Fritz und Jojo und das Geheimnis der Familie Rauch - Edburgh Hölig - E-Book

Fritz und Jojo und das Geheimnis der Familie Rauch E-Book

Edburgh Hölig

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Beschreibung

Jojo und Fritz treffen am Bodensee in einem Surfcamp aufeinander. Beide sind rothaarig und haben wilde Locken. Die beiden verstehen sich von Anfang an sehr gut und so entdeckt Fritz, dass Jojo und sein kleiner Bruder eine gemeinsame Anomalie haben. Fritz' Vater ist Biologe, Jojos Arzt. So wissen sie, dass diese Anomalie vererbbar ist. Von nun an suchen sie ihre gemeinsamen Wurzeln, wobei nicht sicher ist, dass diese existieren. Es kann auch alles nur Zufall sein. Ihre Suche führt sie bis in das Jahr 1946. Durch Erinnerungsrückblenden der noch lebenden Zeitzeugen werden die Jahre um 1946 und die Sechzigerjahre, die die Urgroßeltern und Großeltern geprägt hatten, lebendig. Verleugnen, verdrängen, nicht vergessen - aber nicht handeln - und welche Folgen das im Leben der Vorfahren hatte, zeigt sich bis zum Schluss. Gleichzeitig erfahren die LeserInnen von einer Zeit, die für sie für scheinbar weit weg ist, die aber ähnliche Schicksale nach sich zog, wie jede Kriegs-und Nachkriegszeit sie hervorbringt.

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Seitenzahl: 198

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Für Freyja, Jakob, Leefke und Moritz

Dies ist ein Roman, alle Personen und viele Orte sowie die Handlung sind frei erfunden. Das bedeutet nicht, dass es nicht so oder ähnlich hätte sein können..

Die wichtigsten Personen:

Jojo lebt mit ihren Eltern in Kehl am Rhein, ihre Mutter ist Französin aus der Bretagne. Dort verbringt sie einen Teil der Ferien bei Großmutter und der französischen Familie.

Fritz lebt bei Stuttgart, aber sein Onkel führt in Hagnau den Obsthof der Urgroßeltern und Großeltern weiter und dort ist Fritz am allerliebsten. Er sieht sich als zukünftigen Obstbauern und hilft in den Ferien kräftig mit.

Simone ist Jojos Großtante. Sie wohnt in Rastatt und besucht regelmäßig ihren Vater Friedrich in Baden-Baden. Friedrich ist Jojos Urgroßvater.

Carl ist Fritz' Großvater, er lebt nach dem Tod seiner Frau in der Toskana mit seiner Lebensgefährtin Vittoria.

Bastian ist der Patenonkel von Fritz. Er leitet das Surfcamp. Sein Sohn Hajo unterstützt ihn.

Rosel ist die hochbetagte Patentante von Opa Carl und lebt in Friedrichshafen im Pflegeheim.

Jule, Elke, Hanne, Georg, Claudius, Tom, Benno und Max sind neben Jule und Fritz im Surfcamp.

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

1

Sonntag, 1. August, mittags

Joséphine schaute noch einmal aus dem Zugfenster und sah ihren Eltern nach, die den Bahnsteig verließen. Sie ließ sich in den Sitz fallen und atmete auf. Das erste Mal, dass sie alleine in die Ferien fuhr und ihre Eltern waren aufgeregter als sie!

„Hast du auch wirklich alles eingepackt?“, hatte ihre Mutter zum gefühlten 100. Mal gefragt.

„Das werde ich sicher dann merken, wenn ich es brauche“, hatte sie entnervt geantwortet. Dabei hatte sie die Liste genau abgearbeitet, hatte sie noch ergänzt und war sich sicher, dass sie alles hatte, was sie brauchen würde.

Der Zug fuhr an und das „Abenteuer Surfcamp“, - wie sie es für sich nannte - am Bodensee konnte beginnen. Großmutter Odile hatte ihr die Reise zum Geburtstag geschenkt. Sie sagte immer, dass ihre Enkeltochter „mit Flossen und Schwimmhäuten“ auf die Welt gekommen sei. Nachdem sie nun seit fünf Jahren im Schwimmverein trainierte, sollte sie nach Ansicht von Odile auch surfen können. Joséphine fand die Idee einfach „super-Oma-mäßig“, vor allem, da sie damit nach 13 Jahren endlich einmal alleine verreisen durfte. Bei ihrer Großmutter Odile in Frankreich war sie zwar oft alleine in den Ferien gewesen, aber das war etwas ganz anderes! Jetzt würde sie mit neun anderen gleichaltrigen Jungen und Mädchen am Bodensee in einem Zeltcamp leben und surfen lernen.

