Frosthauch - Bente Mott - E-Book

Frosthauch E-Book

Bente Mott

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Beschreibung

Emsie merkt schnell, dass sie sich dieses Mal den falschen Gegner ausgesucht hat. Prinz Ferran von Chrandos scheint ein kalter und grausamer Mann zu sein, dem es überhaupt nicht passt, dass er von der jungen Frau im Schwertkampf besiegt wird. Zufall, Fluch und eine verwirrende Anziehung sorgen dafür, dass sich ihre Wege immer mehr ineinander verflechten und Emsie wird bald eins klar: Die Welt des Königssohns ist nicht ungefährlich - und Macht ist ein zweischneidiges Schwert, dass Menschen zu Monstern und Feinde zu Freunden werden lässt. Denn Gut und Böse gibt es nur im Märchen und unsere Monster erschaffen wir uns immer selbst. https://www.instagram.com/bente_mott/channel/ https://www.facebook.com/bente.mott.9/

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Seitenzahl: 247

Veröffentlichungsjahr: 2021

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»Wer geboren werden will, muss eine Welt zerstören.«

– Herman Hesse

Inhaltsverzeichnis

KAPITEL 1

KAPITEL 2

KAPITEL 3

KAPITEL 4

KAPITEL 5

KAPITEL 6

KAPITEL 7

KAPITEL 8

KAPITEL 9

KAPITEL 10

KAPITEL 11

KAPITEL 12

KAPITEL 13

KAPITEL 14

KAPITEL 15

KAPITEL 16

Erster Teil

KAPITEL 1

»Ich bin Emsie Frost.« Wann immer Emsie gezwungen wird, sich mit vollem Namen vorzustellen, sieht sie in dem Gesichtsausdruck ihres Gegenübers eine gewisse Irritation aufblitzen. Bei einem Familiennamen wie Frost erwartet man im Allgemeinen eher eine kühle, zarte Schönheit, die einem frischen Dezembermorgen gleicht. Aber Emsie ist das totale Gegenteil.

Ihr dunkelblondes Haar, das ihr zu einem Zopf geflochten über ihre linke Schulter fällt, sowie die braunen Augen und der sonnengebräunte Teint ihrer Haut, lassen den Mann vor ihr abschätzig die Nase rümpfen. Vielleicht liegt es aber auch an ihrer Kleidung. Für die Übungen auf dem Kampfplatz trägt die junge Frau die leichte Uniform eines Soldaten. Ihre Beine stecken in einer engen schwarzen Hose und über ihrem dunkelblauen Oberteil trägt sie ein silbernes Kettenhemd.

»Ich kenne keine Familie Frost. Und dich, habe ich hier überhaupt noch nie gesehen.« Der Mann überkreuzt ablehnend seine Arme vor der Brust. »Der Zutritt zum Übungsplatz ist nur Mitgliedern der Adelsfamilien gestattet.« Wie um seine Worte noch zu untermauern, zieht er sich dabei, lautstark schniefend, den Rotz wieder in die Nase zurück.

Emsie verzieht vor dem einschüchternden Soldaten keine Miene und mustert ihn stattdessen abschätzig. Dabei fällt ihr auf, in was für einem schlechten Zustand sich die Uniform des Aufsehers befindet. An vielen Stellen ist diese bereits geflickt worden und hat auch sonst schon deutlich bessere Tage gesehen. Er gehört wohl zu der ärmeren Adelsschicht. Wahrscheinlich ist der abgelegene Wachposten, den er durch seine niedrige Stellung innehat, nicht gerade dafür geeignet, schnell an Neuigkeiten zu kommen. Die junge Frau seufzt und bindet schließlich ihr Schwert von ihrer Hüfte los. Sie hält es dem Aufseher des Übungsplatzes vor die Nase. »Wir sind neu am Haus des Königs Chrandos. Mein Vater wurde erst kürzlich zum Schatzmeister des Königs ernannt und meine Mutter ist Sergeant Frost der dritten Einheit hier in Schwarzerden. Vielleicht hast du von ihr bereits gehört?«

Der Soldat schielt grübelnd auf das Wappen, das auf die Schwertscheide mit silbernen Fäden gestickt worden ist, dann wieder zu Emsie und dann wieder auf das Emblem in Form einer Schneeflocke. »Sergeant Frost?« Seine Augen weiten sich plötzlich. »Natürlich, jetzt fällt es mir wieder ein! Verzeiht, aber Ihr seht eurer Mutter nicht sehr ähnlich, oder?«

Emsie seufzt zum zweiten Mal an diesem Morgen und zuckt genervt mit den Achseln. Wie oft sie das schon gehört hatte! Im Gegensatz zu ihr passt der Familienname zu ihrer Mutter wie die Faust aufs Auge. Sie selbst kommt eher nach ihrem Vater, der aus dem sonnigen Süden von Dranzur stammt.

»Kann ich jetzt bitte durch?« Der Aufseher nickt stumm und macht ihr schließlich Platz.

