Frohburg - Guntram Vesper - E-Book

Frohburg E-Book

Guntram Vesper

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Beschreibung

Preis der Leipziger Buchmesse 2016 in der Kategorie Belletristik Frohburg ist ohne Zweifel das opus magnum von Guntram Vesper, zugleich für den Autor der Ausgangspunkt von allem: Der Ort seiner Geburt 1941, Jugend, Aufwachsen und Erwachen, die Flucht der Familie 1957, das umliegende Land die Folie der Geschichtsbetrachtung einer deutschen Epoche. Hier werden ein Land und eine Zeit gültig festgehalten, Kultur und Politik, Krieg und Nachkrieg, ein umfassendes, großartiges Portrait deutschen Lebens im zwanzigsten Jahrhundert;ein gewaltiges Prosawerk, das neben die großen Bücher von Peter Kurzeck, Walter Kempowski und Uwe Johnson zu stellen ist. Frohburg ist ein Füllhorn an Geschichten, zumeist aus eigenem Erleben grundiert, eine große autobiographische Erzählung, ein Welt-Buch im Überschaubaren, ein Geschichts- und Geschichtenpanorama, wie wir schon lange keines hatten.

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EPUB
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Seitenzahl: 1522

Veröffentlichungsjahr: 2016

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Inhalt

[Cover]

Titel

Widmung

Frohburg

Autorenporträt

Über das Buch

Impressum

»Für etwaige Zweifler also sei es Roman!«Theodor Fontane

Möbel. Zimmerwände. Tür. Der lange schmale Korridor. Braunes Linoleum. Halbdunkel. Widerhall der Schritte.

Die Steintreppe abwärts. Unten Eingangshalle. Der Quergang. Rechts die Küche, links das Restaurant. Weißgefleckt der Hund des Gastwirts, Dreibein, blind, nach allen Seiten horchend, schnuppernd, nach allen Seiten schnappend. Der Hund hieß Hink, der Gastwirt Kuntz, die Leute sagten Hink und Kuntz. In der Post, so die Säufer, kriegst du von Hink und Kuntz dein Bier. Eines Tages verschwunden der Kuntz, verschwunden der Hink und auch die restliche Familie. Fluchtpunkt Schwarzwald. Dort ging der Köter ein. Aus Heimweh, schrieb Frau Kuntz nach Frohburg. In der vertrauten engen Post hat er jede Ecke, jedes Zentimeterchen gekannt, im großen Schwarzwald nichts. Mutter las das Vater vor und drückte die Augen raus: Siehste.

Der Posthof hinten. Laderampe. Fässerluke. Waschhaus. Hasenställe.

Schuppen für Feuerholz, Briketts, Handwagen, Benzinkanister, Fahrräder. In der Remise das rote Paketauto. Jeden Werktag früh halb sechs den Kellerberg hinauf zum Bahnhof, lautlos fast, nur leise surrend, an den Zug aus Leipzig, dann durch die Stadt von Haus zu Haus. Akkuantrieb, Gleichrichter, Ladekabel. Aus dem braunen Olympiajahr.

Torweg: Weg ins Leben, auf die Thälmannstraße.

Um die Ecke unser ganzer Stolz, der weite Markt. Dreiunddreißig, 1. Mai, Festtagsfoto. Weiß Gott ein Fahnenmeer. Jede Bahn schwarzweiß und rot bei Braunsberg aus den Druckmaschinen. Bis in die letzte Ecke gefüllt der große Platz mit Uniformen, Arbeitsmänteln, weißen Kitteln. Im Vordergrund, mit dem Vergrößerungsglas entdeckt, Mutter, einundzwanzig, Krimmermantel, unterm Arm ein Buch, Der Graf von Monte Christo, wie ich später hörte. Vergingen zwanzig Jahre, dann neuer Auftrieb, Nuschke kam, der alte Mann aus der Regierung. Am 17. Juni nach Westberlin verbracht, anderntags zurückgekehrt aus Amischutzhaft, jetzt zur Belohnung Ehrenbürger, Spalierstehen auf der Rathaustreppe, Klatschen. Unsere ureigene Sache, unser eigentliches Ding: die endlos langen Sommerabende. Fußball. Räuber und Gendarm, Versteckspiel, renn ums Leben, sonst abgeschlagen, ausgeschieden, rausgenommen, zu den Toten. In den Auguststaub klopfende Igelitsandalen, hallende Rufe, spitze Schreie, Grölen, Quieken, zurückgeworfen vom dämmergrauen Geviert der Häuserreihen. Geschiebe, Geschubse, Gezerre, Gerangel, bei zunehmender Dunkelheit, gemeint die Mädchen, wer sonst.

