Fremdsprachenerwerb - Fremdsprachendidaktik - Jörg Roche - E-Book

Fremdsprachenerwerb - Fremdsprachendidaktik E-Book

Jörg Roche

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Beschreibung

Der Band stellt die Grundfragen, Grundkonzepte und Grundpositionen der Spracherwerbsforschung und -didaktik verständlich, übersichtlich und anschaulich dar. Linguistische, kognitionslinguistische, psycholinguistische, lernpsychologische, inter- und transkulturelle sowie medien- und handlungsdidaktische Aspekte bilden den Leitfaden für die kohärente Darstellung der komplexen Thematik. Der Band nimmt stets auf die Lern- und Lehrpraxis Bezug. Zahlreiche Beispiele und eine Fülle von Illustrationen erleichtern den Zugang ebenso wie die unkomplizierte Sprache. Fachbegriffe und Fachpositionen werden verständlich erklärt und Zusammenhänge zwischen ihnen immer wieder hergestellt. Für die 5. Auflage wurden aktuelle Forschungsergebnisse eingearbeitet und neue Themen ergänzt bzw. ausgebaut, z.B. zur Alphabetisierung, zu virtuellen Medien, zu KI-Anwendungen und zur berufsqualifizierenden Sprache.

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EPUB

Seitenzahl: 678

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Jörg Roche

Fremdsprachenerwerb Fremdsprachendidaktik

5., überarbeitete und erweiterte Auflage

Prof. Dr. Jörg Roche, Arbeits- und Forschungsschwerpunkte: Sprachenerwerb, Mehrsprachigkeit, Berufs-, Fach- und Wissenschaftssprachen, Interkulturelle Linguistik und Kommunikation, Medien in der Sprach- und Kulturvermittlung, Berufsqualifizierende Sprache, Szenariendidaktik, Literatur-Didaktik des Dialogs.

 

DOI: https://doi.org/10.36198/9783838564012

 

Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG

Dischingerweg 5 • D-72070 Tübingen

 

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

 

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Internet: www.narr.deeMail: [email protected]

 

Einbandgestaltung: siegel konzeption | gestaltung

 

utb-Nr. 2691

ISBN 978-3-8252-6401-7 (Print)

ISBN 978-3-8463-6401-7 (ePub)

Inhalt

Einführung1 Von der Inputsteuerung zur Kompetenzorientierung1.1 Die Grammatik-Übersetzungsmethode (GÜM)1.2 Behavioristische Verfahren1.3 Kognitivistische Verfahren1.4 Konstruktivistische Verfahren1.4.1 Moderater Konstruktivismus1.4.2 Aufgaben- und Handlungsorientierung1.5 Kommunikative Didaktik und alternative Methoden1.6 Kernelemente einer Fremdsprachendidaktik1.7 Übungsaufgaben zur Wissenskontrolle1.8 Weiterführende Literatur2 Sprache2.1 Sprachbeschreibung und Sprachnormen2.2 Allgemeinsprache2.3 Fachsprachen2.4 Wissenschaftssprache2.5 Sprachvariation und Sprachwandel2.6 Grammatik2.6.1 Schulgrammatik2.6.2 Valenz- und Dependenzgrammatik2.7 Text2.8 Kognitive Aspekte der SpracheKörper und GeistBildschemataMetaphern im FremdsprachenerwerbLexikon und Grammatik2.8.1 Grundlagen einer kognitiven Sprachdidaktik2.8.2 Grammatische Metaphern in Animationen2.9 Handlung2.10 Grammatik und Fremdsprachenunterricht2.11 Übungsaufgaben zur Wissenskontrolle2.12 Weiterführende Literatur3 Lernervariablen3.1 Lernerfaktoren3.2 Lerntraditionen3.3 Lernertypen3.4 Alter und Lernen3.5 Geschlechtsspezifische Unterschiede3.6 Sprachanlage3.7 Übungsaufgaben zur Wissenskontrolle3.8 Weiterführende Literatur4 Die kognitive Hardware4.1 Gehirnzentren4.2 Bedeutungskonstruktion4.3 Aufmerksamkeit4.4 Informationsspeicherung4.5 Sprache und Bildverarbeitung4.6 Sprachverstehen und Sprachproduktion4.7 Die Organisation des mentalen Lexikons4.7.1 Der Erwerb des einsprachigen mentalen Lexikons4.7.2 Der Erwerb des bilingualen mentalen Lexikons4.8 Wortschatzvermittlung im Fremdsprachenunterricht4.9 Sprachverarbeitung und Fehlerkorrektur4.10 Übungsaufgaben zur Wissenskontrolle4.11 Weiterführende Literatur5 Fremdsprachenerwerb5.1 Gesteuerter und ungesteuerter Sprachenerwerb5.2 Der pragmatische Modus und die Basisvarietät5.3 Vom Chunking zur Regel5.4 Erwerbshypothesen5.5 Sprachenlernen und kognitive Entwicklung5.6 Erwerbssequenzen5.7 Sprachstandsdiagnose und Fortschrittsmessung5.8 Mehrsprachigkeit5.9 Sprachumgebung und Eingabe5.10 Übungsaufgaben zur Wissenskontrolle5.11 Weiterführende Literatur6 Sprachdidaktiken, Kompetenzen, Curricula und Methodiken6.1 Lehrziele, Lernziele, Kompetenzen6.2 Handlungskompetenzen6.3 Strategientraining Leseverstehen6.4 Strategientraining Hörverstehen6.5 Strategientraining Schreiben6.6 Alphabetisierung6.6.1 Alphabetisierung bei Kindern6.6.2 Schriftsprachenerwerbsmodelle für Erwachsene6.7 Strategientraining Sprechen6.8 Evaluation, Testen, Wahrnehmungsschulung6.9 Mediendidaktik6.9.1 Klassifikation von Medien6.9.2 Mehrwerterzielung durch elektronische Medien6.9.3 Elektronische Lernplattformen6.10 Hierarchie der Lernarten6.11 Übersetzungskompetenz6.12 Methodik6.13 SzenariendidaktikHandlungsorientierung in der berufsqualifizierenden Sprache6.14 Lehrqualifikationen6.15 Qualitätsmanagement6.16 Übungsaufgaben zur Wissenskontrolle6.17 Weiterführende LiteraturMaterialien für den handlungsorientierten Unterricht7 Interkulturelle Sprachdidaktik7.1 Sprache und Kultur7.2 Interkulturelle Vermittlung7.3 Bildkulturen7.4 Kulturvermittlung und „Landeskunde“7.4.1 Kulturstudien7.4.2 Das Tübinger Modell einer integrativen Landeskunde7.4.3 Interkulturelle/transkulturelle Landeskunde7.4.4 Wahrnehmungsmuster und Erinnerungskulturen7.4.5 Deutungsschema/Didaktik des Dialogs7.5 Übungsaufgaben zur Wissenskontrolle7.6 Weiterführende LiteraturLehrwerke und Materialien zu ErinnerungsortenBeispiele für interkulturell ausgerichtete Lehrwerke und Sammlungen für Deutsch als Fremdsprache8 Parameter zukünftiger FremdsprachendidaktikDie Fremdsprachendidaktik und ihre Folgen für den modernen Fremdsprachenunterricht9 Referenzmaterialien zu Forschung und Didaktik9.1 Handbücher9.2 FachzeitschriftenZeitschriften mit einem Bezug zu Sprachenlernen, Fremdsprachenerwerb und Fremdsprachenunterricht10 Abbildungs- und QuellenverzeichnisAbbildungenQuellen11 Register

Einführung

Das Lernen von Sprachen gehört zu den alltäglichen Dingen der Welt. Fast jeder Mensch beherrscht mindestens ein sprachliches ZeichensystemZeichensystem, viele sogar mehrere, manchmal ohne sich dessen bewusst zu sein. Bestimmte Sprachen scheinen wir dabei leicht erwerben zu können, bei anderen, den so genannten fremden, fällt es aber anscheinend schwer. Wie kommt es, dass der Zugang zu den Sprachen und zum Sprachenlernen oft so schwerfällt und wie ließen sich Sprachen leichter lernen und vermitteln?

Hierauf will die EinführungEinführung Fremdsprachenerwerb − Fremdsprachendidaktik all denen einen leicht verständlichen Überblick bieten, die sich aus privatem, akademischem, beruflichem oder öffentlichem Interesse damit beschäftigen. Es geht diesem Buch in erster Linie um die Darstellung der Grundlagen des SpracherwerbSprachenerwerbs und der Sprachenvermittlung. Zu Grunde liegt dabei die Erkenntnis, dass sich erst dann sinnvolle Ableitungen für die Lernpraxis und die Unterrichtsmethodik entwickeln lassen, wenn es auf theoretisch fundierten Grundlagen geschehen kann. Ansonsten besteht die Gefahr, dass sich viele gutgemeinte unterrichtsmethodische Bemühungen in einem beliebigen Methodenaktionismus verlieren.

Im Mittelpunkt der Überlegungen steht in diesem Buch daher immer die Perspektive des Lerners, also die der kognitivkognitiven Dimension des Sprachenerwerbs. In den Köpfen der Lernerinnen und Lerner muss sich schließlich der SpracherwerbSprachenerwerb abspielen, nicht in den Grammatikbüchern oder Lehrplänen. Diese EinführungEinführung stellt aus diesem Grund den verbreiteten Praktiken und Annahmen der Sprachvermittlung immer wieder die wichtigsten Grundlagen von LerntheorieLerntheorien und Informationsverarbeitungsprozessen, die neuesten Erkenntnisse der SpracherwerbsforschungSprachenerwerbsforschung, Modelle der SprachbeschreibungSprachbeschreibung und Grammatik und die VariationVariation der Zielsprache gegenüber. Neuere Forschungsergebnisse bestätigen, dass Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Strukturen von Erst- und Fremdsprachen von geringerer Relevanz sind, als die kognitiven Prozesse (Strategien, TechnikenTechniken) der Lerner, die sich mit unterschiedlichen Lernerfahrungen und unter unterschiedlichen Gewichtungen der motivationalen FaktorenFaktoren dynamisch verändern. Eine Unterrichtsmethodik, die sich vor allem an strukturbezogenen Vergleichen zwischen Erst- und Zweitsprache orientiert, hat sich als nicht mehr zeitgemäß erwiesen.

