Fühlen ist gesund - Anette Dröge - E-Book

Fühlen ist gesund E-Book

Anette Dröge

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Beschreibung

Nicht Gefühle machen krank, sondern unser Umgang damit. Gefühle beinhalten wichtige seelische Botschaften. Über die Biochemie des Körpers können sie Veränderungen im Nerven-, Hormon- und Immunsystem hervorrufen. Daher ist es wichtig, die eigenen Gefühle anzunehmen - ohne sie verändern oder bewerten zu wollen. Ein bewusster Umgang mit Gefühlen reduziert den biochemischen Stress im Körper und stärkt das Immunsystem. Basierend auf den Erkenntnissen der Psychoneuroimmunologie bekommen die LeserInnen ganz konkrete Anregungen, den Umgang mit Gefühlen zu verbessern und aktiv etwas für die psychische und körperliche Gesundheit zu tun. Zitat: Ein gefühltes Gefühl dauert ungefähr fünf bis zehn Minuten, ein nicht gefühltes Gefühl kann ein Leben lang andauern.

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ANETTE DRÖGE

FÜHLENISTGESUND

HEILUNGDURCH DIE BALANCE VON KÖRPER,SEELE UND IMMUNSYSTEM

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt.

Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar.

© Verlag Fischer & Gann in Kamphausen Media GmbH, Bielefeld 2019, Munderfing

Umschlaggestaltung | Layout: Gesine Beran, Turin, Italy

Umschlagmotiv: © shutterstock | enterphoto

Satz: Pagina GmbH, Tübingen

eBook Gesamtherstellung: Bookwire GmbH, Frankfurt a. M.

Printed in The European Union

ISBN 978-3-903072-82-4

ISBN E-Book 978-3-903072-83-1

www.fischerundgann.com

INHALTSVERZEICHNIS

Vorwort von Anna Trökes

1. TEIL

Einführung: Lebendige Gefühle – Gesunde Grenzen

01 | Wie Gefühle unser Leben lenken können und sollten

02 | Ein Blick hinter die Kulissen von Körper, Seele und Immunsystem

Die zentralen Erkenntnisse der Psychoneuroimmunologie

Wie Gefühle im Körper »verschwinden« und psychosomatische Beschwerden entstehen

Mit dem Körper die Seele heilen

03 | Der innere Antreiber – wie familiäre Werte Stress erzeugen

Nichts fühlen ist auch ein Gefühl – wenn Selbstschutzmechanismen eingreifen

Vermeidungsstrategien – was wir alles tun, um nicht zu fühlen

04 | Fühlen ist gesund – Selbstwirksamkeit anstatt Ohnmacht

Positive Gefühle und positive Biochemie im Körper fördern

Aktive und passive Pausen

Unbewussten Stress erkennen

2. TEIL

05 | Die Reise beginnt – vom Symptom zum Gefühl

Raum schaffen, selbstwirksam werden

Gold schürfen – entdecke deine unbewussten Muster

Die Kraft der Gefühle

06 | Leben mit allen Sinnen – Hausapotheke für Gefühle

Mit Gefühlen laufen

Waldspaziergang

Trauerarbeit

Arbeit mit inneren Bildern

Die erlösende Kraft des Schreibens

Dampf ablassen – großen Gefühlen einen sicheren Raum geben

Den neuen Weg beibehalten

Die heilende Kraft der Dankbarkeit

Die heilende Kraft der Vergebung

3. TEIL

07 | Die seelische Bedeutung von Organen und Krankheiten im Überblick

Organe und Körperteile und ihre seelische Bedeutung

Symptome und ihre seelische Bedeutung

08 | Symptome verstehen und Gefühle aus der Versenkung holen

Stressorgan Knie – die richtige Balance im Leben finden

Bauchschmerzen – wenn wir Gefühle runterschlucken

Schulter-Nacken-Verspannung – unter dem Druck der Gefühle

Hautausschlag – der Kampf um Nähe und Distanz

Burnout – Erschöpfung durch unrealistische Erwartungen

Zwölffingerdarm – Selbstversorgung im richtigen Maß

Blasenentzündung – das Stoppschild in Beziehungen

Kopfschmerzen – Festhalten oder Loslassen

09 | Zum Abschluss

Schlussworte

Die 7 Schritte, um dein Symptom zu verstehen

Übersicht: Alle Übungen auf einen Blick

Danksagung

Literaturverzeichnis

Internethinweise

Über die Autorin

VORWORT

Wir leben in einer Welt, in der Gefühle immer noch mit einigem Misstrauen betrachtet werden, da wir der Vernunft den Vorrang geben. Die sehr zahlreichen Studien der Neurowissenschaften, der Mind-Body-Medizin und der Psycho-Neuro-Immunologie zeigen jedoch deutlich, dass wir uns mit der Nichtbeachtung und Verdrängung unserer Gefühle keinen Gefallen tun und auch nicht zufriedener, leistungsfähiger oder ruhiger werden. Im Gegenteil.

Anette Dröge erlebt jeden Tag in ihrer Fachpraxis für Psychosomatik, wie sehr wir jedes unserer Gefühle verkörpern und wie die nicht gelebten und verdrängten Gefühle sich auf die Grundspannung unseres Körpers (den Tonus) und auf unsere seelische Befindlichkeit auswirken. Viele der psychosomatischen Beschwerden und Krankheitsbilder lassen sich darauf zurückführen, dass uns leider nie jemand beigebracht hat, wie wir gut mit unseren Gefühlen umgehen können – und so wird unsere Gesellschaft auch immer kränker.

Unsere Gefühle drücken aus, was wir fühlen, und dieses Fühlen geschieht in unserem Körper. Wenn wir bedrückt sind, erfahren wir Enge, bei Trauer Schwere und Niedergeschlagenheit. Bei Freude fühlen wir uns leicht und wenn wir uns verlieben, verwandelt sich – bedingt durch die berühmte rosarote Brille – sogar die Art und Weise, wie wir die Welt sehen.

Wenn wir nicht fühlen wollen, verlieren wir die Beziehung zu unserem Körper. Wenn wir ihn nicht in seiner Anspannung, seiner Unruhe, seinem Schmerz fühlen wollen, dann hört er nach und nach auf, sich zu melden – und das nicht nur bildlich gesprochen. Tatsächlich werden die Bereiche unseres Gehirns, die zuständig dafür sind, uns immer Auskunft zu geben über alle Details unseres Befindens, allmählich deaktiviert und verstummen regelrecht.

