse, die in der Aus- und Fortbildung von Lehrkräften für den fremdsprachlichen Bereich tätig sind.

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Fremdsprachendidaktische Professionsforschung: Brennpunkt Lehrerbildung

Michael K. Legutke / Michael Schart

A. Francke Verlag Tübingen

 

 

© 2016 • Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 • D-72070 Tübingen www.francke.de • [email protected]

 

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

 

E-Book-Produktion: pagina GmbH, Tübingen

Inhalt

VorwortFremdsprachliche Lehrerbildungsforschung: Bilanz und Perspektiven1 Die Ausbildung von Lehrenden: ein vernachlässigtes Forschungsfeld2 Professionelle Kompetenzen von Fremdsprachenlehrenden2.1 Tendenzen in der empirischen Kompetenzforschung2.2 Rahmenmodell2.3 Sprache, Literatur und Kultur2.4 Lehren und Lernen2.5 Identität und Rolle2.6 Kooperation und Entwicklung3 Aus- und Fortbildung als dialogischer Prozess3.1 Der erlebte Unterricht3.2 Der dokumentierte Unterricht3.3 Der beobachtete und praktizierte Unterricht3.4 Der antizipierte Unterricht3.5 Der Unterricht an der Hochschule4 Fazit und Ausblick5 LiteraturDer Aufbau des fachspezifischen Professionswissens angehender Fremdsprachenlehrerinnen und -lehrer in der ersten Ausbildungsphase: Wege zur Entwicklung einer quantitativen Messung1 Das Professionswissen im Lehrerberuf und sein Aufbau im Lehramtsstudium2 Der fachspezifische Kernkompetenzbereich des Professionswissens3 Die Entwicklung eines Erhebungsinstruments zum Professionswissensstand im Lehramts-Studienfach Spanisch3.1 Inhaltliche Parameter der Studie3.2 Die methodische Ausrichtung der ZeBiG-Studie4 Zum Forschungsstand in der empirischen Professionsforschung4.1 Der Forschungsstand zur Professionsforschung in den mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern4.2 Der Forschungsstand zur Professionsforschung in den geisteswissenschaftlichen Fächern5 Zum forschungsmethodologischen Vorgehen im Fach Spanisch5.1 Item-Entwicklung nach vier Säulen5.2 Thematische Auswahl zur Item-Entwicklung5.3. Operationalisierung der Kompetenzbereiche für die Item-Bildung6 Ausgewählte Item-Beispiele6.1 Item-Beispiel aus dem Bereich Phonetik und Phonologie6.2 Item-Beispiel aus dem Bereich Semantik und Lexikologie7 Fazit8 LiteraturWas sollte eine gute Englischlehrkraft wissen? Über die Auswahl von Items im FALKO-E Test zum fachspezifischen Professionswissen1 Konzeption domänenspezifischen Professionswissens in FALKO-E1.1 Gesamtkonstrukt1.2 Fachdidaktisches Professionswissen (FDW)1.3 Fachwissen (FW)2 Validierung des Testinstruments und Entwicklung des Kodiermanuals2.1 Validierung des Testinstruments2.2 Entwicklung des Kodiermanuals3 Durchführung der Vorstudie zu FALKO-E3.1 Stichprobe und Durchführung3.2 Psychometrische Gütekriterien4 Auswahl der Items für die Hauptstudie5 Ausblick auf die Hauptstudie6 Weitere PerspektivenLiteraturverzeichnis„Dass jedoch Emotionen einen immensen Einfluss auf den Lernerfolg haben können, war mir nicht bewusst“ –1 Einleitung und Kontext des Ausbildungsprojektes2 Der Reflexionsbegriff als theoretische Basis3 Forschungsmethodik zur Analyse der Reflexionsberichte4 Exemplarische Einzelfallanalysen5 Zusammenführung der Ergebnisse6 Fazit: Entwurf eines theoretischen Modells individueller ReflexionsverläufeLiteraturAnhangRapport réflexif individuelAnalyseraster zur UnterrichtsbeobachtungEffekte der Verzahnung von wissenschaftlichen und anwendungsbezogenen Ausbildungsinhalten auf die Kompetenzentwicklung von Lehramtsstudierenden der Fachdidaktik Englisch1 Einführung2 Theoretischer Rahmen und Forschungslage2.1 Kompetenzbegriff2.2 Professionswissen2.3 Forschung zum Verhältnis von Theorie und Praxis im Aufbau von professioneller Kompetenz3 Die Lehreinheit4 Curriculare Verankerung der Lehrinhalte5 Kompetenztest und Stichprobe6 Hypothesen7 Erste Ergebnisse und DiskussionLiteraturLexikalisches Lernen optimieren – Ausgewählte Befunde einer Mehrfachfallstudie zur Förderung der professionellen Unterrichtswahrnehmung von angehenden Englischlehrpersonen mit Unterrichtsvideos1 Einleitung2 Theoretische Ausgangspunkte2.1 Wissensverwendungsforschung2.2 Wie hängen Wissen und Wahrnehmung zusammen?2.3 Die Situation als Bewährungsfall für fachdidaktisches Wissen2.4 Konzeptualisierung der Domäne „Lexikalisches Lernen ermöglichen“3 Methodisches Vorgehen3.1 Zum Forschungsdesign: Design-based research3.2 Die Datenerhebung und ihre theoretischen Grundlagen3.3 Kurzbeschreibung des Unterrichtsvideos „Practicing new words“3.4 Datenauswertung4 Beispiele aus den schriftlichen Analysen der Studierenden5 Zusammenfassung und DiskussionLiteraturUnterrichtsvorbereitung, Kooperation und situiertes Lernen – Untersuchungsergebnisse zu Unterrichtsplanungsgesprächen angehender Englischlehrender1 Erkenntnisinteresse und Untersuchungsgegenstand2 Zugänge und theoretische Verortung2.1 Unterrichtsplanung2.2 Kooperation und kooperative Lernprozesse3 Untersuchungsdesign4 Analysen I, II und III: Vorgehen und ausgewählte Ergebnisse4.1 Inhalte der Unterrichtsplanung4.2 Der Prozess der Unterrichtsplanung4.3 Kooperatives Planen und situiertes Lernen4.4 Das gemeinsame Planen einer Unterrichtsstunde4.5 Kooperative Lernprozesse4.6 Verortung in der Praxisgemeinschaft5 Implikationen für die Lehrer/innenausbildungLiteraturProfessionalisierung und Kompetenzentwicklung in der 2. Phase der Fremdsprachenlehrer(innen)bildung: Akteure, Prozesse, Themen1 Einleitung2 Forschungsfeld Vorbereitungsdienst/Referendariat2.1 Struktur des Vorbereitungsdienstes2.2 Forschung zum Vorbereitungsdienst3 Akteure3.1 Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst (Referendarinnen und Referendare)3.2 Lehrende und Mentorinnen/Mentoren im Vorbereitungsdienst4 Prozesse und Themen4.1 Prozesse und Kompetenzentwicklung4.2 Themen und Problemfelder5 AusblickLiteraturverzeichnisKooperatives Sprachlernen – ein Chamäleon in Fortbildung und Evaluation1 Einleitung2 Die Gestaltung von Fortbildungen für Kooperatives Sprachlernen2.1 Das Konzept und seine Methoden in der Lehrerfortbildung2.2 Ziele, Inhalte und Methoden von Lehrerfortbildungen2.3 Forschungsbasierte Inhalte und Methoden in der Lehrerfortbildung3 Die Evaluation von Fortbildungen für kooperatives Sprachlernen3.1 Evaluation – quantitativ, qualitativ oder beides?3.2 Erste Evaluation des Lehrertrainings für kooperatives SprachlernenLiteraturLesen und Schreiben im Englischunterricht der Grundschule, aber wie? Gelingensbedingungen aus der Sicht von Lehrkräften1 Einleitung2 Professionsforschung und Lehrerfortbildungen3 Die Lehrerfortbildung als Initiator zum Anbahnen von Lesen und Schreiben im Englischunterricht der Grundschule4 Kontextabhängige Faktoren für Erfolg und Misserfolg der Fortbildung zum Lesen und Schreiben im Englischunterricht der Grundschule in Bremen5 FazitLiteratur“It’s not as academic and impossible as it seems to be” – Aktionsforschung und berufliches Selbstvertrauen in der fremdsprachlichen Lehrerbildung1. Einleitung2 Aktionsforschung in der fremdsprachlichen Lehrerbildung2.1 E-LINGO – Didaktik des frühen Fremdsprachenlernens3 Berufliches Selbstvertrauen4 Selbstvertrauen durch Aktionsforschung?4.1 Vertrauen in sprachliche Kompetenzen4.2 Vertrauen in pädagogische Kompetenzen4.3 Vertrauen in methodische und fachdidaktische Kompetenzen4.4 Vertrauen in fachwissenschaftliche Kompetenzen5 Fazit und Ausblick6 LiteraturPraxiserkundungsprojekte und ihre Wirksamkeit in der Lehrerfort- und Weiterbildung1 Einleitung2 Aktionsforschung als Professionalisierungs- und Entwicklungsstrategie3 Reflexion, Dialog und Evidenz: die Grundsätze alltagskompatibler AktionsforschungReflexionDialogEvidenz4 Praxiserkundungen im Rahmen von Fort- und Weiterbildungen mit DLL5 Datenkorpus: Die PEP-Dokumentationen6 Drei Thesen zur Wirksamkeit von Praxiserkundungen für die Weiterqualifizierung von LehrkräftenThese 1These 2These 37 PerspektivenAnhangLiteraturAutorenverzeichnis

Vorwort

Michael. K. Legutke/Michael Schart

Der vorliegende Band beruht auf der Arbeit in einer Sektion zur Aus- und Fortbildung von Lehrenden auf dem 26. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Fremdsprachenforschung (DGFF) an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg (30. September – 3. Oktober 2015).

In der Sektion sollten Forschungsprojekte zusammenfinden, die auf der Grundlage empirischer Erkenntnisse eine oder mehrere der folgenden Fragen thematisieren:

Wie tragen einzelne Elemente eines Programms zur Kompetenzentwicklung bei?

Wie wirken bereits zuvor erworbene, medial vermittelte und direkte Lehrerfahrungen als Teil eines Programms zusammen?

Wie verändern sich das professionelle Selbstverständnis und die Lehrkompetenz in der Aus- und Fortbildung unter verschiedenen Kontextbedingungen?

Wie lässt sich forschendes Lehren und Lernen in die Aus- und Fortbildung integrieren?

Wie sollten einzelne Aus- und Fortbildungsinhalte gewichtet werden und welche Überlegungen sind bei dieser Entscheidung ausschlaggebend?

Wie wirkt Fort- und Ausbildung langfristig?

Welche Rolle spielen die Kompetenzen der Aus- und Fortbilder?

Wie ist das aus- und fortbildungsdidaktische Potenzial digitaler Medienarrangements mit ihren Lehr- und Lernformen (z.b. Blended Learning) einzuschätzen?

