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Beschreibung

Jede Organisation bedarf der Führung. Die Anforderungen an Führungskräfte steigen weiter durch die zahlreichen Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft. Die Qualität des Führungsverhaltens aber schwankt von Führungskraft zu Führungskraft, von Unternehmen zu Unternehmen. Dies hat nicht nur kurzfristige Auswirkungen auf tägliche Arbeitsergebnisse, vielmehr werden Motivation, Qualifikation und Bindung der Mitarbeitenden beeinflusst, die als strategische Wettbewerbsfaktoren anzusehen sind. Dieses Handbuch hilft Führungskräften und HR-Experten:innen, ihre Führungsaufgaben zu erfüllen und auf neue Entwicklungen angemessen zu reagieren. Es gibt zudem wertvolle Hinweise für Lehre und Forschung an Hochschulen, in Weiterbildung und Beratung. Die wichtigsten Führungsfunktionen werden erläutert und mit vielfältigen Hinweisen aus der Praxis veranschaulicht. Dabei umfasst das Themenspektrum den gesamten Mitarbeiterzyklus von der Gewinnung und Auswahl der Mitarbeitenden über Onboarding, Qualifizierung, Motivation und Beurteilung bis zu Personalentwicklung, internationaler Zusammenarbeit und rechtlichen Fragestellungen. Die vollständig überarbeitete, aktualisierte und ergänzte Neuauflage führt die bewährte Grundkonzeption fort und berücksichtigt fachliche Weiterentwicklungen sowie neue Anforderungen. Neue Themen: Resilienz und Selbstführung, Führen in der Sandwichposition, Onboarding, People Analytics, KI-Transformation und KI-Kompetenzentwicklung, globale Transaktionen, New Work, Führung in jungen wachsenden Unternehmen, Arbeitsrecht in schwierigen Arbeitsverhältnissen, Personalabbau in der Transformation, Rekrutierung aus dem Ausland.

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EPUB

Seitenzahl: 1683

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Hinweis zum Urheberrecht

Alle Inhalte dieses eBooks sind urheberrechtlich geschützt.

Bitte respektieren Sie die Rechte der Autorinnen und Autoren, indem sie keine ungenehmigten Kopien in Umlauf bringen.

Dafür vielen Dank!

Herausgeber:em. Prof. Dr. Dr. h.c. Lutz von Rosenstiel, Institut für Psychologie der Ludwig-Maximilians-Universität, Organisations- und Wirtschaftspsychologie, München; Prof. Dr. Erika Regnet, Fakultät für Wirtschaft, Hochschule Augsburg;em. Prof. Dr. Michel E. Domsch, Institut für Personal und Arbeit, Helmut Schmidt-Universität, Hamburg.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Print:

ISBN 978-3-7910-5950-1

Bestell-Nr. 20494-0004

ePub:

ISBN 978-3-7910-5951-8

Bestell-Nr. 20494-0101

ePDF:

ISBN 978-3-7910-5952-5

Bestell-Nr. 20494-0152

Lutz Rosenstiel/Erika Regnet/Michel E. Domsch (Hrsg.)

Führung von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen

9. neu bearbeitete und aktualisierte Auflage, April 2025

© 2025 Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft · Steuern · Recht GmbH

Reinsburgstr. 27, 70178 Stuttgart

www.schaeffer-poeschel.de | [email protected]

Bildnachweis (Cover): Stoffers Grafik-Design, Leipzig, KI-generiert mit Midjourney

Produktmanagement: Dr. Frank Baumgärtner

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, insbesondere die der Vervielfältigung, des auszugsweisen Nachdrucks, der Übersetzung und der Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, vorbehalten. Der Verlag behält sich auch eine Nutzung des Werks für Text und Data Mining im Sinne von § 44b UrhG vor. Alle Angaben/Daten nach bestem Wissen, jedoch ohne Gewähr für Vollständigkeit und Richtigkeit.

Schäffer-Poeschel Verlag Stuttgart Ein Unternehmen der Haufe Group SE

Sofern diese Publikation ein ergänzendes Online-Angebot beinhaltet, stehen die Inhalte für 12 Monate nach Einstellen bzw. Abverkauf des Buches, mindestens aber für zwei Jahre nach Erscheinen des Buches, online zur Verfügung. Ein Anspruch auf Nutzung darüber hinaus besteht nicht.

Sollte dieses Buch bzw. das Online-Angebot Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte und die Verfügbarkeit keine Haftung. Wir machen uns diese Inhalte nicht zu eigen und verweisen lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung.

