Frieda und das Glück der kleinen Dinge - Andrea Behnke - E-Book

Frieda und das Glück der kleinen Dinge E-Book

Andrea Behnke

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Beschreibung

Lena-Frieda fährt Skateboard und will Biologin werden, um Fruchtfliegen zu erforschen. Doch seit ihre beste Freundin Nele weggezogen ist, geht sie gar nicht mehr gerne zur Schule: Dort lauern die Oberzicken mit ihren blöden Sprüchen, die Lena-Frieda ärgern, weil sie lieber wie eine Forscherin auf Expedition aussieht, als enge Stretch-Jeans anzuziehen. Nur Lukas scheint ganz nett zu sein. Aber kann ein Junge die beste Freundin ersetzen? Zum Glück ist da noch Oma mit ihrem Dachboden voller Schätze und spannender Erinnerungen. Eine warmherzige, behutsame Freundschaftsgeschichte, die Mut macht, den eigenen Weg zu gehen und offen und aufmerksam zu sein für das Glück, das in vielen kleinen Dingen steckt.

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Seitenzahl: 107

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Originalcopyright © 2018 Südpol Verlag, Grevenbroich

Autorin: Andrea Behnke

Illustrationen: Corinna Böckmann

E-Book Umsetzung: Leon H. Böckmann, Bergheim

ISBN: 978-3-943086-88-1

Alle Rechte vorbehalten.

Unbefugte Nutzung, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung,

können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.

Mehr vom Südpol Verlag auf:

www.suedpol-verlag.de

Inhalt

Prolog

Beine in Beton

Die Sache mit den Magneten

Fliegende Frucht iegen

Kammern im Kopf

Gummistiefelwettertag

Drei Mädchen im Ohr

Ein Klorollen-Fernrohr

Doppeldecker mit Tränen

Hosenbeine

In die Sterne gucken

Der Lachchor und die Vögel

Wenn Puppen forschen ...

Blöde Gedankenbrösel

Vorfreude mit Tischtennis

Wunderbarer Turnhallenmief

Hummeln im Hintern

Die Reihenhausschnitte

Die Glitzerjacke

Papperlapapp

Der magnetische Tag

Bedeckt bis wolkig

Küken im Bauch

Die besten Pommes der Welt

Oma, das Stehaufmädchen

Das Forscherteam

Das Große im Kleinen

Über die Autorin

Meine Oma ist nicht so wie andere Omas. Meine Oma ist eine Forscherin. Sie weiß, dass in einer Fruchtfliege ein ganzer Mensch steckt. Das kann ich mir kaum vorstellen. Ein ganzer Mensch in so einem kleinen Viech, das um überreife Bananen und Nektarinen kreist. Ich finde das unglaublich, dass in etwas Kleinem etwas so Großes steckt, und das will ich unbedingt auch sehen. Ich möchte nämlich Biologin werden. Wie Oma. Doch damit ich Biologin werden kann, muss ich in die Schule gehen. Und das ist im Moment etwas, was ich gar nicht gerne mache. Eigentlich mag ich die Schule. Zumindest Biologie, Erdkunde und so ein Zeug. Wenn da nur nicht die anderen Mädchen wären.

Wäre Nele noch hier, wären wir ein Team. Zu zweit könnte uns keins der Mädchen etwas anhaben. Aber sie ist weggezogen. Sie ist in den Umzugswagen geklettert, in dem vorher schon die ganze Wohnung verschwunden ist. Und dann ist sie Richtung Süden gefahren. Zu einer neuen Schule. In ein neues Leben.

„Lena-Frieda“, ruft Mama. Eigentlich nennen mich alle nur Lena. Frieda heiße ich, weil Oma auch Frieda heißt. Wenn Mama mich Lena-Frieda nennt, dann weiß ich schon, dass Holland in Not ist. Das mit Holland in Not habe ich von Oma, die sagt das immer. Aber warum sagt man das eigentlich? So etwas will ich immer ganz genau wissen. Vielleicht hat Mama eine Ahnung. Doch gerade jetzt traue ich mich nicht, sie zu fragen.