Wie können sich Lehrkräften selbstinitiiert, kollektiv und kooperativ fortbilden?

Für die Sektionsleiter war wichtig, mit den ausgewählten Beiträgen nicht nur die verschiedenen Arbeitsbereiche in der Aus- und Fortbildung abzudecken, sondern auch die Didaktiken möglichst unterschiedlicher Sprachen einzubeziehen. Das ist uns auf dem Kongress nur teilweise gelungen. Um ein umfassenderes Bild der gegenwärtigen Forschungslage zu den einzelnen Ausbildungsphasen und den im deutschen Sprachraum am häufigsten unterrichteten Fremdsprachen zu erreichen, haben wir deshalb für diesen Band neben den in Ludwigsburg präsentierten Forschungsprojekten weitere Beiträge aufgenommen.

Im Verlauf der Sektionsarbeit zeigte sich eine große Übereinstimmung bei der Einschätzung, dass die Fremdsprachendidaktik der Lehrerbildung jahrzehntelang bestenfalls einen Nebenschauplatz in der Forschung zugestanden hat. Ebenfalls konstatiert wurde, dass die konkreten Lehr- und Lernzusammenhänge, das Zusammenspiel von inhaltlichen Angeboten, Unterstützungssystemen, Sozialformen und Lehrpraktiken an der Hochschule als eine Black Box beschrieben werden müssen. Andererseits haben die Beiträge und Diskussionen gezeigt, dass auf einem lange vernachlässigten Feld Bewegung entstanden ist, die es zu stärken gilt. Als Empfehlung wurde formuliert, dass es für die weitere Entwicklung des Forschungsfeldes zweifellos von Vorteil wäre, wenn es gelänge, größere Forschungsverbünde zu schaffen, und wenn qualitativ-explorative und quantitativ Hypothesen testende Herangehensweisen verstärkt in gemischten Designs zusammengeführt würden. Der vorliegende Band versteht sich als ein Schritt in diese Richtung.

Wir bedanken uns bei allen Autorinnen und Autoren für die inspirierende Zusammenarbeit während des Kongresses und bei der Vorbereitung dieses Bandes. Unser Dank gilt weiterhin der Kongressleitung für die erfolgreiche Organisation des Kongresses und ihre Unterstützung dieser Publikation. Ferner danken wir Ilse Braun und Darja Brotzmann für die kompetente Unterstützung bei der Herstellung der Druckfassung.

 

Im August 2016

 

Michael Legutke und Michael Schart

Fremdsprachliche Lehrerbildungsforschung: Bilanz und Perspektiven

Michael K. Legutke/Michael Schart

1Die Ausbildung von Lehrenden: ein vernachlässigtes Forschungsfeld

Die gesellschaftlichen Umwälzungen der letzten vierzig Jahre, die gemeinhin mit dem Begriff Globalisierung zusammengefasst werden, haben die Bedingungen, unter denen Sprachen gelehrt, gelernt und gebraucht werden, grundlegend verändert. Schulische Bildungseinrichtungen im Allgemeinen und die sprachlichen Fächer im Besonderen müssen nicht nur der wachsenden sprachlichen und kulturellen Heterogenität der Lernenden Rechnung tragen, sondern gezielt die Fähigkeit junger Menschen entwickeln, selbstbestimmt mit Sprachen und Kulturen umzugehen, sich kritisch in Diskurse einzuschalten und sie zu gestalten.

Diese Aufgabe, als Kernbestand einer zeitgemäßen und zukunftsfähigen allgemeinen Bildung, beinhaltet die Entwicklung von Schlüsselkompetenzen, die die Mehrsprachigkeit, die Fähigkeit zur Sprachmittlung und die interkulturelle Kompetenz einschließen (KMK/BMZ2016: 156–191). Dem Fremdsprachenunterricht kommt dabei sicher eine ganz besondere Bedeutung zu. Er muss sich zudem den Herausforderungen und Möglichkeiten stellen, die die technologischen Umwälzungen mit sich bringen. Legen doch letztere nahe, das fremdsprachliche Klassenzimmer als institutionellen Ort des Lehrens und Lernens von Sprachen neu zu bestimmen, nämlich als ein Ensemble vernetzter Lernorte. In diesem nimmt das Klassenzimmer, so wie wir es kennen, nach wie vor eine zentrale Stelle ein. Aber es ist zugleich in vielfacher Weise mit der Lebenswelt und anderen Lernorten verknüpft. Es schafft das Umfeld für virtuelle und direkte Begegnungen, fungiert als Produktionsort multimodaler Texte und stellt den Reflexionsraum für individuelles und kooperatives Lernen bereit. Didaktische Arrangements sind gefragt, die diese neuen Möglichkeiten produktiv nutzen und die Herausforderungen zu meistern helfen (vgl. Legutke 2015).

Dass es dabei in einem erheblichen Maße auf die Lehrkraft ankommt, haben die Diskussionen um Hatties Metastudie (Hattie 2008, 2011; Terhart 2014) eindrücklich bestätigt. Gefragt sind fremdsprachlich, fachdidaktisch und pädagogisch qualifizierte Lehrkräfte, denen es gelingt, zusammen mit den Lernenden einen lebendigen (Fremd)Sprachenunterricht zu gestalten, in dem genau jene oben angesprochenen Schlüsselkompetenzen zur Entfaltung kommen können. Die Frage, wann, wo und wie zukünftige und bereits praktizierende Lehrkräfte entsprechend qualifiziert werden, scheint leicht beantwortet: in den im europäischen Vergleich höchst komplexen und anspruchsvollen Lehrerbildungsprogrammen der Bundesländer, die auch dort, wo die Umstellung auf BA und MA erfolgte, für die erste Ausbildungsphase an einem breit angelegten Zweifachstudium festhalten, das fachwissenschaftliche, fachdidaktische, bildungswissenschaftliche wie unterrrichtspraktische Anteile vorhält. Trotz aller Reformen hat sich die fremdsprachliche Lehrerbildung in seiner Grundstruktur kaum verändert. Sucht man jedoch nach Studien, die die Bildungsprozesse dieser komplexen Programme oder ihre Effekte für die Ausbildung der Kompetenzen der Lehrkräfte erforschen, wird man bis heute kaum fündig: Die fremdsprachendidaktische Forschung im deutschsprachigen Raum hat sich dieser Zusammenhänge erst in jüngster Zeit angenommen (Roters/Trautmann 2014 mit Überblick).

Diesen Umstand könnte man so deuten, als seien die positiven Effekte der Programme, die Angemessenheit der Inhalte und Lehr- und Lernarrangements über viele Jahre hinweg im deutschsprachigen Raum als gegeben angenommen worden. Ein Blick in die internationale fremd- und zweitsprachliche Lehr- und Professionsforschung legt hingegen nahe, die Wirkungsmechanismen in Aus- und Fortbildungsprogrammen zu hinterfragen: Sie stellen aus gutem Grund einen genuinen Forschungsgegenstand dar. In den letzten vierzig Jahren haben Studien zur Lehrerbildung (second/foreign language teacher education and professional development) erheblich an Bedeutung gewonnen und dabei unter anderem verdeutlicht, weshalb Urteile über den Erfolg von Aus- und Fortbildungsprozessen auf empirischen Erkenntnissen beruhen sollten (z.B. Singh/Richards 2006; Wideen u.a. 1998).

Die Diskussion wird allerdings in auffälliger Weise durch Englisch als Fremd- und Zweitsprache dominiert. Forschungen, das Lehren anderer Sprachen betreffend, und nicht englischsprachige Publikationen finden international durchweg keine Beachtung. Da ein umfassender Forschungsbericht den Rahmen dieser Einleitung sprengen würde, verweisen wir auf die einschlägigen Artikel zum State-of-the-Art (Man 2005, Wright 2010) und vergleichbare Überblicksdarstellungen (Burns/Richards 2009, Benitt 2016: 28–77, Crandall/Christison 2016). Wie Crandall/Christison aufzeigen, lassen sich innerhalb der anglo-amerikanischen Forschungen seit den 1990er Jahren die folgenden Schwerpunkte identifizieren, an denen die gesamte Breite des Forschungsfelds deutlich wird:

Language teacher cognition, teacher experience, and novice teacher development

Teacher identity, globalization, and non-native English speaking teachers

Reflection and reflective teaching

Classroom research, action research, and teacher research

Language teacher learning, collaboration, communities of practice (…) and professional learning communities (Crandall/Christison 2016: 6)

Bei der Durschicht der Forschungsberichte fällt auf, dass sich auch unter den englischsprachigen Publikationen so gut wie keine Studien finden lassen, die die Prozesse der universitären und postuniversitären Lehrerbildung selbst, die dort zum Einsatz kommenden Lehr- und Lernformen in Verbindung mit den erarbeiteten und vermittelten fachdidaktischen und fachwissenschaftlichen Inhalten untersuchen. Auf dieses deutliche Manko weist auch Karen Johnson hin, wenn sie, gestützt auf soziokulturelle Lerntheorien, für eine Forschung plädiert, die sich mit dem befasst „what happens inside the the practices of L2 teacher education“ (Johnson 2015: 515). Wie wir im Folgenden darlegen werden, schreiben auch wir dieser Frage eine zentrale Bedeutung zu, und Antworten aus verschiedenen Kontexten von Aus- und Fortbildung finden sich in mehreren Beiträgen dieses Bandes.

Auch wenn, wie oben angedeutet, die fremdsprachendidaktische empirische Lehrerbildungsforschung im deutschsprachigen Raum kaum entwickelt ist, lässt sich während der letzten dreißig Jahre parallel zur internationalen Entwicklung ein zunehmendes Interesse an der Lehrperson feststellen; die Fachdidaktik beginnt sich zum einen für den Zusammenhang von Lehrerwissen (Erfahrungswissen) und praktischer Unterrichtskompetenz zu interessieren (Appel 2000), zum anderen versuchen Forschende aus unterschiedlichen fachdidaktischen Perspektiven zu ergründen, „was in den Köpfen von Fremdsprachenlehrer(inne)n vorgeht“ (Caspari 2014). Untersucht werden u.a. subjektive Sichtweisen von Lehrkräften zu interkulturellem Lernen und zur Mehrsprachigkeit, zum beruflichen Selbstverständnis. Gegenstand sind Reflexionsprozesse und Kognitionen, Berufsbiographien, das Erfahrungswissen oder die Verarbeitung und Einschätzung der universitären Ausbildung in den ersten Phasen selbständiger Berufstätigkeit (Überblick und Zusammenfassung bei Caspari 2014). Ohne Frage haben diese Studien Implikationen für die Aus-, Fort- und Weiterbildung von Fremdsprachenlehrkräften; sie werden vielfach am Ende der Studien zu Empfehlungen gebündelt oder sie sind aus Vorschlägen für weitere Forschungen, mit denen die Studien enden, abzuleiten. Solche Einsichten systematisch zusammenzustellen und auszuwerten, könnte die Lehrerbildungsforschung sicher bereichern. Wir werden im Folgenden auf einige von ihnen Bezug nehmen.

