7,49 €
»Wieso sollte ich nicht sprechen können? Wieso kannst du sprechen, Menschlein?«
In einer Gartensparte inmitten einer Stadt lenkt ein sprechender Fuchs die Geschicke der Menschen. Weniger mit Zauberkunst als vielmehr mit List versucht er, die Sorglosigkeit seines Landes zu bewahren. Doch nicht nur Gärtnerinnen, Pflanzenkundige und Katzen haben Einfluss auf das Geschehen in seinem Revier. Ein finsteres Übel, dessen Ursprung seit Jahrhunderten als verschwunden galt, zieht unbemerkt durch die fruchtbaren Grünflächen.
Märchenhafte Erzählungen, subtil verwoben, berichten von einem grünen Reich voller geheimer Pläne, menschlichen Irrglaubens und längst vergessenen Mächten.
Das fantasievolle Debüt von Christian Heyn bildet den Auftakt einer großen Geschichte, deren verborgene Details durch vergangene Zeitalter hinweg verbunden sind.
(...) Es ist eine zauberhafte Welt, die Christian Heyn inmitten einer Kleingartenanlage geschaffen hat. So darf zu Recht von einem Grünen Reich gesprochen werden, das zu bewahren es sich lohnt. (...) Buchtipp des Nautilus Fantasymagazin
Nominiert für die Longlist (Top 20) des Tolino Media Newcomerpreises 2022.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Veröffentlichungsjahr: 2022
Fuchswege
Von Christian Heyn
Buchbeschreibung:
In einer Gartensparte inmitten einer Stadt lenkt ein sprechender Fuchs die Geschicke der Menschen. Weniger mit Zauberkunst als vielmehr mit List versucht er, die Sorglosigkeit seines Landes zu bewahren.
Doch nicht nur Gärtnerinnen, Pflanzenkundige und Katzen haben Einfluss auf das Geschehen in seinem Revier. Ein finsteres Übel, dessen Ursprung seit Jahrhunderten als verschwunden galt, zieht unbemerkt durch die fruchtbaren Grünflächen.
Märchenhafte Erzählungen, subtil verwoben, berichten von einem grünen Reich voller geheimer Pläne, menschlichen Irrglaubens und längst vergessenen Mächten.
Das fantasievolle Debüt von Christian Heyn bildet den Auftakt einer großen Geschichte, deren verborgene Details durch vergangene Zeitalter hinweg verbunden sind.
Über den Autor:
Christian Heyn, geboren 1988, lebt und arbeitet in Dresden. Neben Software schreibt er Kurzgeschichten und Urban Fantasy-Werke, welche stark von seinem Leben inspiriert sind.
Fuchswege
Fürst Rotfell im grünen Reich
Von Christian Heyn
Christian Heyn
c/o Block Services
Stuttgarter Str. 106
70736 Fellbach
1. Auflage, 2022
© 2022 Christian Heyn – alle Rechte vorbehalten.
ISBN: 9783754656532
Christian Heyn
c/o Block Services
Stuttgarter Str. 106
70736 Fellbach
Lektorat: Nora Lingstedt
Covergestaltung und Satz: Christian Wünsche
Für Luise
Spähe nicht über fremde Hecken - blick in sie hinein!
Grund und BodenSchwere Axt herunterfährt Stark durch meine Hände Dieser Boden, euch verwehrt Ist nun mein Gelände. Endlich ist der Wald hinfort Lasst uns den Sieg besingen Ich bau mir einen Garten dort Ihr seht’s an den Setzlingen. Zeit muss jetzt verstreichen Bevor sie Bäume werden Groß und ohnegleichen Üppige Schatten werfen. (Vom vielseitig begabten Baron von Siebeleb)
Mitten im Frühling, 2014
Herr Reihbold ging, wie jeden Samstag im Sommer, zu früher Stunde aus dem Haus, einen Beutel mit der Tageszeitung und Proviant über die Schulter geworfen. Seine kleine Wohnung war nur einen kurzen Fußmarsch von seinem geliebten Garten entfernt. Dieser Mann war ein gutmütiger Kerl, der sich über die kleinen Dinge im Leben freuen konnte. Seine Sommermonate widmete er stets voll und ganz seiner »grünen Oase«, wie er seinen Kleingarten gern nannte.
