Friedliche Demokratien? - Markus Glatzer - E-Book

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Markus Glatzer

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Beschreibung

Studienarbeit aus dem Jahr 2014 im Fachbereich Politik - Internationale Politik - Thema: Frieden und Konflikte, Sicherheit, Note: 2,3, FernUniversität Hagen (Politikwissenschaft), Veranstaltung: Modul Konflikt und Kooperation in den internationalen Beziehungen, Sprache: Deutsch, Abstract: “Jede uns bekannte moderne Gesellschaft trägt ein signifikantes Maß an Gewaltpotential in sich, auch die Demokratie“. Dieser Annahme folgend, scheint die Theorie des Demokratischen Friedens erst einmal fraglich. Deshalb ist es innerhalb der Theorie zu einer Differenzierung gekommen, in dem sich zwei Stränge herausgebildet haben. Zu hinterfragen ist an dieser Stelle, wie es dazu kommt, dass Demokratien eine nicht friedliche Außenpolitik gegenüber anderen Staaten etablieren können. Denn in einer grundbereitenden Schrift der Theorie des Demokratischen Friedens, Immanuel Kants „Zum ewigen Frieden“ finden sich, auf den ersten Blick, scheinbar gegensätzliche Annahmen. Er schreibt dort: Sind die Bürger einer Republik in der Lage über „die Drangsale des Krieges“ selbst zu entscheiden, so werden sie „sich sehr bedenken (...), ein so schlimmes Spiel anzufangen (...)“. Und dies aus zum großen Teil ökonomischen Gründen (Kosten des Krieges aus eigener Habe, Verwüstung und die Bedrohung durch immer neu entfachende Kriege...). Daraus würde folgen, dass ein demokratischer Staat, indem die Bürger durch freie Wahlen über Ihre Repräsentanten und damit auch über die Grundeinstellung zu kriegerischen Auseinandersetzungen entscheiden können tendenziell eher zu friedlichem Verhalten, als zu kriegerischen Auseinandersetzungen neigen müsste. Diese normativen Argumente lassen sich empirisch jedoch nicht ohne Weiteres erkennen. Eher scheint das Gegenteil der Fall zu sein, indem Demokratien zahlreiche militärische Konflikte auch auf der Ebene von Kriegen austragen. In Anlehnung an Kant muss also ein demokratisch organisierter Staat, besonders in einem heutigen wirtschaftlich wie politisch interdependenten und verrechtlichten internationalen System, eine nicht friedliche Außenpolitik mit besonderem Aufwand begründen und gegenüber „seinem“ Staatsvolk erklären, warum diese notwendig sein soll. Theoretisch hat Harald Müller (unter Anderen) versucht, dieses Phänomen zu erklären. Er prägte dafür die Begrifflichkeit der „Antinomie des Demokratischen Friedens“. Er will damit auf den Umstand verweisen, dass der demokratische Frieden nur in Verbindung mit dem demokratischen Krieg umfassend zur Erklärung des internationalen Systems beitragen kann. (...)

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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung und Vorüberlegung

2. Die theorie des demokratischen Friedens

3. Die Friedfertigkeit von Demokratien

3.1 Pluralität und größtmögliche Mitbestimmung

3.2 Höchste Interdependenz auf internationaler Ebene

3.3 Pazifistische Einstellung

4. Die Aggressivität von Nicht-Demokratien: der irak vor der Invasion

4.1 Engstirnige Diktatur ohne aufgeklärte Bürger

4.2 Internationale Isolation und Unterstützung Terrorismus

4.3 Kriegsaffirmative Einstellung

5. Schlussbemerkungen: „Schurkenstaat“ vs. ideale Demokratie?

6. Literaturverzeichnis

 

1. Einleitung und Vorüberlegung

 

“Jede uns bekannte moderne Gesellschaft trägt ein signifikantes Maß an Gewaltpotential in sich, auch die Demokratie“ (Baumann 1992). Dieser Annahme folgend, scheint die Theorie des Demokratischen Friedens erst einmal fraglich. Deshalb ist es innerhalb der Theorie zu einer Differenzierung gekommen, in dem sich zwei Stränge herausgebildet haben (vgl. dazu Punkt 2 dieser Arbeit). Zu hinterfragen ist an dieser Stelle, wie es dazu kommt, dass Demokratien[1] eine nicht friedliche Außenpolitik gegenüber anderen Staaten etablieren können. Denn in einer grundbereitenden Schrift der Theorie des Demokratischen Friedens, Immanuel Kants „Zum ewigen Frieden“ (Kant [1795] 2012) finden sich, auf den ersten Blick, scheinbar gegensätzliche Annahmen. Er schreibt dort: Sind die Bürger einer Republik[2] in der Lage über „die Drangsale des Krieges“ selbst zu entscheiden, so werden sie „sich sehr bedenken (...), ein so schlimmes Spiel anzufangen (...)“ (ebd., S.12f.). Und dies aus zum großen Teil ökonomischen Gründen (Kosten des Krieges aus eigener Habe, Verwüstung und die Bedrohung durch immer neu entfachende Kriege...). Daraus würde folgen, dass ein demokratischer Staat, indem die Bürger durch freie Wahlen über Ihre Repräsentanten und damit auch über die Grundeinstellung zu kriegerischen Auseinandersetzungen entscheiden können tendenziell eher zu friedlichem Verhalten, als zu kriegerischen Auseinandersetzungen neigen müsste (vgl. Krell 2009, S. 191). Diese normativen Argumente lassen sich empirisch jedoch nicht ohne Weiteres erkennen. Eher scheint das Gegenteil der Fall zu sein, indem Demokratien zahlreiche militärische Konflikte auch auf der Ebene von Kriegen[3] austragen (Chojnacki 2004, S. 72f. m.w.N.).