Neben dem deutlich gewachsenen Interesse an der Lehrperson sind wenige Arbeiten zu nennen, die fremdsprachliche Lehrerbildungsprozesse explizit untersuchen. Dem Bereich Lehrerfortbildung zuzuordnen sind beispielsweise Paul Meyermanns Fallstudie zur Qualifizierung von Deutschlehrkräften in Costa Rica (1995) und Marita Schockers vergleichende Mehrfachfallstudie zur teilnehmerorientierten Fortbildung (Schocker-v. Ditfurth 1992). Die Rolle der schulpraktischen Studien als zentraler Baustein der Ausbildung wurde von Gabel (1997), Schocker-v. Ditfurth (2001), Elsner (2010) und Schädlich (2011, 2015) untersucht. In einer vergleichenden Studie ermittelte Roters (2012) die Reflexionsniveaus von Novizen, indem sie Lerngelegenheiten für Studierende an einer deutschen und einer US-amerikanischen Universität herausarbeitete, um dann die unter diesen Lernbedingungen entstandenen studentischen Reflexionen zu analysieren. Im Kontext eines innovativen Blended-learning Master Programms für Primarschullehrkräfte im Fach Englisch erforschten Zibelius kooperatives Lernen als ein Kernelement der Ausbildung (Zibelius 2015) und Benitt die Funktion von Aktionsforschungsprojekten für die Ausbildung von Lehrkompetenz und die Stärkung professionellen Selbstvertrauens (Benitt 2015). Forschungen, die sich der zweiten Ausbildungsphase, dem Referendariat, widmen, sucht man vergeblich. Dieses neue Forschungsfeld eröffnet der Beitrag von Gerlach/Steiniger im vorliegenden Band.

Alle bisher genannten Studien, einschließlich der von Caspari (2014) zusammengestellten, sind Einzelarbeiten, sie sind also in keinem größeren Forschungsverbund entstanden. Ferner handelt es sich fast ausschließlich um Qualifikationsarbeiten, d.h. sie wurden von Forschungsnovizen geleistet. Diese Bestimmungsmerkmale sprechen keinesfalls gegen ihre Qualität, belegen jedoch, dass sich die etablierten Fachdidaktiker und Fachdidaktikerinnen dem Forschungsfeld bisher nicht angenommen haben. Dem Mangel an Engagement für die Erforschung der eigenen Lehre (einschließlich ihrer institutionellen Bedingungen und dynamischen Prozesse), die ja eine zentrale Aufgabe der Wissenschaftler ausmacht, stehen allerdings zahlreiche Positionspapiere gegenüber, mit denen etablierte Vertreter der Fachdidaktik den Reformprozess der letzten Jahrzehnte kommentieren und dabei Forschungsperspektiven skizzieren, die bis heute allerdings nicht konkretisiert wurden (z.B. Zydatiß 1996; Bausch u.a. 1997, 2003).

Am Beginn unserer Bestandsaufnahme bleibt somit festzuhalten, dass die Fremdsprachenforschung über Jahrzehnte hinweg die Aus- und Fortbildungspraxis bestenfalls als einen Nebenschauplatz empirischer Forschung behandelte. Damit manövrierte sie sich gerade in den letzten Jahren zunehmend in einen Widerspruch, werden doch Studierende in den Fremdsprachendidaktiken in den BA und MA Programmen immer öfter zum forschenden Lernen angehalten. Und auch der Umfang an Publikationen, in denen das Potenzial von Aktionsforschung für das Verstehen und die Weiterentwicklung von Lehr- und Lernsituationen aus theoretischer Perspektive dargestellt wird, hat beträchtlich zugenommen. Positiv ist indes zu vermerken, dass das Forschungsfeld in jüngster Zeit bewusster wahrgenommen und aktiver erschlossen wird (vgl. z.B. Klippel 2016). Davon zeugen nicht zuletzt die Beiträge dieses Bandes. Welche neuen Akzente sie setzen und wie sie an Vorhandenem anschließen, möchten wir im Folgenden verdeutlichen, indem wir sie im Rahmen einer zeitgemäßen Aus- und Fortbildung verorten.

2Professionelle Kompetenzen von Fremdsprachenlehrenden

2.1Tendenzen in der empirischen Kompetenzforschung

Modelle, die das professionelle Wissen und Können von Lehrenden veranschaulichen und damit der Ausbildung als Orientierung dienen können, beziehen sich zumeist auf Shulmans (1987) Typologie und seine Unterscheidung von Fachwissen, fachdidaktischem Wissen und pädagogischem Wissen (z.B. Baumert/Kunert 2006: 482; Blömeke 2011:15; Hallett 2006: 36). Eine Aufgliederung, die sich auch deshalb weitgehend durchsetzen konnte, weil sie die Grenzverläufe zwischen den an der Lehrerausbildung beteiligten akademischen Disziplinen nachzeichnet. Gleichwohl handelt es sich zunächst nur um ein theoretisches Konstrukt, von dessen empirischer Begründung wir gerade im Bereich der Fremdsprachendidaktik noch weit entfernt sind. Für die Forschung sind Shulmans Typologie und die auf ihr basierenden Modelle vor allem deshalb von besonderem Interesse, weil sie – als eine Heuristik gedeutet – Ansatzpunkte für die empirische Erfassung der für den Lehrberuf notwendigen Kompetenzen bieten.

In der Fremdsprachenforschung waren empirische Studien zum Wissen und Können von Lehrenden bisher vor allem dem explorativ-qualitativen Forschungsparadigma verpflichtet (z.B. Appel 2000; Schocker-von Ditfurth 2001; Zibelius 2015). Ihnen treten erst in jüngster Zeit Arbeiten mit einem quantitativen Zugang gegenüber (Roters/Trautmann 2014 mit Überblick). Diese knüpfen an die umfangreichen Vorleistungen an, die zum Schulfach Mathematik in Studien wie COACTIV, TEDS-M und MT21 erbracht wurden (Überblick bei König 2014: 625). Die augenfällige Konzentration auf den mathematischen Bereich erscheint naheliegend, handelt es sich doch – gerade im Vergleich zu den Fremdsprachen – um ein vergleichsweise gut konturiertes Wissens- und Fertigkeitsgebiet. Die für Testverfahren notwendige Operationalisierung der Wissensdomänen fällt dadurch leichter als bei den fremdsprachlichen Fächern mit ihrer deutlich stärkeren Differenzierung (z.B. in Literaturwissenschaft, Sprachwissenschaft, Kulturstudien, Fachdidaktik, Sprachpraxis).

Für angehende Mathematiklehrkräfte konnte gezeigt werden, dass sich die theoretische Unterscheidung von mathematischem und mathematikdidaktischem Wissen auch empirisch dokumentieren lässt und beide Domänen – zumindest in Deutschland – zugleich einen hohen Zusammenhang aufweisen (Blömeke 2011:8f). Ermutigt von solchen vielversprechenden Ergebnissen lässt sich in den letzten Jahren beobachten, wie der quantitative Forschungsansatz auch im Umfeld des Fremdsprachenunterrichts allmählich mehr Beachtung findet und sich die „dürftige Forschungslage“ (Roters u.a. 2013: 156) zu verbessern beginnt.

Eine wegweisende Rolle kommt dabei zweifelsohne der TEDS-LT-Studie zu (Teacher Education and Development Study – Learning to Teach, Blömeke u.a. 2011; Blömeke u.a. 2013; Roters u.a. 2013). Sie führte zu der Erkenntnis, dass für das Fachwissen von angehenden Englischlehrenden Subdimensionen bedeutsam sind, die eher gering korrelieren. Angesichts der bereits erwähnten Heterogenität dessen, was man in den fremdsprachlichen Fächern als Fachwissen bezeichnen kann, ein nicht unerwarteter Befund. Darüber hinaus ist bemerkenswert, dass im Unterschied zum Fach Mathematik der Zusammenhang von Fachwissen und fachdidaktischem Wissen deutlich schwächer ausfällt. Letzteres steht stattdessen eher mit dem pädagogischen Wissen in Verbindung. Die von Voss u.a. (2015: 214) geäußerten Zweifel daran, dass das pädagogische Wissen tatsächlich fächerübergreifend konzeptualisiert werden kann, erscheinen demnach gerade vor dem Hintergrund der Fremdsprachendidaktik mit ihrer eigenständigen Forschungstradition zu wichtigen pädagogischen Aspekten wie Lehr- und Lernmethoden, Unterrichtsinteraktion oder Lernbiografien berechtigt.

Es spricht einiges dafür, dass die Erforschung professioneller Kompetenzen von Fremdsprachenlehrenden fachspezifische Herangehensweisen erfordert und gleich mehrere Arbeiten im vorliegenden Band widmen sich dieser Aufgabe. Während sich die Studien von Kirchhoff und Hoinkes/Weigand in ihrem Design an quantitativen Vorarbeiten orientieren, verfolgen Diener und Gießler qualitativ-interpretative Ansätze, um die Entwicklung des professionellen Wissens im Verlauf der Ausbildung zu erfassen.

Sowohl Kirchhoff als auch Hoinkes/Weigand setzen sich mit dem Problem einer angemessenen Gestaltung von Testitems angesichts der spezifischen Struktur von Fachwissenschaft und Fachdidaktik in den Fremdsprachen auseinander. Und beide Arbeiten thematisieren im Besonderen die Verknüpfung dieser Wissensdomänen. Kirchhoffs Beitrag ist im Kontext der Studie FALKO-E verortet, einem Populationstest, in dem Fallvignetten zum Einsatz kommen. Auf diese Weise soll über das deklarative Wissen hinaus auch die Entwicklung des Erfahrungswissens im Verlauf des Professionalisierungsprozesses im Lehrberuf nachgezeichnet werden. Hoinkes/Weigand hingegen widmen sich im Rahmen der ZeBiG-Studie der Frage, mit welchen Messinstrumenten die Schnittmenge von Fachwissen und fachdidaktischem Wissen beim Aufbau des Professionswissens angehender Lehrender für das Fach Spanisch bestimmt werden kann. Am Beispiel der Bedeutung linguistischen Fachwissens für die Förderung der Sprachkompetenz veranschaulichen sie den komplexen Prozess der Item-Bildung.

Mit der Kompetenzentwicklung in lokalen hochschuldidaktischen Kontexten beschäftigen sich Gießler und Diener. In beiden Studien werden die Lernfortschritte von Lehramtsstudierenden im Verlauf eines Ausbildungsabschnittes dokumentiert. Dafür entwickeln Gießler und Diener spezielle Lehreinheiten. Bei Gießlers Mehrfachfallstudie fertigen Studierende zu verschiedenen Zeitpunkten eines fachdidaktischen Seminars schriftliche Analysen zu Unterrichtsvideos an. Die Lehrkompetenz wird in dieser Studie über die stellvertretende Einschätzung von Unterricht erfasst. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Fähigkeit der Studierenden, alternative Handlungsoptionen für konkrete unterrichtliche Situationen zu benennen und zu begründen. Auch Diener verfolgt mit ihrer Lehreinheit das Ziel, die professionelle Unterrichtswahrnehmung von Lehramtsstudierenden zu fördern. Ihr Forschungsinteresse richtet sich dabei vor allem auf die Frage, wie deklarative Wissensbestände in die Kompetenz einfließen, Lehr- und Lernsituationen anhand wichtiger Kriterien wie Klarheit, Strukturiertheit oder Angemessenheit zu beurteilen.