„Lena-Frieda, du musst los“, schallt es da wieder von unten. „Und ich auch.“

Mama arbeitet als Architektin in einem klei­­nen Büro und im Moment wird in der Stadt so viel gebaut, dass sie sehr viel Arbeit hat. Ich finde es schade, dass so viel gebaut wird. Für Mama ist das natürlich schön, aber wo sollen dann die ganzen Tiere hin, wenn sie alles Grün zupflastern?

Gerade fühle ich mich auch wie so ein kleines Tier, das kein Zuhause mehr hat. Immer wenn ich in die Schule soll, werden meine Beine ganz schwer, so als hätte man sie in den Boden betoniert. Diese festbetonier­ten Beine stehen vor dem Spiegel. Es sind ganz normale Beine einer Zehnjährigen. Aber je länger ich sie an­schaue, desto mehr werden sie zu Elefantenbeinen. Solche Jeans können nur ganz Dünne anziehen, hat Celine gesagt und mir ins Gesicht gegrinst mit ihrem Ziehharmonikagrinsen. Das ist so ein ganz besonderes Grinsen. Einen Moment guckt sie völlig normal und dann ist es, als wenn jemand rechts und links anfasst und ihren Mund zu einem hämischen Grinsen auseinanderzieht. Dieses Grinsen sehe ich ganz genau vor mir.

Ich flitze zurück in mein Zimmer, brülle nach unten „Komme sofort“ und ziehe den ganzen Stapel Hosen aus meinem Kleiderschrank.

„Lena-Frieda!“ Ich höre das Ausrufezeichen hinter meinem Namen und Mamas Klackerstiefel, mit denen sie die Holztreppe hochmarschiert. Eigentlich geht sie im Haus nur auf Strümpfen. Oje, wenn Mama schon mit ihren Absatzstiefeln die Holztreppe hochkommt, dann ist Holland … Da ist es wieder, dieses Holland. Das muss ich am Nachmittag unbedingt herausbekommen, was es mit diesem Holland auf sich hat. Mich macht es immer völlig nervös, wenn sich eine Frage ohne Antwort in meinem Kopf einnistet.

In einem Affenzahn schlüpfe ich aus der engen Jeans und ziehe mir eine weit geschnittene Cargohose an. Wie eine Forscherin auf Expedition. Als ich an dem Spiegel vorbeigehe, strecke ich meinem Spiegelbild die Zunge heraus.

Ich düse auf dem Skateboard zur Schule. Oder nein, das stimmt nicht ganz. Erst düse ich, dann werde ich immer langsamer. Irgendwie ist das mit der Schule wie mit zwei Magneten, die sich abstoßen. In der Grundschule war die Schule der Magnet und ich, na, sagen wir mal eine Büroklammer. Ich bin total gerne in die Schule ge­gan­gen, da war Nele und alles war gut. Jetzt bin ich keine Büroklammer mehr, sondern auch ein Magnet. Je näher ich an die Schule komme, desto mehr Schwung be­komme ich. Leider in die falsche Richtung. Am liebsten würde ich einen 180-Grad-Ollie machen und wieder nach Hause skaten. Oder zu Oma. Aber das geht natürlich nicht.

Auf dem Schulhof stehen sie alle schon und glotzen, wie ich, mit dem Skateboard unter dem Arm, ankomme. Celine, Pia und Linda. Celine ist die Oberzicke. Schon von weitem sehe ich, wie sie Pia in die Seite pikst und auf mich zeigt. Linda sagt etwas, das ich nicht verstehen kann. Und zack, ist es wieder da – das Ziehharmonika­grinsen von Celine.

Die drei sind die Obermagneten der Schule. Ich muss mich gar nicht anstrengen, wie durch Magneten­zauber­kraft werde ich weggedrückt und mache einen großen Bogen um sie. Ihr Lachen prallt leider gar nicht an mir ab, sondern tut mir in den Ohren weh. Morgen setze ich mir Ohrenschützer auf, diese albernen Teile aus Plüsch. Dann schwitze ich halt, aber höre auch nichts. Irgend­etwas ist eben immer, das weiß ich, seit ich auf dieser Schule bin.

Das Dumme ist, dass auch sonst niemand da ist, auf den ich mich freue. Nele ist ganz weit weg. Nach der Grundschule ist sie mit ihren Eltern weggezogen, weil ihre Mutter eine neue Stelle bekommen hat. Und natürlich musste diese Stelle in Süddeutschland sein. Wenn ich auf meinen Globus gucke, stelle ich mir vor, das ist auf der anderen Seite der Weltkugel. Das ist Quatsch, ich weiß, aber so fühlt es sich an.