Diese EinführungEinführung ist für Leserinnen und Leser gedacht, die sich auf die Abenteuer Sprache, Sprachen und SpracherwerbSprachenerwerb einlassen wollen. In diesem faszinierenden und mit zunehmender Globalisierung immer bedeutender werdenden Bereich muss man mit vielen Überraschungen und ungelösten Fragen rechnen. Das Buch zeigt auf, wo es sich lohnt nachzuforschen. Es ermutigt die Leserinnen und Leser, selbst mit Sprachen und ihrem Erwerb zu experimentieren, und verweist daher immer wieder darauf, wie das Funktionieren der natürlichen Mehrsprachigkeitinneren MehrsprachigkeitMehrsprachigkeit des Menschen („Wie im richtigen Leben“) als gute Grundlage für den Erwerb von weiteren Sprachen fungieren kann. Damit will es gleichzeitig jetzigen und zukünftigen Lehrer/LehrerinLehrerinnen und Lehrern die nötigen Grundlagen vermitteln, mit denen sie selbständig, kompetent, energisch und mutig an einer Optimierung des Fremdsprachenunterrichts in ihrem eigenen Bereich, in ihren Schulen und in Gesellschaft und Bildungspolitik mitarbeiten können. Auf der Grundlage der theoretischen Erkenntnisse skizziert dieses Buch didaktischdidaktische Leitlinien und methodische Verfahren so, dass sie sich mit der Lern- und Lehrerfahrung der Leserinnen und Leser verknüpfen lassen und eine Umsetzbarkeit in der Lehr- und Lernpraxis ermöglichen.

Fremdsprachenerwerb − Fremdsprachendidaktik ist eine erste EinführungEinführung in das spannende Gebiet des Lernens und Lehrens von fremden Sprachen, die ihre Fremdheit verlieren sollen. Um die Breite und Tiefe des Gegenstandsbereiches darzustellen, muss das Buch in dem vorgegebenen Rahmen und Format der utb-Bände oft zusammenfassend verfahren. Es ist hier nicht immer möglich, einzelne Positionen und die innerfachliche Diskussion so genau nachzuzeichnen, wie es für die weitere wissenschaftliche Auseinandersetzung erforderlich ist. Durch die weiterführenden Literaturangaben im Anschluss an die einzelnen Kapitel erhalten Leserinnen und Leser jedoch eine Orientierung für das weitere, vertiefende Lesen und für eine weiterführende wissenschaftliche Beschäftigung. Die Literaturangaben sind nach Verständlichkeit, Übersichtlichkeit und Zugänglichkeit ausgewählt. Die zentralen Begriffe werden auf verständliche Art erklärt und, wo das forschungsbedingt sinnvoll erscheint, mit den englischen Fachbegriffen ergänzt. Zur besseren Orientierung sind Kernbegriffe im Text fett hervorgehoben und die ThemaThemen in der Randspalte genannt. Das kostenfrei zugängliche Digitale Lexikon Fremdsprachendidaktik (www.lexikon-mla.de) erklärt die meisten Fachbegriffe in verständlicher Sprache.

Die Beispiele zur IllustrationIllustration stammen aus verschiedenen Sprachen, orientieren sich aber aus Gründen der besseren Verständlichkeit meist am Deutschen als Fremdsprache oder am Englischen. Damit sollte es allen Leserinnen und Lesern leichtfallen, die dargestellten Sachverhalte ohne sprachliche Schwierigkeiten, aber dennoch aus der Perspektive eines fremdsprachigen Lerners, nachvollziehen zu können.

Bei der Darstellung ist auf Kürze, Prägnanz und Anschaulichkeit geachtet worden. Das schließt den sprachlichen Ausdruck mit ein. Wo es um Lehrer/LehrerinLehrerinnen und Lehrer, Lernerinnen und Lerner und ähnliche Personengruppen geht, werden aus Gründen der Kürze in der Regel abwechselnd feminine und/oder maskuline Bezeichnungen verwendet, zur Orientierung an der englischsprachigen Fachliteratur gelegentlich auch nur maskuline (zum Beispiel learner oder instructor im Englischen). Eine Gleichsetzung von grammatischem (Genus) und natürlichem Geschlecht (Sexus) zu vermuten, wäre jedoch − zumal in der heutigen Zeit − geradezu töricht.

Übungsaufgaben zu jedem Kapitel ermöglichen die Wissenskontrolle, ein Register erleichtert die Orientierung im Band. Die Lösungen zu den Übungen können unter https://www.utb.de/doi/suppl/10.36198/9783838564012 eingesehen werden.

Einige Materialien und Unterlagen wurden von freundlichen Kolleginnen und Kollegen für dieses Buch zur Verfügung gestellt. Ihnen sei an dieser Stelle ganz herzlich gedankt. Die Quellen und Urheber sind entsprechend vermerkt. Ferran Suñer und Elisabetta Terrasi-Haufe haben wertvolle Rückmeldungen und Materialien zum Manuskript einer früheren Auflage geliefert, Hannah Albrecht hat kompetent, gewissenhaft und zuverlässig an der Neuauflage bibliographisch und redaktionell mitgewirkt und Kathrin Heyng hat die Umsetzung durch den Verlag wieder sachkundig und professionell geleitet.

1Von der Inputsteuerung zur Kompetenzorientierung

Dieses Kapitel gibt einen Überblick über die grundlegenden Orientierungen und Praktiken der Vermittlung von Sprachen und über theoretische Leitlinien moderner Ansätze des Lernens und Lehrens von Fremdsprachen. Damit werden wichtige Elemente der geschichtlichen Entwicklung des Fremdsprachenunterrichts für ihre Bedeutung heute nachgezeichnet und neue lernpsychologische, erwerbslinguistische und didaktische Leitlinien für die weitere Entwicklung der Fremdsprachendidaktik skizziert. Gängige Unterrichts- und Lernverfahren und ihre Grundlagen werden präsentiert. Aus diesem Überblick ergibt sich ein Bezugsrahmen für den Fremdsprachenerwerb und die Fremdsprachendidaktik und damit für die weiteren Kapitel dieses Buches.

Wie lernen wir (fremde) Sprachen und wie und wann lernen wir sie am besten? Lernen wir Fremdsprachen so, wie wir unsere Erstsprachen lernen? Welche Rollen spielen dabei die Strukturen der vorerworbenen Sprachen, die Sprache der Umgebung, angeborene Fähigkeiten, SprachverarbeitungssystemSprachverarbeitungssysteme und Imitationsverhalten? Auf welche Weise beeinflussen sich die erworbenen und im Erwerb befindlichen Sprachen gegenseitig? Die Antworten auf diese Fragen − das ist ein typisches Merkmal von Wissenschaften − sind zwar umstritten, aber an Versuchen, verschiedene Modelle auszuprobieren, fehlt es nicht. Ein Blick auf die am weitesten verbreiteten MethodeMethoden wird dies zeigen. Im Anschluss daran wird versucht, den lerntheoretischen lerntheoretischer RahmenRahmen dieser Methoden und der aus ihnen entstandenen Mischmethoden und neuen Verfahren abzustecken.

Eines der Hauptmerkmale traditioneller MethodeMethoden des Fremdsprachenunterrichts, die auch die Praxis heutiger, weitgehend eklektischer Unterrichtsverfahren und Lehrmaterialentwicklungen bestimmen, ist ihre Fixierung auf die grammatischen Strukturen der beteiligten Sprachen in Lehrzieldefinitionen, der Progression, der Fehlerdiagnose und Fehler-korrekturFehlerkorrektur, der Gewichtung von InterferenzInterferenz und der Übungstypologie. Die beliebig dosierbare Steuerbarkeit des Unterrichts und des Lernerverhaltens sind darin fest verwurzelte Vorstellungen. Dabei zeigt sich in der neueren Forschung, dass das Verständnis der Prozesse des Sprachenerwerbs, das heißt wie Lerner mit den sprachlichen Strukturen in ihren Strategien und TechnikenTechniken umgehen, mindestens ebenso wichtig für die Lehrmethodik ist. Mit der KompetenzorientierungKompetenz-orientierung neuer didaktischdidaktischer Ansätze wird versucht, diesen Paradigmenwechsel über neue Lernzielbestimmungen in der Unterrichtsmethodik abzubilden. Die eklektische Praxis des Unterrichts ist jedoch noch stark von strukturellen Inputtraditionen und -modellen bestimmt. Bei den Modellen der Structured Input Activities von Wong (2004), der Inputverarbeitung von van Patten (2004) und der Verarbeitungssteuerung nach Sharwood Smith (1993) zum Beispiel stehen die Kernfrage der Steuerbarkeit des Erwerbs durch bestimmte Strukturen im Input und Verfahren der Hervorhebung und Verstärkung beziehungsweise der Regelkonstruktion im Mittelpunkt des Vermittlungsansatzes. Viel AufmerksamkeitAufmerksamkeit wird in diesen und ähnlichen Modellen darauf verwendet sicherzustellen, dass der Input für den Lerner möglichst optimal strukturiert ist, und Übungen zu konstruieren, mit denen der Lerner zur Beachtung wichtiger struktureller Merkmale gebracht werden kann. Auch in den bekanntesten traditionellen Unterrichtsmethoden spielt die Inputorientierung eine zentrale Rolle. Aus diesem Grunde und weil diese Methoden auch heute noch eklektisch und wenig reflektiert eingesetzt werden, sollen sie im Folgenden skizziert werden.

1.1Die Grammatik-Übersetzungsmethode (GÜM)Grammatik-Übersetzungsmethode (GÜM)

Es gibt zwar kaum verlässliche Aussagen darüber, wie die Menschen in früheren Zeiten miteinander kommunizierten, wir wissen aber, dass bereits früher verschiedene SprachsystemSprachsysteme nebeneinander existierten, also auch Kommunikation über kulturelle und sprachliche Grenzen hinweg und Fremdsprachenerwerb stattgefunden haben müssen. Man kann dies zum Beispiel an verschiedenen Schriftzeichensystemen wie den Hieroglyphen oder verschiedenen Petroglyphen (in Stein geschlagene oder geritzte SchriftSchriften) rekonstruieren und an verschiedenen anderen Aufzeichnungen aus den vergangenen Jahrhunderten und Jahrtausenden ablesen. Noch heute lässt sich der Austausch von Sprachen an Entlehnungen, LehnwortScheinentlehnungScheinentlehnungen, Analogiebildungen und Fremdwörtern in den lebenden Sprachen erkennen. Schließlich gibt es aber auch die eine oder andere explizite Aussage zum Dilemma der Vielsprachigkeit. So wissen wir aus der Bibel (Genesis 11,1−11,9) vom Sprachengewirr in Babel und vom Hochmut der Menschen, der − wie auch heute noch oft − die funktionierende Kommunikation zu Fall gebracht hat. Spätestens seit der EinführungEinführung von privaten und später auch öffentlichen Bildungssystemen versuchen Gesellschaften, das Schicksal Babels zu vermeiden, indem sie den müh- und wundersamen Weg des Sprachenlehrens und -lernens beschreiten.