»Fräulein Emsie! So wartet doch auf mich!«

Die junge Frau dreht sich um und erblickt ihre Zofe Lara, die schwitzend und außer Atem zu ihr aufschließt. Die ausladende Oberweite der drallen Frau hebt und senkt sich hektisch bei jedem Atemzug.

Emsie bindet sich das Schwert zurück an die Hüfte und überreicht der schwitzenden Frau genervt ihr Taschentuch. »Was ist schon dabei, wenn ich allein zum Übungsplatz gehe? Ich brauche niemanden, der auf mich aufpasst!«

Die Zofe nickt ihr dankend zu und wischt sich keuchend den Schweiß von der Stirn. »Aber euer Vater sagte zu mir ...«

»Ich weiß, was er gesagt hat! Ich stand dabei neben ihm. Aber was soll's, wenn Ihr nicht gehen wollt, dann bleibt eben und seht zu, wie ich mich etwas in der Schwertkunst übe.«

Gemeinsam betreten die beiden Frauen den Übungsplatz. Der Erdboden ist von dem Gewicht der vielen Übenden so dicht geworden, dass es sich anfühlt, als würde man auf Gestein laufen. Für das Training stehen Holzpfähle überall verteilt. Die meisten sind mit einer Vielzahl von alten und neuen Kerben übersät.

Während Emsie sich neugierig umsieht, kommt die Morgensonne hinter den Wolken hervor und taucht alles in ein helles Licht. Ein paar junge Burschen stehen sich bereits gegenüber und üben Paraden oder wärmen sich gemeinsam auf. Emsie spürt die Blicke der jungen Männer auf sich ruhen, als sie ebenfalls beginnt, ihre Gliedmaßen zu dehnen. In Zirondiil, ihrer Heimatstadt, ist es ganz normal, dass beide Geschlechter im Schwertkampf ausgebildet werden. Hier, in der konservativen Stadt des Königs, scheint das eher die Ausnahme zu sein. Schließlich sieht sie unter den Übenden keine einzige weitere Frau.

Vielleicht liegt es auch daran, dass Zirondiil an der Grenze zum Elfenreich liegt und daher unterschiedlichen Einflüssen unterlegen ist? Bei den Spitzohren gibt es keinerlei Geschlechtertrennung. Anscheinend sollen sie sogar gemeinsame Waschräume benutzen! Emsie muss bei dieser Vorstellung amüsiert grinsen. Ob das wirklich stimmt? Zumindest erzählt das ihr Bruder Kandell, der mit den Jahren ein gewisses Faible für das andere Volk entwickelt hat. Ihn hat der Umzug bei Weitem am schwersten getroffen. Wahrscheinlich liegt er immer noch schmollend zu Hause auf seinem Bett und liest wieder Bücher über das Elfengeschlecht, während er gleichzeitig versucht, Vater aus dem Weg zu gehen. Kandell ist gerade nicht gut auf ihn zu sprechen und ich kann es ihm nicht verdenken. Nur wegen Vaters neuer Anstellung am Hof des Königs, mussten wir nach Schwarzerden umziehen.

Ihr Bruder ist nur ein Jahr älter als sie und besucht jetzt die Akademie der arkanen Künste und Magie hier in der Hauptstadt. Vor zwei Jahren etwa, wurde bei ihm eine mittelprächtige Gabe festgestellt. Auf Kandells Drängen hin, erlaubte der Vater ihm die Ausbildung zum Magier in Zirondiil. Wahrscheinlich, so denkt Emsie, ist er froh, dass sein Sohn endlich einmal Interesse an etwas zeigt, dass nichts mit Elfen und ihren Geschichten zu tun hat.

Emsie beginnt ihr Training mit ein paar einfachen Pirouetten und schlägt mit ihrem Schwert dabei auf einen unsichtbaren Gegner vor ihr ein, als würde sie gegen einen rasenden Oger kämpfen. Schweiß beginnt sich langsam auf ihrer Stirn zu bilden.

Versunken in ihre Übungen, sieht sie die Neuankömmlinge nicht, die gerade in diesem Moment auf den Übungsplatz schlendern. Der Aufseher verbeugt sich übertrieben vor den drei jungen Männern und tritt ihnen eilig aus dem Weg. Einer der beiden kleineren Gestalten bemerkt die junge Frau und deutet amüsiert mit dem Finger auf sie.

Währenddessen wirbelt Emsie konzentriert mit dem Schwert um sich und will gerade zum finalen Schlag in ihrem Kampf gegen die imaginäre Bestie ausholen, als sie plötzlich, mitten in der Bewegung, erstarrt. Jemand steht auf einmal, wie aus dem Nichts geboren, neben ihr.

Überrascht sieht die Schwertkämpferin auf und blickt in das Gesicht eines jungen Mannes. Emsie schätzt ihn etwas älter als sie selbst sein. Seine schulterlangen, rabenschwarzen Haare trägt er nach hinten gekämmt und seine eisblauen Augen sehen sie direkt an.