Gemeinsam ist den vier Beiträgen, dass sie sehr anschaulich darstellen, welche Probleme es bei der empirischen Erforschung des Professionswissens von Lehrenden zu lösen gilt. Zugleich lässt sich an ihnen beispielhaft nachvollziehen, wie unterschiedlich die Kompetenzen angehender und praktizierender Fremdsprachenlehrender aus qualitativ-interpretativer und quantitativ-statistischer Perspektive konzeptionell gefasst und operationalisiert werden. Für die weitere Entwicklung des Forschungsfeldes wäre es zweifellos von Vorteil, beide Herangehensweisen verstärkt in gemischten Designs zusammenzuführen. Quantitative Verfahren sind unentbehrlich, um Muster, Tendenzen oder Unterschiede in großen Datensätzen aufzudecken. Um jedoch deren Entstehen nachzuvollziehen, bedarf es tieferer Einblicke in individuelle Lernprozesse.

Die Notwendigkeit der Kombination von Forschungsinstrumenten und Analyseverfahren wird auch von einem weiteren wichtigen Ergebnis der TEDS-LT-Studie unterstrichen: In allen Facetten des Professionswissens von Englischlehramtsstudierenden, den fachdidaktischen und den fachwissenschaftlichen, hat der Standort einen hochsignifikanten Einfluss auf die erreichten Leistungen (Blömeke 2013: 14).

Wie jede Form von Unterricht ist auch die Ausbildung von Fremdsprachenlehrenden untrennbar an die lokalen Bedingungen gebunden, unter denen sie stattfindet (siehe dazu auch König/Klemenz 2015). Auf die zentrale Bedeutung des Kontextes werden wir daher im Folgenden immer wieder zurückkommen.

2.2Rahmenmodell

Das Professionswissen von Lehrenden auf der Grundlage empirischer Daten zu kategorisieren, seine Herausbildung zu verstehen, Einflussgrößen zu identifizieren und schließlich seine Wirkung im unterrichtlichen Handeln zu erhellen, halten wir für Aufgaben, denen sich die Fremdsprachenforschung in den kommenden Jahren intensiver als bisher zuwenden sollte. Die methodologischen und methodischen Herausforderungen sind dabei jedoch beachtlich. So muss man beispielsweise die Kritik von Neuweg (2014) ernst nehmen, der die Möglichkeit einer klaren Abgrenzung unterschiedlicher Wissensbereiche grundsätzlich hinterfragt. Die Durchdringung des Fachwissens zeigt sich für ihn gerade in der Fähigkeit, diese didaktisch aufzubereiten:

Stellt man den Anspruch, dass Fachwissen nur wirklich verstanden hat, wer es vermitteln kann, dann wird mit der fachdidaktischen Kompetenz im Grunde immer auch zugleich die Tiefe des Verständnisses des Fachwissens gemessen. (Neuweg 2014: 592).

Stellt man den Anspruch, dass Fachwissen nur wirklich verstanden hat, wer es vermitteln kann, dann wird mit der fachdidaktischen Kompetenz im Grunde immer auch zugleich die Tiefe des Verständnisses des Fachwissens gemessen. (Neuweg 2014: 592).

Ein weiteres Problem der Typologisierung des Professionswissens von Lehrenden ergibt sich aus dem Charakter des Wissens, auf das sich die einzelnen Komponenten beziehen. Der Wissensbegriff kann sehr unterschiedlich gefasst werden. Er kann explizites, kodifiziertes und publiziertes Wissen, wie es in wissenschaftlichen Theorien zum Ausdruck kommt, ebenso umschließen wie implizites, intuitives Handlungswissen, das nur über konkretes Verhalten rekonstruiert werden kann. Zu den kognitiven Komponenten der professionellen Kompetenz kommen affektiv-motivationale Komponenten. Dazu zählen Berufsmotive, subjektive Wissensformen, Überzeugungen und Werthaltung, die sich aufgrund individueller Erfahrungen herausgebildet haben. In den Modellen der Lehrkompetenzen werden sie zwar häufig berücksichtig, denn ihre Bedeutung für das Handeln konnte in den zurückliegenden drei Jahrzehnten in zahlreichen Studien nachgewiesen werden. Aber gerade in itembasierten Testverfahren lassen sich diese wichtigen Bestandteile professioneller Kompetenz nur bedingt operationalisieren. In der TEDS-LT-Studie zum Beispiel wurde dieser Kompetenzbereich auf die Aspekte selbstregulative Fähigkeiten, Zielorientierung und Selbstwirksamkeitserwartung beschränkt (Blömeke 2011: 14).

Neben der Unschärfe der einzelnen Wissensdomänen und der Vielgestaltigkeit des Wissensbegriffs zeigt sich bei der Unterteilung der einzelnen Wissensdomänen in Subfacetten eine dritte Schwierigkeit des Forschungsgebiets. Voss u.a. (2015: 211) kommen bei ihrer Analyse des Forschungsstandes zum pädagogischen Wissen zu dem Ergebnis, dass sich mit Blick auf diese Subfacetten ein „Begriffswirrwarr“ herausgebildet habe. Und sie appellieren daher an die Gemeinschaft der Forschenden, sich bei der Neubildung von Begriffen zurückzuhalten und sich intensiver um Bezüge untereinander zu bemühen.

Hält man sich den Forschungsstand zu den einzelnen Wissensdomänen und ihren möglichen Subfacetten vor Augen, so wird deutlich, dass es zum jetzigen Zeitpunkt als verfrüht erscheint, detaillierte Typologien von Kompetenzen zu entwerfen. Angesichts der vielen offenen Fragen im Zusammenhang mit der Struktur, dem Charakter und dem Entwicklungsprozess des professionellen Wissens und Könnens von Lehrenden möchten wir daher mit dem folgenden Modell den Blick von den Details auf das Wesentliche lenken. Das Modell versteht sich als ein Orientierungsrahmen, womit wir an Überlegungen anknüpfen, wie sie Freeman/Johnson (1998) in ihrer viel zitierten Einleitung zu einer Sondernummer der Zeitschrift TESOL Quarterly zur Lehrerbildungsforschung anstellten.

Freeman/Johnson forderten eine Neukonzeption der Wissensbasis für die fremd- und zweitsprachliche Lehrerbildung: Die etablierte Erwartung, dass durch die Vermittlung (transmission) partialisierten und dekontextualisierten Fachwissens (z.B. aus der Angewandten Linguistik, der Zweitsprachenerwerbsforschung oder der Curriculumtheorie), kombiniert mit Kursen in Methodik und isolierten Praktika Lehrkompetenzen angemessen ausgebildet werden könnten, müsse zugunsten eines Bildungskonzepts aufgeben werden, das konsequent vom Lehren, den Lehrenden und den Kontexten, in denen sie handeln, ausgeht. Folglich skizzierten sie drei Schlüsseldimensionen der Wissensbasis. Die erste fokussiert die Personen, die das Lehren von Sprachen lernen; diese bringen nicht nur umfassende Erfahrungen aus der Zeit ihrer schulischen Sozialisation und vor allem als Sprachenlernende mit, denn sie haben Lehren umfassend aus der Lernerperspektive kennen gelernt, sondern haben Persönlichkeitsmerkmale und verfügen über Wertvorstellungen, die eigene Tätigkeit betreffend. Die zweite Dimension thematisiert die institutionellen und sozialen Bedingungen, die Kontexte, in denen Lehren angesiedelt ist. Und Drittens schließlich geht es um das Wissen zu den komplexen Prozessen, in denen sich das Lehren und Lernen von Sprachen vollzieht, die gesteuert, gestaltet und in ihren Zusammenhängen verstanden werden müssen.

Auch uns geht es mit dem folgenden Rahmenmodell darum, die wichtigen Dimensionen aufzuzeigen, in denen die Ausbildung von Fremdsprachenlehrenden verankert werden sollte, um den eingangs geschilderten Möglichkeiten und Herausforderungen gerecht zu werden. Vor dem Hintergrund der Ausbildungstradition im deutschsprachigen Raum und den Entwicklungen in Europa (Kelly et al. 2004) sowie den Erkenntnissen, die in den letzten zwei Jahrzehnten über den Professionalisierungsprozess von Lehrpersonen und ihre Bedeutung für das Unterrichtsgeschehen gewonnen wurden (Richards 2010; Singh/Richards 2006) halten wir jedoch eine andere Darstellungsform für angemessener. Wir gehen von vier, eng mit einander verflochtenen Dimensionen professioneller Kompetenz aus, für deren Entwicklung in der Ausbildung die jeweiligen lokalen Kontexte und institutionellen Bedingungen von zentraler Bedeutung sind. In den folgenden Abschnitten möchten wir die einzelnen Dimensionen näher charakterisieren und sie in einen Zusammenhang mit den Beiträgen dieses Bandes stellen.

Abbildung 1

Dimensionen professioneller Kompetenz von Fremdsprachenlehrenden

2.3Sprache, Literatur und Kultur

Die Studienverlaufspläne für die Lehrämter der fremdsprachlichen Fächer der einzelnen Bundesländer zeigen in Übereinstimmung, dass der fachlichen Dimension im Professionswissen, dem Fachwissen, nach wie vor eine zentrale Bedeutung für die Ausbildung der Lehrkompetenzen zugemessen wird; der fachwissenschaftliche Anteil (mit seinen Subdimensionen Linguistik, Literatur- und Kulturwissenschaft) macht gegenüber der Fachdidaktik (ohne die schulpraktischen Studien) zwischen 40 % für den Primarbereich und 60 bis 70 % für den Gymnasialbereich aus. Die inhaltliche Ausgestaltung dieser Studienanteile wird zum einen durch die langen Fachtraditionen bestimmt, die zentrale fachliche Konzepte mit hohem Erklärungspotential zu Sprache, Kultur und Texten hervorgebracht haben, und zum anderen durch die Dynamik des Faches. So hat beispielsweise die Weiterentwicklung der philologischen Fächer zu interdisziplinär orientierten Kultur- und Medienwissenschaften neue Perspektiven für die Gegenstände schulischer Bildungsprozesse eröffnet, die die Fachdidaktik aufgenommen hat. Ähnliches gilt für Beiträge der Sprachwissenschaft etwa durch die Text- und Korpuslinguistik.