Wenn wir dann noch permanent im Stress sind, meinen wir, keine Zeit zu haben, um uns um unseren Körper kümmern zu können. Stattdessen widmen wir uns unseren Problemen und Sorgen und bald ist unser Kopf so voll davon, dass Signale aus dem Körper nicht mehr ins Bewusstsein dringen können.

Es klingt dramatisch und es ist dramatisch: Wir entfremden uns von uns selbst – wir werden uns selbst fremd, wenn wir uns nicht mehr spüren.

Viele der Menschen, die unter Stress leiden, kennen dann nur einen Weg: die Reize verstärken. Sie trainieren härter, fahren schneller Rad, laufen Marathon, machen Hot Yoga oder schwimmen wie Kampfmaschinen. Dabei brauchen sie das Gegenteil – die Rückkehr zum Langsamen, Feinen und Leichten. Was sie wirklich brauchen, ist das Einüben von Achtsamkeit, von Selbstwahrnehmung und von Einfühlungsvermögen.

Aber wie soll das gehen? Wo lernt man solche Fähigkeiten?

Genau diese Fragestellung beschäftigt auch Anette Dröge, wenn sie – wie sie berichtet – in ihrer Praxis die Not ihrer Patientinnen und Patienten bemerkt, Zugang zu ihren Gefühlen und damit zu ihrem innersten Sein zu finden.

Das Buch »Fühlen ist gesund – Heilung durch die Balance von Körper, Seele und Immunsystem« hilft uns zunächst zu verstehen, was alles in unserem Inneren, diesem unbekannten Kontinent, vorgeht. Wie werfen einen »Blick hinter die Kulissen von Körper, Seele und Immunsystem« und werden eingeführt in die Forschungen der Psycho-Neuro-Immunologie.

Wir lernen zu erkennen, dass die Mechanismen, durch die wir uns selber immer wieder Stress erzeugen – unsere »inneren Antreiber« –, oft auf der Grundlage familiärer Werte entstehen, z .B. dass man nur dann geschätzt wird, wenn man immer, ohne je aufzubegehren, funktioniert.

Wir lernen, dass »nicht fühlen« in vielen Fällen ein lebenswichtiger Selbstschutzmechanismus ist, und können erkennen, ob er uns auch heute, unter den jetzigen Umständen, noch so sehr nützt oder vielmehr im gleichen Maße schadet.

Wir lernen umzudenken! Weil in sich gehen und sich selbst spüren der einzige Weg ist, der ermöglicht, dass wir erkennen können, was uns guttut und was uns schadet. Unterstützt durch das Erforschen und Erkennen unserer inneren Welt beginnen wir, selbstwirksam zu werden und besser für unsere Heilung und Gesunderhaltung sorgen zu können.

Dieses Erforschen und Erkennen wird unterstützt durch die Ausführungen über »Die seelische Bedeutung von Organen und Krankheiten« und »Symptome verstehen und Gefühle aus der Versenkung holen«. Gerade in diesen beiden Kapiteln wird die große Erfahrung Anette Dröges deutlich, aber auch ihr Einfühlungsvermögen, ihre Intuition und vor allem ihr großes Mitgefühl für das Leiden der Menschen, die sie aufsuchen. Aus ihrer therapeutischen Arbeit weiß sie auch, dass sich die Ursachen dieses Leidens fast immer aufdecken lassen und dass unser Gehirn und Nervensystem bis in das hohe Alter über eine erstaunliche Plastizität verfügen, sodass wir immer wieder neues, heilsameres Denken, Fühlen, Verhalten und Handeln lernen können.

Anette Dröge schenkt uns Leserinnen und Lesern dazu viele praktische Übungen, die uns wieder zu uns selbst führen und uns neue Perspektiven eröffnen. Sie fördern den bewussten und aktiven Umgang mit unseren Gefühlen und helfen uns, diese als unseren wahren Reichtum zu erfahren und schätzen zu lernen.

Möge ihr wundervolles Buch vielen Menschen eine Hilfe sein, zu sich zu finden und ihre Gefühle in einer förderlichen und heilsamen Weise zu leben.

Anna Trökes

Berlin, im Juni 2019

1. TEIL

EINFÜHRUNG:LEBENDIGE GEFÜHLE – GESUNDE GRENZEN

Gefühle gehören zu unserer körperlich-seelischen Grundausstattung. Obwohl sie uns oft gar nicht bewusst sind, sind sie doch immer da. Sie sind, in einem gewissen Sinn, unsere Verbindung zur Umwelt. Sie stellen die Verknüpfung zwischen unserem Inneren, unserer Seele, unserem Körper und der Umgebung her. Gefühle bringen uns im besten Falle sicher, gesund und glücklich durch den Tag.

Es macht einen himmelweiten Unterschied in unserem Leben, ob wir vor unseren Gefühlen – ganz besonders den unliebsamen – davonlaufen, indem wir sie verdrängen und uns ablenken, oder uns ihnen bewusst und wohlwollend zuwenden. Ungelöste Probleme und Gefühle verfolgen uns, schlimmstenfalls ein ganzes Leben lang. Wenn wir sie allerdings willkommen heißen und annehmen, können sie sich auflösen und lassen uns als Menschen innerlich reifen.

Gefühle sind untrennbar mit unserer Lebensqualität verbunden. Im Einklang mit unseren Gefühlen erleben wir Höhen und Tiefen, unser Leben ist bunt und lebendig. Wir können uns auf unsere Gefühle verlassen. Wir können eine Situation besser einordnen, uns einlassen und genießen oder uns früher abgrenzen und gehen, bevor es brenzlig wird. Wir sind in unserem Leben ständig auf unsere Wahrnehmung und Einschätzung von Situationen angewiesen. Wir können, unserem Bauchgefühl folgend, die richtigen Entscheidungen treffen – sei es beispielsweise um den richtigen Job zu finden oder einen guten Umgang mit uns wichtigen Menschen zu pflegen.

Doch das ist alles gar nicht so einfach. Zweifelsohne leben wir in einer Zeit, in der der allgemeine Stresspegel sehr hoch ist und wir oft das Gefühl haben, funktionieren zu müssen. Die Folgen sind innerlicher Druck und für viele Menschen eine Nun-reiß-dich-mal-zusammen-Haltung. Wir reißen uns also zusammen und fangen an, über unsere gesunden Grenzen hinauszugehen. Wir »stehen stramm«, obwohl wir müde sind, und bekommen vermutlich Probleme im Schulter-Nacken-Bereich, Rückenschmerzen oder Knieprobleme. Dann werden wir innerlich wütend, dürfen das aber nicht ausdrücken, um keinen Ärger zu bekommen. Deshalb unterdrücken wir das Wutgefühl und es taucht einige Zeit später z. B. als Nebenhöhlenentzündung wieder auf. Einhergehend mit den psychischen Belastungen der heutigen Zeit treten auch körperliche Schmerzmuster vermehrt auf. Aber warum ist das so?