Emsie lässt irritiert die Waffe in ihrer Hand sinken. Dabei schüttelt sie sich innerlich unter dem hochnäsigen und kalten Blick, mit dem der Fremde sie neugierig betrachtet.

Hinter seiner großen und schlanken Gestalt tauchen auf einmal seine beiden Begleiter auf, die mit ihren vorgestreckten Brustkörben aussehen, wie zwei ausgestopfte Hähne. Jedoch ist es die Ausstrahlung des schwarzhaarigen, die Emsie ganz und gar nicht gefällt. Er hat einen grausamen Zug um die Augen … Was bei den Göttern, will dieser aufgeblasene Kerl von mir?

Der junge Mann mustert sie amüsiert von Kopf bis Fuß. Emsie fühlt sich dabei angestarrt, wie ein exotisches Tier in einem Käfig.

»Was für ein seltener Anblick! Und ich dachte schon, heute würde es wieder einen dieser langweiligen Übungstage geben. Eine Frau ist hier eher die Ausnahme.«

Sie sieht ihn mit zusammengekniffenen Augen feindselig an. »Wer seid Ihr? Falls es Euch noch nicht aufgefallen ist, Ihr steht mir im Weg!«

Das aufgesetzte Lächeln des jungen Mannes verringert sich bei diesen Worten ein wenig. Lara kommt auf einmal zu ihnen herübergestürmt, erneut außer Atem, und drückt Emsie grob den Kopf nach unten.

»Verzeiht ihr, Herr! Sie ist neu am Hof des Königs und kennt sich noch nicht aus! Ihre Einführung in die Hofgesellschaft wird erst heute Nachmittag stattfinden, Prinz Ferran. Habt bitte Nachsicht!«

Emsie kann nicht glauben, was sie da hört. PRINZ Ferran!? Verdammt …

Während die Schwertkämpferin immer noch zu Boden starrt, überschlägt sich die Zofe fast mit Entschuldigungen und Lobpreisungen auf das Herrschergeschlecht zugleich. Sichtlich genervt hebt Ferran die Hand, um sie zum Schweigen zu bringen.

»Bei den Göttern, spar deinen Atem, Frau! Du läufst schon blau an. Außerdem kann ich mich nicht erinnern, dich um deine Meinung gebeten zu haben.«

Lara verstummt schlagartig und verbeugt sich mehrmals demütig vor dem ranghöheren, jungen Mann. Ihre Augen weiten sich dabei angsterfüllt.

Emsie hat sich währenddessen von dem Griff der beleibten Frau befreit und sieht abschätzig zu Ferran hoch. Widerwillig knickst sie vor ihm. »Entschuldigt mich, Prinz Ferran, aber wenn es Euch nur darum ging, Eure Verwunderung, um meine Anwesenheit auszudrücken, habt Ihr das hiermit getan. Wenn es Euch nichts ausmacht, würde ich gerne weiter trainieren.« Sie merkt, wie Lara sie währenddessen mehrmals warnend am Ärmel zupft, um sie zurückzuhalten, doch Emsie ignoriert sie einfach.

Die Mundwinkel des Prinzen zucken belustigt nach oben und er mustert die Kämpferin mit seinen kalten Augen erneut.

»Wenn es Euch darum geht … Daris! Mein Schwert!«

Der beleibtere der beiden Adligen tritt zügig an Ferran heran und hält ihm gehorsam und mit einem schadenfrohen Grinsen auf den Lippen, dessen Waffe entgegen. Der Prinz zieht das protzig verzierte Schwert mit einem Ruck aus der Scheide und ein heller, metallischer Klang hallt über den Übungsplatz. Erst jetzt fällt Emsie auf, dass die Kämpfer um sie herum mit ihren Übungen aufgehört haben und stattdessen neugierig zu ihr und Ferran herüberstarren. Sie beschleicht dabei ein ungutes Gefühl.

Ihre Zofe nestelt währenddessen nervös an ihrem Kleid herum und sieht immer wieder unschlüssig zwischen Emsie und dem Prinzen hin und her, als würde sie nicht wissen, was sie jetzt tun sollte.

»Ihr wollt mit mir die Klingen kreuzen, Prinz Ferran? Ich bin von niederem adligem Stand, daher steht es mir nicht zu, mit Euch zu kämpfen. Vielleicht sucht Ihr Euch einen Trainingspartner, der eurem Status etwas mehr entspricht?« Sie hofft, dass er den Spott in ihrer Stimme nicht bemerkt. Ihr fällt es schwer, dem aufgeblasenen Mann vor ihr den nötigen Respekt zu zollen.

Ferrans Gesicht verdunkelt sich schlagartig und er fletscht drohend die Zähne. Fordernd deutet er mit dem Schwert auf sie. »Ich bin der Prinz dieses Landes! Wenn ich dir befehle, mit mir zu kämpfen, dann tust du das gefälligst, Neuling. Ich warne dich, wenn du dich mir erneut widersetzt, werde ich nicht so nachsichtig sein.«

Emsie seufzt zum dritten Mal an diesem Morgen und begibt sich widerwillig in Kampfposition. Warum musste ich auch gleich am ersten Tag hierherkommen, noch bevor ich dem Hof des Königs vorgestellt worden bin? Dann wäre mir dieser Fauxpas erspart geblieben!