 

In Anlehnung an Kant muss also ein demokratisch organisierter Staat, besonders in einem heutigen wirtschaftlich wie politisch interdependenten und verrechtlichten internationalen System, eine nicht friedliche Außenpolitik mit besonderem Aufwand begründen und gegenüber „seinem“ Staatsvolk erklären, warum diese notwendig sein soll. Theoretisch hat Harald Müller (unter Anderen) versucht, dieses Phänomen zu erklären. Er prägte dafür die Begrifflichkeit der „Antinomie des Demokratischen Friedens“. Er will damit auf den Umstand verweisen, dass der demokratische Frieden nur in Verbindung mit dem demokratischen Krieg umfassend zur Erklärung des internationalen Systems beitragen kann (Müller 2002, 2004 und 2006). Die interessierende Frage ist also an dieser Stelle, worauf Anna Geis und Jonas Wolff  bereits in ihrem Beitrag „Der Demokratische Frieden in der deutschsprachigen Friedensforschung“ (Geiß/Wolf 2011, S.129) hingewiesen haben, nämlich dass die Untersuchung von demokratiespezifischen Feindbildern westlicher Demokratien einen entscheidenden Hinweis zur Rechtfertigung von demokratischen Kriegen, und damit auch auf Rechtfertigungsgründe zu einer Unfriedlichkeit von Demokratien, liefern könnte.

 

Dies soll hier anhand der Rhetorik der US-Regierung Georges W. Bushs und der entsprechenden Administration im Vorfeld des Irakkrieges (2003) geschehen.

 

Um das Feindbild näher definieren zu können, ist es notwendig die einzelnen Argumente des monadischen Ansatzes heranzuziehen, aufgrund derer Demokratien für friedfertiger erklärt werden. Dies sind dann genau die Positionen die entweder den Nicht-Demokratien abgesprochen oder sogar in einer negierten Form unterstellt werden. Hier sind zu nennen: Einwirkungsmöglichkeiten der wirtschaftlich-nutzenorientierten Bürger auf die politischen Entscheidungen des politischen Systems, Einstellung zu internationaler Interdependenz, (auch) in Form von internationalen Organisationen, verbunden mit dem Willen zur Verrechtlichung des internationalen Systems (vgl. dazu die Punkte 3 und 4 dieser Arbeit).

 

Hinzu treten (in Anlehnung an Müller 2006, S. 239ff.) eher politik-praktische Punkte, die teilweise in den erstgenannten implizit enthalten sind. Aus Sicht der hier interessierenden USA sind das: Verachtung der Menschenrechte, Unterstützung des internationalen Terrorismus, das Streben nach Massenvernichtungswaffen und eine feindliche Gesinnung gegenüber der USA.

 

2. Die theorie des demokratischen Friedens

 

Die Theorie des Demokratischen Friedens (DF) als die hier verwendete erklärungsleitende Theorie hat, so kann man argumentieren, eine bespiellose Karriere innerhalb der liberalen Theorie der Internationalen Beziehungen genommen[4]. Erstmals in Deutschland von Ernst-Otto Czempiel in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts formuliert, besagt sie erst einmal „nur“ das Demokratien friedfertiger seien als andere Organisationsformen staatlicher Herrschaft. Der darauf folgende „Hype“ löste eine Forschungswelle aus, in Folge derer eine Ausdifferenzierung anhand zweier Stränge unumgänglich schien. Grund dafür ist der sog. „Doppelbefund“ (vgl. dazu Geis/Wolff 2011, S. 113f.; Brock/Müller o.J., S. 1f. und Geis 2001, S. 282f.). Er formuliert, was Thomas Risse-Kappen auch als „Janusköpfigkeit“ von Demokratien betitelt hat (Risse-Kappen 1995, S. 491), nämlich dass Demokratien zwar untereinander keine Kriege führen würden, aber in ihrer Interaktion mit Nicht-Demokratien genauso gewaltbereit seien wie ihr Gegenüber. Christopher Daase identifiziert sogar drei Gründe, warum Demokratien „eben von Natur beides [sind]: friedfertig gegenüber Demokratien, friedlos gegenüber Nicht-Demokratien.“ (Daase 2004, S. 68).

 

Kurz zusammenfassend kann man formulieren (Geis/Wolff 2011, S. 112): „die Friedlichkeit ist (...) vom Interaktionspartner der Demokratie abhängig (...)“. In der Forschung hat sich für diesen Theoriestrang die Bezeichnung „dyadischer Ansatz“ etabliert, in Abgrenzung zum „monadischen Ansatz“ der die generelle Friedfertigkeit von Demokratien zum Ansatz hat.

 

Diese Hausarbeit folgt dem dyadischen Ansatz und will identifizieren, wie dieses nicht-friedliche Verhalten zu erklären ist. Dazu müssen aber auch die Argumente des monadischen Ansatzes herangezogen werden, da dieser die Gründe für Friedlichkeit von Demokratien ausformuliert. Dies wird unter Punkt 3 dieser Arbeit geschehen.