GrammatikIn den Anfangszeiten des Sprachunterrichts galten die Klassiker der Antike als Orientierung, und zwar sowohl inhaltlich als auch sprachlich. Es galt, den Vorbildern aus der ruhmreichen Geschichte Griechenlands und Roms nachzueifern und die Grundlagen der abendländischen Geisteskultur verstehen zu lernen. Ziel war es, die Originaltexte von Aristoteles, Homer, Caesar, Cicero oder Catull zu verstehen und zu übersetzen. An den sprachlichen Strukturen der frühen Leitbilder sollten die eigenen sprachlichen Fertigkeiten und die Fähigkeiten des Geistes allgemein geschult werden. Am Beispiel der klassischen Sprachen sollten sich auch die Strukturen und Wurzeln der eigenen am besten erklären lassen, so eine heute noch weit verbreitete Annahme. Die Grundstrukturen der lateinischen Grammatik wurden als der Generalschlüssel zu den Sprachen unseres Kulturkreises betrachtet, wenn nicht sogar zu den Sprachen schlechthin. Nach diesem klassischen Modell des Fremdsprachenunterrichts wurde zunächst auch der Unterricht der modernen Fremdsprachen mit der EinführungEinführung des öffentlichen Schulwesens im 19. Jahrhundert abgehalten. Es ging auch hier zunächst vor allem um die Grammatikbeherrschung als Ziel und die ÜbersetzungÜbersetzung als MethodeMethode des Unterrichts. Ein lerntheoretisches KonzeptKonzept gibt es für dieses Verfahren jedoch nicht. Es reflektiert lediglich die damals geltenden bildungspolitischen Vorstellungen vom Sprachenlernen. Schematisch dargestellt werden kann das Prinzip dieser so genannten Grammatik-Übersetzungsmethode (GÜM)Grammatik-Übersetzungsmethode (GÜM) etwa folgendermaßen:

Abb. 1.1:

Schematische Darstellung der Grammatik-Übersetzungsmethode

1.2Behavioristische Verfahren

Als sich die Vorstellungen vom – und die Anforderungen an das – Sprachenlernen zu ändern begannen, intensivierte sich auch die Suche nach alternativen Verfahren des Fremdsprachenunterrichts. Er sollte nicht mehr nur an klassischen Vorbildern und auf eine kleine Bildungselite ausgerichtet sein, sondern zunehmend praktische Zwecke erfüllen. Eine europäische ReformbewegungReformbewegung, die Ende des 19. Jahrhunderts entstand (Viëtor, Gouin, Jespersen und andere, vergleiche dazu: Wilhelm Viëtor: Der Sprachunterricht muss umkehren. Heilbronn 1882), machte sich diese praktische Orientierungpragmatischpragmatische Ausrichtung zum Ziel, allerdings für weitere 60 Jahre ohne durchschlagenden ErfolgErfolg. Ein zu großes Umdenken und Umhandeln hätte diese Neuorientierung verlangt, zu eingefahren waren die MethodeMethoden des Unterrichts. Erst in den 40er und 50er Jahren des 20. Jahrhunderts schien schließlich ein Verfahren, das scheinbar nach den Prinzipien des Erstsprachenerwerbs (L1-Erwerb) modelliert war, einen leichteren Weg zum Erfolg zu versprechen: die audiolingualeMethodeaudiolinguale Methode. Im Zentrum dieser Methode steht das Imitieren von gehörter Sprache durch die Lerner. Man nahm an, dass dies dem L1-Erwerb von Kindern entspräche. Auch sie imitierten einfach das, was sie hörten. Man müsse also nur lange und oft genug hinhören, um die richtigen LautLaute in der richtigen Reihenfolge zu produzieren. Der Fremdsprachenunterricht machte aus dieser Beobachtung eine Methode. Indem den Lernern entsprechende Modelle in Form von einfachen Lauten, Lautkombinationen, Wörtern und Sätzen vorgegeben und diese MusterMuster, so genannte Patterns, durch ein Reiz-Reaktionsverfahren immer wieder eingeübt und gedrillt wurden, sollten sich die Fertigkeiten zur eigenständigen Nutzung der Fremdsprache entwickeln. Lerntheoretisch ist dieses Pattern-Drill-VerfahrenPattern-Drill-Verfahren als verhaltensformendes, also behavioristisches Lernen bekannt geworden, und zwar nicht nur im Bereich der Fremdsprachen, sondern beim Lernen allgemein. Behavioristisches Lernen ist also ein mechanischer Prozess, der von einem auditivauditiven oder einem kombinierten audio-visuellen ReizReiz (Stimulus) ausgelöst wird und aus der entsprechenden ReaktionReaktion (Response) auf diesen Reiz besteht. Gelernt wird ein Verhalten, und zwar in erster Linie am Modell, an dessen Imitation und mechanischer WiederholungWiederholung.

Abb. 1.3:

Grundschema behavioristischer Lernmodelle

audiolinguale und audiovisuelle MethodeJe nach Schwerpunkt der Reizauslösung unterscheidet man zwischen audiolingualer (AL) und audiovisueller MethodeMethode (AV) im Fremdsprachenunterricht. Die erste (AL-)Methode wurde besonders in den 40er und 50er Jahren in den USA propagiert und massiv gefördert, vor allem weil man sich davon versprach, möglichst schnell möglichst viele Soldaten auf den Einsatz in den schnell wechselnden Kriegsgebieten vorzubereiten. Sie wird deshalb auch „Army Army MethodMethod“ genannt. Die AV-Methode entstand in Frankreich, vermischte sich später mit der AL-Methode und wurde so als „la méthode“ (die MethodeMethode) für eine ganze Sprachlehrgeneration prägend (bis in die frühen 70er Jahre). Um das mechanische Verfahren zu optimieren, bietet es sich an, auf elektronische MedienelektronischeMedien zurückzugreifen. Das wurde schon früh mit Tonbändern, Kassetten und Sprachlaboren praktiziert und wird auch heute noch in der Werbung mittels Schlagworten wie „in 30 Tagen Spanisch, Französisch etc. lernen“ angepriesen. Die älteren Medien wie Kassetten sind mittlerweile durch neue Medien wie CD-ROMs, DVDs und teilweise das InternetInternet ersetzt worden. Das Lernschema dieser ProgrammProgramme bleibt aber das gleiche. Nach Issing (2002: 156) kann man behavioristischbehavioristisch vermittelte Verfahren deshalb folgendermaßen grafisch darstellen:

Abb. 1.4:

Erweitertes Schema behavioristischer Verfahren: der Lerner als Rezipient (nach Issing 2002: 156)

Die MedienMedien können nach den Vorstellungen dieses Ansatzes den Unterricht vor allem dadurch optimieren, dass sie die entsprechenden Stimuli in der richtigen Dosis und in ausreichendem Maße, in muttersprachlicher Qualität und gegebenenfalls auch ortsunabhängig (also nicht nur im Unterrichtsraum) zur Verfügung stellen und positive ReaktionReaktionen durch akustische und visuellvisuelle SignalSignale verstärken (Applaus, Trompetenfanfaren, grüne Ampeln und Ähnliches). Die Medien lassen eine im Sinne des BehaviorismusBehaviorismus optimale Steuerbarkeit des Lernablaufes und damit ein optimales Training der Lerner zu. Der Fachbegriff, mit dem diese Verhaltensschulung gefasst wird, lautet KonditionierungKonditionierung. gesteuertes LernenDie Effekte der Konditionierung sind übrigens vor allem in psychologischpsychologischen Experimenten (und zunächst mit Mäusen und Ratten) untersucht worden. Der größte Versuch am Menschen bleibt aber wohl der Sprachunterricht. Wie dieser Versuch auch heute noch in eleganter Verpackung fortgesetzt wird, zeigt folgendes Beispiel, das auch für ähnliche Verfahren repräsentativ ist.

Beispiel

In einem der am weitesten verbreiteten Lernprogramme heißt es: „Die beste Methode, eine Sprache zu lernen, ist durch dynamische Immersion. Mithilfe von tatsächlichen Alltagssituationen, interaktiven Übungen und Beispielaufnahmen von Muttersprachlern lernst du bei uns nachhaltig.“ (https://de.rosettastone.com/)

Diese vollmundig als „Dynamic Immersion“„Dynamic ImmersionImmersion“ bezeichnete Methode besteht im Wesentlichen aus dem Hören (und gelegentlichen Lesen) einzelner Wörter, Satzteile, Sätze oder kürzerer Redebeiträge, die den Prozess des L1-Erwerbs im L2-Erwerb simulieren und beschleunigen sollen. In Wirklichkeit finden hier vor allem das behavioristischbehavioristische Prinzip des Nachsprechens auf BildBild- und Tonimpulse und das Prinzip der Benennung einzelner, meist kontextloser Elemente Anwendung. Im Wesentlichen wiederholt der Lerner das Gehörte/Gelesene, ohne es je in natürliche Lern- und Handlungszusammenhänge einbetten zu können. Bezeichnend für dieses mechanistische Verfahren des Sprachdrills ist der Mangel an kulturspezifischen Elementen: das verwendete Bildmaterial ist bei allen Sprachen identisch. Konkrete Hinweise auf die angebliche wissenschaftliche Fundierung bleiben die Webseiten schuldig. Dagegen beeindrucken solche Programme mit kleineren technischen Finessen, deren Wirksamkeit in der Forschung jedoch nicht belegt ist.

Die klassischen Unterrichtsverfahren der Grammatik-Übersetzungsmethode und die behavioristischbehavioristischen Verfahren, die vorwiegend mit vorstrukturierten Lehrelementen und lehrergesteuert vorgehen, gelten in neuerer Terminologie als die typischen InstruktionsverfahrenInstruktionsverfahren und die MedienMedien, die sie nutzen, als die typischen InstruktionsmedienInstruktionsmedien (im Englischen spricht man hier auch von „interventionist methods“). Damit können sie von zwei anderen Hauptverfahren des SpracherwerbLerner-autonomieSprachenerwerbs unterschieden werden, die stärker auf die Selbständigkeit (Autonomie) des Lerners und des Lernens Bezug nehmen: den so genannten kognitivistischenkognitivistischVerfahren, die auf die Vermittlung von metasprachlichem WissenWissen ausgerichtet sind, und den konstruktivistischenkonstruktivistisch, die von selbst-generierenden Prozessen der Wissenskonstruktion gesteuert sind. Diese unterscheiden sich zumindest theoretisch in einer Reihe von Aspekten, ergänzen und überlappen sich aber auch in einigen Annahmen, Zielen und MethodeMethoden. In einer Mischgruppe von Ansätzen kommen sie mit unterschiedlicher Gewichtung und Funktion zur Geltung. Auch hier spielt die mediale Realisierung eine entscheidende Rolle.