Die institutionelle Nähe der Literatur-, Kultur- und Sprachwissenschaft einer Philologie und deren zugehöriger Fachdidaktik im deutschsprachigen Raum zeigt sich zum Beispiel darin, dass literatur- und kulturdidaktische Forschungsarbeiten einen nicht unerheblichen Teil der Forschungen ausmachen. Hierin besteht ein bedeutsamer Unterschied zur anglo-amerikanischen fremdsprachlichen Lehrerbildung, die vorwiegend der Allgemeinen Sprachwissenschaft, der Psychologie oder der Erziehungswissenschaft zugeordnet ist. Seit der Mitte des letzten Jahrhunderts legt die literatur- und kulturdidaktische Forschung in zahlreichen theoretischen und zunehmend auch empirischen Arbeiten die Bildungsrelevanz literarischer (auch hybrider und mutlimodaler) Texte dar und plädieren für die gemeinsame diskursive Bearbeitung kultureller Zusammenhänge in einem lernanregenden, explorativen und offenen Fremdsprachenunterricht, für den sie Realisierungen, etwa durch Textauswahl oder Lernaufgaben, erörtern. Sie stärken damit das Prinzip der Themen- und Inhaltsorientierung fremdsprachlichen und kulturellen Lernens.

Das Prinzip der Themen- und Inhaltsorientierung muss gerade angesichts der Herausforderungen, die die Globalisierung mit sich bringt, als Leitprinzip pädagogischen Handelns gelten; es bestimmt die Auswahl der Lerngegenstände und hat Auswirkungen auf Motivation und Involviertheit der Lernenden (vgl. Kramsch 2014). Denn von der Grundschule bis zum fortgeschrittenen Fremdsprachenunterricht in der Gymnasialen Oberstufe bilden für Lernende bedeutungsvolle und relevante Themen die Referenzfolie für die gemeinsame Spracharbeit. Ohne sie und ohne ein vertieftes Verständnis ihrer Bedeutung in kulturellen Zusammenhängen wird es Lehrkräften nicht gelingen, Prozesse anzustoßen und zu strukturieren, die dabei helfen, multilinguale Individuen zu erziehen, die sensibel mit sprachlicher und kultureller Diversität umgehen können, die selbstbewusst und mit Respekt gegenüber anderen nach Lösungen suchen, Erklärungen finden und abwägen. Auch die Debatten der letzten Jahre um aufgabenorientierten und kompetenzorientierten Fremdsprachenunterricht mit dem Kernkonzept der komplexen Lernaufgabe (Hallet 2011; Müller-Hartmann/Schocker-v. Ditfurth 2013) bestätigen, was eigentlich eine Banalität darstellt, dass es Sprache und Sprechen ohne Inhalte nicht gibt. Damit diese Verknüpfung gelingen kann, sind Lehrkräfte vonnöten, die gelernt haben, kulturelle Zusammenhänge zu durchdringen und zu verstehen, die über Erklärungswissen verfügen, Gattungen, ihre Ausprägungen und Entwicklungen kennen, kurz, die ihr Fach studiert haben mit einem zu erwartenden, doppelten Ertrag: Zum einen verfügen sie über ein breites und vertieftes Fachwissen und zum anderen besitzen sie, da sie im Laufe des Fachstudiums selbst als interkulturell Lernende in vielfältige Diskurse verwickelt waren, reiches Erfahrungswissen.

In gleicher Weise bedeutsam für das Handeln der Lehrkräfte sind zweifelsohne die linguistischen Anteile des Faches: Um Reichweite und Funktion von Sprache anderen erklären, um sprachliche Mittel strukturieren, Äußerungen von Lernenden einschätzen und mit angemessenen Strategien weiterentwickeln zu können, um Lernschwierigkeiten und -potentiale zu erkennen, sollten Lehrkräfte über vertieftes Wissen zur Ausgangs- und zur Zielsprache, deren Strukturen und Geschichte verfügen.

Unter welchen Bedingungen es gelingt, sprach-, literatur- oder kulturwissenschaftliche Wissenskomponenten in unterrichtliches Handeln zu überführen, gehört zu den bislang kaum erforschten Thematiken der Lehrerausbildung. Die Beiträge von Kirchhoff und Hoinkes/Weigand in diesem Band verdeutlichen die Herausforderungen, mit denen eine solche Forschung zu rechnen hat. Dass die über Fachtraditionen entwickelten Angebote in den Studienprogrammen dieser Aufgabe gerecht werden, kann jedoch bezweifelt werden. Sie sollen in der Regel polyvalente Funktionen erfüllen, sind also nicht in erster Linie dazu konzipiert, das Professionswissen und -können von Fremdsprachenlehrkräften zu befördern und zu bilden. Wir brauchen daher forschungsbasierte Antworten auf die Frage, wie das Fachwissen in die Lehreraus- und fortbildungsprogramme integriert werden kann, ohne dass man dabei die Belange der Praxis aus den Augen verliert oder aber in Praktizismus verfällt.

Exemplarisch lässt sich die Suche nach geeigneten Wegen des Umgangs mit dem Fachwissen an den nationalen und internationalen Diskussionen um die Entwicklung von Schreib- und Lesekompetenz im Englischunterricht der Grundschule zeigen (Frisch 2013). Jöckel legt im Beitrag zu diesem Band dar, wie Lehrkräfte in einer Fortbildungsreihe zu diesem Thema durch die Einführung und das spiralförmige Wiederaufgreifen grundlegender linguistischer Fachinhalte, die in der Ausbildung nicht vermittelt wurden, dafür qualifiziert werden, Gelingensbedingungen für die Anbahnung von Lesen und Schreiben differenziert zu erörtern. Jöckel zeigt, wie über das Bewusstmachen ihrer alltäglichen Handlungspraxis, über das gemeinschaftliche Entwickeln und Analysieren von Übungen bei gleichzeitiger, zyklischer Bearbeitung linguistischen Fachwissens Lehrkräfte ihre Selbstwirksamkeit im eigenen Unterricht erleben, die wesentlich durch die Beiträge der Gruppe bestimmt ist. Weitere Ansatzpunkte für eine enge Verzahnung der fachbezogenen Wissensdimension mit den anderen Dimensionen von Lehrkompetenz werden wir im Abschnitt 3 thematisieren.

2.4Lehren und Lernen

Dass der Fremdsprachenunterricht – wie jede andere Form institutionalisierten Lehrens und Lernens – als ein von den Beteiligten gestalteter sozialer Prozess betrachtet werden muss, gehört heute zu den konstitutiven Leitgedanken der Fremdsprachendidaktik. In Klassenräumen treffen in jeweils besonderen zeitlichen und örtlichen Konstellationen Persönlichkeiten mit unterschiedlichen Prägungen, Charakteren, Interessen, Erwartungen und Werten aufeinander. Sie bilden temporäre Gemeinschaften und erschaffen dabei eine ganz eigene Spielart von Kultur (vgl. Block 2003; Breen 1985). Wirft man den Blick nur wenige Jahrzehnte zurück, so wird deutlich, wie umfassend sich durch diese Erkenntnis Forschung und Lehre veränderten. Die Aufmerksamkeit verschob sich auf die handelnden Individuen, ihre Kompetenzen, ihre Wahrnehmung und ihre Entscheidungen. In dem Maße, wie die Methoden ihre vorherrschende Stellung innerhalb der Fremdsprachendidaktik verloren, gewannen also die Lernenden und die Rolle der Lehrenden an Gewicht. Eine Entwicklung, die sich auch auf die Aus- und Fortbildung auswirken musste. Wir möchten deshalb in diesem Abschnitt die Konsequenzen thematisieren, die sich für die Lehrkompetenzen ergeben, wenn der Fremdsprachenunterricht – so wie Freeman es beschreibt – ernstgenommen wird in seiner sozialen Bedingtheit:

The conventional view that content is language with a social dimension needs to be recast. In the language classroom, the content is social processes, which have a language dimension. The social processes are fundamental to the classroom as a classroom; the new language fits into that ecology. (Freeman 2016: 36)

Bis in die 1980er Jahre hinein dominierte die Vorstellung, das Erlernen einer Fremdsprache ließe sich kontextunabhängig auf der Grundlage einer wissenschaftlich begründeten Methode organisieren. Deren konkrete Ausgestaltung veränderte sich zwar im Wechsel der akademischen Moden, konstant blieb jedoch die Annahme, Unterricht sollte im Sinne einer „Erzeugungsdidaktik“ (Arnold u.a. 2014) als ein potentiell vorhersehbarer und damit detailliert planbarer Prozess konzipiert werden. Entsprechend eng begrenzt waren die Gestaltungsspielräume, die man Lehrenden zuwies, fiel ihnen doch vor allem die Aufgabe zu, Methoden möglichst maßgerecht umzusetzen. Das wiederum wirkte auf deren Ausbildung zurück: Die Programme konzentrierten sich tendenziell darauf, neben den im vorangegangenen Abschnitt erwähnten Inhalten vor allem Wissen über bestimmte Unterrichtstechniken und -verfahren zu vermitteln.

Im Zuge der Hinwendung zum sozialen Charakter des Lernens setzte sich aber auch in den Fremdsprachendidaktiken die Erkenntnis durch, dass der Unterricht in seinem grundlegenden Charakter verkannt wird, wenn man das pädagogische Handeln im Klassenraum auf das Abarbeiten von Planungsschritten beschränkt. So wie Lehrende die von Methoden formulierten Vorgaben letztlich sehr unterschiedlich interpretieren und umsetzen, nehmen auch Lernende die unterrichtlichen Inhalte und Aktivitäten verschieden war. Ihre Reaktionen auf die pädagogischen Impulse hängen von weit mehr ab als einer gewissenhaften Vorbereitung und Begleitung durch die Lehrperson und können daher nur bedingt im Voraus geplant werden. Zwischen den pädagogischen Intentionen und den Lernergebnissen lassen sich somit keine eindeutig kausalen Beziehungen knüpfen. Unterricht muss vielmehr als eine hochgradig unsichere Unternehmung verstanden werden. Sie ist stets der Gefahr des Scheiterns ausgesetzt und selbst wenn sie zu den erhofften Erfolgen führt, bleibt zweifelhaft, ob diese wegen oder trotz der didaktischen Interventionen erreicht wurden.

Die Komplexität reicht jedoch weit über diese Unsicherheit über die Handlungsfolgen hinaus (vgl. Doyle 2006: 98) Lehrende gelangen durch das Geschehen im Klassenraum unter einen hohen Entscheidungsdruck. Es passieren ununterbrochen parallel zueinander verschiedene, zum Teil nur schwer vorhersehbare Ereignisse, die die Lehrperson im Auge behalten und koordinieren muss. Das erfordert spontanes und häufig intuitives Handeln. Es bleibt zum einen wenig Raum, um auf Theoriewissen zu referieren oder der eigenen Planung detailliert zu folgen. Zum anderen geraten Lehrende leicht in paradoxe Konstellationen, etwa wenn sie zwischen den Anforderungen eines Lehrplans und den Interessen der Lernenden abwägen müssen. Nicht zuletzt ist jeder Unterricht auch durch seine Geschichtlichkeit geprägt: Lehrende und Lernende entwickeln im Verlauf der gemeinsamen Arbeit eine bestimmte Art des Miteinanders, das sich direkt auf die Lehr- und Lernprozesse auswirkt. Affektive, emotionale und motivationale Aspekte entscheiden daher in erheblichem Maße mit darüber, wie erfolgreich das Erlernen einer Fremdsprache verläuft (vgl. Appel 1996).