 

Immanuel Kant, dessen Schriften als wegbereitend für die Theorie des DF bezeichnet werden können, hat in seiner Schrift „Die Metaphysik der Sitten“ allerdings noch eine weitere Konzeption vorgenommen, die er als „ungerechten Feind“ bezeichnet hat (vgl. Kant [1798] 1997, S. 473f.). Dort definiert er einen „ungerechten Feind“ gegen den „das Recht eines Staates (...) keine Grenzen [habe]“. Dieser Feind müsse ein Verhalten zeigen, dass seine grundlegende Überzeugung zu Tage treten lasse, die, verallgemeinert als Maxime, jeglichen Friedenszustand unter Staaten unmöglich mache (ebd. S. 473). Darunter versteht er das Verletzen öffentlicher Verträge, die „die Sache aller Völker“ (ebd.) betreffen. Dies ist an dieser Stelle in soweit von Belang, dass er Anhaltspunkte dafür liefert, wie ein demokratiespezifisches Feindbild konstruiert sein müsste, um nicht-friedliches Verhalten in der jeweiligen Außenpolitik zu rechtfertigen. Eine Entsprechung des ungerechten Feindes findet sich in der Definition des „Schurkenstaates“, welcher durch eine politische Praxis geprägt ist, der „den Einstieg in die Evolution über den Rechtstaat in die Republik“ seinen Bürgern verweigert (Müller 2006, S. 239). Also muss ein demokratischer Staat eine Nicht-Demokratie die bekämpft werden soll, als nicht-partizipativ, diktatorisch und aggressiv gegenüber der eigenen Sicherheit darstellen. Dadurch würde eine eigene aggressive Außenpolitik gegenüber diesen Staaten als legitimiert dargestellt werden. Dies stellt natürlich keinen Automatismus dar und braucht eine entsprechende mehrheitlich liberalen Argumenten zugängliche Bevölkerung, die eine gewisse Selbstüberzeugung haben muss (vgl. Hils 2008, S. 237ff.). Dies erklärt auch den Befund, dass es quantitativ unterschiedlich stark in Kriegsgeschehen involvierte Demokratien gibt, aggressivere und eher „friedliebendere“ (Geis/Wolff 2011, S. 128). Auch scheint eine Rolle zu spielen, ob eine Demokratie als gefestigt oder als „im Aufbau befindlich“ zu gelten hat (und wie dieser Aufbau voran geht - siehe dazu Mansfield/Snyder 2007, S. 265ff.).

 

Wie die Regierung und Administration George W. Bushs diese Argumente auf den Irak vor der Invasion 2003 anwendet und damit ihre militärische Intervention auch ohne UN Mandat zu rechtfertigen suchte, soll der Punkt 4 dieser Arbeit zeigen.

 

3. Die Friedfertigkeit von Demokratien

 

Die monadische Theorievariante des DF entwickelt die Behauptung der Friedfertigkeit von Demokratien anhand dreier Argumente (Czempiel 1996, S. 79ff. und 1998, S. 108 ff. und 147 ff.; Krell 2009, S. 191ff.): 1. Selbstbestimmte Bürger mit pluralen Möglichkeiten der Interessenäußerung tendieren zu friedlichem Verhalten und wirken auf „ihren Staat“ entsprechend ein (Punkt 3.1). 2. Die Einbindung in internationale Organisationen bewirkt die Ausbildung einer kollektiven Identität unter Demokratien und führt zu friedlicherem Verhalten (Punkt 3.2). Und 3., Demokratien hätten grundsätzlich eine Konfliktlösungsstrategie die auf Konsens-Suche und nicht auf gewaltvoller Austragung beruhe. Diese drei Faktoren würden zu einer generelleren Friedfertigkeit von Demokratien führen. Während die Punkte 1 und 2 eher rationalistisch argumentieren, fußt der Punkt 3 auf konstruktivistischen Argumentationslogiken, somit verbinden sich an dieser Stelle unterschiedliche Herangehensweisen in der Theorie des DF.

 

3.1 Pluralität und größtmögliche Mitbestimmung

 

Im Kant’schen Sinne (s. Zitat oben) neigen also Staaten die durch die Freiheit ihrer Glieder, die alle dem Recht der einzigen Gesetzgebung unterstellt und in dieser alle gleich sind (Kant [1795] 2012, S. 10f.) dazu, „sich sehr [zu] bedenken (...) ein so schlimmes Spiel anzufangen (...)“ (ebd., S. 13). Die Frage ist also, ob dies zu bedeuten hat, dass grundsätzlich keine kriegerische Auseinandersetzung begonnen wird, oder ob „nur“ hinreichende Bedingungen erfüllt sein müssen, dass die Bürger diesen Denkprozess damit beenden, dass sie zu der Einsicht gelangen, dass eine kriegerische Auseinandersetzung gerechtfertigt ist. Als erstes fällt auf, dass dieses Argument zu einer generellen Abneigung zum Krieg führen müsste. Empirisch lässt sich dies nicht belegen (s.o.). Sebastian Rosato führt dazu aus, dass eine Demokratie dann gegenüber jedem Staat, unabhängig von seiner Konstitution, friedlicher sein müsste (Rosato 2003, S. 594). Hinzu treten die folgenden Überlegungen: In modernen Demokratien ist die persönliche Betroffenheit von den Kant’schen „Drangsalen“ des Krieges weniger stark ausgeprägt, da mögliche ökonomische oder persönliche Betroffenheiten durch moderne Kriegsmittel und/oder große Distanzen zu den Kriegsschauplätzen relativiert würden.

 

Zudem führen professionalisierte Armeen Kriege, die tendenziell (quantitativ) weniger (persönlich) Betroffene erzeugen, als alternative Formen von Armeen (ebd., S 595).