1.3Kognitivistische Verfahren

Bei den kognitivistischkognitivistischen Lernverfahren stehen Struktur und Prozesse des GehirnGehirns im Mittelpunkt des Interesses der unterrichtlichen Steuerung. Der SpracherwerbSprachenerwerb als komplexer InformationsverarbeitungsprozesseProzess der InformationsverarbeitungInformationsverarbeitung erfolgt über die Stufen Wahrnehmen, ErkennenErkennen/Identifizieren, Sortieren, Klassifizieren, VerstehenVerstehen, BehaltenBehalten und Automatisieren. Lernen gilt demnach als das gezielte Erinnern an Aufgenommenes und die gekonnte Anwendung des Gelernten. Bearbeitet und aktiv gehalten wird das Gelernte in verschiedenen Gedächtnis-speicherGedächtnisspeichern, und zwar im Ultrakurzzeit-, Kurzzeit- und GedächtnisLangzeit-Langzeitgedächtnis. Diese Speicher sind jedoch keine passiven Schubladen, wie häufig angenommen wird, sondern dynamische Wissensnetze mit bestimmten Arbeitsfunktionen. So lassen sie sich danach bestimmen, wie lange und in welcher Form Information im ArbeitsgedächtnisGedächtnisArbeits- bearbeitet wird, ob die Daten als einmaliges Ereignis (Gedächtnisepisodischesepisodisches Gedächtnis) oder ob sie universell nutzbar gespeichert werden (Gedächtnissemantischessemantisches Gedächtnis). Unterschieden werden muss weiterhin zwischen dem Faktenwissen, das heißt Gedächtnispropositionalesdem propositionalen oder Gedächtnisdeklarativesauch deklarativenGedächtnis, und dem Methoden- und Vorgangswissen, das heißt dem prozeduralenGedächtnis. In Kapitel 4 wird noch genauer auf die Prozesse der Sprach-, BildBild- und Informationsverarbeitung eingegangen. Hier soll nur festgehalten werden, dass verschiedene Speicherfunktionen bei der Informationsverarbeitung eine wichtige Rolle spielen und dass diese vom Gehirn ständig organisiert, vernetzt und umorganisiert werden. Bei den kognitivistischen Unterrichtsverfahren, die die dargestellte Dynamik der Verarbeitung jedoch nicht berücksichtigen, geht es darum, die relativ komplexe, vernetzte SpeicherungSpeicherung von WissenWissen und den Zugang zu den Speichern durch metasprachliche Regeln und eine regelgeleitete (deduktive) Steuerung des Unterrichts und Lehrmaterials zu optimieren. Kognitivistische Verfahren und „Kognitivierung“ beschreiben äußere Steuerungsverfahren des Unterrichts mit dem Ziel der metasprachlichen „Sprachbewusstheit“, nicht den Versuch, die natürlichen Erwerbs- und Verarbeitungsprozesse des Lerners zu ergründen und in Lernverfahren zu modellieren (Ellis 1994, Norris/Ortega 2000, Jessner 2006).

Interessanterweise haben die kognitivistischkognitivistischen Verfahren damit eine Reihe von grundsätzlichen Gemeinsamkeiten mit den behavioristischbehavioristischen InstruktionsverfahrenInstruktionsverfahren, vor allem die äußere Steuerbarkeit des Lerners. Allerdings stehen hier die SpeicherungSpeicherung, die Einsicht und die Übertragbarkeit des WissenWissens als Ziele des Lernens über den mechanistischen Reflexen. Kognitivistischen Modellen geht es um die Vermittlung von Einsichten in den LernprozesseLernprozess selbst und um die Übertragbarkeit des Gelernten auf neue Wissensfelder. Die Lerner sollen die Lernverfahren also auch durchschauen und daraus entsprechende Lern-strategienLernstrategien für das selbständige Weiterlernen ableiten. Dieses LernzielLernziel des Durchschauens der Lern- und Verarbeitungsprozesse wird metakognitive ReflexionReflexionmetakognitive genannt. Die zur Optimierung eingesetzten Lernmedien sind dabei als Mittler grundsätzlich unterschiedlich geeignet. Sie sind aber immer nur Hilfsmittel, die Inhalte transportieren. Ohne Inhalte sind sie praktisch wirkungslos. Das erklärt, warum der Motivationscharakter der MedienMedien überschätzt wird und sich ihr Neuigkeitseffekt im Unterricht so schnell abgreift. Das gesamte kognitivistische Verfahren lässt sich nach Issing (2002) ungefähr so darstellen:

Abb. 1.5:

Schema kognitivistischer Verfahren: Die Medien und Methoden der Lehrer, Lehrbuchautoren und Medienentwickler wirken von außen auf die internen Verarbeitungsprozesse des Lerners, die er zwar durchschauen können soll, aber kaum beeinflussen kann (nach Issing 2002: 156)

1.4Konstruktivistische Verfahren

Konstruktivistische Verfahren basieren auf der Annahme, dass Informationen nicht 1:1 im GehirnGehirn abgebildet werden, sondern dass sie im Wechselspiel mit der Umwelt individuell erzeugt und mittels permanenter Erkennungs- und Organisationsprozesse in bestehende Wissensnetze eingebettet werden (Assimilation). Gleichzeitig finden Akkommodationsprozesse statt, durch die das bestehende WissenssystemWissenssystem an die Umwelt und das in ihr verfügbare neue WissenWissen angepasst wird. Lernen heißt somit, kognitivkognitive KonstruktionKonstruktionen neu aufzubauen und existierende ständig umzugestalten. Das beste Lernmaterial im Sinne konstruktivistischer Theorien stellen demnach Baumaterialien und WerkzeugWerkzeuge dar, die es dem Lerner ermöglichen, in seiner LernumgebungLernumgebung eigene Wissenssysteme beliebig zu gestalten. Konstruktivistische Ansätze (siehe Wendt 1996 oder Wolff 2002) beziehen sich häufig auf die philosophischen, biologischen und neurophysiologischen Grundlagen des RadikalenKonstruktivismusKonstruktivismus, der in den 1960er und 70er Jahren von Ernst von Glasersfeld und seinen Kollegen am Biological Computer Laboratory in Illinois entwickelt wurde, aber nicht für die unmittelbare Anwendung in Lehr- und Lernverfahren gedacht war. Das Radikale daran ist, dass Organismen als Gehirn als selbst-referenzielles SystemSysteme betrachtet werden, die sich selbst organisieren und begründen, also selbst-selbst-referenziellreferenziell und selbst-explikativ sind. So auch das menschliche Gehirn, das nur über eine Umsetzung der physikalisch-chemischen Umweltereignisse in die Sprache des Gehirns mit der Umwelt korrespondiert. Konstruktivistisches Lernen lässt sich in Anlehnung an Issing folgendermaßen darstellen:

Abb. 1.6:

Schema konstruktivistischer Verfahren (nach Issing 2002: 156)

Beim Sprachenlernen sind im konstruktivistischkonstruktivistischen Sinne optimale LernumgebungLernumgebungen praktisch nur durch ein komplettes, begrenztes oder modelliertes Eintauchen (ImmersionImmersion) in die zielsprachige KulturKultur gegeben. Im Unterricht sind diese idealen Ausgangsbedingungen nicht automatisch vorhanden, aber durch verschiedene MedienMedien und didaktischdidaktische Verfahren leicht herstellbar. Zu den Verfahren, mit denen solche komplexen, natürlichen LernumgebungnatürlicheLernumgebungen hergestellt oder simuliert werden können, gehören bilingualbilinguale Klassen und ImmersionsschuleImmersionsschulen, in denen Lernstoff in der Fremdsprache unterrichtet wird. Auch der klassische SchüleraustauschSchüleraustausch und das Nutzen fremdsprachiger und fremdkultureller Ressourcen am Lernort basiert auf dem Immersionsprinzip. ImmersionImmersion funktioniert nicht wegen der „Beschallung“ durch die fremdsprachige Umgebung, sondern durch die aktive Auseinandersetzung damit. Daher lassen sich mit ThemaThemen und Materialien, die für die Lerner Relevanz haben, sowie mit handlungs- und aufgabenbasiertes Lernenhandlungs- und aufgabenbasierten Lernverfahren wie etwa der DidaktikSzenarien-Szenariendidaktik oder dem Projektlernen auch im Unterricht reiche LernumgebungreicheLernumgebungen im Sinne konstruktivistischer Lerntheorien modellieren.

Da aber all diese Maßnahmen nicht überall möglich (und erfolgreich) sind, kommt gerade den MedienMedien bei der Schaffung reicher LernumgebungLernumgebungen eine herausragende Rolle zu. Durch sie können authentische authentische SituationSituationen realitätsnah und material­reich präsentiert werden, zum Beispiel in SimulationsspielSimulationsspielen. Dabei geht es nicht nur um Abwechslung, Realitätsnähe und Nähe zur Zielkultur. Lerntheoretisch entscheidend ist, dass authentisch reiche LernumgebungreicheLernumgebungen das Lernen kontextualisieren, verschiedene Zugangsmöglichkeiten und Perspektiven bei der Bearbeitung einer Aufgabe fördern, die reale Kommunikationssituation mit den vielfältigen sprachlichen und außersprachlichen Bezügen abbilden (PragmatikPragmatik) und daher auch vielfältige und echte Rückmeldungen in der Kommunikation enthalten, die für das Weiterlernen elementar sind. Diese sind auch deshalb nötig, weil der SpracherwerbSprachenerwerb in reichen Lernumgebungen weitestgehend als Teil einer Handlung nebenbei erfolgt, damit also viel komplexer und differenzierter ablaufen kann als in einem strikt geplanten und vorstrukturierten Unterricht. Man spricht hier von inzidentellem Lernen.

Beispiel

Verzweigende und auf mehreren Ebenen verlinkte LernumgebungLernumgebungen (HypermediaHypermedia) und mediale WerkzeugWerkzeuge zum selbständigen Arbeiten, mit denen etwa eine Webseite oder ein Text produziert werden können, eignen sich am besten für die Bearbeitung komplexer Situationen. Den CD-ROM-Sprachprogrammen Berliner sehen (Deutsch für Fortgeschrittene) und Dans un quartier de Paris (Französisch für Fortgeschrittene) lag zum Beispiel bereits in der frühen Mediennutzung ein strikt konstruktivistisches Lernmodell zu Grunde. Sie enthalten eine Reihe unverbundener Ressourcen zu einem bestimmten Stadtviertel in Berlin oder Paris. Der Lerner kann sich mit diesen authentischen Interviews, Kartenausschnitten, Dokumentaraufnahmen und anderem selbständig, ohne Grammatikerklärungen und ohne andere Vermittlungshilfen einen Zugang zu dem Leben im Stadtviertel, seiner Geschichte und den Anliegen der Bewohner verschaffen. Nach Möglichkeit soll er sich aber auch darüber hinaus über die besprochenen ThemaThemen und die verwendete Sprache informieren (siehe Softwareliste Kapitel 6.9.3). Als diese Programme konzipiert wurden, war das Internet nicht so weit entwickelt und zugänglich wie heute. Entsprechend groß waren der Entwicklungsaufwand und die Entwicklungskosten. Mit den heute verfügbaren Medien lassen sich ähnlich konzipierte Lernumgebungen zu allen möglichen Themen mit vergleichsweise geringem Planungs- und Tutorierungsaufwand – zumindest für fortgeschrittene Lerner – von jeder Lehrkraft erstellen.