Er durchschritt das Tor der Gartensparte, bog ab, mal links, mal rechts durch die engen Wege, vorbei an gut geführten Beeten und frisch gemähten Wiesen. Ein anderer Herr, der gerade Unkraut zupfte, wünschte ihm einen guten Morgen. Herr Reihbold erwiderte den Gruß und sie unterhielten sich über allerlei gartenbezogene Fachsimpelei. Irgendwann lenkte der Herr die Unterhaltung auf den alljährlichen Wettbewerb der größten Tomate der Sparte. Herr Reihbold nahm jedoch nie an diesem Wettkampf teil. Er hatte kein Händchen für Tomaten und war froh, wenn die roten Früchte bei ihm so groß wie Weintrauben wurden.
Nach dem Plausch bog er in seinen Weg ab. In der Bohnenallee, ziemlich in der Mitte, befand sich sein kleines Königreich: Ein Apfelbaum umringt von Beeten, Hecken und ein paar Quadratmetern Rasen. Keine Laube, nur ein Werkzeugschuppen, der in Wirklichkeit ein alter hölzerner Kleiderschrank war, stand in der Ecke. Er öffnete das Vorhängeschloss des Schranks. Darin waren die notwendigsten Utensilien enthalten. Zwei Klappstühle, ein Sonnenschirm, eine Gießkanne, ein Spaten, ein Eimer, kleine Heckenscheren, leere Pflanztöpfe und ein Knäuel Schnur. Er griff sich den Eimer heraus und machte sich fröhlich daran, das Unkraut aus seinen Beeten zu entfernen. Ab und an wünschte er anderen vorbeigehenden Gartenbesitzenden einen »reizenden Morgen«, und nach nur einer Stunde war sein Grundstück von Unkräutern befreit. Zufrieden zog er einen der Klappstühle aus dem Schrank, nahm seine Zeitung aus dem Beutel und machte es sich unterm Baum gemütlich. Es war noch immer sehr früh am Morgen und außer dem Zwitschern der Vögel war es ruhig. Bevor er seine Zeitung aufschlug, blickte er zum Schrank, in dem der zweite Klappstuhl ungenutzt herumstand. »Eine Frau, mit der ich dieses grüne Paradies teilen könnte, wäre der Gipfel meines Glücks«, flüsterte er. Mit einem ausgedehnten Seufzer vertiefte er sich in das Tageblatt.
Nach einem langen Artikel über einen Juwelenraub bemerkte er erst, wie still alles um ihn herum war. Er fühlte sich plötzlich beobachtet. Kein Vogel war zu hören. Er senkte die Zeitung und die Haare auf seinen gebräunten Armen sträubten sich. Direkt vor ihm saß ein riesiges Tier mit rotem Fell. Es war so groß, dass sich dessen Blick genau auf Augenhöhe von Herrn Reihbold befand. Der Fuchs hatte außer an der Schnauze kein weißes Fell am Körper, wie man es sonst von solchen Tieren gewohnt war. Herr Reihbold saß noch immer regungslos auf seinem Klappstuhl, als das Tier sein riesiges Maul öffnete und dabei seine spitzen weißen Zähne zum Vorschein kamen.
»So soll dein Bitten erhört werden, Menschlein!«, sprach das Tier.
Ungläubig schaute Herr Reihbold nach rechts und links, bevor er erneut die sehr menschlichen Augen des Fuchses fixierte. War das ein Streich oder hatte dieser Fuchs gerade wirklich gesprochen?