Sie war total aufgeregt!

Der Zug fuhr durch den Schwarzwald und Joséphine schaute mehr aus dem Fenster als in ihr Buch. Sie dachte darüber nach, wie die anderen in der Surfgruppe wohl sein würden.

13 bis 15 Jahre alt sollten die anderen sein, sie war 13. Würde sie die jüngste sein? Würden sich die anderen schon kennen?

Was ihr aber am meisten Sorge bereitete, war die Frage, ob man sich wieder - wie so oft - über ihre leuchtend rote Lockenpracht lustig machen würde. Obwohl sie inzwischen nach außen die Coole spielte, ärgerte es sie immer wieder neu.

Irgendwann fielen ihr die Augen zu und sie schlief ein und fuhr erschrocken hoch, als der Zug wieder hielt. Aber sie war noch nicht in Konstanz, es dauerte noch 1 Stunde und dann musste sie umsteigen auf ein Bodenseeschiff, das sie dann nach Hagnau bringen würde.

„Tres chic“, hatte ihre Oma am Telefon ausgerufen. „Du machst eine Schiffsreise, um zu deinem Ziel zu kommen!“, und hatte gelacht. Aber das war einfach die günstigste Verbindung.

Sie war schon ein wenig verunsichert, wie sie vom Bahnhof zum Schiff kommen sollte, aber da musste sie wohl nur vom Bahnsteig gehen und zu der Anlegestelle wechseln.

Als sie nach einer Weile wieder aus dem Fenster blickte, sah sie den Bodensee. Sie wollte gerade aufspringen, um auszusteigen, als sie auf die Uhr sah und bemerkte, dass es noch nicht Konstanz sein konnte. Noch 16 Minuten. Sie spürte, wie ihr Herz schneller schlug. Es wurde ihr jetzt doch etwas mulmig bei dem Gedanken, ob sie das richtige Schiff finden würde.

Eine halbe Stunde später saß sie auf dem Oberdeck des Schiffs. Alles hatte sie problemlos gefunden. Sie schaute auf das Ufer und den See und freute sich, dass die Reise bald zu Ende war und der nächste Teil des „Abenteuerurlaubs“ begann.

Zur selben Zeit fanden sich auf dem Zeltplatz in Hagnau die ersten Teilnehmer des Surfcamps ein.

Als Joséphine am Anleger in Hagnau eintraf, stand ein kleiner Bus mit dem Logo der Surfschule auf dem Parkplatz. Sie ging zu ihm hin und ein braun gebrannter Junge begrüßte sie.

„Bist du Joséphine?“, fragte er sie.

Joséphine nickte und er nahm ihr die große Reisetasche ab, warf sie mit Schwung in den Kofferraum und ließ sie einsteigen. Er schaute in den Rückspiegel, lachte sie an und sagte:

„Ich bin Hajo. Ich wünsche dir eine wunderbare Woche bei uns im Camp!“

„Danke! Guten Tag.“

Wenige Minuten später kamen sie am Campingplatz an und er brachte sie zu dem Platz, an dem sechs kleine Zelte und ein großes beieinanderstanden.

„Stell deine Tasche einfach mal ins große Zelt, die kleinen Zelte verteilen wir dann nachher, wenn alle da sind.“

Joséphine schaute sich um, zwei Jungen und ein Mädchen standen beieinander und unterhielten sich. Es gab viel zu lachen und Joséphine schlenderte zu der Gruppe.

„Hey, ich bin Jojo.“

Die drei drehten sich um und sahen sie an. Jojo merkte, wie sie unsicher wurde. Musterten sie jetzt ihre Frisur? Aber schon sagte das Mädchen: „Hallo, ich bin Jule“.

„Ich bin Tom“, „Und ich bin Claudius“, ergänzten die Jungen.

„Na, die scheinen ja schon mal ganz nett zu sein“, dachte Jojo.

„Wo kommst du her?“, wollte Jule wissen und schob sofort hinterher: „Ich komme aus Ravensburg, Claudius aus Heilbronn und Tom ganz weit weg aus Bonn am Rhein“.