Dank der bahnbrechenden Forschungsergebnisse der Psychoneuroimmunologie, kurz PNI genannt, wissen wir heute, wie diese Krankheiten, die sich aus der Psyche entwickeln – auch psychosomatische Krankheiten genannt – entstehen.

Forscher entdeckten biochemische Boten- und Signalstoffe, die als Mittler zwischen Körper, Seele und Immunsystem fungieren. Und so sind wir heute sicher: Gefühle beginnen im Gehirn. Dort lösen sie biochemische Kaskaden aus und steuern viel stärker unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit, als wir das bisher angenommen haben. Krankheit entsteht in dem Moment, wo es zu einer wiederholten und dauerhaften biochemischen Stressreaktion im Körper kommt.

Doch es gibt nicht nur den »negativen« Zusammenhang: Die Forschung der Psychoneuroimmunologie hat ebenfalls unmissverständlich gezeigt, dass positive Gefühle wie Glück, Hoffnung, Zufriedenheit und Selbstwirksamkeit das Immunsystem stärken. Negative Gefühle wie Angst, Sorgen, Kummer und Selbstzweifel führen hingegen zu einer nachweislichen Verminderung der Immunzellen. In diesem Wissen stecken Chancen auf tiefgreifende Heilung.

In Einzelfallstudien zeigte sich, dass nicht nur negative Gefühle, sondern auch das Unterdrücken sowie die Unfähigkeit, Gefühle auszudrücken, krank machen können oder eine Genesung erschweren. Studien mit Krebspatienten machten beispielsweise deutlich, dass diejenigen Patienten, die in der Lage waren, ihre negativen Emotionen zu artikulieren, nachweislich schneller gesund wurden und eine längere Lebensdauer erreichten als solche, denen es schwerfiel, sich mit ihren Gefühlen auseinanderzusetzen (Zänker 1991).

Mit diesem Buch möchte ich deshalb einen neuen, positiven und wohlwollenden Ansatz vorstellen, wie wir mit unseren körperlichen Symptomen und Gefühlen im Alltag gesünder umgehen können. Es ist mir ein wichtiges Anliegen, die oft anerzogene, über Jahre oder Jahrzehnte trainierte Angst vor unserem Inneren aufzulösen. Ich möchte meine Leserinnen und Leser einladen, sich auf eine ganz neue, wohltuende und wertfreie Weise mit ihrem Inneren und ihren Symptomen zu beschäftigen.

Diese neue Sichtweise führt uns auch über die bisherige Deutung von Symptomen hinaus: Wir haben jetzt ganz andere Möglichkeiten, eine Krankheit und ihre Entstehungsgeschichte wirklich zu verstehen. Umfassender, ganzheitlicher, lebensbejahender! Wenn wir eine Krankheit »nur« deuten, laufen wir sehr häufig Gefahr, die Symptome und die Krankheit zu bewerten und sie verändern zu wollen. Dadurch entstehen unter Umständen zusätzlich innerer Druck und Schuldgefühle darüber, etwas falsch gemacht zu haben. Wenn wir aber wirklich wertfrei und unvoreingenommen auf die Beschwerden schauen – so, wie sie sind –, erfahren wir am meisten über uns selbst und den inneren Knoten, der uns krankgemacht hat. Und oft zeigt sich dann auch schon im selben Atemzug die Lösung des Problems.

In diesem Buch habe ich diese wunderbaren und zum Teil sehr komplexen Funktionsmechanismen verständlich aufbereitet, um dich, liebe Leserin und lieber Leser, zu ermutigen, umzudenken. Wenn wir aufhören, gegen uns selbst anzukämpfen, und unsere Gefühle annehmen, wie sie sind, erfahren wir sehr viel über uns selbst und unsere innere Wahrheit. Wir können dann aufhören zu leiden und anfangen, unser Leben so zu gestalten, dass es uns mit Freude und Lebendigkeit erfüllt.

Getreu einer der wichtigsten Erkenntnisse aus der Körperorientierten Psychotherapie:

»Ein gefühltes Gefühl dauert fünf Minuten, ein nicht gefühltes dauert ein ganzes Leben!«

Im ersten Teil möchte ich nun gemeinsam mit dir einen Blick hinter die Kulissen werfen. Damit du besser verstehst, wie sich Stress, deine erlernten Wertesysteme und alte Verletzungen auf deine Gesundheit auswirken.

Im zweiten, praxisorientierten Teil möchte ich dir ein neues und sehr wohlwollendes Verständnis für die tiefe Wahrhaftigkeit deiner Gefühlswelt eröffnen, um die innere Notwendigkeit für Stress und Konflikte zu reduzieren. Dafür habe ich einige ideale, sehr wirksame Methoden zusammengetragen, die es dir erleichtern, mit deinem Symptom und den dahinter liegenden Gefühlen in Kontakt zu kommen. Um so einen neuen und direkteren Umgang für dich zu entwickeln. Die Methoden haben sich in der Praxis vielfach bewährt und sind im Alltag simpel anzuwenden.

Der dritte Teil des Buchs bietet dir ganz konkrete Unterstützung dabei, dich und deine Beschwerden besser zu verstehen. Ich habe eine Übersicht der seelischen Bedeutung von Organen und Körperteilen mit Selbstheilungsfragen zu dem jeweiligen Thema angefertigt und eine Beschreibung der unterschiedlichen Symptome und deren seelische Bedeutung.

Abschließend stelle ich dir exemplarisch einige Krankheits- oder besser Gesundheitsgeschichten vor, die ich so mit Patienten in meiner Praxis erlebt habe. Hier geht es mir vor allem darum, dir Mut zu machen und den Erkenntnisweg darzustellen, um dich anzuregen, noch genauer auf die leisen Stimmen aus deinem Inneren zu hören.