 

Als weiteres Argument wird ins Feld geführt, dass demokratisch legitimierte Regierungen sich in regelmäßigen Abständen in freier Wahl zur Wiederwahl stellen müssen, und daher wie auch immer geartetem Risiko eher abgeneigt seien, da Machtverlust drohe (nämlich dann, wenn eine kriegerische Auseinandersetzung nicht erfolgreich ist). Das wird mit folgenden Argumenten kritisiert: die Folge des Machtverlustes ist in demokratischen Staaten schon deshalb weniger entscheidend, weil sie wesentlich geringer sind, als z.B. in Diktaturen (Pension vs. Galgen). Und vor allem habe die Empirie keinen Zusammenhang zwischen verlorenen Kriegen und Amtsverlust finden können (Geis/Müller/Wagner 2007, S. 18f. m.w.N.). Daase formuliert sogar die These, dass Wahlen unter Umständen kriegsbefördernd wirken, nämlich dann, wenn Regierungen vor Wahlen mit einem Umfragetief zu kämpfen haben und um Wiederwahl bangen müssen (Daase 2004, S. 56).

 

Als letzter Punkt soll hier nun noch die Einwirkung von Bürgern auf „ihren Staat“ diskutiert werden. Augenscheinlich muss dieses Argument aufgrund schlechter und sinkender Wahlbeteiligungs-Zahlen[5] generell in Frage gestellt werden. Zumindest erscheint die Rückbindung des Wählerwillens schwierig, da immer weniger Wähler ihren Willen bereit sind zu äußern. Bei Geis et.al. findet sich dazu der Ansatz von Bruce Bueno de Mesquita, der ein sog. Selektoratsmodell einführt, welches angeben soll, wie hoch der wählende Anteil an der Bevölkerung eines Staates ist. Und damit Teil einer „winning coalition“ wird (Geis /Müller/Wagner 2007, S. 18). In Demokratien sei diese größer, als bspw. in Diktaturen, die sich durch eine kleine Elite die es „bei Laune“ zu halten gilt, auszeichnet. Kriegsgewinner seien immer nur einige wenige, und dadurch sei der Anreiz für kriegerische Auseinandersetzungen in Demokratien geringer, als in Diktaturen. Dort ist damit zu rechnen, dass die Kriegsgewinner sehr wahrscheinlich die selben sind, wie die Mitglieder der „winning coalition“.

 

An dieser Stelle scheint die Mobilisierungsmöglichkeit von Interessen eine große Rolle zu spielen, die bekanntlich auch in Demokratien zu unterschiedlich starker Vertretung von Interessen bei Regierungen führen kann. Czempiel erklärt die Nicht-Friedlichkeit sogar damit, dass westliche Demokratien immer noch durch einen privilegierten Zugang zum Gewaltmonopol des politischen Systems gekennzeichnet seien (Czempiel 1996, S. 86). In dieser Denkart ist eine kriegerische Auseinandersetzung dem Demokratiedefizit, dass immer noch jeden westlichen Staat kennzeichnet, geschuldet (ebd., S. 85ff.). Institutionell verankerte „Demokratiedefizite“ seien an dieser Stelle noch erwähnt, die in Normalsituationen (im Sinne des Gegenteils von akuten Bedrohungssituation) keine allzu große Auswirkung haben, aber in Zwangslagen durchaus Wirkung entfalten können. Gemeint sind die Entscheidungsverlagerungen hin zur Exekutiven in „Notlagen“, die eine Tendenz zu Entscheidungen haben, die weniger risikoavers und anfälliger für Fehler sind (Daase 2004, S. 57).

 

3.2 Höchste Interdependenz auf internationaler Ebene

 

Die liberale Theorie geht davon aus, dass die internationale Staatenwelt nicht „einfach nur“ von Anarchie geprägt ist, sondern dass auch die Individuen selbst, Unternehmen, internationale Organisationen und transnationale Netzwerke einer wichtige Rolle in dieser spielen (Jackson 2013, S. 64). Die Theorie des DF spezifiziert dies dahingehend, dass sie davon ausgeht, dass erstens internationale Organisationen den Frieden fördern und zweitens, dass sich Demokratien häufiger als Staaten mit alternativen Herrschaftsordnungen in solchen Organisationen engagieren.

 

Bei Kant findet sich dazu die Idee eines „freien Förderalism“ (vgl. Kant [1795] 2012, S. 16-20). Der Naturzustand, der von kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Staaten beherrscht wird, kann nur durch die Etablierung eines Völkerbundes, in dem jeder gleiche Rechte und Pflichten hat, überwunden werden. Allerdings ist ein Völkerstaat indes in erster Konsequenz deshalb schwierig, weil eine Über- oder Unterordnung von verschiedenen Völkern (aus verschiedenen Staaten) erst einmal so nicht etablierbar sei. Meint also einen Souveränitätsverlust im Sinne einer Abgabe an eine übergeordnete Ebene. Das würde notwenderweise dazu führen, das es eine Weltrepublik geben müsse (ebd., S. 20). Kant misst bei der Befriedung dem Völkerrecht (als Recht zwischen etablierten Staaten) eine entscheidende Rolle zu. Dieses werde in einem Friedensbund etabliert, welcher alle Kriege beenden solle, in Abgrenzung zu einem Friedensvertrag, der nur einen Krieg beendet (ebd., S. 18).

 

Dies ist in soweit auf die heutige Zeit übertragbar, als dass die befriedende Wirkung von internationalen Organisationen darin zu suchen sind, dass sie die Überwindung des „Sicherheitsdilemmas“ möglich machen. Genuiner Teil der realistischen Theorie, ist auch der Liberalismus der Ansicht, dass das anarchische System der internationalen Staatenwelt ein Vertrauensproblem produziert. Rüstung erzeugt Gegenrüstung, da der eine Staat nicht sicher sein kann, ob es sich um expansiv oder defensiv ausgerichtetes Rüsten handelt.