Brückengasse. Wyhrabrücke. Gußeisenkonstruktion aus Cainsdorf, Königin-Marien-Hütte. Unter jedem Laster Zittern, Beben, Schwingen. Auch bei Hochwasser und Eisgang: Treibgut Balken, Schollenstoß.

Töpferplatz. Die Maulbeerhecke. Eßbar oder. Drei Trittstufen zur Schöpfe. Der alte Bürstenmacher Prause bis zum Knie im seichten Fluß: Auf Wiedersehn, du schöne Welt. Von der Tochter zurückgeschleppt ins Haus und eingeschlossen, warum auch nicht, muß sein. Lindenreihe. In den Hundstagswochen, vor Gewittern schwarzrotes Gewimmel der Franzosenkäfer. Greifenhainer Straße.

Die Großeltern. Nach dem großen Brand am Markt das Haus am Fluß gekauft. Dort ich geboren.

Rechts vom Eingang Tierarztzimmer. Vitrine. Ausgekochte bleiche Schädel von Marder, Dachs und Katze. War das gleich nach dem Krieg in deinen Töpfen, Oma. Im Arzneiregal die Tüte mit dem weißen Pulver. Um Gottes Willen, Kinder, schon aufgewehter Staub kann tödlich sein. Gekreuzte Knochen, Totenkopf. Arsen.

Auf der anderen, der linken Hausflurseite die Schlesier, von den Russen, den Polen herausgedrückt, angeweht von der Vertreibung, ins Erdgeschoß hineingepreßt, Leibigs, fünf Personen, eng an eng. Den neuen Fahrradschlauch geklaut. Wer sonst.

Im ersten Stock Wohnstube. Großvater, auf den Stuhl neben dem Klavier gestiegen, zog jeden Tag die Wanduhr auf, mit neunundachtzig noch. Westminsterschlag. Undenkbar eine volle Stunde ohne. Eßzimmer. An der hinteren Wand die Jugendstilumbauung des Sofas mit Regal. Dort der Brehm im Großformat, zehn Bände, Chromlithos unter Seidenpapier, und Meyers großes Lexikon von 1906, mit bunten Tafeln wie im Brehm, und dann noch dreißig, fünfunddreißig Klassiker, Novalis auch und Heine. Eine Tür weiter: Schlafraum. Das Ehebett. In dreizehn Jahren elf Geburten. Die Küche gegenüber. Unterm Fenster die Gußeisenwanne auf vier Füßen, abgedeckt, sonnabends der Badereigen aus acht, neun, manchmal zehn Personen, je drei im gleichen Wasser, Dampfschwaden zogen in den Korridor und in die Zimmer, Fenster auf, sonst setzt sich Schimmel fest.

Mansardenwohnung. Seit dem großen Umbau 1909. Als Urgroßvater zuzog, verwitwet, von Freiberg her, mit seinem Geld.

Oberboden. Schränke, Kommoden, Truhen. Vaters verbeulte Säbelmaske. Die Worte Paukboden, Schmiß, Mensur, wenn ich die Maske sonntags mit nach unten schleppte und durch das enge Gitter auf die gerasterte Kaffeerunde guckte. Ansichtskarten der Cousinen aus Böhmen, Protektorat genannt. Die Fahne. Eingerolltes Hakenkreuz. Kriegszeitschrift Signal, gebündelt, mit Blondschopfbildern, manche farbig, Heldenfotos, Kampfberichte, siegessicher Stalingrad gestürmt, noch kannte man die Namen der Berichterstatter nicht, Buchheim, Maegerlein und Nannen. Peter v. Zahn vielleicht, den ja, weil Ehefrau und Mutter in Frohburg wohnten, sein Stern ging später auf, NWDR, Reporter der Windrose, Verdienstkreuz am Band.