»Ist das ein Streich oder hast du gerade wirklich gesprochen?«, stammelte Herr Reihbold. Der Fuchs sprach: »Ich habe deinen Wunsch vernommen und ich möchte dir helfen.«
»Wieso kannst du sprechen?« Herr Reihbold entspannte sich nun etwas und lehnte sich auf seinem Klappstuhl zurück. Das konnte nur ein Streich sein.
»Wieso sollte ich nicht sprechen können? Wieso kannst du sprechen, Menschlein?«
Herr Reihbold war überrascht von dieser Gegenfrage. Für einen kurzen Moment suchte er nach einer passenden Antwort. Da sprach das Tier schon weiter.
»Du sehnst dich nach deinesgleichen. Ich werde dir helfen, dieses Ziel zu erreichen.«
»Aha, und - und wie?«
»Du wirst am Wettbewerb der Tomaten teilnehmen. Und ich sorge dafür, dass du als Sieger hervorgehst.«
Nun runzelte Herr Reihbold die Stirn. Er versuchte, diese Information auszuwerten, deren Gründe zu begreifen – Gründe, die für diesen Vierbeiner ungemein plausibel zu sein schienen. Er gab es schnell auf.
»Was hat das mit meinem Wunsch nach …«, er überlegte kurz, »meinesgleichen zu tun?«
Der Fuchs stand auf, lief langsam um Herrn Reihbold herum und sprach: »Du solltest auf mein Wort vertrauen. Ich sorge dafür, dass du nicht mehr allein auf diesem grünen Fleck sitzt. Tu nur, was ich dir sage! Alles andere wird sich ergeben.«
›Doch kein Streich‹, begriff Herr Reihbold endlich.
»Wie kann ich einem Fuchs vertrauen? Was springt für dich dabei heraus?«, entgegnete er dem Tier. Nun funkelten die Augen des großen Vierbeiners zornig.
»Ich bin der Herr dieses Landes. Kein gewöhnlicher Fuchs, sondern der Fürst aller Rotfelle auf dieser Seite des Flusses! So unterlasse deine vorlauten Fragen und nimm dieses Geschenk an!«
Diese Ansage flößte Herrn Reihbold doch Respekt ein. Er drückte sich ein wenig mehr in die Lehne des Klappstuhls. Seine Handflächen an den hölzernen Armlehnen wurden feucht.
»Nun, in Ordnung. Was soll’s. Nehme ich eben am Tomatenwettbewerb teil. Doch was schulde ich dir am Ende?«
Der Fuchs setzte sich wieder ruhig auf seine Hinterbeine. Nur sein mächtiger Schweif wedelte majestätisch hin und her.
»Solche wie dich gibt es nicht mehr oft«, begann er mit einfühlsamer Stimme. »Menschen, denen die Schönheit und Ruhe einer solchen grünen Pracht noch etwas bedeutet. Ich helfe dir in der Hoffnung, dass auch deine Nachkommen einen Garten bewirtschaften wollen. Ich sorge damit für eine Zukunft, in der die lauten Straßen und kalten Steinhäuser meinem grünen Reich weitere hundert Jahre fernbleiben.« Das Gesicht des Tieres war nun nur noch wenige Zentimeter von dem Herrn Reihbolds entfernt. Sie blickten sich direkt in die Augen, als der Fuchs weitersprach: »So versprich mir nur eins, Menschlein! Behalte den Garten und pflege ihn. Lass deine Kinder hier spielen und lehre sie das Handwerk der Gartenkunst.«
Das Tier wich wieder zurück und legte sich vor dem Klappstuhl bequem ins Gras. Herr Reihbold hörte sich alles an. Über Kinder hatte er noch nie nachgedacht. Doch mit der Aussicht auf eine geliebte Frau schien ihm das ein sinnvoller Ansatz zu sein.
»Gut, ich bin dabei, … ähhhm, werter Fürst!«
Der Fuchs grinste und nickte zustimmend.