Vorwort

Effiziente Personalführung und Zusammenarbeit werden seit Langem als wichtige strategische Erfolgsfaktoren der Unternehmensführung herausgestellt. Das Führen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist jedoch schwieriger geworden. Wettbewerbsdruck, Kosteneinsparprogramme, ständige Veränderungen, Flexibilitätserfordernisse, Fachkräftemangel, Digitalisierung, KI, agile Organisationsstrukturen, Forderungen nach mehr Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben und Arbeitszeitverkürzung sind nur einige Beispiele für die Anforderungen, die von außen an die Führungskraft herangetragen werden. Die zu erledigenden Aufgaben zeichnen sich zudem durch ansteigende Komplexität aus ‒ mit der Folge, dass viele Führungskräfte nicht mehr in der Lage sind, jede Tätigkeit im Detail zu kennen, die von ihren Mitarbeitenden bearbeitet wird.

Führung durch Befehl ‒ selbst wenn dieser höflich vorgebracht wird ‒ und durch Verfahrens- und Ergebniskontrolle wird somit zu einem Relikt aus der Vergangenheit. Dies gilt umso mehr, als qualifizierte Fachleute sich ihres Wertes bewusst und entsprechend wenig geneigt sind, sich von ihrer Führungskraft in die eigenen Aufgabenstellungen »hineinreden« zu lassen, wenn diese davon weniger versteht als sie selbst. Nicht zuletzt erfordern neue Arbeitsformen wie mobile Arbeit, virtuelle Gruppenarbeitsformen und Führung auf Distanz eine Führung durch Zielvereinbarung, Delegation und Vertrauen, da eine ständige Kontrolle weder zu gewährleisten noch sinnvoll ist.

Auf die Führungsorganisation allein kann die Führungskraft sich nicht verlassen. Strukturierung und Standardisierung der Aufgaben, schriftliche Fixierung im Rahmen von Stellenbeschreibungen ‒ all dies mag in mehr oder minder großem Umfang erforderlich sein, doch meist bildet es nur einen Teil der Wirklichkeit ab. Personale Führung wird durch Strukturen nicht überflüssig. Die Führungskräfte als Menschen sind mehr als lediglich »Lückenbüßer der Organisation«, die nur im Ausnahmefall einzugreifen haben. Sie sind stets in ihrer fachlichen und menschlichen Kompetenz gefordert ‒ als Vorbild, als Berater/-innen bei fachlichen und zwischenmenschlichen Fragestellungen, als diejenigen, die Aufgaben für die Entwicklung eines jeden Einzelnen in der Gruppe erfüllen und die sich für die zwischenmenschlichen Beziehungen verantwortlich wissen.

Die Qualität des dabei erforderlichen Führungshandelns jedoch schwankt von Führungskraft zu Führungskraft, von Unternehmen zu Unternehmen. Dies hat nicht nur kurzfristige Auswirkungen auf die täglichen Arbeitsergebnisse, sondern auch langfristige auf die Motivation und Qualifikation der Mitarbeitenden und auf das Arbeitgeberimage insgesamt. Entsprechend gilt, dass in größerer zeitlicher Perspektive ein jedes Unternehmen und eine jede Führungskraft schließlich die Mitarbeitenden haben, die es bzw. sie verdient. Motivation und Qualifikation der Mitarbeitenden aber werden immer mehr zu einem von der Führung zu verantwortenden, strategischen Wettbewerbsfaktor. Damit Vorteile zu erzielen, ist schwer, denn man muss jederzeit auf wirtschaftliche und gesellschaftliche Änderungen flexibel eingehen können, beispielsweise auf eine sich verkürzende Halbwertszeit des Wissens, auf rasch sich weiterentwickelnde neue Technologien, Medien und Märkte, auf Krisen, auf komplexe und funktionsübergreifende Aufgaben, auf neue Organisationsformen in Unternehmen, auf nachhaltige Tendenzen der Internationalisierung und der interkulturellen Zusammenarbeit, auf die Integration von Zugewanderten oder auf die steigende Akademisierung unter den qualifizierten Mitarbeitenden sowie den Wandel der Wertorientierungen und der Lebensstile in der Gesellschaft, was wiederum Einfluss auf die Erwartungen an den Beruf hat. Hier spielt gerade die Beschäftigung neuer Generationen eine bedeutende Rolle. Qualifizierte Führungskräfte müssen all dies in Rechnung stellen und darauf nicht bloß reagieren, sondern vorausschauend agieren. Gesucht werden also in Zukunft kaum noch Vorgesetzte, die ausschließlich befehlen und kontrollieren, sondern vielmehr diejenigen, die durch vorbildliches Verhalten, authentischen Umgang mit anderen und durch kommunikative Kompetenz selbstbewusste Spezialisten zu koordinieren wissen, die sie gleichzeitig fördern, ihnen Perspektiven aufzeigen, die sie für die Aufgabe begeistern können und sie dadurch motivieren und qualifizieren.