Diese kurze Charakterisierung der Bedingungen, unter denen sich pädagogisches Handeln vollzieht, macht deutlich, weshalb die Kompetenzdimension „Lehren und Lernen“ einen breiten Raum in Aus- und Fortbildungsprogrammen einnehmen muss. Diese Dimension umfasst all jene Kompetenzen, die Lehrerinnen und Lehrer für ihr Kerngeschäft benötigen: das Planen, Anleiten, Unterstützen und Evaluieren von Lernprozessen. Unterrichten zu können, ist keine Kompetenz, die sich gleichsam unvermeidlich entwickelt, indem man als Lehrperson vor eine Klasse tritt. Es gehört zu den wichtigen Erkenntnissen der Forschungen zu den Unterschieden von Novizen und Experten im Lehrberuf, dass die Länge der Berufserfahrung nicht unmittelbar zu besseren didaktischen Kompetenzen führt (Krauss/Bruckmaier 2014: 252). Lehrende benötigen ein tiefes Verständnis für das Geschehen im Klassenraum und zugleich ein umfassendes didaktisches Handlungsrepertoire. Nur so können sie sich von den Einengungen befreien, die Methoden, Lehrwerken oder Traditionen erwachsen, und flexibel auf die Diversität und Komplexität des Unterrichts reagieren. Professionell zu lehren bedeutet somit, die Gestaltungsspielräume der eigenen Praxis zu erkennen und – im Sinne einer „Ermöglichungsdidaktik“ (Arnold u.a. 2014) – vielfältige Lerngelegenheiten zu arrangieren (vgl. Schart/Legutke 2012: 63ff). Das setzt zwar zunächst einmal fundiertes Wissen über die Einflussfaktoren institutionalisierten Lehrens und Lernens voraus, über die zu unterrichtenden Inhalte und über die Struktur von Lehrplänen und Lehrmaterialien. Entscheidend ist jedoch, wie Lehrende vor einer Klasse agieren, wie sie also die Prozessqualität des Unterrichts gestalten.

Empirische Befunde zur Lehrerrolle stimmen weitgehend in ihrem Fazit überein, dass das Handeln von Lehrerinnen und Lehrern einen entscheidenden Faktor für den Lernerfolg darstellt (z.B. Helmke 2014; Hattie 2008/2011; Lipowsky 2005; Pauli/Reusser 2009). Und es zeichnen sich eine Reihe von konkreten Maßnahmen ab, mit denen Lernprozesse befördern können und die daher in der Aus- und Fortbildung gezielt thematisiert und trainiert werden sollten. Dazu zählen beispielsweise die konsequente Zeitnutzung, die klare, auch für die Lernenden verständliche Struktur des Unterrichts, die vernetzte Darstellung der Unterrichtsinhalte, kognitiv ansprechende, herausfordernde und abwechslungsreiche Arbeitsaufträge sowie intensive Rückmeldungen über die Lernfortschritte.

Diese Merkmale kompetenten Lehrerhandelns lassen sich mit Blick auf den Fremdsprachenunterricht weiter präzisieren, indem man das Lerngeschehen sowohl in seinem individuellen als auch in seinem sozialen Charakter ernst nimmt. Beide Formen von Lernprozessen laufen im Klassenraum parallel zueinander ab, sie gehen ineinander über und können sich gegenseitig befruchten. In ihrem Zusammenspiel liegt deshalb ein erhebliches Potential für einen Fremdsprachenunterricht, der sich den eingangs beschrieben gesellschaftlichen Herausforderungen und Entwicklungen stellt und auf die Fähigkeit zu selbstbestimmten Handeln in der Fremdsprache und zur kritischen Teilnahme an Diskursen zielt. Aus dieser Perspektive gehört es zu den zentralen Aufgaben des Lehrberufs, individuelle und soziale Lernprozesse zu koordinieren. Welche konkreten Kompetenzen sollten somit in der Ausbildung angebahnt und in der Fortbildung gestärkt werden?

Auf der einen Seite müssen Lehrende in der Lage sein, das Lernen als einen individuell geprägten Prozess zu begleiten. Hierbei kommt eine Kompetenz zum Tragen, auf die wir bereits im vorangegangenen Abschnitt verwiesen; und zwar jene, Fachwissen über Sprache und Spracherwerb handlungswirksam umzusetzen. Lehrende müssen die Schwierigkeiten einzelner Lernerinnen und Lerner erkennen und deuten lernen, um konstruktive Unterstützung etwa durch Feedback zu Redebeiträgen, bei schriftlichen Korrekturen oder bei der Lernberatung geben zu können. Auch eine faire Bewertung von Leistungen hängt letztlich davon ab, inwieweit Lehrende in der Lage sind, individuelle Lernverläufe zu verstehen.

Auf der anderen Seite sollten Lehrende aber auch die Fähigkeit entwickeln, das Lernen als einen sozialen Prozess zu ermöglichen und zu begleiten. Den Erkenntnissen der soziokulturellen Ansätze ist es zu verdanken, dass der Fremdsprachenunterricht heute auch als ein Ort betrachtet wird, an dem Menschen gemeinsam Bedeutungen aushandeln oder Probleme lösen. In der Interaktion generieren sie neues Wissen. Dafür müssen die Lernenden aber zunächst einmal die Möglichkeiten erhalten, aus den nach wie vor in fremdsprachlichen Klassenzimmern weit verbreiteten Frage-Antwort-Sequenzen auszubrechen (vgl. Dalton-Puffer 2007; DESI-Konsortium 2008). Lehrende sollten also in der Lage sein, einen Austausch unter den Lernenden zu initiieren und aufrechtzuerhalten, in dem diese in dialogischer Form, wechselseitig und aufeinander bezogen interagieren (vgl. Haneda/Wells 2008; Schart 2015; van Lier 2001). Hierfür ist die Kompetenz grundlegend, eine anregende und angstfreie Arbeitsatmosphäre zu schaffen, Regeln, Routinen und Rituale zu etablieren und persönliche Beziehungen aufbauen. Ein förderliches Unterrichtsklima lässt sich beispielsweise an einer positiven Fehlerkultur erkennen, in der missglückte Formulierungen als Ausgangspunkte für gemeinsames Lernen betrachtet werden und auf eine Balance zwischen Korrektheit und Flüssigkeit geachtet wird. Es zeigt sich auch am Respekt für die Lernenden einer Gruppe, an der gerechten Behandlung der Einzelnen, einem reflektierten Umgang mit ihren Erwartungen, ihren Interessen und auch ihrer Kritik. Nicht zuletzt muss als ein wichtiges Merkmal einer förderlichen Arbeitsatmosphäre im Fremdsprachenunterricht der hohe Anteil von Fremdsprache im Unterrichtsgeschehen erwähnt werden, der sich aus der aktiven Mitarbeit aller Beteiligten ergeben sollte.

Eine solche Aufzählung von Anforderungen an das Lehrerhandeln kann auf den ersten Blick den Eindruck erwecken, als würde die Lücke, die durch die Abkehr vom Methodenideal früherer Jahrzehnt entstand, nun durch ein Idealbild einer umfassend kompetenten Lehrkraft ersetzt. Tatsächlich aber zeichnet sich ein erfolgreicher Unterricht keineswegs dadurch aus, dass es Lehrenden gelingt, allen oben genannten Merkmalen gerecht zu werden (vgl. Helmke 2014: 818). Diese sind nicht normativ zu verstehen, wie es in Zeiten der Methodendominanz der Fall war, sondern heuristisch. Lehrende müssen Kompetenzen in den erwähnten Bereichen entwickeln, weil sich diese aus den Rahmenbedingungen ihres Berufes ergeben. In einem konkreten Kontext können jedoch einzelne Kompetenzen von vorrangiger Bedeutung sein, während andere weniger gefragt sind. Ausschlaggebend ist daher, ob Lehrende es gelernt haben, ein ihrer Praxis angemessenes unterrichtliches Arrangement zu gestalten.

Hinter dieser Argumentation steht eine grundlegende Veränderung in der Konzeption von Aus- und Fortbildungen für Fremdsprachenlehrende. Freeman (2016:124) beschreibt sie als einen Prozess, in dem sich die Schwerpunktsetzung von einem methodologischen Denken hin zu einem heuristischen Denken verschob. Letzteres geht davon aus, dass Lehrende eine forschende Haltung gegenüber ihrem Tun einnehmen, die eigenen Handlungsspielräume erkunden und die Folgen ihrer Entscheidungen genauer in den Blick nehmen. Die Kompetenzdimension „Lehren und Lernen“ ist somit eng verknüpft mit der Fähigkeit, sowohl die Bedingungen des beruflichen Handelns als auch sich selbst zu reflektieren. Ein Gedanke, dessen Konsequenzen für die Struktur und auch die Praxis von Aus- und Fortbildungsprogrammen wir in den folgenden beiden Abschnitten genauer betrachten möchten.

2.5Identität und Rolle

Wie bereits weiter oben beschrieben wurde, erlebte die Fremdsprachenforschung seit Beginn der 1990er Jahre eine Zeit der Neuorientierung. Mit der Lehrperson rückte ein Thema in den Fokus des Forschungsinteresses, dem in den Jahrzehnten zuvor zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt worden war. Zugleich begann man damit, sich verstärkt lokalen Kontexten zuzuwenden. Mit einer Sammlung von Fallstudien lieferten Bailey/Nunan (1996) einen programmatischen Titel für diese neue Tendenz der Fremdsprachenforschung: Voices from the Language Classroom. Als Ergebnis konnten solche Forschungsarbeiten (s.a. Freeman/Richards 2006) eine große Vielfalt an Wechselwirkungen beschreiben, die das Unterrichtsgeschehen bestimmen und seiner Steuerung durch methodische Handlungsanweisungen enge Grenzen setzen. Es zeigte sich, weshalb das Gelingen von Lernprozessen in besonderer Weise von den einzelnen Lehrpersonen abhängt: Ihre Entscheidungen und ihr Handeln im Klassenraum sind geprägt von biografischen Erfahrungen, individuellen Überzeugungen, Motiven und auch Persönlichkeitsmerkmalen.

Lehrerinnen und Lehrer wurden von nun an in ihrer Persönlichkeit wahrgenommen. Diese Perspektive war zwar im Zuge der Verwissenschaftlichung der Lehrerausbildung vorrübergehend in den Hintergrund getreten, ganz neu war sie allerdings nicht. Denn mit dem „Persönlichkeitsansatz“ hatte es in der Geschichte der Pädagogik bereits einmal eine Phase gegeben, in der die Lehrpersonen im Zentrum des Forschungsinteresses standen. Dieser Ansatz musste jedoch scheitern, weil er den Zusammenhang zwischen Lehrperson und Lernerfolg vor allem mit charakterlichen Dispositionen zu erklären versuchte (Helmke 2015: 33f).