01|

WIE GEFÜHLE UNSER LEBEN LENKEN KÖNNEN UND SOLLTEN

Unser Körper verfügt über sehr sinnvolle und durchaus belastbare Selbstheilungsmechanismen, die tagtäglich dafür sorgen, dass wir im Gleichgewicht bleiben. Einige benachrichtigen uns zum Beispiel dann, wenn wir etwas trinken oder essen sollten, andere greifen im Konfliktfall ein. Wenn wir Stress bekommen durch z. B. Zeitdruck oder Ärger, wird im Körper Energie mobilisiert, die wir im Sinne unserer biologisch evolutionären Entwicklung für einen anstehenden Kampf oder die Flucht davor brauchen. Wir haben dann im wahrsten Sinne des Wortes das Gefühl, unter Strom zu stehen. Diese Reaktion läuft ganz automatisch ab und hilft uns durch unseren Alltag. Was genau bei der Stressreaktion passiert, beschreibe ich in Kapitel 2.

Wie klug und vorausschauend, wie vollkommen und abgestimmt unser Körper vernetzt ist und alle Bestandteile ineinandergreifen und gesteuert werden, das fasziniert mich immer wieder aufs Neue. Und vor allem: Nichts geht verloren. Gefühle, die im Eifer eines Gefechts verdrängt wurden, tauchen meistens ganz schnell und einfach wieder auf, sodass wir uns ihnen im Nachhinein zuwenden müssen.

In meiner Praxis begegne ich vielen Menschen mit psychosomatischen Krankheiten und Burnout-Syndrom. Als psychosomatische Krankheiten – das Wort setzt sich aus »Psyche« für Seele und »Soma« für Körper zusammen – bezeichnet man Krankheiten, die einen starken seelischen Anteil bzw. Auslöser in ihrer Entstehungsgeschichte haben. Sie entziehen sich den bekannten Behandlungsverfahren und können erst durch die Beschäftigung mit der seelischen Verletzung, die dahintersteckt, kuriert werden. Dabei kann das Symptom in der Regel durch Ort und Art der Beschwerden wichtige Hinweise zu eben jenen Themen liefern. Aber wir werden nicht nur krank durch emotionale Verletzungen oder Stress, sondern auch durch unseren Lebensstil. Viele meiner Patienten wurden auch deswegen krank, weil sie an einem bestimmten Punkt aufgehört haben, auf ihre Gefühle und ihre Impulse aus dem Inneren zu achten, diese wahr- und ernst zu nehmen.

Nichts fühlen oder Gefühle nicht ernst nehmen

Meistens fängt es harmlos an: Am Anfang einer Krankheitsgeschichte steht meistens eine Phase, in der Menschen beginnen, ihre ganz einfachen und lebenserhaltenden Gefühle bzw. Bedürfnisse wie Hunger, Durst und Toilettengang, begleitet von dem Bedürfnis nach Ruhe, Schlaf, Grenzen, zu ignorieren, um in ihrer jeweiligen Lebenssituation funktionieren zu können. Besonders Dauerstress bringt langfristig unser biochemisches Gleichgewicht völlig durcheinander und öffnet Tür und Tor für verschiedenste, darunter auch schwere Krankheiten.

Interessanterweise spiegelt sich bei vielen Menschen im Umgang mit diesen ganz einfachen, man möchte fast sagen banalen und dabei ganz elementaren Bedürfnissen wie Hunger, Durst, Müdigkeit ganz deutlich auch ihr Umgang mit ihren seelischen und emotionalen Bedürfnissen wider. Sie neigen einerseits dazu, sich das Trinken zu verkneifen, wenn sie Durst haben, und verkneifen sich andererseits im selben Maße, ihre Gefühle ernst zu nehmen, weil es beispielsweise nicht in den Arbeitsalltag passt und den Arbeitsablauf stört.

Dadurch geht der Kontakt zu den eigenen Gefühlen mit der Zeit immer mehr verloren. Viele meiner Patienten müssen zunächst ihre Körperwahrnehmung zurückgewinnen. Oft wurden die Gefühle im »Eifer des Gefechts« so lange unterdrückt, dass sie völlig in Vergessenheit geraten sind. Und zwar nicht nur das Gespür für Grenzen, z. B. die Wahrnehmung ihrer eigenen Erschöpfung, sondern selbst so vermeintlich einfache Empfindungen wie Durst oder Hunger. Für diese Menschen gilt der Grundsatz: Nichts fühlen ist auch ein Gefühl. Wer sich so stark von seiner Selbstwahrnehmung abgeschnitten hat, begegnet oft als Erstes dem Eindruck »nichts fühlen zu können«.

Wie ist das bei dir? Verkneifst du dir zum Beispiel Hunger oder Durst, weil die Arbeit fertig werden muss? »Schnell noch diese Seite fertig schreiben, nur noch eine E-Mail beantworten, noch ein Telefonat, ein Gedanke …«, und dann ist plötzlich eine Stunde um oder zwei oder drei. Wer kennt das nicht? Hängst du abends noch lange müde und erschöpft vor dem Fernseher oder Computer, anstatt ins Bett zu gehen und zu schlafen? Was ist der Grund dafür? Wer hat dir das beigebracht? Welche innere Stimme treibt dich an, über deine Grenzen zu gehen? In der Körperorientierten Psychotherapie nennen wir diese innere Stimme auch den »inneren Antreiber«. Bei der Auseinandersetzung mit psychosomatischen Krankheiten spielt er eine sehr wichtige Rolle, deshalb habe ich ihm im späteren Verlauf auch ein ganzes Kapitel gewidmet.

Und wie gehst du mit deinen Bedürfnissen nach Nähe und Geborgenheit oder auch der inneren Erlaubnis nach Grenzen und Rückzug um? Erwachsene haben ebenso wie Kinder ein Bedürfnis nach Kontakt, Nähe und Geborgenheit, nur eben auf eine erwachsene Art und Weise. Ein großer Unterschied ist, dass wir als Erwachsene selbst dafür verantwortlich sind unsere Beziehungen zu pflegen, uns selbst Geborgenheit zu geben oder zu holen. Dafür zu sorgen, dass wir uns wohlfühlen, indem wir uns Räume für Begegnungen, Berührung und Freude schaffen oder umgekehrt für Rückzug und Erholung. Besonders diese nährenden, positiven Gefühle von seelischer Geborgenheit und Zugehörigkeit stärken unser Immunsystem und damit die Gesundheit.

Der schwierigste Teil auf dem Weg zur Genesung ist oftmals die Auseinandersetzung und Aufarbeitung der großen, ganz persönlichen Themen und Verletzungen, die uns seit der Kindheit begleiten oder uns schon in die Wiege gelegt wurden. Diese »wunden Punkte« beeinflussen unser ganzes Leben und können uns krank machen. Bei tiefen Verletzungen kommt erschwerend hinzu, dass wir sie zunächst oft gar nicht bewusst wahrnehmen können, da sie aufgrund von Selbstschutzmechanismen verdrängt werden. Sie erzeugen aber eine Art Grundrauschen, durch das unser allgemeiner Stresspegel insgesamt erhöht ist. Das macht unseren Körper dann natürlich insgesamt anfälliger für Stress.