Jojo lachte: „Ich komme auch vom Rhein, vom Oberrhein, aus Kehl.“

Während sie zusammenstanden und sich weiter gegenseitig erzählten, wer sie waren, in welche Klasse sie gingen, kam Hajo mit weiteren drei Jugendlichen über den Platz: zwei Mädchen und ein Junge. Hinter ihnen schleppten zwei Jungen große Rucksäcke und kamen keuchend an.

„Sind wir hier richtig im Surfcamp?“

„Ja, goldrichtig!“, rief Hajo ihnen zu. „Kommt her, jetzt gibt es erst mal etwas zu trinken!“

„Sind wir jetzt schon alle da?“, wollte Jule wissen.

„Nein, einer fehlt noch, aber der hat eine besonders lange Anreise: er kommt direkt aus Hagnau“, gab Hajo grinsend zur Antwort.

Im großen Zelt standen Tische und Stühle und es waren Getränke bereitgestellt, alle nahmen sich davon. Als sich Jojo mit dem Glas in der Hand umdrehte, dachte sie zu träumen.

Im Zelteingang stand ein Junge mit feuerroten Haaren, die in wilden Locken sein Gesicht umrahmten. Er sah sie genauso verwundert an, dann ging er zu der Ecke, in der alle ihr Gepäck abgestellt hatten. Er ließ lässig seinen Rucksack von den Schultern gleiten und ging zu der Gruppe hin.

„Hallo miteinander, ich bin der Fritz“, rief er fröhlich.

Alle drehten sich zu ihm um und dann gingen die Blicke zwischen Jojo und ihm hin und her.

„Und nein,“ sagte er weiter, „das“, er zeigte auf Jojo, „ist nicht meine Schwester und nicht meine Cousine. Ich kenne sie nicht. Aber ich freue mich, dich kennenzulernen!“ Sprach es, ging auf Jojo zu, reichte ihr die Hand, verbeugte sich und lachte sie an. Jojo nahm die Hand, machte einen Knicks und sah ihn an.

„Angenehm, Jojo“, sie prusteten beide los. Das würde lustig werden, dachten Jojo und Fritz gleichzeitig.

In diesem Augenblick kam ein Mann ins Zelt und klatschte in die Hände.

„So, jetzt sind wir vollzählig. Fritz hat die weite Reise nun auch geschafft, da können wir loslegen. Ich bin Bastian, meinen Sohn Hajo habt ihr ja schon kennengelernt. Nun wollen wir erst einmal eine kurze Vorstellungsrunde machen.“

Er schaute alle der Reihe nach an, und als er Jojo ansah, die neben Fritz stand, stutzte er.

„Kennt ihr euch?“, fragte er.

Beide schüttelten den Kopf, doch dann rief Jojo: „Ja, jetzt kennen wir uns!“ Alle lachten.

„Dann fangen wir gleich mal bei dir an: Name, Alter, Hobbys, Wohnort und Schwimmabzeichen.“

„Ich bin Joséphine, mit Akzent auf dem e und ph und e am Ende, da das alles zu aufwendig ist: Jojo reicht.“

Wieder lachten alle. Jojo wurde immer sicherer, hier fühlte sie sich jetzt schon wohl. „Ich bin 13 Jahre alt, Hobbys: Schwimmen, Inlineskaten, Theaterspielen, Malen und Fotografieren. Ich habe das goldene Schwimmabzeichen. Ich wohne in Kehl am Rhein und komme in die siebte Klasse.“

„Dann mache ich gleich weiter, ich heiße Friedrich, genannt Fritz, bin 15 Jahre alt und komme in die neunte Klasse. Meine Hobbys sind Radfahren, Triathlon und Posaune. Ich habe auch das goldene Schwimmabzeichen und wohne in Heumaden bei Stuttgart.“ Er wandte sich dem Jungen zu, der neben ihm stand und sah ihn auffordernd an.

„Mein Name ist Claudius, ich komme aus Heilbronn, bin 14 Jahre alt und gehe in die achte Klasse. Meine Hobbys sind Schwimmen, Fechten und Singen. Ich habe auch das goldene Schwimmabzeichen. Vielleicht ist ab nächster Woche Surfen mein neues Hobby“, fügte er noch hinzu.

„Tom aus Bonn, 14 Jahre, achte Klasse, Schwimmen, Radfahren, Klettern, Gold“, ratterte Tom hinunter und nahm einen tiefen Schluck aus seinem Glas.