Dass Persönlichkeitsmerkmale im Unterrichtsgeschehen wirksam werden, steht dennoch außer Frage und empirisch lässt sich der vorteilhafte Einfluss von Enthusiasmus ebenso nachweisen wie der nachteilige von Reizbarkeit oder sozialer Befangenheit (vgl. Mayr 2014). Werden die Effekte des Unterrichts jedoch allein mit dem Sein von Lehrenden verknüpft und nicht mit ihrem dem geplanten oder gezielten Tun, wie Herzog/Makarova (2014: 85) es formulieren, bleibt man letztlich der traditionellen, aber nach wie vor sehr verbreiteten Vorstellung des „geborenen Lehrers“ verhaftet.

Die Fremdsprachenforschung entdeckte daher die Lehrperson als zentralen Akteur der Lehr- und Lernprozesse wieder, folgte dabei jedoch nicht der ursprünglichen Zielsetzung des Persönlichkeitsansatzes. Es konnte nicht darum gehen, die ideale Lehrpersönlichkeit zu identifizieren. Das ergab sich schon als notwendige Konsequenz aus der fehlgeschlagenen Suche nach der idealen Methode, in die man über Jahrzehnte hinweg vergeblich investiert hatte. Vielmehr richteten sich die Forschungsbemühungen darauf, ein besseres Verständnis für das Zusammenspiel von Individualität und professionellen Kompetenzen in jeweils singulären Kontexten zu entwickeln.

Diese Perspektivenerweiterung der Fremdsprachenforschung führte auch in der Aus- und Fortbildung zu einem grundsätzlichen Umdenken. Erkennt man den hohen Stellenwert des subjektiven Faktors an, kann man sich nicht mehr darauf beschränken, didaktisches Theorie- oder Methodenwissen zu vermitteln, allein in der Hoffnung, dass Lehrende es in erfolgreiche Praxis übersetzen werden. Wie wenig begründet diese Haltung ist, zeigen die ernüchternden Ergebnisse von Studien, die sich den Erfahrungen von Lehramtsstudierenden in Praktika widmen (z.B. Elsner 2010; Gabel 1997; Schädlich 2015) oder den Berufseinstieg untersuchen (Appel 1995, siehe auch Wahl 2013: 7f.). Die Herausforderung besteht deshalb darin, dem subjektiven Faktor in allen Phasen des Aus- und Fortbildungsprozesses gerecht zu werden und die Professionalisierung als eine Form der Rollenausgestaltung und Identitätsbildung zu verstehen.

Welche Kompetenzen dabei von Bedeutung sind, lässt sich anhand der Unterscheidung von Rolle und Identität beschreiben (Kanno/Stuart 2011). Rollen werden von außen an die Individuen herangetragen. In dieser Hinsicht sollte in der Aus- und Fortbildung ein besseres Verständnis dafür entwickelt werden, was sich die Gesellschaft von Lehrerinnen und Lehrern verspricht, welches Lehrerbild staatliche und institutionelle Curricula zeichnen oder welche Erwartungshaltungen die Lernenden und ihre Eltern hegen. Auch die Auseinandersetzung mit gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen, wie wir sie zu Beginn dieses Beitrags schilderten, gehört zweifellos zu einem kompetenten Umgang mit der eigenen Rolle.

Die Identitätsbildung hingegen muss vom Individuum selbst geleistet werden. Aus- und Fortbildung können diesen Prozess anstoßen und unterstützen, indem kontinuierlich Möglichkeiten und Anreize geschaffen werden, die Selbstkompetenzen als Lehrkraft weiterzuentwickeln. Dazu zählt beispielsweise, sich der eigenen Werte und Überzeugungen bewusst zu werden, die berufliche Motivation zu klären oder charakterliche Eigenheiten zu erkennen. Kubaniyova (2012: 101) zeigt in ihrer Studie, wie wichtig es für die Weiterentwicklung von Lehrpersonen, für ihre Offenheit gegenüber neuen Ideen und pädagogischen Innovationen ist, eine persönliche berufliche Vision zu haben. Lehrende müssen für sich entscheiden, inwieweit ihre persönliche Identität in ihrer professionellen Identität aufgehen soll und wann es sinnvoll ist, Grenzen zwischen beiden zu ziehen. Die Beschäftigung mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen zur Selbstregulation oder Selbstwirksamkeit im Lehrberuf (Schwarzer/Warner 2014) kann dazu wichtige Impulse liefern.

Wie stark subjektive Theorien und das berufliche Selbstverständnis das didaktische Denken und Handeln beeinflussen können, wurde seit den 1990er Jahren in zahlreichen empirischen Forschungsarbeiten dokumentiert (z.B. Grotjahn 1998; Caspari 2003; Kubaniyova 2012; Schart 2003; Viebrock 2007). Es liegt daher auf der Hand, dass die im vorangegangenen Abschnitt beschriebenen Kompetenzen zum Lehren und Lernen nur im engen Zusammenhang mit individuellen Erfahrungen und Überzeugungen herausgebildet werden können. Für die fremdsprachlichen Fächer kommt als Alleinstellungsmerkmal hinzu, dass auch die eigenen Fähigkeiten in der Fremdsprache als zentraler Bestandteil der professionellen Identität betrachtet werden müssen (Barkhuizen 2016, Pennington 2016). Die Tätigkeit von Fremdsprachenlehrenden vollzieht sich immer zwischen verschiedenen Kulturen, ob sie in ihrem beruflichen Alltag nun selbst in einer Fremdsprache handeln oder ihre Muttersprache in einem mehr oder weniger fremden kulturellen Umfeld unterrichten. Wie intensiv dabei die gesamte Persönlichkeit involviert sein kann, verdeutlichen sehr lebendig die biografischen Erzählungen in Nunan/Choi (2010).

An konkreten Fällen geben Benitt und Gerlach/Steiniger im vorliegenden Band Einblicke in das Zusammenspiel von fremdsprachlichen Fähigkeiten und Identitätsbildung. Gerlach/Steiniger widmen sich in ihrem Beitrag in besonderer Weise der Herausbildung von Rolle und Identität im Lehrberuf. Ihr Untersuchungsfeld ist der Vorbereitungsdienst und gemeinsam zeichnen sie anhand von Vignetten nach, wie sich sowohl aufseiten der angehenden Lehrkräfte als auch aufseiten der Ausbildungskräfte bzw. Mentoren/Mentorinnen das Rollenverständnis in dieser Phase der Ausbildung entwickelt und welche Elemente die gegenseitige Wahrnehmung prägen. Sie verdeutlichen in ihrem Beitrag, weshalb die aktive Auseinandersetzung mit der eigenen Rolle und die Gestaltung der beruflichen Identität zu den Kompetenzen angehender und bereits praktizierender Lehrkräfte gezählt werden muss. In der Aus- und Fortbildung sollten sie Unterstützung dabei finden, eine berufliche Vision zu entwickeln, die ihrer Persönlichkeit entspricht. Weshalb dieser sehr individuelle Prozess zugleich aber auch als ein kollektiver gedacht werden muss, werden wir im folgenden Abschnitt diskutieren.

2.6Kooperation und Entwicklung

In den vorangegangenen Abschnitten wurde aus verschiedenen Perspektiven dargestellt, weshalb der Erwerb von Wissen und Fähigkeiten eingebettet ist in einen sozialen, historischen und politischen Kontext, vermittelt durch die Interaktion mit anderen, durch gemeinsames Handeln und die Auseinandersetzung mit kulturellen Artefakten. Aus dieser Erkenntnis ergeben sich natürlich nicht nur Konsequenzen für die Gestaltung des Fremdsprachenunterrichts. Wie alle akademischen Fächer, die sich neben der Erforschung pädagogischer Prozesse auch mit der Ausbildung von Expertinnen und Experten für pädagogisches Handeln befassen, muss sich die Fremdsprachendidaktik fragen, ob ihre eigene Praxis dem Forschungsstand nicht zuwiderläuft. Wird also auch in der Aus- und Fortbildung etwa das Potenzial von Kooperation genutzt? Wird damit ein Gegenmodell geschaffen zur Lehrperson als Einzelkämpfer und zur Tendenz der Privatisierung von Klassenräumen? Wird also für Novizen der Lehrberuf als eine professionelle Gemeinschaft (Lave/Wenger 1991) erfahrbar, in die sie bereits während der Ausbildung durch aktive Teilnahme hineinwachsen?

Der soziokulturelle Ansatz hat in besonderer Weise dazu beigetragen, dass kooperativen Prozessen in der Aus- und Fortbildung ein zunehmend größerer Stellenwert beigemessen wird (Crandall/Christison 2016; Johnson 2009; Johnson/Golombek 2011), was sich nunmehr auch in verstärkter empirischer Forschungstätigkeit zu diesem Themenbereich niederschlägt. Die Studie von Wipperfürth (2016) ist dafür ein wegweisendes Beispiel. In ihr wird darstellt, wie sich Lehrende in einem „Lernenden Lehrernetzwerk“ selbstgesteuert über Videomitschnitte aus dem eigenen Unterricht austauschen und sich dabei ihre Selbstwahrnehmung ebenso positiv verändert wie ihr unterrichtliches Handeln.

Auch mehrere der in diesem Band versammelten Beiträge verdeutlichen diese Forschungstendenz anhand konkreter Lehr- und Lernszenarien. So schildern Abendroth-Timmer/Schneider, wie sich zukünftige Fremdsprachenlehrende im Rahmen des CONFORME-Projekts in multikulturellen und mehrsprachigen Kleingruppen mit wissenschaftlichen Konzepten auseinandersetzen und durch die Interaktion professionelles Wissen ko-konstruieren. An ihrer Darstellung lässt sich besonders gut nachvollziehen, weshalb Studierende bei ihren individuellen Reflexionsprozessen vom Austausch mit anderen profitieren. Gemeinsam werden Unterschiede in der Wahrnehmung und Interpretation aufgedeckt, neue Sichtweisen entwickelt und letztlich die wissenschaftlichen Konzepte tiefer durchdrungen.

Im Bereich der Fortbildung ist die Studie von Heinrich verortet. In dem Beitrag wird das Spannungsverhältnis deutlich, in dem die Inhalte der Lehrerbildung und deren methodischer Gestaltung stehen. Heinrich dokumentiert die empirische Begleitforschung zu einem Fortbildungsangebot für Englischlehrkräfte im Sekundarbereich I und II. Sie sollten gezielt dabei unterstützt werden, kooperatives Sprachlernen häufiger und theoriebasierter anzuwenden. Inhaltlich wird zum einen handlungsorientiertes Wissen sowie konkretes Instruktions- und Sprachverhalten vermittelt. Zum anderen werden bestimmte Kognitionen, die die Umsetzung der Lehr-Lernform fördern oder behindern können, positiv beeinflusst. Die Autorin geht in ihrem Beitrag unter anderem auch darauf ein, wie das kooperative Lernen als Gegenstand der Fortbildung zugleich in den Fortbildungsveranstaltungen selbst erfahrbar gemacht werden kann. Erste Ergebnisse der Längsschnittstudie deuten auf positive Trainingseffekte bezüglich bedeutsamer Kognitionen sowie der Häufigkeit und Qualität der Umsetzung kooperativen Sprachlernens im Englischunterricht hin.