»So sei es«, bekräftigte er. »Trage dich noch heute für den Tomatenwettbewerb ein. Erwarte mich morgen mit ersten Anweisungen.«
Damit verschwand das Tier zwischen den Hecken. Die Vögel fingen wieder an, ihre Sommerlieder zu pfeifen. Herr Reihbold saß in seinem Stuhl und war unsicher, ob er die Geschehnisse selber glauben konnte. Er kratzte sich am Kopf und blieb noch einige Minuten schweigend sitzen. War er eben wirklich einen Pakt mit einem sprechenden Fuchs eingegangen?
›Neuer Tag, neues Glück‹, dachte Herr Reihbold, als er am nächsten Morgen die Augen aufschlug.
»Tomaten also … Warum ausgerechnet Tomaten? Wieso nicht das schönste Gänseblümchen oder der größte Maulwurfshügel?« Er setzte sich auf.
»Na gut, dann mal an die Arbeit. Nicht, dass noch jemand fuchsteufelswild wird.« Er lachte über seinen eigenen Witz.
Nach dem Frühstück ging er direkt in den Garten. Am Haupttor fischte er seinen großen Schlüsselbund aus dem Stoffbeutel. Das Tor war noch abgeschlossen. Er war, wie so oft, der Erste in der Gartensparte. Die Sonne stand noch tief und blendete ihn, als er einen der Hauptwege hinaufging. In Gedanken versunken und zum Schutz seiner Augen blickte er auf den gelben Kiesweg vor sich. Hinter sich zog er einen elend langen Schatten, der im Rhythmus seiner Schritte mitwippte. Als er plötzlich einen anderen langen Schatten vor sich bemerkte, schaute er auf. Doch die junge Sonne schien zu grell. Der fremde Schatten glitt langsam auf ihn zu und schließlich an ihm vorbei. Die dunkle Form ließ Herrn Reihbold erkennen, dass die herannahende Person einen Gehstock oder Ähnliches dabeihatte. Außerdem war die Kopfform des Schattens so eckig, dass Herr Reihbold an einen klassischen Zylinder denken musste. Endlich waren die beiden Frühaufsteher auf gleicher Höhe. Herr Reihbold wünschte einen guten Morgen, als der Zylinderträger an ihm vorüberschritt. Er hatte tatsächlich einen Stock bei sich. Der Kerl erwiderte jedoch nichts. Im Moment des Vorbeiziehens blickte er Herrn Reihbold nur durchdringend in die Augen. Herr Reihbold wagte nicht, sich noch einmal umzublicken. ›Manche Leute übernachten in ihren Gärten, deshalb war das Tor noch verschlossen‹, sagte er sich, und schon war diese Begegnung vergessen.
Er konzentrierte sich wieder auf den lichtdurchfluteten Kiesweg, der ihn nach einigen weiteren Schritten zu seiner grünen Oase führte. Er schloss den alten Kleiderschrank auf und nahm den Spaten heraus. »Da muss ich wohl oder übel ein wenig Rasen opfern.« Er überlegte einen Moment, an welcher Stelle das Tomatenbeet am besten zu platzieren wäre. Nicht zu weit unter dem Baum, das war klar. Er setzte den Spaten auf den Rasen und stellte einen Fuß darauf. Plötzlich hörte er hinter sich die Büsche rascheln.
»Stopp, Menschlein! Halte ein.«
Hinter ihm stand hechelnd der rote Fürst. Herr Reihbold atmete auf. Er war also doch nicht verrückt geworden. Zweimal der gleichen Halluzination anheimzufallen hielt er für unwahrscheinlich. Wenn man sich schon etwas zurechtspinnt, dann doch nicht jeden Tag dasselbe. Er drehte sich zum Fuchs um. »Einen wunderschönen guten Morgen, Fürst Rotfell«, schmetterte er dem Tier entgegen.
»Hast du dich für den Wettstreit eingetragen?«, kam es zurück.
Herr Reihbold zuckte zusammen. Gestern hatte er sich noch nicht getraut. Schließlich konnte er nicht sicher sein, ob er fantasiert hatte.