Abb. 1.7:

Beispiel für konstruktivistisch verfahrende Sprachprogramme: Berlinersehen

1.4.1Moderater KonstruktivismusKonstruktivismus

Konstruktivistisches Arbeiten setzt eine eigene, relativ starke Arbeitsmotivation und meist auch schon recht gute Fremdsprachenkenntnisse voraus. Lerner können ohne diese Grundausstattung unter Umständen überfordert werden. Sind Lerner zum Beispiel einer sehr reichen LernumgebungreicheLernumgebung ausgesetzt, wie sie fremdsprachige Internetseiten bieten, um selbständig und ohne Hilfen Aufgaben zu bearbeiten, können sie leicht in der Flut der fremden Sprache und KulturKultur untergehen, wenn sie nicht über die nötigen Sprach- und Navigationskenntnisse verfügen. Um dieser Gefahr zu begegnen, hat sich in der Unterrichtspraxis eine Reihe von theoretisch begründeten Mischformen entwickelt, die die Stärken instruktionistischer und konstruktivistischer Verfahren gleichermaßen nutzen. Dieser moderateKonstruktivismusKonstruktivismus wird im Softwarebereich häufig auch als instruktionalesDesignderzweitenGenerationinstruktionales Design der zweiten Generation oder AnchoredInstruction bezeichnet. Seine Verfahren fördern das Lernen in einer komplexen und kontextualisierten LernumgebungLernumgebung, wobei allerdings der Erwerb hierfür wichtiger kognitiver Grundlagen mehr oder minder stark durch Unterrichtsmaßnahmen gefördert werden kann. Aufgaben werden im Unterricht vorbereitet, Hilfsmittel werden erklärt und zur Verfügung gestellt und die Lehrer/LehrerinLehrerin begleitet das Lernen wie eine Trainerin. Die Lerner sind an der Entwicklung des ThemaThemas soweit wie möglich direkt beteiligt, setzen das gemeinsam Erarbeitete um, erproben es selbständig, experimentieren damit und entwickeln es (auch nach individuellen Interessen) selbständig weiter. Der Werkzeugkasten des Medienmoduls (Nr. 3) des DAAD-Projektes d hoch 3 enthält dazu eine Fülle von Instrumenten, Programmen und Vorschlägen für den Einsatz im Unterricht und das eigenständige Lernen.

Beispiel

Als mediale Realisierung bieten sich offene Lehr-/Lernsysteme mit Betreuungsmöglichkeiten durch Lehrkräfte (tutoriellen Komponenten) an, wie beispielsweise das ProgrammProgramm zur Erstellung von Cartoons Xtranormal (www.xtranormal.com). Mit diesem Programm können Schüler/SchülerinSchülerinnen und Schüler eigene Drehbücher in verschiedenen Sprachen schreiben und verfilmen. Es ist als Spiel- und Bildungsprogramm, nicht als Sprachlernprogramm, entwickelt worden. Diese authentische Gebrauchsfunktion ist eine Grundbedingung für sinnvolles und relevantes Sprachhandeln von Lernern. Für das Erlernen der Fremdsprache Englisch eignet es sich besonders gut, weil die Lerner verschiedene Szenen und Charaktere aus vorgegebenen Menüs auswählen und auf eine Reihe von weiteren Hilfen zurückgreifen können. Figurenbeschreibungen, Skriptvorgaben und Dialogteile sind schon vorhanden. Die Lerner können sie übernehmen, ändern oder eigene produzieren. Bestimmte Geräusche, Stimmlagen, Bewegungsanweisungen und der Dialogtext lassen sich dabei maschinell sofort in Ton oder BildBild umsetzen und ausprobieren. Der für den SpracherwerbSpracherwerb so wichtige Bezug zur Umsetzung der Sprache ins HandelnHandeln wird also gleich mitgeliefert (ParallelinformationParallelinformation). Das Programm verfügt auch über deutsche, französische und viele andere Stimmen. Die englischsprachigen Anweisungen müssen für den Unterricht in anderen Sprachen aber unter Umständen in diese Sprachen übertragen werden, sofern die Schülerinnen und Schüler nicht über Englischkenntnisse verfügen oder diese nicht genutzt werden sollen. Die Produktionen können prinzipiell auch nach dem Unterricht weiterbearbeitet, einer Filmkritik und Preisverleihung im Unterricht unterzogen oder im InternetInternet veröffentlicht werden (vergleiche auch die Animationsprogramme text to movie, puppet pals, comic life oder letter quiz für andere Zielgruppen).

1.4.2Aufgaben- und Handlungsorientierung

Die Prinzipien der aufgaben- und handlungsorientierten DidaktikSprach-Sprachdidaktik, die auf konstruktivistischkonstruktivistischen Lernmodellen basieren, lassen sich gut anhand des Lehrwerks Berufsdeutsch illustrieren, das sich an Schüler/SchülerinSchülerinnen und Schüler von Berufsschulen wendet, und zwar bisher besonders in den Ausbildungszweigen Hotel- und Gaststättengewerbe, Einzelhandel und Metallbau. Im Mittelpunkt steht dabei die Vermittlung von sprachlichen und fachlichen KompetenzKompetenzen, die Schülerinnen und Schüler in dem von ihnen gewählten Beruf brauchen, unabhängig davon, ob sie Deutsch als Erst- oder Zweitsprache haben. Damit verfährt das Lehrwerk im Gegensatz zu vielen Modellen der integrative SprachförderungSprachförderung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund nicht segregativ sondern integrativ. Alle Inhalte sind darauf abgestimmt und mit realistischen Aufgaben versehen, die im Berufsleben und in der Ausbildung anfallen können. Zu den Aufgaben gehören unter anderem die Anfertigung eines Bewerbungsportfolios, die kontinuierliche Sammlung von selbst bearbeiteten oder erstellten Tabellen, Diagrammen, Ressourcen und Checklisten für den Beruf und die authentische Kommunikation in Gesprächen, Verhandlungen und Präsentationen mit Kolleginnen und Kollegen, der Geschäftsführung, Zulieferern und Kunden, mündlich und schriftlich. Traditionelle Sprachübungen gibt es dabei kaum mehr, da sie sich berufsnah und für Lerner interessanter im Rahmen realistischer Aufgaben durchführen lassen (siehe hierzu Abb. 6.4).

Eine grundlegende Darstellung konstruktivistischer Lernverfahren findet sich in Wendt 1996 und 2002, eine EinführungEinführung in die Handlungsdidaktik mit einer Kritik gängiger Inputverfahren und den Ergebnissen einer explorativen Studie einer Kinder-Akademie liegt in Roche/Reher/Simić 2012 vor, weitere Ausführungen zur aufgaben- und handlungsorientierten DidaktikSprach-Sprachdidaktik mit Hinweisen für die Umsetzung im Unterricht finden sich in Hölscher/Piepho/Roche (2006), Bach/Timm (2013), Roche/Terrasi-Haufe (2017b), Roche 2017, Roche 2019, Roche/Uth (2019), Roche (2023), Hölscher/Piepho (2003-2006), Hölscher/Piepho/Kreuzer (2003a, 2003b, 2004, 2005), Hölscher (2006, 2010), Hölscher/Roche (2006), später auch fachübergreifend (zum Beispiel Mathematik), zur Integration in den Regelunterricht und weiteren Vorbereitungsmaßnahmen in Roche/Terrasi-Haufe (2016a, 2016b, 2016c, 2017a, 2018, 2022a, 2022b). Zum Einsatz in der berufsqualifizierendenberufsqualifizierende Sprache Sprachvermittlung finden sich auf den Seiten der Hessischen Agentur für Berufsqualifizierende Sprache (HABS e. V.; www.habs-hessen.de) weitere Hinweise und Anschauungsmaterial, zur Umsetzung in berufssprachlichen Prüfungssituationen siehe auch den Film und weitere Informationen auf www.famed-test.de.

1.5Kommunikative DidaktikDidaktik und alternative alternative MethodenMethoden

Als wichtigster methodischer Ansatz der Periode von 1970 bis 2000 gilt die kommunikative DidaktikSprach-Sprachdidaktik. Sie schließt an die Ziele der ReformbewegungReformbewegung des 19. Jahrhunderts an (siehe Kapitel 1.2). Konzipiert wurde sie im Kontext allgemeiner gesellschaftlicher Reformen als ein soziologisch begründetes Modell des Sprachenlernens, das entsprechend von einem sozio- und soziolinguistischpragmalinguistischen Sprachenkonzept untermauert wurde. Es ging dabei in erster Linie darum, die Demokratisierung gesellschaftlicher Strukturen durch eine stärkere Ausrichtung auf den Lerner auch im Unterricht um- und fortzusetzen. Dies geschah wesentlich in Anlehnung an den soziologischen Begriff der kommunikativenKompetenzKompetenzkommunikative (Habermas 1981). In der Soziologie steht dieser Begriff für die Befähigung der Bürgerinnen und Bürger einer Gesellschaft, eigenverantwortlich die politischen und wirtschaftlichen Entscheidungsprozesse ihrer Gesellschaft mitzubestimmen. Dazu bedarf es eines gleichberechtigten Zugangs zu den gesellschaftlichen Ressourcen, wie zum Beispiel Bildung, sowie transparenter und durchlässiger Entscheidungsprozesse und Machtstrukturen. Auf den Sprachunterricht übertragen bedeutete dieses Modell die Abschaffung oder zumindest Verringerung elitärer Strukturen, wie sie in verschiedener Form bis zu dieser Zeit üblich waren: Der Lerner wird nicht mehr als ‚leerer Behälter‘ behandelt, der von oben befüllt oder konditioniert werden muss und im Wesentlichen nur reagiert. Er ist eigenständig und mündig und kann seine Bedürfnisse selbst artikulieren und steuern. Die Lehrkraft ist folglich auch nicht die Allwissende, die sämtliche Prozesse zu steuern hat, also vorschreibt, was, wie und in welcher Zeit zu lernen und was richtig und falsch ist. Auch das Lehrbuch verliert seinen elitären Charakter. Es ist nicht mehr die einzige und nicht in jeder Hinsicht Norm gebende Quelle des Lehrmaterials. Es bietet vielmehr eine sprachliche Auswahl, die sich vor allem am Lebensalltag der Menschen und nicht an der abgehobenen Sprache (meist nämlich der schriftsprachlichen literarischen) einer höheren Bildungsschicht orientiert. Im kommunikativen Ansatz strebt der Lerner den sprachlichen, vorwiegend den alltagssprachlichen Stand eines „Muttersprachlers“ an. Er soll auch handeln wie ein solcher. Er erwirbt die kommunikative KompetenzKompetenz eines „Muttersprachlers“.