Auf solche Themen werden wir oft erst durch Krankheiten gestoßen, die, wie es bei psychosomatischen Krankheiten üblich ist, nicht auf dem »normalen Weg« auskuriert werden können. Vielfach zwingen uns erst diese Krankheiten, genauer hinzusehen und uns mit unseren seelischen Verletzungen auseinanderzusetzen.

Heilung entsteht, wenn wir lernen, wohlwollend mit unseren Verletzungen und Mustern umzugehen und die Gefühle anzunehmen, die damit verbunden sind, auch wenn es uns manchmal sehr schwerfällt.

Das Annehmen dieser Gefühle macht uns authentischer, klüger und stärker.

Gefühle, die unser Leben maßgeblich beeinflussen

Besonders Angst ist ein unbeliebtes Gefühl, aber wenn wir auf sie achten, kann sie uns im entscheidenden Moment schützen. Gefühlter Ärger kann uns dabei helfen, uns rechtzeitig abzugrenzen. Der gefühlte Wunsch nach Nähe und Geborgenheit kann uns davor schützen, in Süchte abzugleiten. Gefühlte Bedürfnisse können uns helfen, ein gesundes Leben zu führen und authentisch zu sein. Bei näherem Hinsehen sind Zufriedenheit und Unzufriedenheit sehr wichtige Gefühle, die oft unterschätzt werden. Sie sind vollkommen individuell und von ganz unterschiedlichen, dahinterliegenden Gefühlen motiviert. Darauf werde ich im Verlauf dieses Buchs noch näher eingehen.

Wir alle haben es mit Sicherheit schon erlebt: Wenn wir uns über einen längeren Zeitraum, in einer schwierigen Situation befinden, entsteht im Inneren eine bohrende Unzufriedenheit. Diese Unzufriedenheit drückt aus, dass Körper und Seele sich unwohl fühlen, dass sich verschiedene Gefühle wie Ärger, Frustration oder Enttäuschung angehäuft haben. Sie treibt uns an, Dinge zu verändern, uns auf den Weg zu machen, etwas Neues zu lernen, nach der Liebe Ausschau zu halten oder uns weiterzuentwickeln. Gehirnbiologisch sind Phasen, in denen wir ein solch inneres Dilemma lösen müssen, immer besonders sinnvoll und effektiv, da das Gehirn dadurch gezwungen wird, neue Strategien zu entwickeln. Die Sehnsucht nach Liebe und Geborgenheit ist ebenso ein Gefühl und eine Triebkraft wie Angst, Enttäuschung oder Einsamkeit.

Praxisbeispiel: Eine meiner Patientinnen wurde von einem starken Hautausschlag gequält. Versteckter Auslöser dieser Erkrankung war ein tiefes Gefühl von Einsamkeit, was sie stets mit übertriebener Fürsorge für andere überspielte. Sie war gezwungen, sich mehrmals am Tag einzureiben und sich auf diese Weise endlich mal ganz intensiv sich selber zuzuwenden. Der Ausschlag war anfangs so schlimm, dass sie im Krankenhaus von den Schwestern eingerieben werden musste. So erlebte sie das erste Mal in ihrem Leben so etwas wie liebevolle Aufmerksamkeit. Ihr Symptom sorgte also dafür, dass sie genau das bekam, was ihre Seele so lange entbehrt hatte. Ich bin selber immer wieder fasziniert und berührt von der schlichten Tiefe und Wahrheit, die auftaucht, wenn wir uns unseren Symptomen zuwenden.

Wir alle wünschen uns Liebe, Anerkennung und Erfüllung, denn der Mensch ist ein soziales Wesen. Die Studien der PNI haben gezeigt, wie intensiv die positive Wirkung von sicheren und liebevollen Beziehungen ist und wie gegenseitige Unterstützung und Austausch das Immunsystem stärken.

Gefühle wie Ärger, Enttäuschung und Ungerechtigkeit, fordern uns heraus und bringen uns an unsere Grenzen. Aber sie können auch unsere Gesundheit schädigen, wenn wir keinen sinnvollen Weg finden, mit ihnen umzugehen. Durch den Stress der dadurch im Inneren entsteht, leidet auch das Immunsystem und damit unsere Gesundheit. In diesen Gefühlen sind wunderbare, sehr wichtige, große Kräfte verborgen. Wenn wir uns trauen, mit ihnen umzugehen, helfen sie uns, unser Leben zu verbessern oder wichtige Grenzen zu setzen.

Wie können und dürfen wir mit unserer Wut umgehen?

Was haben uns unsere Eltern beigebracht?

Was ist der gesellschaftliche Rahmen, in dem Gefühle da sein und gefühlt werden dürfen? Und ab wann gelten Gefühle als unangemessen, werden tabuisiert oder verleugnet?

Je nachdem, wie wir erzogen wurden, fällt es uns leichter oder schwerer, mit einem Konflikt umzugehen, uns abzugrenzen und für unsere Meinung einzustehen. Für solche Gefühle gilt: Je eher wir sie spüren, desto eher können wir mit ihnen umgehen, sie kanalisieren und zum Beispiel Dampf ablassen beim Sport, spazieren gehen oder einfach mal aufschreiben, was in unserem Inneren alles los ist. Dadurch können sich die Gedanken ordnen und wir gehen geklärter in eine Diskussion.

Leider haben bisher viele Menschen eine anerzogene Angst vor ihren »großen Gefühlen«, was oft zu einer Art selbsterfüllten Prophezeiung führt. Denn durch das zu lange Aushalten wird man unter Umständen zu einer tickenden Zeitbombe, seelisch wie körperlich, und die eigenen Befürchtungen bestätigen sich.