»Ach, das! Das mache ich jetzt sofort. Tut mir leid. Gestern war … Irgendwie … Naja.«
Der Fuchs schien nicht böse zu sein. ›Vermutlich‹, so dachte Herr Reihbold, ›ist er es gewohnt, nicht immer für real gehalten zu werden.‹
»Bin gleich wieder da.«
Und schon schritt der Mann voller Tatendrang aus seinem Gartentor, vor zur Vereinslaube, an deren Front ein Glaskasten mit den Unterlagen hing. Als er zurückkam, saß der Fuchs noch neben dem Apfelbaum und gähnte.
»So. Ausgeführt, lieber Fürst.«
Der Fuchs nickte ihm zu.
»Kann ich jetzt das Tomatenbeet vorbereiten?«
»Noch nicht. Mein Gefolgsmann wird dir einen wahrhaft magischen Spaten bringen. Im Tausch gegen deine alte, stumpfe Schippe.«
Herr Reihbold sah sich seinen Spaten an, der im Rasen steckte. ›Also so verkehrt ist das Teil noch nicht‹, dachte er. ›Die gelbe Farbe blättert ein wenig vom Metall ab. Aber sonst tut das Gerät, was es soll.‹
»Also gut, wo ist Euer Gefolgsmann?«
»Habe Geduld, Menschlein. Er wird gleich hier sein.«
Sie warteten. Nicht lang. Doch lang genug, dass sich eine peinliche Stille zwischen sie drängte. Herr Reihbold stand noch immer untätig im Garten herum. Schaute sich um. Warten. Stille.
»Herr Fürst, macht es Ihnen etwas aus, wenn ich mir einen Schluck Kaffee aus meiner Thermoskanne nehme?«
»Keineswegs.«
Herr Reihbold bemerkte sofort die Zwickmühle, in die er sich manövriert hatte. Fragt man einen Fuchs, ob er auch einen Kaffee möchte? Oder ist es peinlicher, so ein Tier nicht zu fragen, ob es ein koffeinhaltiges Heißgetränk wünscht? Und wie geht man mit einem Fürsten um?
»Möchten Sie, ähm … Also … Auch einen Schluck?«
Fürst Rotfell öffnete gerade sein Maul, um zu antworten. Da sprang ein zweiter, normal großer Fuchs aus dem Gebüsch, in der Schnauze einen Spaten. Er legte ihn vor Herrn Reihbolds Füße. Drehte sich um, verneigte sich vorm Fürst. Sprang mit einem Satz nach hinten und drehte den Kopf so, dass er den Stiel von Herrn Reihbolds Spaten mit der Schnauze zu fassen bekam. Dann verschwand er flink und beinahe geräuschlos in den Hecken.
Herr Reihbold sah den neuen Spaten an und verabschiedete sich innerlich von seiner Kaffeepause. Er hob den magischen Spaten auf. ›Naja. Magisch aussehen tut das Ding ja nicht‹, dachte er. Ein schöner sauberer Holzgriff mit einem grünen Metallblatt. Schon benutzt, aber noch wunderbar scharf an der Unterseite.
»Nun bereite das Land für die Früchte deines Sieges!«, sprach der Fuchs, bevor er sich aufstellte, kurz streckte und dann ebenfalls im Dickicht verschwand.
»Meine Güte, redet das Tier geschwollen«, flüsterte Herr Reihbold zu sich selbst, den Blick noch auf den Strauch gerichtet, in dem der Schweif gerade verschwunden war. Dann machte er sich an die Arbeit.
Am nächsten Tag, als er seinen Garten betrat, saßen schon drei Füchse unter seinem Baum. Der rote Fürst und zwei gewöhnliche Füchse.
»Einen wunderbaren Morgen wünsche ich euch!«, schallte Herrn Reihbolds Stimme zu ihnen.