Dieses Hauptziel der muttersprachlichen KompetenzmuttersprachlicheKompetenz unterscheidet sich bei genauerem Hinsehen aber interessanterweise kaum von den früheren Unterrichtsansätzen, lediglich die Art und Weise, wie es erreicht werden soll, und welche sprachlichen VarietätenVarietäten vermittelt werden, sind anders. Und so wurden im Laufe der Entwicklung des Ansatzes die theoretischen Annahmen und Ziele zunehmend durch die direkten Anforderungen der SprachpraxisSprachpraxis und die eigenen LerntraditionLerntraditionen der Lehrer/LehrerinLehrerinnen und Lehrer überschrieben. Als Folge davon erscheint der kommunikative Sprachunterricht, also die Praxis, nicht der theoretische Ansatz, heute als ein variantenreiches, oft diffuses KonzeptKonzept, das fast alles bezeichnen kann, was sich im Unterricht abspielt, ob es in eine kommunikative Systematik passt oder von beliebigen nichtkommunikativen Vorstellungen der Praktiker bestimmt wird. Für manche bedeutet KommunikativitätKommunikativität schlichtweg mündlicheKommunikationKommunikationmündliche (inklusive des Vorlesens oder Diktierens von Dialogen), für andere AlltagsspracheAlltagssprache und für wieder andere sprachlichesundnichtsprachlichesHandelnHandelnnicht sprachliches.

Waren die Entwicklung des kommunikativen Ansatzes in der Anfangszeit, wie auch die Umwälzungen in den Gesellschaften allgemein, zum großen Teil einfach eine Bewegung gegen bestehende Prinzipien, so ergab sich daraus im Laufe der Zeit ein auf eigenen Prinzipien aufbauender und an theoretische KonzeptKonzepte angelehnter Ansatz, der schließlich verschiedene Elemente älterer MethodeMethoden in neuer Kombination zusammenbrachte. So kam es neben der Anlehnung an das soziologische Konzept der kommunikativen Kompetenz zu einer stärkeren Gewichtung hermeneutischer Aspekte beim Lesen und später auch beim SchreibenSchreiben, nun aber im Rahmen eines Konzeptes von Literatur, das vom Leser als deren Mittelpunkt ausgeht. Nach diesem Ansatz liegt der literarische Text nur bedingt als fertiges Produkt eines Autors vor. Der Text entsteht erst im Prozess des Lesens durch den Leser, den Rezipienten (rezeptionsästhetischerAnsatz/Reader-ResponseCriticism). So bringt der kommunikative Fremdsprachenunterricht jenseits der diffusen Praxis eine Reihe von theoretisch begründeten Ansätzen zusammen, die wesentliche Gemeinsamkeiten haben: den Prozess- und Handlungscharakter von Kommunikation und die konstruktive Rolle der Kommunikationspartner für das Entstehen von Kommunikation. Lerntheoretisch ergänzt wird dieses Grundkonzept in neuerer Zeit durch eine Abwendung von instruktionistischen Inputverfahren und eine Ausrichtung auf eine Kompetenzorientierung des Lerners Outputorientierung(Outputorientierung). In diesem Sinne ist das Konzept der kommunikativen DidaktikkommunikativeDidaktik ein konstruktivistisches Modell. Für den Literaturunterricht wird es in neuerer Zeit in der (Literatur-)Didaktik des Dialogs gezielt umgesetzt (Roche/Schiewer 2018, siehe auch Kapitel 7.4.5 zur Dialogdidaktik; siehe auch Fix 2007, Fäcke 2006).

In jedem beliebigen Arbeitsgebiet, das wenig klare Konturen aufweist und in dem keine verbindlichen Ausbildungsnormen herrschen, können einzelne Aspekte zur Grundlage eines neuen Arbeits- oder Lehrkonzeptes gemacht werden. Das scheint besonders attraktiv, wenn die bestehenden Methoden nicht die erwarteten Ergebnisse erbringen. Zur treibenden Kraft werden dann die eigenen Erfahrungen, Beobachtungen oder Vermutungen. So etwa lässt sich auch die Entstehung zahlreicher alternative Methodenalternativer MethodeMethoden im Anschluss an die PhasePhase behavioristischbehavioristischer MethodikMethodik beschreiben, die zwar hohe Erwartungen weckten, diese aber in keiner Hinsicht erfüllen konnten. Alternativ sind die Methoden daher auch nur in dem Sinne, dass sie andere Schwerpunkte setzen, als die bereits bestehenden Methoden. Gemeinsam ist ihnen, dass auch sie einzelne psychische oder pädagogische Aspekte isolieren, wie es etwa die Values-Clarification and Problem-Posing Approaches durch Einstellung auf die Werte und Ziele der Lerner oder das Counceling-Learning Community Language Learning durch Berücksichtigung der psychischen und sozialen Verfasstheit der Lerner tun. Die SuggestopädieSuggestopädie postuliert im Wesentlichen eine Umgehung der Kognition und betont − ebenfalls ohne wissenschaftlich belastbare Basis − den Vorteil der Suggestion für die Steigerung von Aufnahmefähigkeit und Behaltensleistung. Sie baut darauf ihr gesamtes Lehrkonzept auf und nennt es aus Marketinggründen SuperlearningSuperlearning. In tranceartige Zustände versetzt, sollen die Lerner Sprachen geradezu unbewusst aufsaugen. Auch die zahlreichen Methoden, die im Gegensatz zur Suggestopädie ohnehin nur lokale oder regionale Anwendung (primär in USA) gefunden haben, weisen einen ähnlichen Mangel an wissenschaftlicher Belastbarkeit auf. Bei der Total Physical ResponseTotal Physical Response beispielsweise führen die Lernerinnen sprachliche Anweisungen und Beschreibungen unmittelbar als Handlungen aus. Wenn die Lehrer/LehrerinLehrerin sagt asseyez-vous sagt, setzen sich zwar die Schülerinnen und Schüler im Erfolgsfalle, aber der Anwendungsbereich dieser Methode ist insgesamt sehr beschränkt, weil alltägliche Aktivitäten wie das Aufstehen und Setzen im Unterricht natürliche Grenzen haben. Auch die weiteren alternativen Methoden aus dem Zeitraum 1965−1985 lassen sich in stärker verstehens- und stärker produktionsorientierte aufteilen und nur als Gegenbewegung zu den strikten form- und drillorientierten Methoden der Zeit erklären. Außer der Total Physical Response Methode stellen auch die folgenden Methoden das VerstehenVerstehen in den Vordergrund: Delayed Oral ResponseDelayed Oral Response, DrawthePictureDraw the Picture, OptimalHabitReinforcementOptimal Habit Reinforcement, TheNaturalApproachNatural Approach und die Diglot-WeaveInputMethodDiglott-Weave Method. Der Natural Approach hat dabei die weiteste Verbreitung in Lehrmaterialien gefunden. Diesem Ansatz liegt die Annahme zu Grunde, die Lerner könnten auch ohne Fehler-korrekturFehlerkorrekturen durch entsprechende Inputsteuerung korrekt eine Fremdsprache erlernen. Die Diglot-Weave Input MethodeDiglot-Weave Input Methode baut teilweise auf sprachlichen Gemeinsamkeiten von Erst- und Fremdsprache auf und versucht gleichzeitig, eine pragmatischpragmatische Nutzung der L1 bei der Vermittlung der Fremd- oder Zweitsprache (L2) − im Gegensatz zu den lange Zeit propagierten einsprachigen MethodeMethoden − zu verfolgen. Zu den produktionsorientierten alternativen Methoden gehören unter anderem die SilentWayMethodeSilent Way Methode, bei der die Lehrkraft mit möglichst wenig eigenem sprachlichen Input die Schülerinnen und Schüler zum Sprechen und Ausprobieren von Sprache animiert und das ShelteredInitiationLanguageLearningSheltered Initiation Language Learning, in dem die Schülerinnen die Möglichkeit haben, von Anfang des Unterrichts an eigene Ausdrucksformen bis hin zu kleinen Erzählungen zu entwickeln, ohne ständig korrigiert oder auf Korrektheit gedrillt zu werden. Das OutreachLearningOutreach Learning wird mit dem Verfahren immersiven Lernens realisiert, wie der Nutzung vorhandener fremdsprachiger Ressourcen und der Bewältigung von Aufgaben in der LernumgebungLernumgebung.

Trotz einzelner beachtenswerter (aber eher aktionistischer) Elemente, die ohne Zweifel Vorteile für das Sprachenlernen besitzen können, hat keine der genannten Methoden belegt, dass sie eine ernsthafte Basis für eine systematische, theoretisch fundierte DidaktikSprach-Sprachdidaktik bilden könnte.

1.6Kernelemente einer Fremdsprachendidaktik

Theoretische Lehr- und Lernansätze funktionieren in der Praxis in den seltensten Fällen in absoluter Reinkultur, weil die Rahmenbedingungen variieren können. Daher können verschiedene Verfahren je nach den Umständen auch zu gleich guten oder gleich schlechten Ergebnissen führen. In der praktischen Welt des Sprachenunterrichts führen solche Erfahrungen sehr häufig zu einem MethodenmixMethodenmixMethodenmix, bei dem die verschiedenen MethodeMethoden relativ willkürlich kombiniert und ausprobiert werden. Diese jeweils unterschiedlich dosierte Mischung von Methoden beschreibt wahrscheinlich am besten den verbreiteten Zustand des Fremdsprachenunterrichts. Eine kohärente Gesamtsystematik für diesen besonders idealisierten Fremdsprachenunterricht ist bisher trotz vieler gut ausgearbeiteter Einzelansätze nicht erkennbar. Im Kontext der Entwicklung von europäischen Lern- und Lehrstandardseuropäische Standards und Verfahren der Qualitätsentwicklung und des QualitätsmanagementQualitätsmanagements steht die Fremdsprachendidaktik aber heute vor der Herausforderung, eine kohärente und komplexe Gesamtsystematik entwickeln zu müssen. Dabei sind unter anderem folgende Aspekte zu berücksichtigen: LerntheorieLerntheorien, Lerner-variablenLernervariablen, LernuniversalienLernuniversalien, kognitivkognitive Prinzipien des Prinzipien des SpracherwerbsSprachenerwerbs, strukturelle und pragmatischpragmatische Aspekte der Systematik, Variation und Entwicklung von Sprachen, individuelle FaktorenFaktoren Lehrzielder Lehr- und LernzielLernziele, Kompetenzniveaus und Qualitäts- und Bildungsstandards.

Mit den LernervariablenLerner-variablen befasst sich eingehend Kapitel 3 dieses Buches. Die Prozesse der Informationsverarbeitung und Sprachenerwerbdes Sprachen- und Wissenserwerbs steuern die Lernuniversalien.Lernuniversalien Sie sind Gegenstand von Kapitel 4. Beide Faktorenkomplexe zusammen stellen den Ausgangspunkt und die Grundlage des gesamten Lernkontextes eines Lerners dar.