Auf das Bauchgefühl hören

Das Bauchgefühl, auch Intuition genannt, ist sicherlich das populärste und beliebteste Gefühl, das wir kennen, und gleichzeitig das geheimnisvollste. Denn woher »wissen« wir das, was wir fühlen? Welchen Sinn benutzen wir dafür? Was ist eigentlich unser Bauchgefühl? Es fühlt sich an, als könnte man über die Zeit hinaus »sehen«, etwas erspüren, was noch gar nicht da ist. Wer ihm vertraut, kann sich eine Menge Ärger ersparen. Es heißt: »Es gibt keine zweite Chance für den ersten Eindruck.« Wie oft hat sich das schon bestätigt? Trotzdem gehen wir so manches Mal einfach darüber hinweg, denn es zeigt sich oft nur als Hauch einer Ahnung. Später denken wir dann: »Hätte ich doch bloß auf mein Bauchgefühl gehört.«

Interessanterweise hält die deutsche Sprache eine Vielzahl solcher Redewendungen bereit, die eine ganz klare Verbindung zwischen unseren Gefühlen und bestimmten körperlichen Symptomen ziehen: die Nase voll haben, Liebe geht durch den Magen, etwas bereitet Kopfzerbrechen oder Bauchschmerzen oder es geht an die Nieren. Wir kennen und verwenden sie alle. Doch: Spüren wir sie auch?

Welche Redewendung passt zu deinem Symptom?

Hat dir vielleicht jemand das Herz gebrochen, geht dir etwas unter die Haut oder ist dir etwas über die Leber gelaufen? Musst du viel im Leben »strammstehen« oder deine Ellenbogen gebrauchen? Manche Menschen müssen sehr standhaft sein und werden darüber halsstarrig, andere können Ereignisse in ihrem Leben einfach nicht verdauen und bekommen Durchfall oder haben unbewusst das Bedürfnis, alles festhalten zu wollen, dann bekommen sie Verstopfung. Manchmal sitzt uns die Angst tatsächlich im Nacken oder wir nehmen vieles, das wir tragen und ertragen müssen, zu schwer und bekommen einen Bandscheibenvorfall.

Übung 1: Eine Redewendung für dein Symptom finden

Wenn du mehr über dein Symptom und deine Gefühle erfahren möchtest, nimm dir einen Moment Zeit für diese Übung:

1.Finde eine Redewendung, die zu deinem Symptom passt.Lass dich überraschen! Es kann auch ein neu kreierter Satz sein. Kannst du dich darin wiederfinden?

2.Schreibe die jeweils 5 wichtigsten positiven und negativen Gefühle auf, die dich in deinem Leben beeinflussen.Kannst du eine Verbindung zu dir und deinem Symptom feststellen?

Gefühle umfassen ein riesiges Repertoire an verschiedenen Facetten, die im Grunde alle darauf ausgerichtet sind, uns ein gesundes und glückliches Leben zu sichern. Wie genau Gefühle und Gesundheit miteinander verwoben sind, werde ich im nächsten Kapitel zeigen. Begeben wir uns gemeinsam hinter die Kulissen von Körper, Seele und Immunsystem.

02|

EIN BLICK HINTER DIE KULISSEN VON KÖRPER, SEELE UND IMMUNSYSTEM

Zunächst gebe ich einen kurzen Abriss über die sehr interessante Forschung der Psychoneuroimmunologie, kurz PNI, und hoffe natürlich, viele mit meiner Begeisterung über diese lebensverändernde Sichtweise auf das Thema Gesundheit und Krankheit »anzustecken«. Dank dieser Erkenntnisse sind die Zeiten vorbei, in denen Sätze wie »Wir finden nichts, das muss psychosomatisch sein« eigentlich heißen »Sie bilden sich ihre Beschwerden wohl ein?«.

Wir müssen endgültig umdenken. Nur weil mit den bekannten Mitteln und Testwerten der Schulmedizin nichts zu finden ist, heißt das noch lange nicht, dass nichts da ist! Diese Ansicht erzeugt immer wieder großes Leid, weil Menschen, die sich tatsächlich sehr krank fühlen, dadurch nicht gesehen und verstanden werden. Das neue Wissen öffnet uns somit ganz neue Türen, um mit Krankheiten, die durch psychosozialen Stress entstanden sind, sinnvoll umzugehen.

DIE ZENTRALEN ERKENNTNISSE DER PSYCHONEUROIMMUNOLOGIE

Ein ganz wichtiges, neues Ergebnis der PNI-Forschung ist, dass neue Parameter für biochemischen Stress entdeckt wurden, wie z. B. Cortisol im Blut oder Neopterin im Harn. Das sind aus meiner Sicht wichtige Messdaten der Medizin der Zukunft. Wenn in einem Blutbild herkömmlicher Art keine erhöhten Entzündungswerte gemessen werden können, sollte man z. B. den Cortisolspiegel im Blut genauer betrachten. Er gibt uns Aufschluss über die aktuelle Stress- bzw. Immunlage des Körpers. So können wir die Selbstheilungsmechanismen unseres Körpers besser verstehen.

Es gibt eine Kommunikation zwischen Nervensystem, Hormonsystem und Immunsystem.

Der US-Amerikanische Psychologe Robert Ader (1932 – 2011) machte im Jahr 1974 eine weltbewegende Entdeckung, die das bisherige Verständnis über die Wirkmechanismen zwischen Körper, Seele und Immunsystem grundsätzlich veränderte. Er entdeckte Botenstoffe des Nervensystems, die gleichermaßen auf das Immunsystem wirken und umgekehrt. Entgegen der bis dahin geltenden Meinung konnte er beweisen, dass das Immunsystem mit dem zentralen Nervensystem sowie dem Hormonsystem zusammenarbeitet. Er zeigte, dass diese Botenstoffe, genannt Zytokine, von Nervensystem, Hormonsystem und Immunsystem gleichermaßen »verstanden« werden. Sie ermöglichen also, im wahrsten Sinne des Wortes, eine einheitliche Kommunikation zwischen diesen drei wichtigen Regulationsmechanismen. Auf dieser Grundlage wird Psychosomatik endlich erklärbar. Wir können seitdem besser verstehen, auf welche Weise unsere Gefühle Einfluss auf unsere Gesundheit nehmen können.

Das Immunsystem kann lernen.

1975 entdeckte Robert Ader mit dem Immunologen Nicolas Cohen gemeinsam, dass das Immunsystem auch im Sinne einer Konditionierung nach Pawlow lernen kann. Sie verabreichten Mäusen einen Sirup mit einem Wirkstoff, der das Immunsystem unterdrückt. Nach der Prägungsphase verabreichten sie den Sirup ohne den Zusatz-Wirkstoff. Zur allgemeinen Überraschung reagierte das Immunsystem trotzdem mit einem Abfall der Immunzellen. Das war der Beweis dafür, dass das Immunsystem lernen kann – im Schlechten wie im Guten!