„Ich bin Jule, ich komme aus Ravensburg, gehe in die siebte Klasse und bin bis übermorgen zwölf Jahre alt. Meine Hobbys sind Reiten und Schwimmen. Ich habe erst das silberne Schwimmabzeichen.“

„Juhu, dann können wir übermorgen gleich feiern!“, rief Tom.

„Übermorgen seid ihr sicher viel zu müde zum Feiern“, feixte Hajo, „weiter gehts“, forderte er das nächste Mädchen auf.

„Ich bin Elke aus Villingen, ich bin 14 Jahre alt, gehe in die achte Klasse und außer Schwimmen habe ich keine Hobbys. Vielleicht wird Windsurfen mein neues. Ja, und das silberne Schwimmabzeichen habe ich auch.“ Sie sah ihren rechten Nachbarn auffordernd an. „Nun du“.

„Georg haben mich meine Eltern getauft. Ich wohne in Tuttlingen, gehe in die achte Klasse, bin noch 14 Jahre alt - aber bloß keine falsche Vorfreude, ich werde erst in einem Monat 15. Meine Hobbys sind Bouldern, d. h. Wände hochklettern, Bergsteigen und Schwimmen. Ich habe das silberne Schwimmabzeichen. Nun bist du dran“, wandte er sich an seinen Nebenmann.

„Also ich bin Benno, ich komme aus Ulm, ich gehe in eine freie Schule. Da gibt es keine Klassen, aber ich gehe seit acht Jahren in diese Schule. Ich bin 14 Jahre alt und habe das silberne Schwimmabzeichen. Meine Hobbys sind Töpfern, Theaterspielen und Fotografieren.“ Er sah auffordernd zu den beiden hin, die sich noch nicht vorgestellt hatten.

Der Junge sah das Mädchen an und meinte dann: „Du zuerst“.

„Danke, ich bin Hannelore, aber die Lore habe ich zu Hause gelassen.“ Ein paar lachten, die anderen hatten gar nicht verstanden, was sie damit gemeint hatte.

„Ich lebe seit zwei Jahren mit meinen Eltern in Toronto in Kanada. Ich gehe dort in der deutschen Schule noch in die siebte Klasse. Im November werde ich 15, also keine Geburtstagsfete in der nächsten Woche“, sagte sie und schaute lachend in die Runde. „Meine Hobbys sind Fotografieren und Ballett, ein Schwimmabzeichen habe ich nicht, aber eine Bescheinigung der Schule über meine Schwimmleistungen.“ Sie blickte zu dem Jungen, der ihr den Vortritt gelassen hatte und forderte den auf: „Nun musst du dich uns auch noch vorstellen!“

„Ja, jetzt kann ich es nicht mehr verheimlichen. Max aus Schwäbisch Hall, ich bin der Älteste hier, da ich dieses Jahr noch 16 werde. Ich gehe in die neunte Klasse, meine Hobbys sind Filmen, Foto und Schülerzeitung. Früher war ich im Schwimmverein, deshalb habe ich auch das silberne Schwimmabzeichen.“

Bastian übernahm nun wieder. „Nachdem wir uns jetzt ein bisschen kennengelernt haben, darf jede und jeder von euch eine Karte ziehen, auf der eine Zahl steht. Wer dieselbe Zahl zieht, mit dem oder der dürft ihr das Zelt in den nächsten Tagen teilen. Die Mädchen ziehen die gelben Karten, die Jungen die grünen. Richtet euch in Ruhe ein, lernt euch noch ein bisschen kennen. Um 18 Uhr treffen wir uns wieder hier im Zelt zum Essen und für das Abendprogramm.“

Jojo und Jule hatten dasselbe Zelt gezogen und bekamen die Nummer 5 zugeteilt, Elke und Hanne zogen in die Nummer 3, Claudius und Fritz bezogen die Nummer 4, Georg und Tom die Nummer 2 und zuletzt hatten Max und Benno das Zelt Nummer 1 in Beschlag genommen.

Aus den Zelten drang geschäftiges Gemurmel und nach einiger Zeit kamen sie nacheinander wieder ins große Zelt, nahmen sich etwas zu trinken und erkundeten dann den Zeltplatz und das Ufer des Sees. Bisher blieben sie zusammen und es bildeten sich keine Grüppchen oder Pärchen. Man beschnupperte sich noch.