Lara blickt entsetzt und zugleich besorgt zu ihr herüber. Die kleine Frau hat vor Aufregung sogar Schluckauf bekommen und beginnt nun, unkontrolliert auf der Stelle zu hicksen. Die Schwertkämpferin würde in diesem Moment über sie lachen, wenn die Situation nicht so ernst wäre.

Ihre Zofe, sowie die beiden Begleiter des Prinzen, treten eilig einige Schritte zurück und geben den Platz für die Kämpfenden frei.

Ich muss mich auf den Kampf konzentrieren. Es bringt nichts, sich Gedanken zu machen, wer dort vor mir steht. Ich behandle ihn einfach wie jeden anderen Schwertkämpfer auch. Emsie geht in Kampfstellung und spürt, wie sie auf einmal innerlich ganz ruhig wird.

Der erste Angriff des Prinzen kommt schnell und energisch. Emsie weicht ihm mühelos aus und versucht gleichzeitig, den Schlag zu kontern. Doch Ferran blockt den Schwertstreich und greift mit einer Finte ihr rechtes Bein an. Die junge Frau schafft es, der Klinge mit einem Sprung nach hinten auszuweichen.

Er meint es also ernst. Emsie tropft bereits der erste Schweiß von der Stirn. Befriedigt sieht sie, dass auch der Prinz etwas außer Atem gerät. Sie wartet nicht lange und revanchiert sich für Ferrans vorherigen Angriff. Emsie täuscht einen Schlag zu seinem linken Oberarm vor, dreht eine Pirouette und führt geschickt einen Schwertstreich, auf den rechten Unterarm des Prinzen, aus. Eigentlich hätte sie erwartet, dass Ferran den Schlag pariert, doch zu Emsies Überraschung schneidet die Klinge durch Stoff und Fleisch.

Ferran schreit plötzlich überrascht auf und lässt erschrocken seine Klinge in den Staub fallen. Rotes Blut tropft aus dem oberflächlichen Schnitt auf den Boden. Der Königssohn starrt sie mit einem so mörderischen Blick an, dass es Emsie einen kalten Schauer den Rücken herunterläuft.

Für einen Moment ist es totenstill. Dann stürmen seine beiden adligen Gefolgsleute mit einem übertriebenen Entsetzen zu dem Prinzen herüber. »Prinz Ferran! Ihr seid verletzt! Wir sollten schnell zu einem Heiler und die Wunde versorgen lassen!«

Der andere junge Mann, mit den aschgrauen Haaren und der Knollennase, starrt Emsie feindselig an. »Wie kannst du es wagen, den Prinzen zu verletzen! Du kleine Hure!«

Emsie steht perplex da und kann noch nicht ganz begreifen, was gerade geschehen ist.

»Das genügt!« Alle Köpfe drehen sich ruckartig zum Eingang des Übungsplatzes herum, wo ein muskulöser älterer Mann in leichter Rüstung steht und auffordernd in die Hände klatscht. »Ich sagte, das genügt für heute! Zieht euch alle sofort zurück!« Er kommt mit zügigen Schritten zu ihnen herübergelaufen und Emsie atmet spürbar auf.

Ferran beachtet die Wunde an seinem Arm nicht weiter und blafft stattdessen den Mann vor ihm herrisch an. »Was soll das, Serim? Ich bin noch nicht fertig mit ihr!«

Der Kraftprotz bedacht den jungen Prinzen mit einem tadelnden Blick. »Ich bin Euer Lehrmeister, Prinz Ferran. Wen Ihr mit meinen Anweisungen nicht einverstanden seid, dann lauft zu Eurem Vater, dem König und beschwert Euch bei ihm. Und jetzt geht und lasst die Wunde angemessen versorgen.« Die lockigen, kurzen Haare des Mannes leuchten in der Morgensonne wie Feuer.

Zähneknirschend nickt Ferran schließlich und beschenkt Emsie mit einem weiteren kalten Blick, bevor er sich umdreht und herrisch davonschreitet. Seine beiden Schatten folgen ihm aufgeregt und lautstark miteinander plappernd. Auch die anderen Übenden verlassen murrend den weitläufigen Übungsplatz. Der rothaarige Hüne dreht sich langsam zu Emsie herum und mustert sie mit einem Blick, der strenge, aber auch einen kleinen Funken Anerkennung ausstrahlt.