Der Erwerb von SprachenSpracherwerb ist durch innere Gesetzmäßigkeiten gesteuert. Die Grundlagen dieser Steuerung durch Sprachenerwerbsstrategien und -techniken werden in Kapitel 5 genauer vorgestellt und an Originalaufnahmen von Lernern illustriert. Da die Entwicklung des Sprachenerwerbs immer im Wechselspiel mit der sprachlichen Umgebung verläuft, wird hier auch erklärt, wie vielfältig die EingabeEingabe im Sprachenerwerb ist und wie das Wechselspiel zwischen Lernersprache und SprachumgebungSprachenumgebung abläuft. Der Erwerb von Sprachen wird jedoch immer weniger als von außen gesteuerter – oder steuerbarer – Prozess (Instruktion) verstanden. Entscheidend ist, was der Lerner mit all dem Input machen kann und macht. Daher beschäftigt sich die moderne Sprachenerwerbsforschung schon lange (und die Sprachdidaktik etwas verlangsamt) mit den kognitiven Prozessen des Lernens und Lehrens und mit den kognitiven Aspekten von sprachlichen Systemen. Kapitel 5.5 und 2.8 erklären den Weg von der Kognitiven Linguistik zur Kognitiven Sprachdidaktik.

Im Unterricht stellt sich die Frage, wie die EingabeEingabe am besten zu strukturieren und zu dosieren ist. Die Grundlagen verschiedener Inputmodelle werden daher in den folgenden Kapiteln ausführlich dargestellt. Dabei spielen die Beschreibung der relevanten Perspektiven auf Sprache und die Darstellung der Grammatik eine zentrale Rolle (Kapitel 2). Mit der Umsetzung der Ergebnisse der Grundlagenforschung in Lehrplänen, Bildungsstandards, Instrumenten des QualitätsmanagementsQualitätsmanagement, Lehrmaterialien und dem Unterricht befasst sich Kapitel 6. Hier wird besonders auf handlungs- und aufgabenbezogene KonzeptKonzepte des Fremdsprachenunterrichts eingegangen. Wie Sprache am besten in die fremde KonzeptweltKonzeptwelt der Lerner zu vermitteln ist, wird im Kapitel InterkulturelleSprachdidaktikDidaktikSprach- (Kapitel 7) dargestellt. Mit ihrer Ausrichtung auf Fremdheit und im Kontext der Handlungsorientierung und der Fokussierung auf kognitive Prozesse des Lernens kann diese auch als grundlegendes GesamtkonzeptGesamtkonzept einer modernen Sprachdidaktik verstanden werden.

1.7Übungsaufgaben zur Wissenskontrolle

Versuchen Sie, Ihren eigenen Fremdsprachenunterricht oder -erwerb mit Hilfe der hier genannten Merkmale zu charakterisieren. Wo erkennen Sie klare Elemente eines bestimmten Ansatzes, wo vielleicht mögliche Mischformen?

Welche Verfahren, Aufgaben, Ereignisse und Medien sind Ihnen aus dem Fremdsprachenunterricht und -erwerb in besonders guter Erinnerung? Was hat besonders gut funktioniert, was besonders schlecht? An welche sprachlichen Strukturen erinnern Sie sich zum Beispiel noch sehr gut? Notieren Sie sich bitte ein paar Stichpunkte für später.

Was sind die Merkmale und Auswirkungen der Inputorientierung gängiger Unterrichtsmethoden?

Welche vier wichtigen lerntheoretischen Richtungen lassen sich unterscheiden?

Was sind ihre wichtigsten Unterscheidungsmerkmale?

Was sind die Grundlagen des handlungsorientierten Ansatzes der Sprachvermittlung und welche Auswirkungen haben sie auf den Unterricht?

Was wissen Sie bereits über die genannten Arbeitsbereiche der Fremdsprachendidaktik, welche Fragen haben Sie dazu? Wie könnten sich Erkenntnisse zu den Bereichen auf den Unterricht auswirken?

1.8Weiterführende Literatur

Bach, Gerhard/Timm, Johannes-Peter (Hg.) (2013). Englischunterricht. Grundlagen und Methoden einer handlungsorientierten Unterrichtspraxis. Tübingen: Francke.

Ellis, Nick C. (Hg.) (1994). Implicit and explicit learning of languages. London, San ­Diego: Academic Press.

Habermas, Jürgen (1981). Theorie des kommunikativen Handelns. Frankfurt/M.: Suhrkamp.

Hölscher, Petra (2006). Unser kleiner Wörterladen. Sprachlernspiel für Kinder im Vorschulalter. Oberursel: Finken.

Hölscher, Petra (2010). Lesen als Erlebnis – Textszenarien. Kinder entdecken Literatur auf neuen Wegen (ab 3. Schuljahr). Oberursel: Finken.

Hölscher, Petra/Piepho, Hans-Eberhard (Hg., 2003–2006). DaZ Lernen aus dem Koffer. Lernszenarien für Deutsch als Zweitsprache Schulen. 3 Koffer für die Grundschule, 3 Koffer für die weiterführenden Schulen. Oberursel: Finken.

Hölscher, Petra/Roche, Jörg (2006). Lernszenarien. Die neue Philosophie des Sprachenlernens. DVD mit Begleitbuch. Oberursel: Finken.

Hölscher, Petra/Piepho, Hans-Eberhard/Kreuzer, Wolfgang (2003a). Mein Sprach-Tagebuch. Oberursel: Finken Verlag.

Hölscher, Petra/Piepho, Hans-Eberhard/Kreuzer, Wolfgang (2003b). Lernszenarien. Ein neuer Weg, der Lust auf Schule macht. Teil 1: Deutsch lernen vor Schulbeginn. Oberursel: Finken Verlag.

Hölscher, Petra/Piepho, Hans-Eberhard/Kreuzer, Wolfgang (2004). Lernszenarien. Ein neuer Weg, der Lust auf Schule macht. Teil 2: Sprachhandeln in den Klassen 1 bis 4. Interkulturell – integrativ – interaktiv. Oberursel: Finken Verlag.

Hölscher, Petra/Piepho, Hans-Eberhard/Kreuzer, Wolfgang (2005). Lernszenarien. Ein neuer Weg, der Lust auf Schule macht. Teil 3: Sprachhandeln in den Klassen 5 bis 9. Interkulturell – integrativ – interaktiv. Oberursel: Finken Verlag.

Hölscher, Petra/Piepho, Hans-Eberhard/Roche, Jörg (2006). Handlungsorientierter Unterricht mit Lernszenarien. Kernfragen zum Spracherwerb. Oberursel: Finken.

Hölscher, Petra/Roche, Jörg (2006). Lernszenarien – Die neue Philosophie des Sprachenlernens. Oberursel: Finken Verlag.

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Roche, Jörg/Terrasi-Haufe, Elisabetta (Hg.) (2016a). 33 Methoden DaZ im Sachunterricht. Fundiert, praktisch, kompakt. Augsburg: Auer.

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Roche, Jörg/Terrasi-Haufe, Elisabetta (Hg.) (2016c). DaZ-Schüler im Regelunterricht fördern Kl. 3+4. Hintergrundwissen, Kopiervorlagen und Praxistipps zu den häufigsten Knackpunkten. Augsburg: Auer.

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Roche, Jörg/Terrasi-Haufe, Elisabetta (Hg.) (2022a). DaZ-Schüler im Regelunterricht fördern Kl. 1+2. Hintergrundwissen, Kopiervorlagen und Praxistipps zu den häufigsten Knackpunkten. 2. Aufl. Augsburg: Auer.

Roche, Jörg/Terrasi-Haufe, Elisabetta (Hg.) (2022b). DaZ fachfremd unterrichten 1.-4. Klasse. Basiswissen, Unterrichtsstunden und Praxismaterial für Vorbereitungsklassen und Förderstunden. 3. Aufl. Augsburg: Auer.

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2Sprache

Gegenstand dieses Kapitels sind die verschiedenen Möglichkeiten, Sprache als Zeichensystem zu beschreiben. Dies kann nach formalen Aspekten der Satzstellung, Wortbildung und Lautung, nach inhaltlichen Aspekten oder nach kognitiven und funktionalen Kriterien geschehen. Daraus ergeben sich beschreibende und normative Grammatiken, Referenzgrammatiken, systematische und wissenschaftliche Grammatiken, funktionale, generative und kontrastive Grammatiken, Valenzgrammatiken, Text- und Diskursgrammatiken. Diese Grammatiken eignen sich unterschiedlich für Lehr- und Lernzwecke. Mit dem Ansatz der didaktischen Grammatik wird versucht, auf Basis kognitionslinguistischer Erkenntnisse und der Sprachenerwerbsforschung funktionale Grammatikbeschreibungen zu entwickeln, die für unterschiedliche Lernzwecke angewendet werden können, sich am Lernstand und den Lernbedingungen des Lerners ausrichten und damit den Hilfscharakter der Grammatik im Sprachenerwerb betonen. In diesem Kapitel werden die unterschiedlichen Grammatikarten an Beispielen illustriert, ebenso die unterschiedlichen Wörterbucharten, die einem Lerner beim Sprachenerwerb als Referenzmaterialien zur Verfügung stehen. Schließlich wird auch auf die Art und Bedeutung sprachlicher Variation eingegangen, deren Potenziale in Lehrwerken aus Gründen der Vereinfachung oft ungenutzt bleiben. Das Spektrum der Variation erstreckt sich von allgemeinsprachlichen über dialektale, soziolektale bis zu fach- und wissenschaftssprachlichen Varietäten, die jeweils anderen Normen unterliegen.

Sprache ist der Hauptgegenstand des Sprachenunterrichts, aber ihre Nutzerinnen und Nutzer scheinen immer weniger für ihre Ausdrucksmöglichkeiten, ihr Differenzierungspotenzial, ihre Wirkung und ihre Strukturen sensibilisiert zu sein. Der Einfluss der MedienMedien, vor allem die Dominanz der BildBilder und die Schnelllebigkeit der Kommunikation bewirken, dass die Bewusstheit für Sprache, vor allem die adäquate Anwendung schriftsprachlicher Normen, in der Gesellschaft allgemein schwindet. Auch vielen Schüler/SchülerinSchülerinnen oder Schülern ist so etwa kaum bewusst, dass – und wie – Zeitungssprache sich von SMS oder direkter mündlicher Kommunikation unterscheidet. Mögliche Unterschiede zwischen Registern zu benennen oder die Grammatik der eigenen Sprache zu erklären, fällt ohnehin vielen schwer. Blogs und Forumseinträge auf Webseiten zeigen in dieser Hinsicht ein ernüchterndes Bild. Deshalb sollen in diesem Kapitel die Beschreibung und Funktionen von Sprache und daraus ableitbare Empfehlungen für den Fremdsprachenunterricht behandelt werden.

Sollte bei der Vermittlung der Fremdsprache primär die kulturhistorisch relevante Literatur Orientierung geben, sollte die Alltagskommunikation als Vorbild dienen, weil sie sich um Praktikabilität und große Reichweite bemüht, oder gilt im Sprachunterricht das Primat der korrekten Grammatik, wie sie in Regelwerken beschrieben wird? Welche VarietätenVarietät einer Sprache ist die maßgebende? Ist es im Englischen etwa die des Hofes, die aus Cambridge oder Oxford, die der Aussies oder der kanadischen Newfies? Welche TextsorteTextsorten setzen die Normen: die schriftlichen der Zeitungssprache, die mündlichen der BühnenspracheBühnensprache, die der Umgangssprache? Wie steht es mit den situativen Aspekten des Sprachengebrauchs, welche Rolle spielen dialektale, regionale und soziolektale VariantenVarianten, wie lassen sich die Mehrsprachigkeitnatürliche MehrsprachigkeitMehrsprachigkeit des Menschen und die Veränderbarkeit von Sprachen in Erwerb und Unterricht nutzen?