Jule fragte Max: „Was filmst du denn, machst du da richtige kleine Filme mit Ton und allem? Willst du mal Journalist werden? Du machst ja auch die Schülerzeitung?“

Er sah sie von oben herab an. „Ein anderes Mal, heute habe ich Ferien“, und ließ sie stehen.

„Arroganter Knallkopf!“, sagte sie leise, aber Jojo hatte es gehört.

„Nimm es ihm nicht übel, er hat ja ein bisschen recht, wir haben Ferien und Schülerzeitung ist nun mal auch Schule.“

„Ja“, gab Jule zurück. „Aber spannend finde ich es trotzdem, es ist so ganz anders als das, was wir anderen als Hobbys haben.“

„Warte mal ab, was du in drei Jahren machst, bei mir hat sich das auch schon geändert“, sagte Fritz, der sich ihnen angeschlossen hatte.

„Du wohnst doch gar nicht hier in Hagnau, aber Bastian sagte doch, dass du von hier kommst?“, fragte Jojo ihn.

„Nein, ich bin hier bei meinem Onkel und der Tante zu Besuch. Die haben hier einen großen Obsthof. Bastian und mein Vater sind Schulfreunde und Bastian ist mein Patenonkel - oder wie man hier sagt: mein Getti. Er hat mir den Kurs zum Geburtstag geschenkt.“

„Ich habe den Kurs von meiner Oma geschenkt bekommen“, erzählte Jojo.

„Mir hat den Kurs niemand extra geschenkt, meine Eltern surfen beide und meinten, es sei an der Zeit, dass ich das auch lerne“, sagte Jule.

Jojo schaute auf die Uhr, es war schon kurz vor sechs. Der See war in ein goldenes Licht getaucht und die Berge am gegenüberliegenden Ufer leuchteten rosa vor dem zartblauen Himmel. Es war ein fast kitschiges Bild. Sie schaute sich um und sah, dass sie alleine zurückgeblieben war. So lief sie rasch zurück zum Camp. Vor dem Zelt wartete Bastian auf sie.

„Na, dann können wir ja loslegen mit dem Essen. Hast du auch Hunger?“ Jojo nickte und ging ins Zelt. Jule und Fritz hatten ihr einen Platz zwischen sich freigehalten. Sie freute sich, als sie das sah. Fein, sie würden bestimmt die nächsten Tage ein Team werden.

„Bitte alle mal herhören!“, rief Bastian und die Gespräche verstummten. „Wir bekommen das Essen von einem Restaurant geliefert. Heute gibt es ganz einfach Spaghetti und Tomatensoße. Einmal als Bolognese mit Fleisch und einmal nur mit Tomatensoße. Der Nachtisch ist auch fleischlos“, setzte er lachend hinzu.

„Für die nächsten Tage bitte in der Liste, die am Getränketisch ausliegt, ankreuzen, was ihr essen wollt. Mittags werden wir immer nur einen Snack essen, da greift ihr dann vom Buffet, was ihr wollt. Frühstück gibt es auch vom Buffet. Für jeden Tag brauchen wir einen Küchendienst, zwei Personen, immer jeweils eine Zeltbelegung. Die Aufgabe ist, für jede Mahlzeit die Kisten mit dem Essen auszupacken, auf dem Buffet anzurichten und abends jeweils direkt auszugeben. Bitte nehmt euch selbst Besteck und Gläser und bringt sie auch wieder mit den benutzten Tellern zum Küchenwagen zurück. Zelt eins fängt an und dann die anderen an den folgenden Tagen. Wer ist in Zelt eins?“ Benno und Max meldeten sich.

„Ihr macht dann bitte heute Abend, morgen beim Frühstück und mittags Dienst.“

Als die Kisten mit dem Essen wenige Minuten später angeliefert wurden, hatten sich alle schon Besteck gegriffen und standen brav in der Schlange, um sich das Essen zu holen. Jojo fragte Jule: „Mit Fleisch?“

„Aber ja doch“, lachte Jule, „ich muss doch noch wachsen! Und Du Fritz?“

„Och, mir ist das gleich, Hauptsache es schmeckt. Das Essen wird sicher lecker sein. Der Koch kann sehr gut kochen, ihm macht das Spaß, für uns zu kochen, hat er gesagt. Ich kenne ihn, er ist ein Freund meiner Eltern.“

Als sie an der Reihe waren, nahmen sie eine große Portion Spaghetti und Sauce Bolognese dazu und gingen zurück auf die Plätze. Es herrschte plötzlich Stille im Zelt, nur das Klappern des Bestecks war zu hören.