»Du bist also die Tochter von Ida Frost. Ich muss sagen, recht ähnlich siehst du ihr nicht gerade ...«

Emsie muss den Drang unterdrücken, ein viertes Mal zu seufzen. Sie sieht den Lehrmeister des Prinzen neugierig an. »Ihr kennt meine Mutter? Woher?«

»Wir sind sozusagen alte Bekannte. Aber wie auch immer, du solltest jetzt besser nach Hause gehen. Und ich rate dir, dich vom Prinzen und seinem Gefolge fernzuhalten. Hier in Schwarzerden wird der Einzelne gerne schnell denunziert und vor Gericht gestellt. Insbesondere, wenn dabei königliches Blut geflossen ist.«

Emsie nickt zum Zeichen, dass sie versteht. Schnell wischt sie das Blut mit einem Lappen von der Klinge und steckt das Schwert wieder zurück in die Scheide.

Ihre Zofe kommt mit ihrem rotwangigen Gesicht erleichtert herbeigeeilt und bedankt sich ausführlich bei dem Lehrmeister des Prinzen.

Dieser beachtet die kleine Frau jedoch überhaupt nicht. Stattdessen wendet er sich erneut an Emsie. »Eure Mutter hat Euch wahrlich viel beigebracht. Und wie es mir scheint, habt Ihr das gleiche Talent geerbt wie sie. Aber ich rate Euch, Emsie Frost, Euch Eure Übungspartner hier genauer auszusuchen. Nun denn, ich empfehle mich.«

Serim verbeugt sich knapp vor ihr, dann wendet er sich ab und lässt Emsie und ihre Zofe allein zurück. Letztere sieht aus, als würde sie gleich ihn Ohnmacht fallen.

»Was für ein stattlicher Mann! Und er hat Euch gerettet, Fräulein! Nicht auszudenken, was sie mit Euch angestellt hätten, wenn er nicht rechtzeitig eingegriffen hätte! Wenn ich davon Eurem Vater erzähle, er wird ...«

Erschrocken fährt die Schwertkämpferin herum. »Nein! Du darfst Vater nichts von heute erzählen. Versprich es mir!«

KAPITEL 2

Leron, Emsies Vater läuft energisch in der Stube ihres neuen zu Hause auf und ab. Die Schwertkämpferin sitzt auf einem braunen Sessel, mit hochgesteckten Haaren und in einem langen, roten Kleid und lässt die Standpauke geduldig über sich ergehen.

»... Und das Ganze nicht mit Übungsschwertern, nein, auch noch mit scharfen Klingen musstet ihr kämpfen! Bist du verrückt geworden Emsie? Dafür könnten ich und deine Mutter zur Rechenschaft gezogen werden! Hast du dir einmal über die Konsequenzen deiner Handlungen Gedanken gemacht?«

Sie verengt genervt die hellbraunen Augen. »Was hätte ich denn bitte schön tun sollen? Es war schließlich ein Befehl!«

Ihr Vater schüttelt fassungslos seinen dunkelblonden Haarschopf. »Ihn natürlich gewinnen lassen, was denn sonst! Jetzt sag doch auch mal etwas Ida! Auf mich hört das Kind ja nicht!«

Ihre Mutter hat bisher schweigend dagestanden und den aufgebrachten Ausführungen ihres Mannes gelauscht. Wie ihre Tochter trägt sie ein festliches, jedoch dunkelgrünes Kleid, das der Farbe ihrer Augen gleicht. Ihr langes, weißblondes Haar ist zu einer kunstvollen Frisur geflochten. Der ernste Blick, den die Mutter ihrer Tochter zuwirft, lässt diese mit roten Wangen zu Boden blicken. So ist es immer, denkt Emsie, Vater schimpft mich immer aus, aber Mutter lässt mich wieder Runden auf dem Militärübungsplatz laufen, bis ich umfalle.

»Ich denke, wir haben jetzt keine Zeit dafür. Der König erwartet uns, sowie den restlichen Hofstaat. Es wäre für den ersten Eindruck nicht ratsam, gleich bei der ersten Versammlung zu spät zu kommen. Die Kutsche wartet bereits.«

Leron nickt und verschränkt nachdenklich die Arme vor seiner schwarzen Samtjacke. »Du hast recht, Ida. Aber, Emsie, vergiss nicht, das wird ein Nachspiel haben.«

Die junge Frau nickt mit gesengtem Blick und ergibt sich seufzend ihrem Schicksal.

Als die Familie Frost wenig später den Saal der Könige betritt, ist dieser bereits fast bis zum Bersten gefüllt. Es sieht so aus, als hätten sich der gesamte Adelsstand aus Schwarzerden hier versammelt, um dem König seine Aufwartung zu machen.

Der Audienzsaal ist atemberaubend! So viel künstlerischen Prunk gibt es in Zirondiil nicht. Emsie blickt sich staunend um, während sie und ihre Familie in den Saal mit der hohen Decke und den prunkvoll verzierten Wänden eintreten. Vergoldete Säulen und pastellfarbene Wandgemälde geben dem Raum etwas Märchenhaftes.