Nele ist so weit weg, dass ich sie noch nicht einmal am Wochenende besuchen kann. Das geht nur in den Ferien, hat Mama gesagt. Die Herbstferien kommen bald, der einzige Lichtblick in diesem verregneten Spätsommer. Bei Nele scheint öfter die Sonne als bei uns. Süddeutschland ist eben sonniger als das Ruhr­gebiet. Und da, wo Nele ist, scheint sowieso die Sonne, selbst wenn es regnet.

Auf meinem Skateboard ist ein Monster. So ein großes giftgrünes Monster mit Riesenzähnen. Das halte ich in Richtung der drei Obermagneten. Schade nur, dass sie es nicht sehen, sondern längst einen Kaugummiblasen-Wettkampf machen. Als Celines Blase platzt, hängt ihr etwas von dem Kaugummi in den Haaren. Ich lache still in mich hinein, als Pia in ihrem Rucksack kramt und Celine eine Schere reicht. Da muss Celine eine ihrer Locken lassen. So ein Pech aber auch.

Meine Haare sind recht kurz. Kurz und rot. Kurz seit Kurzem und rot schon immer. Man glaubt gar nicht, wie viel Zeit für wichtige Dinge man spart, wenn man nur zehn Zentimeter seiner Haare abschneidet. Bei mir waren es fast zwanzig Zentimeter, die im Friseurladen auf dem Boden landeten. Also habe ich doppelt so viel Zeit gespart. Jetzt heißt es nur noch: Haare waschen, kämmen, fertig. Ich möchte gar nicht wissen, wie lange die Celines dieser Welt ihre Haare föhnen müssen. Kann mir mal einer erklären, warum alle Mädchen lange Haare haben? Ich verstehe das nicht. Selbst einen Pony haben nur die wenigsten. Bei den Jungs ist es anders: Da haben welche einen Raspelschnitt und andere haben Haa­re bis zu den Schultern. Jungs haben es ziemlich gut.

In der Klasse sitze ich neben Lukas. Der hat mittellange Haare und ist so mittelgut in der Schule. Er ist mittelhübsch und mittellaut. Ich glaube, wenn sich die dreizehn Jungen aus der Klasse der Größe nach aufstellen würden, ist Lukas der siebte, also genau in der Mitte. Doch es ist immer noch besser, neben Lukas zu sitzen als neben einem der Obermagneten. Die anderen Mädchen sind scheinbar alle schon mit einer Freundin an diese Schule gekommen. Nur ich nicht.

Zu allem Überfluss haben wir in den ersten beiden Stunden Deutsch. Deutsch gehört zu den Fächern, die wichtig sind. Sagt Mama. Und es gehört zu den Fächern, die nervig sind. Sage ich. Im Moment lesen wir ein Buch. Ich lese gerne, aber wir lesen Ben liebt Anna und das finde ich so unglaublich traurig. Denn die Anna zieht wieder weg, obwohl sie den Ben so lieb hat. Und alle machen sich über Ben lustig. Würde ich das Buch alleine lesen, würde ich heulen, aber hier in der Schule verkneife ich mir das natürlich.

Aufsätze zu schreiben finde ich obernervig. Ich schreibe nur gerne Briefe. Ja, wirklich, Briefe. Mit Kuli auf Papier. Ich habe noch kein Handy, weil Mama und Paps meinen, dass es reicht, wenn ich in der 6. Klasse eins be­komme. Im Moment wüsste ich sowieso nicht, wem ich Nach­richten schreiben sollte. In den Klassenchat würde ich bestimmt nicht reingehen. Das Einzige, was cool wäre: Mit einem Handy könnte ich mit Nele Fotos austauschen. Keine Ahnung, ob sie inzwischen ein Handy hat. Doch wir können uns auch ohne so ein Teil schreiben. Ich nehme mir ohnehin viel lieber ein Blatt und schreibe mit der Hand. Denn wenn ich an Nele einen Brief geschrieben habe, weiß ich, dass ein Brief zurückkommt. Ein richtig langer. Und eben nicht nur so ein paar Worte auf dem Display. Jeden Tag nach der Schule gucke ich in den Briefkasten. Und wenn ich dann einen Umschlag für mich herausfische, ist mein Tag gerettet.