„Gefräßige Stille, würde mein großer Bruder sagen“, flüsterte Jule. „Mit vollem Munde spricht man nicht, sagt meine Oma“, flüsterte Fritz zurück und zwinkerte ihr zu.

Als alle ihren Nachtisch beendet hatten, bat Bastian noch einmal um Gehör. „Ihr hattet ja bei der Anmeldung alle eure Schuhgröße, eure Körpergröße und euer Gewicht angegeben. Damit konnten wir für euch die Neoprenanzüge und die Schuhe aussuchen. Damit wir morgen gleich loslegen können, probiert ihr sie heute Abend noch an und wenn sie nicht passen, können wir noch die Teile austauschen.

Vorher aber noch einige grundlegende Bemerkungen zu unserer gemeinsamen Woche. Morgen früh vor dem Frühstück sammle ich eure Mobilteile ein. Nach dem Abendessen bekommt ihr sie wieder bis zum nächsten Morgen. Ich möchte, dass ihr miteinander von Angesicht zu Angesicht kommuniziert und den Tag über sollt ihr in der Gruppe sein und nicht in irgendwelchen Chats. Das hatte ich so schon bei der Anmeldung geschrieben.

Es mag autoritär klingen, aber ich bin in den nächsten Tagen für euch verantwortlich. Deshalb habt ihr meinen Anweisungen unbedingt Folge zu leisten. Wenn ich sage: bis zur ersten Boje, dann meine ich das so! Wer meint, dass er oder sie es besser weiß, darf gerne nach Hause fahren!

Wer das Camp verlässt, meldet sich bitte auf der Tafel mit Uhrzeit ab. Um 21:30 Uhr sind alle wieder hier im Camp zurück! Alkohol und Drogen haben beim Sport nichts verloren, wen ich damit antreffe, schicke ich nach Hause.

Nachtruhe ist auf dem gesamten Zeltplatz von 22 bis 7 Uhr, das gilt auch für uns.

Wecken ist um 7 Uhr, Frühstück um viertel vor acht bis halb neun, dann gehen wir den sportlichen Teil des Tages an.

Genug der Ansage, eure Ausrüstung liegt hinten im Zelt mit Namen versehen. Probiert sie an und dann schau ich mir an, ob es passt.“

Während Bastian seine Ansage machte, hatten Fritz und Jojo sich immer wieder angeschaut und ab und zu Grimassen geschnitten. Jule hatte gebannt zugehört, während die anderen sich auch ab und zu kopfschüttelnd angesehen hatten. Als sie nun nach hinten ins Zelt schlenderten, murmelte Max vor sich hin: „Bin ich hier im Kindergarten gelandet?“ Claudius, der neben ihm lief, gab leise zur Antwort: „Alles nicht so wild, wir sind ja zum Surfen hier“.

Als alle ihre Neoprenanzüge gefunden hatten, begann das Anziehen mit Ziehen und Verrenkungen und Lachanfällen. Bastian lief von einem zum anderen und half beim Reißverschluss schließen, fragte nach, ob es nicht irgendwo zwickte, ließ sie sich hinhocken und die Beine anwinkeln. Bei allen saß der Anzug perfekt. So konnten sie ihn auch wieder ausziehen. Das war beim ersten Mal ebenso mühsam wie das Anziehen und es gab wieder viel Gelächter. Vor allem als Jojo mit einem Bein im Anzug steckend das Gleichgewicht verlor und rückwärts auf die Kiste mit weiteren Anzügen fiel. Fritz half ihr auf. „Hast du dir wehgetan?“, fragte er besorgt. Sie lachte aber nur und setzte sich auf den Boden, um das Bein aus dem Anzug zu ziehen.

Bastian klatschte in die Hände. „Holt euch was Warmes anzuziehen. Wir gehen gleich noch am See entlang zur Anlegestelle, da gibt es ein Eis zum Abschluss des Tages.“

Langsam gingen sie am See entlang. Die Dämmerung hatte die Wasseroberfläche in ein Stahlgrau getaucht, und im Westen waren an den Wolkenrändern noch ein paar Lichtstreifen zu erkennen.