Der Fürst blinzelte nur. Die beiden anderen Tiere hechelten unbeeindruckt. ›Scheinbar‹, so dachte sich Herr Reihbold, ›können die da nicht sprechen.‹
»Was steht heute an?«
»Heute, Menschlein, gebe ich dir folgenden Auftrag: Fülle deinen Eimer mit Erde aus deinem Tomatenbeet. Meine Leute werden diesen dann austauschen gegen die fruchtbarste Erde meines Landes. Diese Erde sollst du dann in dein Beet untergraben. Auf dass deine Tomaten uns Ruhm bescheren.«
»Wie Ihr wünscht, eure Fürstlichkeit«, antwortete Herr Reihbold, der keine Ahnung hatte, wie man vor dem Adel sprach. Die beiden Füchse schauten sich nur kurz an und es kam Herrn Reihbold so vor, als müssten sie sich das Lachen verkneifen. Er füllte den blauen Eimer mit der frisch aufgewühlten Erde und entfernte sich dann ein paar Schritte. Die beiden kleinen Füchse sprangen auf und nahmen gemeinsam nebeneinander den dünnen Metallhenkel in ihre Mäuler. Diesmal wählten sie den Gartenweg, um sich aus dem Staub zu machen. Herr Reihbold wollte gerade einen Klappstuhl aus seinem Schrank holen, da kehrten sie auch schon zurück, in ihren Mäulern einen gelben, größeren Eimer. Sie hatten sichtlich Mühe, ihn zu tragen. Sie stellten ihn neben dem Baum ab und verschwanden sogleich wieder in den Hecken.
Herr Reihbold war verblüfft, wie diese flinken Tiere einem so ausgefuchsten Plan folgen konnten. Und außerdem brannte ihm seit der ersten Begegnung mit dem sprechenden Tier eine Frage auf der Zunge.
»Werter Fürst, können eigentlich alle Tiere sprechen?«
Der große Fuchs lächelte amüsiert.
»Auf ihre Art können sie alle sprechen. Doch du kannst nur mich verstehen, Menschlein.«
»Mh, dachte ich mir.«
»Interessant ist jedoch«, fuhr das Tier fort, »dass viele Igel Selbstgespräche führen. Ich nehme an, weil sie zum größten Teil Einzelgänger sind. Und vermutlich auch, weil sie anatomisch bedingt niemanden so nah an sich heranlassen können.« Herr Reihbold blickte ins Leere. Er versuchte sich vorzustellen, was ein Igel wohl den ganzen Tag zu reden hatte.
»Aha. Ist ja wirklich interessant«, antwortete er dann höflich. Er fand es wirklich interessant.
Als das geklärt war, sprang Fürst Rotfell auf die Beine und warf sich, den anderen Füchsen gleich, in die Hecken. Er sagte noch: »Wir sehen uns morgen. Ich bringe dir Tomatensetzlinge. Auf dass …« Den Rest verstand Herr Reihbold nicht. Aber er konnte sich denken, dass es irgendwas mit »Ruhm und Ehre« zu tun haben musste. So machte er sich an die Arbeit und vermengte die fruchtbare Erde mit dem langweiligen Dreck seines eigenen Beetes. Dann zog er hier und da ein wenig Unkraut und machte es sich den Rest des Tages im Klappstuhl bequem.
Am kommenden Tag regnete es in dicken Tropfen. Der gute Mann, dem das Wetter nicht die Laune verderben konnte, zog seine Gummistiefel an und machte sich auf den Weg. Als er sich in der Nähe seines Gartentors befand, sah er noch, wie ein durchschnittlich großer Fuchs gerade daraus verschwand. Als er näher kam, entdeckte er unter dem Apfelbaum drei Leinensäckchen, aus denen Tomatenpflanzen schauten. ›Aha …‹, dachte er, ›bei dem Wetter bequemt sich unser Lord Fuchs nicht selber hinaus.‹ Herr Reihbold pflanzte die Setzlinge ein und ging wieder zurück nach Hause.