 

Durch gegenseitige Existenzanerkennung (z.B. durch den Friedensbund im kant’schen Sinne) fördere eine, wie auch immer organisierte internationale Organisation, die Befriedung (Czempiel 1996, S. 95). Es muss ja nicht mehr damit gerechnet werden, dass ein so „befreundeter“ Staat die Existenz eines anderen in Frage stellt oder sogar einen Angriff initiiert.

 

Auch dies scheint eine Kehrseite zu haben. Hierbei ist die Art der internationalen Organisation von Bedeutung. Ein Militärbündnis (wie zum Beispiel die NATO) erzeugt Kontaktkanäle, Erwartungshaltungen und auch ein Selbstverständnis, das durchaus nicht kriegshemmend wirken muss (Müller 2004, S. 43f.).

 

Russett und Oneal führen die o.g. Argumente mit ökonomischer Interdependenz zu einem Dreieck zusammen. Die drei Punkte Demokratie, Handel und internationale Organisationen führen für sich allein zu friedlicherem Verhalten und verstärken sich gegenseitig (Russett/Oneal 2001, S. 35). Die beiden Autoren nennen diesen Effekt „Engelskreise“ und geben als Beispiel den Europäischen Einigungsprozess an, indem diese befriedenden Wirkungen gezielt genutzt wurden, um ein friedliches Miteinander nach dem zweiten Weltkrieg in Europa möglich zu machen (ebd., S. 24ff.).

 

3.3 Pazifistische Einstellung

 

Auf Konsens ausgerichtete Konfliktbearbeitung ist fundamentaler Teil einer demokratisch organisierten Politik. Demokratien lösen politische Konflikte im Inneren, indem sie Verhandlungen führen und keine Gewalt einsetzen. Dieses Verhalten transportieren sie nach außen und versuchen Konflikt auf einer inter-state-Ebene auch friedlich und mit Hilfe von Verhandlungen zu lösen (Russett 1993, S. 30 ff.).

 

Durch die innerstaatlichen Erfahrungen mit friedlichem Konfliktaustrag internalisiert diese Normen auch die Bevölkerung von Demokratien und dadurch verstärkt sich deren bereits vorhandene Ablehnung von kriegerischen Auseinandersetzungen.

 

Dies gelinge aber nur, wenn ein Staat seinem Gegenüber auch zutraut, dass er Konflikte auf die gleiche Art und Weise löst. Russett führt aus, dass Bevölkerungen die die gleichen demokratischen Standards ihren Interaktionspartnern unterstellen, schwerer von einer militärischen Aktion gegen diese zu überzeugen sind (ebd., S. 31). Was in letzter Konsequenz dazu führt, dass Demokratien eine kollektive Identität ausbilden, welche sie ein „demokratisches Selbstbewusstsein“ erlangen lassen (Müller 2004, S. 44). Solch ein Selbstbewusstsein lässt verschiedenes Verhalten entstehen: Affinität bzw. Respekt gegenüber „Mit-Demokratien“ und Misstrauen und Feindschaft gegenüber Nicht-Demokratien (Geis/Müller/Wagner 2007, S. 21). Also wird eine Regierung eines demokratischen Staates, die an einer militärischen Auseinandersetzung interessiert ist, stark auf diese Unterschiede rekurrieren und versuchen diese als besonders gravierend im Falle ihres Gegenüber darzustellen.

 

Denn nur in diesem Falle wird eine nicht-friedliche Handlungsweise gegenüber dem Wahlvolk erklärbar. Hierbei lässt sich also eine wertorientierte Außenpolitik feststellen: Demokratien begründen aus ihrem freiheitlichen, selbstbestimmten und pluralen Selbstbild heraus eine moralische Verpflichtung zur Demokratisierung der Welt. Selbst wenn man die schwer zu konkretisierende moralische Dimension bei Seite lässt, was an dieser Stelle aus Platzgründen geschehen muss, dann scheint eine Verpflichtung zur Intervention geboten. Wenn man der sog. Externalisierungsthese folgt, die wie oben beschrieben, einen Zusammenhang zwischen innerstaatlichen Regierens und außenpolitischen Handels herstellt, dann schließen Demokratien auch aus diktatorischem Verhalten im Inneren auf gewaltvolle Außenbeziehungen zu anderen Staaten (vgl. Risse-Kappen 1994, S. 376). Dies hat nicht nur theoretische sondern auch praktisch weitgehende Folgen, da es ein mögliches Aggressionspotential unterstellt und eine einfachere Begründung von Verteidigung durch präventives Handeln der Demokratie ermöglicht.

 

Eine demokratisierte Welt war auch das Ziel der sog. „humanitären Interventionen“ die bei gröbsten Menschrechtsverletzungen als Mittel zur Schaffung von demokratischen Werten genutzt wurden (Daase 2004, S. 63).  Auch hier ergeben sich ähnliche Begründungsmuster zur Berechtigung dieser Intervention. Die Gewalthaltigkeit von demokratischen Normen beginnt also an dem Punkt, an dem eine Verpflichtung oder auch Berechtigung zur Durchsetzung egalitärer Werte in einem anderen Staat aus diesen abgeleitet wird.

 

4. Die Aggressivität von Nicht-Demokratien: der irak vor der Invasion

 

Die unter dem Punkt 3 beschriebenen Argumente dienten also dazu, Demokratien ein friedlicheres Verhalten in ihrer Außenpolitik zu bescheinigen als autoritären und totalitären Regimen. Folgerichtig muss also diesen Regimen die gegenläufige Tendenz zu diesen Punkten unterstellt, behauptet, nachgewiesen werden, um eine kriegs- oder zumindest konfliktbejahende Einstellung zu erzeugen.