Das Potenzial der Kooperation erhellt auch Knorr in ihrer Studie, für die sie Studierende bei der Vorbereitung von Tagespraktika begleitete und deren gemeinschaftliche Planung von Unterrichtsstunden analysierte. Auch hier zeigt sich, wie die Zusammenarbeit Lernprozesse unterstützt, indem sich die Studierenden gegenseitig hinterfragen, zu neuen Ideen anregen oder auch emotionalen Rückhalt bieten. Da Knorrs Studie an der Schnittstelle zwischen fachdidaktisch-theoretischer und schulpraktischer Ausbildung verortet ist, ermöglicht sie zugleich Einsichten in das Zusammenspiel von theoretischem Wissen und unterrichtlichem Handeln. Dabei wird unter anderem deutlich, dass die konkrete Unterrichtsvorbereitung anders verläuft, als die in der Ausbildung zuvor gelernten Planungsmodelle es vorzeichnen.

Es sind solche Erfahrungen, die dazu beitragen, dass die Übergänge zwischen den einzelnen Ausbildungsphasen als Bruch wahrgenommen werden. Mit Blick auf Fachpraktika konnten sie von Gabel (1997) ebenso beschrieben werden wie von Schädlich (2015). Und auch Gerlach/Steiniger kommen in ihren Untersuchungen zum Vorbereitungsdienst in dieser Hinsicht zu diesem kritischen Fazit.

Aus einer soziokulturellen Perspektive ist dieser viel zitierte Praxisschock unvermeidlich, solange die Begegnung mit wissenschaftlichen Konzepten während der fachdidaktischen Ausbildungsphase nicht eingebettet wird in situiertes Lernen (Lave/Wenger 1991), also die Möglichkeit, sich der Relevanz dieser Konzepte für konkrete Handlungssituationen bewusst zu werden, sie vor dem Hintergrund der eigenen Vorstellungen und Erfahrungen zu reflektieren und sich mit anderen darüber auszutauschen. Eine Überlegung, die unmittelbar das Verhältnis zwischen Theorie und Praxis als einem der am intensivsten diskutierten Probleme der Pädagogik berührt. Gestärkt wird die Differenzthese, der zufolge die Frage danach, wie sich wissenschaftliche Theorien und Modelle effektiver in die Unterrichtspraxis implementieren lassen, grundsätzlich falsch gestellt ist. Denn für die beiden gesellschaftlichen Bereiche „Wissenschaft“ und „Schule“ sind sehr unterschiedliche Wissensformen prägend. Professionelle Forschung zielt auf Abstraktion, Systematisierung, Präzision und Widerspruchsfreiheit. Dank dieser Qualitäten kann durch Wissenschaft generiertes Wissen dazu beitragen, soziales Geschehen besser zu erklären und verschiedene Alternativen für das Handeln der Menschen in einem bestimmten Kontext aufzuzeigen.

Lehrende hingegen verfügen aufgrund der Vertrautheit mit ihrem Tätigkeitsfeld über etwas, das sie allen wissenschaftlichen Modellen voraushaben: das „Wissen in der Handlung“, wie es Schön (1983) bezeichnet. Sie haben ein Gespür für das Funktionieren der Handlungsabläufe und für die sozialen Konstellationen im Klassenraum. Dieses Erfahrungswissen von Lehrenden ist – wie wir im vorangegangenen Abschnitt darstellten – immer ein individuelles Konstrukt, durchwebt mit persönlichen Erlebnissen, Werturteilen und Vermutungen. Nicht Differenzierung und Abstraktion kennzeichnen daher diese Wissensform, sondern Komplexität, Ganzheitlichkeit und der enge Bezug zu sozialen Kontexten.

Angesichts solcher grundlegenden Unterschiede können wissenschaftliche Theorien nicht ohne weiteres in unterrichtliche Praxis implementiert werden und es wird verständlich, weshalb die jahrzehntelangen Versuche der Fremdsprachendidaktik, eine ideale Methode des Fremdsprachenunterrichts zu entwerfen, letztlich zum Scheitern verurteilt waren (siehe auch Kumaravadivelu 2006; Prahbu 1990). Die häufig zitierte Kluft zwischen dem akademischen Betrieb und der unterrichtlichen Praxis beruht mithin auf einem „Rationalitätsbruch“ (Beck/Bonß 1989:12), der zwei verschiedene Wissensformen und letztlich zwei verschiedenen Arten sozialer Praxis voneinander trennt (vgl. Fried 2003).

Erst wenn man die Gegensätzlichkeit dieser beiden Wissensformen anerkennt, lassen sich die Möglichkeiten und Begrenzungen realistisch einschätzen, die ihnen innewohnen. Zugleich öffnet sich aber auch der Blick für eine weitere Wissensform, die beide Welten verbindet: das reflektierte Handlungswissen. Es kann nur innerhalb der professionellen Gemeinschaft von den Lehrenden selbst generiert werden. Sie müssen dafür die Unterrichtspraxis zum Gegenstand einer kritischen Betrachtung machen und ihre Handlungsmuster und Routinen hinterfragen. Indem sie dabei sowohl die Perspektive von Kolleginnen und Kollegen einbeziehen als auch wissenschaftliche Erklärungsansätze, können sie das Reflexionsniveau erhöhen. Letztlich kommen Lehrende auf diesem Wege zu neuem Wissen über ihr Arbeitsumfeld und sie tragen damit zur persönlichen Entwicklung ebenso bei und wie zur Entwicklung der gesamten Profession.

In Aus- und Fortbildungsprogrammen werden zwei gegensätzliche Herangehensweisen praktiziert, um das Generieren des reflektierten Handlungswissens zu fördern. Auf der einen Seite finden sich theoriegeleitete Ansätze. Hier bilden wissenschaftliche Modelle und Theorien den Ausgangspunkt, die im Reflexionsprozess anhand von Erfahrungen mit oder Beobachtungen von Praxis nach ihrer Relevanz und Tragweite befragt werden. Die sogenannte Design Based Research kann als ein typisches Beispiel für diesen Ansatz gelten (vgl. Gießler in diesem Band; Grünewald u.a. 2014). Die eher traditionelle, an wissenschaftlichen Systematiken orientierte Struktur der Lehrerbildung wird dabei aufgebrochen, indem Elemente aus der Praxis integriert und somit situiertes Lernen ermöglicht wird. Dass dieser theoriegeleitete Ansatz momentan noch das vorherrschende Konzept darstellt, lässt sich auch an den Beiträgen in diesem Band ablesen. Sie beschreiben in der Mehrzahl Programme, die an wissenschaftlichen Theorien ansetzen und nicht an Problemstellungen, die sich aus den Erfahrungen der Teilnehmenden mit der Unterrichtspraxis ergeben. Aber auch dieser zweite, konträre Zugang zum reflexiven Erfahrungswissen ist natürlich möglich und sinnvoll. Beschreibungen für praktikable Modelle eines solchen praxisgeleiteten Ansatzes finden sich beispielsweise bei Allwright (2005) oder Abendroth-Timmer (2011). Und auch in den Beiträgen von Benitt und Mohr/Schart wird dieser Prozess greifbar.

Benitt untersucht mit ihrer Studie die Lern- und Entwicklungsprozesse von angehenden Englischlehrerinnen im Rahmen des Programms E-LINGO, das einen Schwerpunkt auf das reflexive und forschende Lernen legt. Sie zeigt, wie bei den Teilnehmenden durch kooperative Aktionsforschungsprojekte kognitive, interpersonale und affektive Entwicklungsprozesse angeregt werden.

Auch Mohr/Schart nehmen die forschende Tätigkeit von Lehrenden und damit die Herausbildung des reflexiven Handlungswissens in den Blick. Ihre Studie ist in dem weltweiten Fortbildungsprogramm Deutsch Lehren Lernen des Goethe Instituts verortet. Mohr und Schart analysieren Dokumentationen von kooperativ durchgeführten Praxiserkundungsprojekten und gehen der Frage nach, in wie weit sich in diesen Daten Reflexionsprozesse der Teilnehmenden spiegeln.

So verschieden die Wege sind, auf denen die Reflexionsprozesse angebahnt werden, die dafür notwendigen Kompetenzen müssen kontinuierlich über die gesamte Zeit der Ausbildung hinweg und auch im Rahmen von Fortbildungen immer wieder aufs Neue geübt und weiterentwickelt werden, um nachhaltig das professionelle Handeln zu stärken. Seit Mitte der 1990er Jahren wurden daher verschiedene Modellen der reflexiven Lehrerbildung und des forschenden Lernens von Studierenden entwickelt (Dirks/Hansmann 1999; Feindt/Broscio 2008/Roters et al. 2009; Schocker 2001, Zibelius 2015; s.a. Farrell 2015; Wells 2009). Ihre gemeinsame Leitidee sind dabei Lehrende,

die eine neugierige und kritische Haltung gegenüber der eigenen Wahrnehmungs- und Handlungsmuster einzunehmen wissen,

die sich mit anderen zielgerichtet und sachbezogen über unterrichtliches Geschehen austauschen können,

die die Fähigkeit besitzen, wissenschaftliche Herangehensweisen, Konzepte und Modelle kritisch zu hinterfragen und für den eigenen Erkenntnisgewinn zu nutzen,

die in der Lage sind, die Verantwortung für die Folgen ihrer Entscheidungen zu übernehmen,

die die Professionalisierung als einen eigenverantwortlichen und lebenslangen Prozess des Lernens begreifen.

In den zurückliegenden Abschnitten haben wir uns darauf konzentriert, Charakter und Umfang einzelner Kompetenzdimensionen zu umreißen, die für die Aus- und Fortbildung leitend sein sollten. Dabei wurde immer wieder deutlich, dass sich die Inhalte der Ausbildung nicht von ihrer Praxis trennen lassen. Die Fremdsprachendidaktik muss sich der Frage stellen, wie sie ihr Konzept kompetenten Lehrens auch in den eigenen Lehrveranstaltungen umsetzen kann. Anregungen dazu möchten wir mit dem folgenden Abschnitt liefern, indem wir die Ausbildungspraxis als dialogischen Prozess beschreiben und zugleich Felder zukünftiger Forschung skizzieren.

3Aus- und Fortbildung als dialogischer Prozess

Aus der bisherigen Argumentation lassen sich vier Prinzipien gewinnen, die den Modus der Kompetenzentwicklung von angehenden und bereits praktizierenden Lehrkräften bestimmen sollten. Lehrerbildung muss:

(1)

die Lehrenden als Personen in den Blick nehmen,

(2)