Es vergingen mehrere Wochen, in denen Herr Reihbold keinen einzigen Fuchs sah. Insgesamt passierte nichts Erzählenswertes. Außer, dass seine grüne Plastikgießkanne von irgendwem gegen eine blaue verbeulte Aluminiumkanne ausgetauscht wurde. Und dass die Tomatenpflanzen manchmal schon gegossen waren, bevor Herr Reihbold seinen Garten betrat.
Der Tag des Wettbewerbs rückte näher und die Tomaten konnten sich wirklich sehen lassen. So große Früchte hatte Herr Reihbold noch nie selber herangezogen. Er war überzeugt, dass er dem Fuchs und dessen Geschenken dafür zu danken hatte. Mit jedem Tag, den der Wettstreit näher kam, wuchs die Hoffnung in Herrn Reihbold. Bald würde er eine Frau haben, mit welcher er sein Leben und seine Beete teilen konnte. Auch wenn er sich nicht vorstellen konnte, weshalb sich alleinstehende Damen für Tomaten begeistern sollten.
Am Tag der Auswertung hatten sich Hinz und Kunz um die Vereinslaube versammelt. Es gab Bier und allerlei vom Grill. Die Jury hatte den ganzen Tag damit zugebracht, durch die angemeldeten Gärten zu streifen und Tomaten zu vermessen. Größe, Gewicht, Rotintensität. Herrn Reihbolds Tomaten wurden von der Jury wohlwollend begutachtet. »Nicht schlecht«, sagte einer. »Gut, gut!«, sagte ein anderer. Herr Reihbold blieb bei all dem ganz still. Sollte er wirklich, wie der Fuchs versprochen hatte, »als Sieger hervorgehen?«
Der Gewinner wurde laut verkündet. Der dritte Platz ging an eine Dame. Herr Reihbold stand starr da. Er konnte seinen Herzschlag in den Ohren spüren. Platz zwei erhielt ein Gärtner, welcher seinen Garten auch in der Bohnenallee hatte. Herr Reihbold wagte nicht zu atmen, als endlich der erste Platz ausgerufen wurde.
Mit beifälligem Applaus wurde einem gewissen Herrn Korr der Sieg zugesprochen. Auch Herrn Reihbolds Hände klatschten, doch er selber bemerkte es nicht. Dann, nach einer kurzen Schockstarre marschierte er den Kiesweg zurück auf sein Grundstück. Er verstaute alle Gerätschaften im Schrank, warf sich seinen Stoffbeutel über die Schulter und stapfte grimmig heim.
»Das war ja klar!«, grummelte er auf dem Heimweg. »Lässt dir etwas vom Fuchs erzählen und wunderst dich dann, dass nichts passiert.«
Die Anspannung und Hoffnung des ganzen Tages hatten ihn müde gemacht. Trotzig nahm er sein Abendessen ein. Den Rest des Abends verbrachte er grübelnd im Bett. Irgendwann schlief er ein.
Am darauffolgenden Morgen war seine Laune schon wieder ein wenig besser. Er frühstückte ausgiebig und schlenderte dann in die Sparte. Wahrscheinlich würde er diesen Fuchs nie wieder sehen. Im Garten angekommen schloss er den Schrank auf. Er blickte auf einen der Klappstühle, der ungenutzt schon Staub angesetzt hatte. Dann fiel sein Blick auf den Spaten, der so magisch nicht war. Auf den Eimer, der fast zu groß war für den Kleiderschrank. Und auf die Gießkanne, die langsam anfing zu rosten. In diesem Moment bemerkte er, dass die Vögel abermals aufgehört hatten zu zwitschern. Er drehte sich um. Da war nichts zu sehen. Doch dort am Tor huschte eine rote Schweifspitze davon. Herr Reihbold packte den magischen Spaten, die Gießkanne und den Eimer und rannte hinterher.
»Halt! Nimm deinen Kram wieder mit. Ich will meine Sachen wieder!