 

Wie bereits oben ausgeführt, ist diese Einstellung, falls sie nicht erzeugt werden kann, ein Momentum welches zur Abwahl einer kriegsführenden Regierung führen kann. Dies ist natürlich kein zwangsläufiger Aspekt und kann in der jeweiligen Situation durch andere Faktoren überlagert werden. Daher kann es empirisch auch als nicht gesichert angesehen werden. Entscheidend erscheint hier, dass es sich als verstärkender Faktor darstellt, der zur Erklärung von außenpolitischen Verhalten von Regierungen beitragen soll.

 

Die Regierung von Georg W. Bush war mehreren Änderungen in dessen beiden Amtszeiten (2001 – 2009) unterworfen. Condoleezza Rice folgte 2005 auf Colin Powell als Außenministerin und Robert Michael Gates 2006 auf Donald Rumsfeld als Verteidigungsminister. Im politischen System der Vereinigten Staaten von Amerika gibt es eine Vielzahl von Institutionen die für die Sicherheit des Landes und der Formulierung der Leitlinien für diese zuständig sind (vgl. dazu z.B. Bibby 1995, S. 361 ff.; Schulzinger 2008, v.a. S. 1-15 oder Hacke 2005, S. 29ff.). Für die außenpolitischen Leitlinien seien hier der Präsident selbst und seine Minister als ausschlaggebend angenommen.[6] In dem hier behandelnden Zusammenhang ist die genaue Quelle der Äußerung auch so lang nicht von Belang, wie sie von „offizieller Seite“ geäußert wird. Sie muss also von der Bevölkerung der Regierung der USA zugerechnet werden können, unabhängig von der sich konkret äußernden Person. Die Vermittlung der kriegsbejahenden Argumente durch die Regierung Präsident Bush’ im Jahre 2003 muss allerdings noch mit einer Besonderheit versehen werden. Die Anschläge vom 11. September 2001 müssen in diese Betrachtung mit einfließen. Sie haben sicherlich Teile der Argumentation gegenüber der US-amerikanischen Bevölkerung erleichtert (vgl. dazu Vierig 2008, S. 146).

 

Der Irak vor der Invasion der USA und einer „Koalition der Willigen“ 2003 war geprägt durch mehrere Kriege mit Anrainerstaaten im 20. Jahrhundert. Militärische Stärkung durch diverse positive Verläufe von Kriegen, ging mit wirtschaftlichen Problemen und immensen Ausgaben für militärische Infrastruktur einher (vgl. Farouk-Sluglett/Sluglett 1991, S. 276ff.). Saddam Hussein kam durch vielfältige Umbrüche, die ein (Militär-)Putsch im Jahr 1958 hinterließ, an die Macht. Dieser Putsch „beseitigte“ nicht nur die Monarchie im Irak sondern hinterließ auch ungeklärte politische Verhältnisse. Diese Verhältnisse nutzend, kann Hussein spätestens ab 1971 als der starke Mann im irakischen Staat angesehen werden (ebd., S.148). Er führte aus unterschiedlichsten, aber auch geopolitisch-strategischen Gründen, aber niemals aus fundamental religiösen Gründen, mehrere Kriege, u.a. gegen Kuwait (Mearsheimer/Walt 2003, S. 297ff.). Die Diktatur im Irak kann als säkular bezeichnet werden (Werner 2011, S. 433).

 

4.1 Engstirnige Diktatur ohne aufgeklärte Bürger

 

Das Regime des Saddam Hussein müsse schon deswegen gestürzt werden, weil es grausam gegenüber seiner eigenen Bevölkerung sei. Dieses Argument ist zwar am Rande von Reden des amerikanischen Präsidenten gefallen (Bush 2002a,b,c), hätte aber für eine grundlegende Überzeugung der amerikanischen Bevölkerung zum Sturz Husseins nicht gereicht (Werner 2011, S 442). Es musste mit einer konkreten Bedrohung für die amerikanische Bevölkerung verwoben werden. Indem er mehr oder weniger offensichtlich den Irak mit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in Verbindung brachte und eine Hass-Mentalität unterstellte, die sich gegen Amerika richtete, erzeugte er Angst und Befürchtungen die in einer hohen Zustimmungsrate (64% kurz vor Kriegsausbruch 2003, Werner 2011, S. 443) der amerikanischen Bevölkerung zu einem Krieg im Irak mündete.

 

Bush selbst antwortete auf die Frage, warum die Verantwortlichen des 11. Septembers 2001, und damit auch implizit die Iraker[7], Amerika so hassen würden: „Sie hassen uns wegen unserer Freiheiten (...)“ (zit. in Hacke 2005, S. 636).  Dies sollte zeigen, dass die Propaganda einer Diktatur wie der Husseins grundsätzliche Vorbehalte schuf, die nur durch den Sturz des Regimes beseitig werden konnten.

 

4.2 Internationale Isolation und Unterstützung Terrorismus

 

Der Irak wurde als Teil der „Achse des Bösen“ (Bush 2002a) stark damit in Verbindung gebracht, dass er den transnationalen Terrorismus unterstütze. Als „Schurkenstaat“ (White House 2002) sei er eine Allianz mit barbarischen Terroristen eingegangen. Dies war notwendig um die nicht klar zu definierenden und lokalisierenden Terroristen „greifbar“ zu machen (Geis 2008, S. 172; Mearsheimer/Walt 2003, S. 304). Die behauptete Unterstützung diente dazu, ein Aggressionspotential zu konstruieren, dass nicht nur für geografisch naheliegende Staaten, sondern faktisch für die ganze Welt virulent würde (Powell 2003, Teil 9). In ihrer „National Security Strategy“ (White House 2002) verkünden die Vereinigten Staaten dann auch ein präventives Recht zur Bekämpfung dieser Staaten um zu verhindern, das diese die USA oder deren Verbündete Schaden zufügen können (ebd., S.13ff.). Hierbei ist zu beachten, dass sich nach internationalen Gesetzen ein Recht zur Präemption[8] ableiten lässt (Art. 51 der UN Charta). Auf dieses berief sich die Bush-Regierung. Dies erweckt den Eindruck, dass hier Selbstverteidigung suggeriert werden sollte, um nicht die Schuld eines Aggressors auf sich zu laden, die wiederrum im eigenen Land nur schwerlich hätte vermittelt werden können.