Wie es Nele in ihrer neuen Schule wohl geht? Vor ein paar Tagen hat sie mir nur eine Karte geschickt mit der Ankündigung, dass ein Brief folgt. Ich stelle mir Nele vor, wie sie in einer neuen Klasse sitzt, die ich nicht kenne.

„Sollen wir gleich in der Pause Tischtennis spielen?“ Lukas‘ Stimme reißt mich aus meinen Gedanken.

„Tischtennis?“

Ich muss reichlich doof ausgesehen haben, denn Lukas legt die Stirn in Falten und antwortet: „Ja, Tisch­tennis. Schläger, kleiner Ball, Tischtennisplatte.“

Kurz überlege ich. Wenn ich jetzt mit Lukas in der Pause Tischtennis spiele, dann geht es mir vielleicht so wie Anna und ihrem Ben. Alle werden lachen. Aber egal. Besser die anderen lachen und ich spiele Tischtennis, als dass die anderen blöd glotzen, und ich stehe alleine herum.

Tatsächlich glotzen sie blöd und lachen, aber heute ist mir das wurscht. Tischtennis spiele ich gerne und gut. Ich achte nur auf den kleinen Ball, der über die Platte hüpft und im Takt klackt. Um mich herum nehme ich nichts mehr wahr, der Schläger, der Ball und mein Arm, der hin- und hersaust, das ist alles, was zählt.

Ich gewinne. Sogar haushoch. Doch Lukas ist nicht sauer, sondern kommt zu mir und schlägt ein.

„Wow“, sagt er. „Nicht schlecht.“

Lächelnd gehe ich wieder ins Klassenzimmer. Als Celine mich hämisch angrinst, strecke ich ihr die Zunge raus. Noch nie ist an dieser Schule eine Pause so schnell vergangen.

Nach der Schule gehe ich zu Oma. Das mache ich oft. Auf dem Weg zu ihr liegt Schotter, da kann man leider nicht skaten. Als ich um die Ecke biege, steht Oma schon am Fenster und winkt. Ich winke zurück und werde einen Schritt schneller. Als Oma die Tür öffnet, kommt mir Pizzageruch entgegen.

„Du hast Pizza gemacht?“, frage ich ungläubig. Oma kann zwar ganz gut backen, aber sie mag es nicht, stundenlang in der Küche zu stehen. Und mit Dingen wie Hefeteig steht sie sowieso auf Kriegsfuß. Dafür fehlt ihr wahrscheinlich die Geduld.

„Nee, Schnubbel“, sagt sie. „Die hat Ronaldo ge­macht.“ Sie grinst und wedelt mit einer Pappschachtel vom Pizzabäcker.

„Ich habe einen Mordshunger“, sage ich, werfe meinen Rucksack in die Ecke und lasse mich auf einen Stuhl am Esstisch plumpsen.

Oma hat eine Pizza Tonno und ich eine Vegetaria. Seit einem halben Jahr esse ich kein Fleisch mehr und Thunfisch schon gar nicht. Denn wenn Thunfisch gefangen wird, sterben dabei auch Delfine. Überhaupt will ich nicht, dass irgendein Tier sterben muss, weil ich es essen will.

Der Käse quietscht zwischen den Zähnen, beim Ab­schnei­den zieht er dünne Fäden. Ich nehme die Stückchen in die Hand. Oma auch. Wir haben beide ganz fettige Hände. Ein bisschen sieht es so aus, als wenn Omas Falten vom Fett ein wenig glattgebügelt wor­den sind. Die knubbeligen Hände wirken viel jünger, so fettig.

„Lecker“, sagt Oma. „Hätte ich nicht besser machen können.“

„Haha“, mache ich. Wenn Oma eins nicht ist, dann eine gute Köchin. Bei ihr gibt es meistens schnelle Küche, anders als bei uns zu Hause.

Ich bin so satt, dass ich ein Nickerchen machen könnte. Nickerchen ist so ein lustiges Wort. Das habe ich von Oma. Sagt sonst wahrscheinlich niemand mehr. Doch ich entschließe mich, kein Nickerchen zu machen. Denn die Zeit bei Oma zu verschlafen, wäre mir viel zu schade.