Sprache im Unterricht Aus didaktischdidaktischen Gründen beschränken Lehrkräfte sich im Unterricht nicht selten auf die eine oder andere Sprachvarietät, auf bestimmte Erklärungsverfahren und auf weitere Vereinfachungen, ohne diese später wieder in den Gesamtzusammenhang zurückzuführen. Direkte Kontrastverfahren sprachlicher Strukturen ersetzen so zum Beispiel ein tieferes Verständnis vom Aufbau, vom Funktionieren und von den EntwicklungsprozessEntwicklungsprozessen der Sprachen. Meist bleibt hierfür keine Zeit. Sprache kommt im Sprachunterricht paradoxerweise oft zu kurz.

Dabei sind Sprachen lebendige, dynamische Systeme, die sich − auch im Unterricht − nur schwer einengen lassen. Die kreativen Kräfte von Sprachen und ihren Nutzern sind so gewaltig, dass schon so mancher machtvolle Zensurapparat daran gescheitert ist, wie das folgende Gedicht von Bertolt Brecht zeigt.

Beispiel

DIE UNBESIEGLICHE INSCHRIFT

 

Bertolt Brecht, Die unbesiegliche Inschrift, 1973

Zur Zeit des Weltkriegs

In einer Zelle des italienischen Gefängnisses San Carlo

Voll von verhafteten Soldaten, Betrunkenen und Dieben

Kratzte ein sozialistischer Soldat mit Kopierstift in die Wand:

HOCH LENIN!

Ganz oben, in der haldbdunklen Zelle, kaum sichtbar aber

Mit ungeheuren Buchstaben geschrieben.

Als die Wärter es sahen, schickten sie einen Maler mit einem Eimer Kalk.

Und mit einem langstieligen Pinsel übermalte er die drohende Inschrift.

Da er aber mit seinem Kalk nur die Schriftzüge nachfuhr

Stand oben in der Zelle nun in Kalk:

HOCH LENIN!

Erst ein zweiter Maler überstrich das Ganze mit breitem Pinsel

So dass es für Stunden weg war aber gegen Morgen

Als der Kalk trocknete, trat darunter die Inschrift wieder hervor:

HOCH LENIN!

Da schickten die Wärter einen Maurer mit einem Messer gegen die Inschrift vor.

Und er kratzte Buchstabe für Buchstabe aus, eine Stunde lang. Und als er fertig war, stand oben in der Zelle jetzt farblos

Aber tief in die Zelle geritzt, die unbesiegliche Inschrift:

HOCH LENIN!

Jetzt entfernt die Mauer! sagte der Soldat.

Wieso sich also im Sprachunterricht der freiwilligen Selbstkontrolle unterwerfen?

Die SprachenvielfaltSprachenvielfalt auf der Erde ist ein eindrucksvolles Zeichen der KreativitätKreativität von Sprache und von ihren Sprechern: es gibt über 4.000 größere SprachengruppenSprachengruppe auf der Welt, mit hunderten und tausenden von verwandten Sprachen und DialektDialekten, die gemeinsame Wurzeln haben. Die größten Gruppen bilden die sinotibetischen, niger-kongo-, afroasiatischen, austronesischen und indoeuropäischen Sprachen, zu denen Deutsch und andere germanische Sprachen gehören (siehe Abb. 2.1).

Was in Bezug auf die Verwandtschaft der Sprachen sprachenübergreifend (interlingual)interlingual gilt, gilt in ähnlichem Umfang auch sprachintern (intralingualintralingual). Man denke nur an die verschiedenen regionalen VariantenregionaleVarietäten (DialektDialekte), die verschiedenen Jargons und Register (zum Beispiel die Jugendsprache und FachspracheFachsprachen), Neuschöpfungen (wie die Kanak-Sprak oder fraudeutsch) oder StilStile (zum Beispiel in der Journalistensprache), TextsorteTextsorten (zum Beispiel Brief, Zeitungsartikel, Theaterprogramm, Vortrag) und so weiter. Wie aber kann entschieden werden, welche VariantenVarianten im Sprachunterricht vorrangig zu behandeln sind? Lassen sich vielleicht sogar bestimmte Sprachformen für bestimmte Lernzwecke besser verwenden als andere? Diesen Fragen soll im Folgenden nachgegangen werden.

Abb. 2.1:

Metaphorische Darstellung der Verwandtschaft der indoeuropäischen Sprachenfamilie im „Sprachbaum“

2.1SprachbeschreibungSprachbeschreibung und SprachnormenSprachnormen

Sprache als Zeichensystem Die Sprache ist ein ZeichensystemZeichensystem, das es uns erlaubt, die Welt zu benennen, zu kommentieren, zu begreifen und zu reflektieren und zu schaffen und damit auch nichtsprachliche (auch abstrakte) Vorgänge zu vermitteln. Das geht nur erfolgreich, wenn die Beteiligten auf die gleichen Grundlagen zurückgreifen, also das gleiche System mehr oder weniger vollständig und überlappend beherrschen. Mit Sprache setzen Sprecher das, was ihnen wichtig erscheint, in Zeichen um, die für solche Zwecke schon vorhanden sind. Wo dies nicht möglich ist, schaffen sich Sprecher mit der Sprache neue Möglichkeiten. Sie nutzen das vorhandene Inventar und parallele Zeichensysteme, wie GestikGestik, MimikMimik, bildliche SymbolSymbole, Zeichnungen und Icons. Dabei gehen sie nach ökonomischen Gesichtspunkten vor, das heißt, dass sie gar nicht alles immer ausdrücklich benennen müssen. Wo nach Einschätzung der Sprecher klar ist, was gemeint ist, können sie ganz auf Wörter verzichten. So gelingt Kommunikation häufig auch da, wo sie unvollständig und unpräzise ist, und sie misslingt oft gerade da, wo übergenau definiert und spezifiziert werden muss, wie zum Beispiel bei vertraglichen Vereinbarungen oder gesetzlichen Regelungen, die eigentlich nicht zu Auslegungen oder Rechtsstreitigkeiten führen sollten. Die Bezeichnungen, die Sprecher (und Sprachen) für das jeweilige Bezeichnete entwickeln, sind subjektiv gewählt. Sie unterscheiden sich von Sprache zu Sprache. Sie sind insofern arbiträr, als zwischen sprachlichen Symbolen und den Gegenständen und Ereignissen nur selten unmittelbare formale Abbildungsbeziehungen arbiträrbestehen. In Bezug auf die Bedeutung sind die Beziehungen zwischen Symbol (Bezeichnendem) und Bezeichnetem nicht zufällig oder willkürlich. Auch die formalen Aspekte der Sprache tragen demnach Bedeutung.

Thematik, Ausführlichkeit, Genauigkeit, Perspektive und Schärfe des sprachlichen Ausdrucks richten sich in jeder Sprache grundsätzlich nach dem Interesse des Sprechers und den bekannten oder vermuteten Verstehensmöglichkeiten des Zuhörers. Das gilt also nicht nur über Sprachengrenzen hinweg, sondern auch bei der Wahl eines Registers oder einer VarietätenVarietät in der gleichen Sprache. Danach entscheidet sich auch, welche Wörter für einen bestimmten Gedanken ausgewählt werden und welche grammatischen und stilistischen Strukturen dafür am ehesten in Frage kommen. Das illustrieren die folgenden Beispiele, in denen die Perspektiven, die Genauigkeit und die Ausführlichkeit der Antworten inhaltlich und sprachlich variieren. Verstehens-möglichkeitenDas Grundthema, die Antwort auf die gleiche (weltbewegende) Frage, ist aber in allen Versionen das gleiche.

Beispiel: Sprachvariation Sprachvariation

Warum überquerte das Huhn die Straße?

 

Kindergärtnerin:

Um auf die andere Straßenseite zu kommen.

 

Aristoteles:

Es ist die Natur von Hühnern, Straßen zu überqueren.

 

Karl Marx:

Es war historisch unvermeidbar.

 

Sigmund Freud:

Die Tatsache, dass Sie sich überhaupt mit der Frage beschäftigen, dass das Huhn die Straße überquerte, offenbart Ihre unterschwellige sexuelle Unsicherheit.

 

Albert Einstein:

Ob das Huhn die Straße überquerte oder die Straße sich unter dem Huhn bewegte, hängt von der Relativität des Referenzrahmens ab.

 

Captain James T. Kirk, Raumschiff Enterprise:

To boldly go where no chicken has gone before.

 

Kanak-Sprak:

Ej. Däs war krass, Alder.

 

Wirtschaftsberatungsagentur:

Deregulierung auf der Straßenseite, wo sich das Huhn befand, bedrohte seine dominante Marktposition. Das Huhn sah sich der signifikanten Herausforderung gegenüber, die KompetenzKompetenzen zu entwickeln, die erforderlich sind, um in den neuen Wettbewerbsmärkten bestehen zu können. In einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit dem Klienten hat die Agentur dem Huhn geholfen, seine physische Distributionsstrategie und Umsetzungsprozesse zu überdenken. Unter der Verwendung des Geflügel-Integrationsmodells (GIM) hat die Agentur das Huhn befähigt, seine Fähigkeiten, Methodologien, WissenWissen, Kapital und Erfahrung einzusetzen, um die Mitarbeiter, Prozesse und Technologien des Huhns für die Unterstützung seiner Gesamtstrategie innerhalb des Programm-Management-Rahmens auszurichten. Die Besprechungen fanden in einer parkähnlichen Umgebung statt, um eine wirkungsvolle Testatmosphäre zu schaffen, die auf Strategien basiert, auf die Industrie fokussiert ist und auf eine konsistente, klare und einzigartige Marktaussage hinausläuft. Die Agentur hat dem Huhn geholfen, sich zu verändern, um erfolgreicher zu werden.

Trotz gleicher Frage ist die sprachliche Realisierung der Antworten jeweils gänzlich anders: Bemerkenswert ist, dass Captain Kirk auf seinen vielen Auslandsreisen bisher weder Deutsch noch eine andere Sprache gelernt hat. Vermutlich wären ihm dadurch einige Probleme erspart geblieben. Auch die Direktheit der Antworten, ihre Ausführlichkeit (Explizitheit), die Wahl von eingebetteten Strukturen (Attribute, Nebensätze) und die gewählten Aspekte unterscheiden sich in bemerkenswerter Weise.

In systemischer Hinsicht beeinflussen folgende FaktorenFaktoren SprachvariationSprachvariation und SprachwandelSprachwandel:

Einflussfaktoren sprachlicher Variation