 

Die Isolation auf internationaler Ebene kann anhand dessen, das Saddam Hussein immer wieder vereinbarte Waffeninspektionen der UN sabotierte, zeitlich verschob oder gar nicht zuließ (Werner 2011, S. 439), auch als selbst intendiert gesehen werden. Auch die vom Irak initiierten Kriege gegen den Iran und Kuwait legen nahe, dass dieser kein erkennbares Interesse an internationaler Kooperation hegte. Daraus allerdings zu schließen, dass Saddam Hussein eine „unbewusst selbstmörderische Neigung“ (Kenneth Pollack, zit. in Mearsheimer/Walt 2003, S. 297) habe, oder die Unterstützung von Terrororganisationen betreibe, die diese Kriege entsprechend führen würden, erscheint zumindest übereilt. Eher erscheint plausibel, dass erst die Invasion einen stärkeren Rückhalt für islamisch-fundamentalistische Gruppierungen geschaffen hat, da der Diktator selbst und sein Regime säkular waren (Werner 2011, S. 433).

 

4.3 Kriegsaffirmative Einstellung

 

Ein autoritäres oder totalitäres Regime ist einfacher in der Lage einen Krieg zu planen, geheim zu halten und im Falle eines Falles schneller zu reagieren als eine Demokratie, mit ihren transparenten und weitgehend inklusiven Entscheidungssystemen (dazu z.B. Geis/Brock/Müller 2007, S. 77). Dies ist eine verbreitete allgemein gehaltene Erklärung zur grundsätzlich kriegsgeneigteren Einstellung solcher Regime, salopp formuliert: „weil es einfacher durchführbar ist“.

 

Eine kriegsgeneigte Einstellung durch das irakische Regime wurde dann auch mit den in der Vergangenheit geführten Kriegen begründet (s.o.). Diese zeigten einen grundsätzlich kriegsbefürwortenden Saddam Hussein (Bush 2002c). Natürlich ist es absolut plausibel, dass ein Diktator der so blutig und lang an der Macht geblieben ist, wie Saddam Hussein, ein großes Maß an Brutalität und Gewaltbilligung mindestens tolerieren muss. Es gibt allerdings auch noch weitere Erklärungen für diese Kriege, die nicht von der Hand zu weisen sind. Mearsheimer und Walt zum Beispiel erklären diese Kriege damit, dass „der Irak verwundbar war und er [Hussein, M.G.] seine Ziele für schwach und isoliert hielt. In beiden Fällen bestand seine Absicht darin, das strategische Dilemma des Irak mit einem begrenzten militärischen Sieg zu korrigieren.“ (2003, S. 297). Also scheinen eher konkrete historische Gründe als eine grundsätzliche Kriegsneigung der Anlass gewesen zu sein[9].

 

Der Irak des Saddam Hussein hatte in Kriegen bereits Massenvernichtungswaffen gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt (Bush 2002a). Daher schien es einfach und folgerichtig, dass er diese auch immer noch besitzen und einsetzen werde. Präsident Bush selbst legte der UN Vollversammlung (vermeintliche) Beweise dafür vor, dass der Irak auch weiterhin Massenvernichtungswaffen besitze und an weiteren (atomare Bewaffnung) forsche (Bush 2002c). Dies sei ein Indiz dafür, dass der Irak nicht die friedliche Koexistenz in seiner Region suche, sondern auf Expansion und kriegerische Auseinandersetzungen setze. Er zeichnete auch das Bild, dass es möglich sei, dass das Iraker Regime diese Waffen vielleicht an Terrorgruppen weitergeben wolle und damit einen noch größeren „Horror“ als die Anschläge vom 11. September 2001 heraufbeschwören wolle (Bush 2002c). Ach hier betonte die US-Regierung den grundsätzlich „bösen“ und nicht eindämmbaren Charakter des Hussein-Regimes, mit der einzigen Lösung, dass es gestürzt werden müsse (Bush 2002c).

 

5. Schlussbemerkungen: „Schurkenstaat“ vs. ideale Demokratie?

 

Die Ausführungen der vorgenannten Punkte sollten einen Einblick in die Theorie des Demokratischen Friedens und der Funktionslogik leisten. Einige erste Hinweise auf das „Funktionieren“ des monadischen und des dyadischen Ansatzes dieser Theorie wurde hoffentlich ausreichend dargelegt. Dabei sollte klar geworden sein, dass beide Ansätze nicht grundsätzlich konträr zu einander stehen, da sie z.T. auf gleichen Grundlagen fußen. Auch wenn dem dyadischen Ansatz an dieser Stelle mehr Erklärungskraft zugeschrieben wird, da er die Ambivalenzen von außenpolitischem Verhalten von Demokratien besser zu erklären vermag.