Diesen Effekt nutzt man heute, z. B. für eine positive Konditionierung des Immunsystems, sehr erfolgreich in der Krebstherapie. Die Forschungsarbeiten von Ader und Cohen von 1974 und 1975 gelten als die Geburtsstunde der PNI, da man erstmals die sensiblen Funktionsmechanismen zwischen Nervensystem, Immunsystem und Hormonsystem beobachten konnte.

Kein Körper ohne Seele!

Thure von Uexküll (1908 – 2004) prägte diesen Satz. Er gilt als der Gründervater der psychosomatischen Medizin in Europa, wie wir sie heute kennen. Der studierte Mediziner kämpfte sein Leben lang dafür, die Trennung zwischen Körper und Seele in der Medizin aufzuheben. 1966 wurde er für den Lehrstuhl »Innere Medizin und Psychosomatik« an die Universität Ulm berufen. Von dort aus reformierte er das Medizinstudium, indem er die Fächer Psychologie und Soziologie mit ins Studium einband.

Um seinem neuartigen Konzept mehr Gewicht zu verleihen, entwickelte er die »Integrierte Medizin«.

Anfang der 1970-Jahre bekam er dann die Möglichkeit, am Ulmer Reformklinikum einen Modellversuch zu starten, und gründete mit anderen zusammen »Die internistisch–psychosomatische Krankenstation«.

Das Immunsystem – ein 6. Sinnesorgan?

Am konkretesten bringt es der Marburger Physiologe Dr. Hugo Besedovsky auf den Punkt: »Das Immunsystem fungiert gleichsam als 6. Sinnesorgan, das bakterielle und virale Infektionen wahrnimmt und das Gehirn, bzw. die Psyche, über den Ernst einer infektiösen Erkrankung informiert. So fühlen wir uns (direkt) nach einer Infektion fiebrig, verlieren den Appetit, werden wehleidig und müde und lustlos. Kurzum, wir fühlen uns krank, schon bevor die eigentliche Grippe in Form von Fieber, Husten und Schnupfen ausbricht! Das Immunsystem hat unser Verhalten geändert« (Besedovsky 1983: 564 ff). Damit steht das Immunsystem als eine Art 6. Sinn in einer Reihe mit anderen Sinnessystemen wie Hören, Sehen, Riechen, Tasten, über die der Organismus ebenfalls mit der Umwelt verbunden ist (Blalock / Smith 2007: 21 ff.).

Es gibt fünf wesentliche Erkenntnisse, die unseren Blick auf die sensible Steuerung von Körper, Seele und Immunsystem vollkommen revolutionieren:

-Gefühle wirken über Botenstoffe auf das Gehirn und die Biochemie des Körpers.

-Das Immunsystem kann unsere Gefühle und unser Empfinden verändern.

-Der Körper reagiert auf jede Art von Stress gleich!Egal ob es sich um einen Angriff von außen handelt oder um emotionalen Stress.

-Stress führt zu einer unspezifischen Entzündungsreaktion im Körper, was auf Dauer den Körper krank macht.

-Langfristiger Stress führt zu einer Unterdrückung des Immunsystems und macht uns anfällig für Krankheiten.

Diese komplexen Zusammenhänge stelle ich im Folgenden vereinfacht dar:

Zuerst landen alle Informationen, Bilder und Erlebnisse im Gehirn, wo sie entsprechend ihrer »Wirkrichtung« eine biochemische Reaktion auslösen. Daraufhin erfolgt die Antwort des Nervensystems, und Gefühle entstehen. An dieser Stelle greifen auch unbewusste Bewertungen und Erfahrungen in das Geschehen ein. Auf dieser Grundlage ordnet unser Gehirn die Situation ein und löst entsprechende biochemische Reaktionen und Gefühle aus. Das Gehirn ist tatsächlich der Ausgangspunkt all unserer biochemischen, hormonellen und vegetativen Reaktionen auf Reize und Erlebnisse. Diese sind aber nicht nur das Ergebnis dessen, was wir erleben, sondern auch wie wir es bewerten.

Im Hinblick auf psychosomatische Krankheiten lassen sich die Abläufe auf drei Ebenen betrachten:

Das vegetative Nervensystem, VNS

Die bereits genannte »Kampf-Flucht-Reaktion«, die durch Stress ausgelöst wird, findet zunächst im Nervensystem statt. Dabei landen die Informationen als Erstes im Limbischen System, das für die emotionale Datenverarbeitung zuständig ist. Das Limbische System gehört mit dem Hypothalamus und der Hypophyse zu den zentralen Steuerorganen unseres Körpers. Die Hypophyse, oder auch Hirnanhangsdrüse, reguliert gemeinsam mit dem Hypothalamus das Hormonsystem. Der Hypothalamus ist das Steuerzentrum des vegetativen Nervensystems, es versetzt über den Nervus Sympaticus den Körper in die Situation, entweder mit Kampf oder mit Flucht zu reagieren.

Das vegetative oder auch autonome Nervensystem (VNS) funktioniert unabhängig von unserer bewussten Wahrnehmung und unserer willentlichen Steuerung. Es verbindet das Gehirn mit dem Körper und hat zu jedem Organ eine Direktleitung. Dadurch werden alle lebenswichtigen Funktionen wie Atmung, Herzschlag, Verdauung und Stoffwechsel unbewusst gesteuert, sodass wir zum Beispiel nicht einfach vergessen zu atmen.

Das VNS hat zwei wichtige Regelkreisläufe. Den Nervus Sympaticus, der für die Kampf-Flucht-Reaktion zuständig ist und unsere Kraft nach außen mobilisiert, und seinen Gegenspieler, den Parasympaticus, der die Kraft nach innen mobilisiert und dafür sorgt, dass wir uns erholen, entspannen und regenerieren.

Ein dritter Ast des VNS ist das enterische Nervensystem, es ist verantwortlich für den Magen-Darm-Trakt. Es funktioniert überwiegend selbstständig, wird aber von Sympaticus und Parasympaticus beeinflusst. Das ist wichtig, da wir so besser verstehen können, warum wir z. B. bei Stress Magenschmerzen oder Durchfall bekommen.

Bei Stress werden die Stresshormone Adrenalin und Noradrenalin ausgeschüttet. Dadurch erhöhen sich der Blutdruck und die Herzfrequenz. Die Atmung wird schneller und die Muskulatur spannt sich an. Gleichzeitig wird die Verdauung heruntergefahren, um die Durchblutung in Armen und Beinen zu verbessern. Die Kopfhaare stellen sich auf – ähnlich wie bei Hunden – und durch die Ausschüttung von Cortisol wird Energie aus den körpereigenen Reserven mobilisiert, damit der Blutzuckerspiegel ansteigt. Anhand dieser kurzen Aufzählung kann man schon sehr gut die durch Stress am häufigsten betroffenen Organe erkennen: Magen, Darm, Herz und Bauchspeicheldrüse.