»Es ist recht kitschig hier. Ist dir die Deckenbemalung aufgefallen? Es sieht so aus, als hätte König Sigur die Maler dazu genötigt, ein Abbild seiner selbst anzufertigen, dass ständig tadelnd auf einen herabblickt. Wer tut so etwas?« Kandell hat sich mit einem gespielt ernsten Gesichtsausdruck zu Emsie heruntergebeugt und spricht mit gesenkter Stimme, damit ihre Eltern nicht hören können, was er sagt.

Sie dreht sich zu ihm um und schenkt ihm ein sarkastisches Lächeln. Dabei fällt ihr wieder einmal auf, dass ihr Bruder das männliche Ebenbild ihrer Mutter darstellt. Nur seine grünen Augen besitzen einen zynischen Ausdruck, dem Ida fehlt.

»Ich verstehe deine Frage nicht. Er ist der König eines großen Reichs. Und es wäre sicherlich nicht so groß geworden, wenn es dem Herrscher um weniger, als um das eigene Ego gegangen wäre.«

Kandell grinst aufgrund ihrer Antwort verschmitzt, während sie gemeinsam die Treppe zum Saal der Könige herunter schreiten.

Emsie mustert ihren Bruder neugierig. Die kupferne Jacke und die schwarzen Beinkleider, die er trägt, machen aus ihm tatsächlich einen Mann adliger Herkunft, denkt die Schwertkämpferin. Auch wenn sie immer das Bild des Jungen vor Augen haben wird, der, statt draußen mit ihr durch die Gärten ihres Anwesens zu streifen, lieber vor einem staubigen Folianten sitzt und Geschichten über Elfen liest.

Die Familie nimmt ihrer Stellung entsprechend, ihren Platz am Anfang des Saals ein, der am weitesten vom königlichen Thron entfernt ist.

Ihr Vater wendet sich ihnen zu und verabschiedet sich mit einem nicken. Da er der neue Schatzmeister von Schwarzerden ist, muss er sich zu den anderen Verwaltungspersonen des Hofes begeben, die zur rechten Seite aufgestellt, näher beim König stehen.

Emsie blickt sich in dem vollen Raum neugierig um. Die adligen Familien stehen dicht aufgereiht am Rand des Saals. Die Farbenpracht der Gewänder und die unterschiedlichen Menschen, die in ihnen stecken, lassen sie interessiert den Blick schwenken.

»Faszinierend, nicht wahr?«

Emsie blickt ertappt zur Seite, direkt in das Gesicht einer jungen Frau, mit braunen, hoch aufgetürmten Haaren. In ihrer Frisur stecken mehrere, aus bunter Schnur und Draht gefertigte Schmetterlinge. Der Blick ihrer grauen Augen ist offen und interessiert. Insgesamt hat sie etwas Prinzessinenhaftes an sich, das die Schwertkämpferin normalerweise eher abschrecken würde. Solche Mädchen kennt sie von ihrer Heimatstadt zu Genüge. Sie sind oberflächlich und nur auf eines aus: Klatsch und Tratsch. Dinge, mit denen Emsie noch nie etwas anfangen konnte. Einer ihrer Vermutungen, wird auch sogleich bestätigt.

»Seht Ihr die Baronin Tulpe dort drüben? Sie glaubt doch tatsächlich, dass sie immer noch die Figur eines jungen Mädchens besitzt! Ihre Fettpolster sprengen noch ihr Kleid. Was wäre das für ein Spektakel! Aber ich habe mich ja noch gar nicht vorgestellt. Ich bin Rana, Tochter von Karin und Lorenz von Hirschhaus.«

Sie sagt es so, als müsse Emsie den Namen kennen. Dem war nicht so. Die Schwertkämpferin nickt ihr höflich zu. »Ich bin Emsie Frost. Tochter von ...«

»Ich weiß schon, wer du bist. Dein morgendlicher Übungskampf hat sich bereits herumgesprochen.«

Emsie sieht erschrocken zu ihr auf.

Rana lächelt nur. »Wenn du mich fragst, war es bitternötig, dass jemand Ferran einmal in die Schranken weist. Weil er der Königssohn ist, lässt man ihn, meiner Meinung nach, deutlich zu viel durchgehen.«

Die junge Frau betrachtet ihre Gesprächspartnerin mit anderen Augen. Vielleicht scheint sie doch ganz nett zu sein …

Ein Trompetenspiel beginnt und leitet den Auftritt des Königs und seiner Familie ein. Als Erstes treten seine Söhne hinter dem gerafften Baldachin hervor. Emsie erkennt Ferran sofort. Hinter ihm folgt der Kronprinz Edwin. Er ist genauso groß wie Ferran, jedoch ist das auch schon die einzige Ähnlichkeit zwischen ihnen. Sein brauner Haarschopf und seine dunklen Augen unterscheiden sich stark von dem Aussehen seines jüngeren Bruders. An Edwins roten Gesicht kann man sehen, dass er dem Alkohol etwas zu sehr zugeneigt scheint, als es seiner Gesundheit guttun würde.