Die Aussicht aus der Bodenkammer. Einmalig fast, laut Großmutter. In alle Straßen, alle Gassen sahst du hinein. Rundblick auf die Umgebung.

Das Wyhraufer drüben. Holzgeländer. Rechts das Schützenhaus. Der Wirt ein Russenopfer ohne Spur. Vier riesige Kastanien. Die Festhalle am Eisenberg. Schützenkönig der Rentier Medelssohn. Neuerbaute Villa oberhalb des Kellerbergs. Drei Jahre später Großvater mit der Königskette.

Graben der Schloßmühle. Die Töchter des Müllers, ganz in Weiß, mit Hüten, im Kahn vorübertreibend. Traumgesicht an einem Sommerabend. Der Vater stand sich auch im Nachkrieg gut, er mahlte schwarz und zweigte ab, Selbstsucht muß nicht häßlich sein. Molchwiesen am Eisenberg. Durch die Tümpel waten, lauern, mit Teesieb und mit Einmachglas. Die beiden Männchen, hochzeitsbunte Kämme, im Aquarium. Alsbald verschwunden. Nach einem Monat vertrocknet unter meinem Bett, ein Daumennagel Dreck.

Baracke des Panzerkommandanten. Narbenzerfressenes Brandgesicht. Nicht hinsehn lieber.

Die Abfallgruben. Angekokelt Mein Kampf. Neben den Gruben der Bahndamm der Kohrenbahn. Die Italiener, die 1907 die Schienen legten. Tanz. Messerstechen. Wie vorausgesehen von Alleswissern. Alter Friedhof, neuer Friedhof. Kirchturm. Amtsgericht.

Schule. Stadtbücherei. Polizeistation. Der abgeknallte Karnickeldieb lag auf dem Pflaster in der Morgensonne, stundenlang. Eisdiele des wortkargen unrasierten Herrn Wanzig, genannt die Wanzsche. Zwei Kugeln für zehn Pfennig. Konnte den Kindern, war nicht schwer, die Groschen aus der Tasche hexen. Schreibwarenladen am Karlfranzberg. Heil Hitler, Karl Franz. Noch in der letzten Ortschronik vor dem Zusammenbruch. Naivling, sagte Vater. Dallmers Schnapsgeschäft. Auf dem Weg zur Konfirmandenstunde reingeschlüpft. Zwoachtzig für die Taschenflasche. Im Nachbarhaus im ersten Stock der SSD-Mann Mäser. Die Apotheke am Markt: Tablettenmaschine im Korridor, auf dem Hof Tretroller und Holländer mit Kurbelschwinge, man lenkte mit den Füßen. Pistole 08, ertastbar im hinteren spannhohen Dachwinkel der Gartenlaube. Der älteste Sohn Kinderlähmung. Starb. Vier weitere Kinder überlebten die Krankheit in der Stadt. Gasthof Roter Hirsch, im Obergeschoß das Kino, Frummser-Automat im Pissoir. Im Hochparterre nebenan der fehlgeformte Kleiderhändler Hallerfred, zwergenhaft nach vorn gebogen, Bechterew. Ein Männerfreund. Die jungen Fußballspieler unter seinem Fenster, jeden späten Nachmittag.

Arbeitsdienstbaracken im Wolfslückenweg, in Krieg und Nachkrieg bis in die hinterste Ecke vollgestopft, Zwangsarbeiter, Ausgebombte und Vertriebene, wild durcheinandergewürfelt, jeder erzählte eine andere Geschichte. Oder erzählte sie auch nicht. Alles aus dem gleichen Buch. Textildruckerei der Braunsbergbrüder. Mutter bis neununddreißig im Büro. Das Judenthema. Nach der Enteignung VEB Wäsche-Union Mittweida, Werk II. Sheddachhallen, Dreischichtbetrieb.

Pappenfabrik Wiesenmühle. Kollergänge stoßend, schlagend, mahlend rund um die Uhr. Karl May von Fehsenfeld im Altpapier. Hastig herausgefischt die dunkelgrünen Bände. Paß auf die Pfoten auf.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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