„Der Himmel ist hier so ganz anders als bei uns zu Hause“, sagte Jojo, die wieder mit Jule und Fritz ging. „Ob das durch das Wasser und die Berge kommt?“

Hanne, die direkt hinter ihnen ging, sagte: „Das ist wohl das Wasser. An den großen Seen ist es ähnlich und ich finde am Meer doch auch. Fotografierst du auch, dass dir das auffällt, Jojo?“

„Ja, du auch?“, gab Jojo zurück.

„Dafür höre ich die unterschiedlichen Töne der Wasservögel, ääätsch!“, kam von Fritz, der ein bisschen beleidigt war, dass Jojo sich nicht mit ihm unterhielt.

„Wer war das noch mit dem Singen?“, fragte Jule laut, damit alle es hören sollten.

Claudius rief zurück: „Ich, warum?“

„Fritz möchte sich über die Tonarten der Nachtlaute unterhalten.“

„Ist ganz klar A Moll“, gab Claudius kurz zur Antwort. Fritz lachte laut auf und blieb stehen, um auf ihn zu warten. Sie flüstern leise miteinander und schon fingen die beiden an zu singen: „Heute ist ein Fest bei den Fröschen am See, Ball und Konzert und ein großes Diner“. Erst fielen Tom und Elke ein, dann sangen alle lauthals mit - bis auf Max.

„Oh, ich habe diesmal eine musikalische Surfergruppe!“, rief Bastian und sang ebenfalls mit.

Im Ort angekommen ließen sie sich das Eis schmecken und gingen langsam zurück. Als der Mond über dem See sichtbar wurde, stimmte Claudius leise an: „Der Mond ist aufgegangen.“

Am Zeltplatz bat Bastian um Ruhe und verabschiedete sich für die Nacht. „Vergesst nichts in den Waschräumen, die werden frühmorgens geputzt und alles, was rumsteht, fliegt weg,“ ermahnte er sie noch, bevor er sich mit einem „Gute Nacht miteinander!“, in sein Zelt zurückzog.

Als Jojo auf dem Feldbett lag und an den ersten Tag zurückdachte, war sie zufrieden. Die Gruppe war sehr nett und Jule ganz besonders. Aber sie hatte sie bisher auch am besten kennengelernt. Nun, und Fritz. Fritz, dachte sie, er war ihr unglaublich sympathisch. Er hatte so gar nicht das Jungen-Mädchen-Spiel drauf. Er alberte mit Mädchen genauso rum wie mit den Jungen. Dass sie beide die gleichen roten Locken hatten, war schon bemerkenswert. Sie hatte bisher noch niemanden außer ihrem Vater und ihrem Großvater kennengelernt, der einen so roten Haarschopf hatte. Ob die Haare ihres Urgroßvaters früher auch so rot waren? Solange sie denken konnte, waren sie ganz weiß, aber lockig waren sie immer noch.

Im Nachbarzelt lag Fritz auch noch wach und ihm gingen ähnliche Gedanken durch den Kopf. In seiner Familie hatten nur sein Vater und Großvater rote Haare. Sein Vater hatte ihm vor einiger Zeit erklärt, dass man ein Rothaar-Gen besitzen müsse und selbst dann war es nicht sicher, rothaarig zu werden. In seiner Schule gab es zwei rothaarige Mädchen, Schwestern, aber die hatten ein ganz anderes Rot als er - und Jojo. Zu ihr passten die Locken, die Sommersprossen und die Farbe. Er fand sie richtig nett, sie lachte gerne und mit ihren passenden Bemerkungen traf sie immer ins Schwarze. Sie beobachtete sehr gut. Was waren noch ihre Hobbys gewesen? Theaterspielen, daran erinnerte er sich noch. Morgen wollte er sie noch mal fragen. Für ihn stand jetzt schon fest, dass sie seine Ferienfreundin werden würde.

2

Montag, 2. August, Hagnau

Pünktlich um 7:00 Uhr steckte Bastian seinen Kopf in die Zelte und wünschte „Guten Morgen“!

Alle trotteten mehr oder weniger munter zu den Waschräumen. Benno und Max beeilten sich, damit sie rechtzeitig das Frühstücksbuffet richten konnten. Bald saßen alle am Tisch nachdem sie sich das Frühstück zusammengestellt hatten. Als der Tisch dann wieder abgeräumt war, bat Bastian um Aufmerksamkeit.