 

Die liberale Theorie in den Internationalen Beziehungen hat eine große Anhängerschaft aber auch große und fundamentale Kritiken erfahren. Die hier verwandte Theorie des Demokratischen Friedens als Teil der liberalen „Theorie-Familie“ scheint große Erklärungskraft dahingehend zu besitzen, dass sie plausibel macht, dass Demokratien untereinander keine (zumindest zwischenstaaltichen) Kriege mehr führen. Insofern ist eine friedensgeneigte Wirkung zu erkennen. Die in dieser Arbeit vertretene Argumentation sollte deutlich gemacht haben, dass der dyadische Ansatz der Theorie überzeugendere Argumente hat, als der monadische Ansatz. Es ist keine generelle Tendenz zur Friedfertigkeit von Demokratien erkennbar, sondern eher eine Abhängigkeit vom Interaktionspartner.

 

Ein unter Punkt 3.3 diskutiertes „demokratisches Selbstbewusstsein“ als interventionistisch veranlagtes „Besserwissen“ wird hier als besonders diskussionswürdig und in Teilen auch gefährlich angesehen. Eine standartmäßige Übernahme in die Praxis der Außenpolitik ist seit langem erfolgt und führte und führt dazu, dass eine Feindbildkonstruktion wie sie am Beispiel Irak skizziert wurde, moralisch leichter rechtfertigbar ist. Nun soll an dieser Stelle noch einmal deutlich hervorgehoben werden, dass es hier nicht um die Verunglimpfung von autokratischen oder totalitären Regimen geht. Oder die Errungenschaften eines demokratisch verfassten Staates in Abrede gestellt werden soll. Ganz im Gegenteil, eine plurale Demokratie, die konsensuale und friedliche Problemlösung durchaus als einige ihrer Stärken ausweisen kann, sollte aber auch im Umgang mit „Schurkenstaaten“ ihren Überzeugungen treu bleiben.

 

Zurückkommend auf die Ausgangsfrage wie nicht-friedliches Verhalten von Demokratien zu erklären ist, zeigt sich, dass das Verhalten und die Interaktion eines nicht-demokratischen Staates mit seiner Umwelt eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt. Ohne die Terroranschläge vom 11. September 2001 wäre eine Kriegsrhetorik gegenüber dem Irak wesentlich schwieriger gewesen. Allerdings haben die Ausführungen auch gezeigt, dass es systemimmanente Ansatzpunkte gibt, die ein nicht-friedliches Verhalten von Demokratien gegenüber Nicht-Demokratien untermauern. Ausgeklammert wurde in dieser Arbeit auch weitestgehend ökonomische Interessen und Interdependenzen die sicherlich auch eine weitere nicht zu unterschätzende Rolle spielen dürften, ohne dass der Ansicht recht gegeben werden soll, die den entscheidenden und fast ausschließlichen Anreiz in jenen Gründen sieht (vgl. bspw. Jackson 2013, S. 368ff.).

 

Feindbilder wie sie in Kriegsrhetoriken verwendet werden, scheinen empirisch häufiger zu werden (vgl. Daten bei Geis/Müller/Schörnig 2010, S.188), dieser Aspekt und die Verbreitung durch die Massenmedien und der Einfluss von sozialen Netzwerken scheint hier ein ausbaufähiges Forschungsfeld zu sein.

 

Der Irakkrieg 2003 ist wohl auch einem spezifischen amerikanischen Selbstverständnis in der internationalen Staatenwelt geschuldet[10], welches die einzige verbliebene Supermacht in diesem Kontext versuchte auszubauen. Kritische Stimmen nicht nur der Kriegsgegner zu der Entwicklung des Irak bis in die heutige Zeit scheinen diesen Anspruch nicht ohne weiteres zu untermauern.Toby Dodge bemerkt dazu: „The Bush Doctrine and the subsequent invasion of Iraq stand as a stark warning to future American presidents developing policy fort he Middle East.“(2008, S. 234). Die Zukunft wird zeigen, in wie fern dieser „Warnung“ Rechnung getragen wird.

 

Als das vielleicht gefährlichste an einer Dichotomisierung von Schurkenstaat vs. Demokratie scheint hier eher eine neue „Blockstaaten-Mentalität“ zu erzeugen, die in die „gute, liberale westliche Welt“ und die „böse, autoritäre, islamische Welt“ teilt. Diese eher normative Begründung dürfte in Zukunft nur weitere militärische und terroristische Auseinandersetzungen erzeugen. Eine übermäßige Erhöhung der friedliebenden Demokratie, die es in der ganzen Welt durchzusetzen gilt, in Verbindung mit einer immer wieder geschürten Feinbildkonstruktion dürfte eine nicht gerade befriedende Wirkung haben. Zumindest nicht, wenn sie nicht per Überzeugung sondern durch Oktroyierung in einem Staat etabliert werden soll.

 

6. Literaturverzeichnis

 

Aburish, Said K. 2000. Saddam Hussein. The Politics of Revenge. New York/London: Bloomsbury.

 

Bibby, John F. 1995. Governin by Consent. An Introduction to American Politics. Washington D.C.: Congressional Quarterly Inc.

 

Brock, Lothar und Harald Müller. O.J. Ursachen der wechselnden Beteiligung demokratischer Staaten an Kriegen seit 1990. Arbeitspapier des Kernprojektes IV/1. Frankfurt am Main: Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung.http://www.hsfk.de/downloads/Kernprojekt_IV-1.pdf. Zugriffsdatum: 29.08.2014.

 

Bush, Georg W. 2001.Address to a Joint Session of Congress and the American People20.09.2001.Washington D.C. http://georgewbush-whitehouse.archives.gov/news/releases/2001/09/20010920-8.html. Zugriffsdatum: 24.09.2014.

 

Bush, Georg W. 2002a. The President’s State of the Union Address 29.01.2002.Washington D.C. http://georgewbush-whitehouse.archives.gov/news/releases/2002/01/20020129-11.html. Zugriffsdatum: 24.09.2014.