Dann kommt der König. Sigur besitzt eine stattliche Gestalt und muss in jungen Jahren recht muskulös gewesen sein. Mittlerweile hat er wohl seine Lust an guten Speisen gefunden, denn sein Bauch ist deutlich ausgeprägter als auf dem Deckengemälde des Saals.

Die Fanfare bricht ab und die Mitglieder der Königsfamilie setzten sich auf die für sie vorgesehenen Plätze. Sigur auf den großen, reichlich verzierten Thron, seine Söhne links und rechts neben ihm, auf nicht ganz so prunkvollen Sitzmöglichkeiten. Dann folgt eine Reihe langweiliger Lobpreisungen und traditioneller Floskeln.

Emsie muss ein Gähnen unterdrücken und beginnt langsam, in ihre Tagträume abzudriften. Als jemand plötzlich ihren Familiennamen nennt, schreckt sie überrascht auf. Kandell packt sie daraufhin sanft am Oberarm und geht mit ihr ein Schritt nach vorne. Während ihr Bruder und ihre Mutter sich galant verbeugen, sieht es bei der Schwertkämpferin eher unbeholfen und unsicher aus. Als Emsie mit vor Scham leicht geröteten Wangen wieder aufblickt, bemerkt sie auf einmal die eisigen blauen Augen, die sie von dem anderen Ende des Saals boshaft anstarren. Ein kalter Schauer überkommt die Schwertkämpferin.

Erst als Kandell sie erneut am Kleid zupft, tritt sie eilig wieder zurück in die Reihe. Emsie hält den Blick starr nach vorne gerichtet, da sie genau weiß, dass ihr Bruder sie aufgrund ihrer Verträumtheit gerade amüsiert mustern wird. Und den Gesichtsausdruck ihrer Mutter will sie sich erst gar nicht vorstellen.

»Du bist etwas aufgeregt, nicht wahr? Bei meiner Einführung war ich es auch, obwohl der kurze Moment der Vorstellung, die Nervosität nicht wert ist. Meiner Meinung nach.« Rana deutet mit dem Kinn zu Ferran herüber. »Es sieht so aus, als hätte er dich wiedererkannt.« Sie schüttelt sich kurz, was Emsie amüsiert beobachtet. »Dieser furchtbare Blick!« Die braunhaarige Frau beugt sich näher zu der Schwertkämpferin herunter. »Anscheinend soll er bald mit jemanden vermählt werden. Die arme Frau tut mir jetzt schon leid!«

Auf einmal regt sich vorne etwas und die beiden Frauen richten ihre Aufmerksamkeit wieder dem Wesentlichen zu.

Der König erhebt sich von seinem goldenen Thron. Die Schleppenträger eilen zügig herbei und richten schnell den blauen Umhang ihres Herrschers. Der ganze Aufzug wirkt auf Emsie etwas grotesk.

»Und nun«, spricht Sigur mit dunkler, dröhnender Stimme, »kommen wir zu einer wichtigen Angelegenheit, die allen Anwesenden hier eine Lehre sein soll.« Er klatscht auffordernd in die mit Juwelen beringten Hände.

Auf Signal des Königs öffnet sich die große Flügeltür, durch die die Gäste vorhin den Saal betreten hatten, erneut.

Plötzlich nimmt die junge Frau wahr, wie ihre Mutter hinter ihr scharf die Luft einzieht. Emsie selbst braucht einen Moment länger, um zu begreifen.

Der Mann, der auf einmal von mehreren Wachen flankiert in den Raum geführt wird, sieht furchtbar misshandelt aus. Er starrt vor Dreck und der beißende Geruch nach menschlichen Fäkalien klebt an ihm, dass es einem fast schlecht wird. Das Gesicht des Gefangenen ist von Schrammen und alten und neuen Wunden übersäht. Seine Kleidung hängt nur noch in Fetzen an ihm.

Jetzt ist es Emsie, die sich zu Rana herüberbeugt. »Wer ist der Mann?«

Ihre neue Bekannte wirkt etwas blass um die Nase, als sie ihr zögerlich antwortet. »Das ist Abrax Schnellwasser. Ehemaliger Schatzmeister des Königs.«

Emsie sieht die junge Frau vor ihr perplex an. Ihr Blick fällt auf Prinz Ferran, der sein Gesicht zu einer lächelnden Grimasse verzieht.

»Was hat der König vor?« Der sorgenvolle Unterton in der Stimme ihrer Mutter lässt die Schwertkämpferin aufhorchen.

Die Ketten, in die der Mann gelegt worden ist, rasseln bei jedem Schritt, denn er macht. Vor dem König angekommen, fällt der Gefangene erschöpft auf die Knie.

Die Rechtsgelehrte des Königs, eine alte hagere Frau mit schwarzem Umhang, tritt aus der Menge hervor.