Zu den großen seelischen Belastungen, die zu Stress führen, gehören neben Konflikten am Arbeitsplatz auch die Langzeitpflege eines geliebten Menschen, Existenzängste und Streit in der Beziehung oder Familie, da diese stark emotionalen Ereignisse immer wieder die Stresskaskade auslösen bzw. am Laufen halten.

Gut zu wissen!

Die Atmung ist die einzige Brücke zum vegetativen Nervensystem, da sie sowohl unbewusst als auch bewusst funktioniert. Deshalb können wir durch unsere Atmung auf das vegetative Nervensystem Einfluss nehmen, z. B. durch bewusstes Atmen, Körperarbeit, Yoga, Meditation, Sport oder die Arbeit mit inneren Bildern.

Das Immunsystem

Unser Immunsystem besteht aus zwei Teilen: Ein Teil ist bereits von Geburt an angelegt und wird in der Medizin als TH1 bezeichnet. Daneben gibt es noch einen Teil, den wir erst im Laufe unseres Lebens erwerben – das sogenannte TH2.

Die Immunzellen patrouillieren den ganzen Tag durch unseren Körper. Sie befinden sich im Blut, in der Lymphflüssigkeit und auch in den Schleimhäuten, im Speichel sowie der Tränenflüssigkeit. Dort eliminieren sie alle ungebetenen Gäste wie Bakterien, Viren oder Pilze, und ganz wichtig: auch missgebildete Zellen, die sonst zum Ausgangspunkt für Krebs werden könnten. Auf diese Weise sorgt das Immunsystem dafür, dass wir gesund bleiben.

Bei einem »Angriff«, z. B. von Bakterien, aber auch bei emotionalem Stress, entwickelt sich parallel zu der vegetativen Aktivierung eine sogenannte unspezifische Immunreaktion als erster Schutzmechanismus gegen Verletzungen oder Bakterien. Die Botenstoffe des Immunsystems überwinden dabei die Blut-Hirn-Schranke und bereiten den Körper für den Nahkampf mit dem Angreifer vor. Es kommt zu einer Aktivierung der zellulären Immunabwehr (TH1), wodurch eine unspezifische Entzündung im Körper entsteht. Diese Reaktion errichtet sozusagen einen Schutzwall gegen alle möglichen Eindringlinge. Ein sehr wichtiges Forschungsergebnis der PNI ist daher auch der Nachweis, dass negative Gefühle zu einer Absenkung der Immunzellen führen, wohingegen positive Gefühle zu einem Anstieg der Immunzellen führen. Die unspezifische Immunabwehr ist also von guten Gefühlen abhängig. Das bedeutet wiederum, dass die Seele durch ihren Einfluss auf das Immunsystem so ziemlich jede Reaktion hervorrufen kann – im Positiven wie im Negativen (Schubert 2015).

Gut zu wissen!

Intuitiv war es schon lange klar, dass Körper und Seele sehr eng miteinander verbunden sind. Der Unterschied ist, dass wir heute die genauen Abläufe kennen und deshalb auch wissen, wie wir es besser machen können.

Damit können wir den Mythos, dass psychosomatische Krankheiten auf Einbildungen beruhen, endgültig hinter uns lassen.

Muskuläre Spannung

Aufgrund meiner langjährigen Erfahrungen im Feld der Körperpsychotherapie möchte ich unbedingt noch auf einen dritten, sehr wichtigen Aspekt hinweisen: Wie ich bereits oben beschrieben habe, spannen sich in Stresssituationen unsere Muskeln an. Ein Relikt der Evolution, das dafür sorgt, dass wir auf einen sofortigen Kampf oder die Flucht vorbereitet werden. Da es sich um eine Überlebensstrategie handelt, die innerhalb von Millisekunden abläuft, spüren wir diese Verspannungen im Moment des Ereignisses meistens nicht bewusst. Erst im Nachhinein, wenn der Stress sich auflöst, werden sie spürbar. Sicher kennt die eine oder der andere die Verwunderung über die verspannten Muskeln am Abend eines anstrengenden Tags oder im Besonderen auch das Gefühl am nächsten Morgen, sich über Nacht scheinbar völlig verspannt zu haben.

Oft ist es sogar schwer, sich daran zu erinnern, wann oder wobei das passiert ist. Aber jeder von uns hat eine bevorzugte »Schwachstelle« im Körper, mit der wir auf Stress reagieren. Bei manchen Menschen, wie z. B. bei mir, ist es die linke Schulter, bei anderen der Kopf oder das Knie, wieder andere bekommen Magenschmerzen. Wenn wir viel Stress haben, beginnen sich diese Verspannungen im Körper zu »stapeln« und wir bekommen Beschwerden.

Durch Dauerstress verfestigen sich die Verspannungen und der Körper wird immer enger und steifer. Es fühlt sich an, als wäre man »alt« geworden. Ein sehr häufiges Symptom, das auf diese Weise entsteht, ist das Schulter-Nacken-Syndrom. Ein anderes sehr wichtiges »Stressorgan« ist das Knie. Natürlich ist es kein Organ in dem Sinne des Herzens oder der Lunge, aber in diesem besonderen und sehr komplexen Gelenk zeigt sich die ganze Spannung und Energie, mit der wir »strammstehen«. Die meisten Rückenschmerzen beginnen in unseren völlig überspannten Beinen, mit denen wir von Termin zu Termin rennen.

Das Gute ist, dass wir durch den Körper, insbesondere auch durch die Atmung, immer wieder Kontakt zum vegetativen Nervensystem aufnehmen können, um durch Bewegung und Entspannung die Enge im Körper rückgängig zu machen. Dabei entspannt sich nicht nur der Körper, sondern auch die Seele. Durch einen Spaziergang bekommen wir beispielsweise einerseits Abstand zu dem Konflikt, der uns umtreibt, und durch die Bewegung lässt sich gleichzeitig die angestaute Spannung abbauen. Dieser Effekt lässt sich natürlich auch durch Atemtherapie, Yoga oder Boxen herstellen.

Gut zu wissen!

Wir können durch den Körper die Seele heilen. Mit achtsamer Körperarbeit kann man das vegetative Nervensystem direkt erreichen und entspannen. Auf diese Weise lösen wir Verspannungen dort, wo sie entstanden sind – im Nervensystem.

Dauerstress macht krank