»Abrax Schnellwasser wird durch das königliche Recht und dem im Reich Chrandos geltenden Gesetzte beschuldigt, die königliche Schatzkammer bestohlen zu haben. Das Urteil lautet schuldig, im Sinne der Anklage! Die Strafe für solch einen Verstoß, ist der Tod durch das Schwert und wird hier und heute vollstreckt.«

Emsie sieht den Schreck in den Augen der Hofgesellschaft aufblitzen. Es ist plötzlich so still im Raum, dass man die gurgelnden Gedärme von einem der Kammerdiener hören kann. Ihr kommt es vor, als hätte sich auf einen Schlag, ein dunkler Schleier über die farbenprächtige Versammlung gelegt.

»Mein Schwert!«, befehlt der König mit donnernder Stimme. Die geschundene Gestalt auf dem Boden beginnt zu winseln und um Gnade zu flehen.

Emsie kann nicht glauben, dass sie gleich sehen wird, wie dem Mann vor allen Augen der Kopf abgeschlagen wird. Entsetzt sieht sie zu ihrer Mutter und ihrem Bruder herüber, die ebenso ungläubig auf die Szenerie starren wie sie selbst.

Sigur zieht sein Schwert, dass ihm einer der Diener gereicht hat. Das Flehen des ehemaligen Schatzmeisters wechselt zu einem leisen jammern.

Jemand muss doch etwas tun! Will er den Mann ernsthaft hier vor allen Augen töten?«

»Wartet!«

Emsie will gerade aufatmen, als sie erkennt, wer dort an den König herangetreten ist. Kalter Schweiß läuft ihr den Rücken herunter.

»Bitte Vater, lasst mich das tun. Ihr müsst Euch nicht die Hände schmutzig machen.« Als der König nach kurzem Zögern nickt, krempelt sich Ferran vorsorglich die Ärmel seines blau-schwarzen Wams zurück. Ein weiterer Diener eilt sofort heran und bringt dem Prinzen sein eigenes Schwert. Ferran legt, ohne zu zögern, den kalten Stahl an den Hals des Gefangenen an, der daraufhin anfängt, vor Todesangst zu zittern.

Doch bevor er zum Schlag ausholen kann, tritt ein alter Mann in einem roten Mantel aus der Menge nach vorne. Den Insignien nach, ein silberner Anhänger in Form eines Schilds, befestigt an einer ebenfalls silbernen Halskette, handelt es sich dabei um den königlichen Berater.

»Wartet, Eure Majestät! Seid Ihr sicher, dass dies hier der richtige Ort für so eine … so eine Sache ist?«

Sigur starrt den beleibten Mann für einen Moment an, als hätte dieser gerade etwas unglaublich Dämliches gesagt, dann winkt er gelangweilt ab. »Tradorn, willst du mir etwa unterstellen, ich würde einen Fehler begehen?« Etwas Drohendes liegt in seinen Worten.

Der Berater schüttelt eingeschüchtert den Kopf und zieht sich wieder in die vordere Reihe zurück.

»Hat sonst noch irgendjemand etwas hinzuzufügen?« Sigur lässt den Blick über die Versammlung schweifen.

Fassungslos beobachtet die Schwertkämpferin wie alle anderen Anwesenden schweigend den Augen des Königs ausweichen.

Ferran lässt sich nicht weiter stören und nimmt währenddessen Maß. Das Grinsen auf seinen Lippen verursachte bei Emsie eine Gänsehaut. Er holt aus.

Den ersten Hieb führt der Prinz zu schwach aus. Der Mann am Boden schreit auf, brüllt vor Schmerzen und Angst und entlässt seine Blase auf den mit Goldfäden bestickten Teppich.

Von irgendwo aus der Menge hört Emsie eine Frau laut aufschreien, ansonsten hat sich eine Totenstille auf die adlige Gesellschaft gelegt. Alle starren sie auf den ehemaligen Schatzmeister des Königs und seinen Henker.

Die Schwertkämpferin blickt zu ihrem Vater herüber, der mit bleichem Gesicht auf die Blutlache auf dem blauen Teppich starrt. Deswegen hat der König also nach einem neuen Schatzmeister geschickt. Vater hat davon sicher nichts gewusst.

Ferran muss noch zwei weitere Male ausholen, dann hat er den Kopf vom Rumpf abgetrennt.

Die Leiche des ehemaligen Schatzmeisters zuckt und verspritzt noch eine Weile Blut. In den Rängen der Adligen, fallen ein paar der Frauen und Männer in Ohnmacht.

Emsie aber, kann den Blick nicht von der Leiche abwenden und dem Mann, der triumphierend mit dem Schwert in der Hand zu ihr herübersieht. Blutspritzer beflecken seine helle Wange. Was die Schwertkämpferin jedoch am meisten schockiert, ist das schaurige Lächeln, das er ihr zuwirft.

»Wie konnte der König so etwas tun? Das ist inakzeptabel! Einfach inakzeptabel!« Emsies Vater hatte mit seiner Schimpftirade angefangen, sobald sie zu Hause angekommen waren.

»Leron, sei lieber still, du weiß nicht, ob hier nicht irgendwo Spitzel des Königs nur darauf warten, jemanden zu inkriminieren.«