Dieses »Führungsgeschäft« im engeren Sinn, der zielbezogene Umgang mit den direkt Unterstellten, fordert bereits viel. Und doch muss noch Zeit bleiben für andere wesentliche Aufgaben. Es gilt, im eigenen Fachgebiet das aktuelle Wissen zu kennen; dabei ‒ was das Verhalten betrifft ‒ sich selbst zu führen, mit den Kolleginnen und Kollegen auf gleicher Ebene sachgerecht und menschlich adäquat zu kooperieren und in loyaler Weise die eigenen Vorgesetzten zu unterstützen und somit auch »Führung nach oben« zu betreiben.

Die letzten Jahre waren durch weltweite Krisen sowie weitreichende und schnelle Veränderungen gekennzeichnet. Auf der einen Seite lässt sich, gerade in großen Unternehmen, eine erfreuliche Professionalisierung des Personalmanagements und der Personalführung konstatieren. Führungskräfte und Nachwuchskräfte werden meist sorgfältig mit verschiedenen Verfahren (u. a. Assessment bzw. Development Center) ausgewählt und intensiv ‒ durch Trainings wie Coaching ‒ auf ihre neue Aufgabe vorbereitet. Führungsgrundsätze, Leitlinien zu Führung und Zusammenarbeit, Talentmanagement, Mitarbeiterbefragungen, (Cross-)Mentoring oder 360°-Beurteilungen, um nur einige zu nennen, sind heute in vielen Unternehmen fest implementiert. All diese Instrumente zeigen ein partizipatives Führungsverständnis und den Wunsch, das »Humankapital« der Unternehmen sorgsam zu behandeln.

Andererseits belegen repräsentative Befragungen, dass in vielen Organisationen mehr mit Druck als durch Überzeugung geführt und mehr mit Frust als mit Freude gearbeitet wird. Psychische Erkrankungen und Stresserleben nehmen aus unterschiedlichen Gründen weiter zu und führen zu persönlichem Leid, familiären Konflikten und auf Betriebsseite zu hohen Krankheitszeiten und Personalausfallkosten. Manche Unternehmen sind sich ihrer Verantwortung schon sehr bewusst und bemühen sich um ein gutes Betriebsklima, sie entwickeln Programme eines ganzheitlichen Gesundheitsmanagements und einer »gesunden Führung«. Und eine kleine Zahl hoch qualifizierter Mitarbeitender wird von den potenziellen Arbeitgebern intensiv umgarnt. Doch für andere ‒ insbesondere in sogenannten prekären Arbeitsverhältnissen ‒ scheint Selbstverwirklichung in und durch Arbeit ein unerreichbares Luxusgut (geworden?) zu sein.

Die Schere geht auseinander ‒ nicht nur hinsichtlich der Gehälter, sondern offensichtlich ebenso hinsichtlich der beruflichen Perspektiven und Zufriedenheit sowie der Arbeitsplatzsicherheit und der dauerhaften Bindung an den Arbeitgeber. Kompetenzentwicklung und Employability, also Bildung und Qualifizierung, können eine positive Lösung dieser Situation darstellen. Prekäre Arbeitsverhältnisse, Outsourcing und in der Folge Werkverträge statt fester Arbeitsstellen, innere Kündigung, Dienst nach Vorschrift, Flucht in die Krankheit sowie Sozialdarwinismus stellen das negative Extrem dar. Denn die Identifikation mit einer Organisation wird kaum gelingen, wenn man ihr nur befristet angehört oder sich schlecht behandelt/bezahlt fühlt.

Der/die Einzelne ‒ ob Mitarbeitende/r oder Manager/-in ‒ ist damit hohen Anforderungen ausgesetzt: Trotz Arbeitsverdichtung soll kontinuierlich ein hohes Leistungsniveau erreicht werden, Ansprüche nach Einsatzbereitschaft, zeitlicher Flexibilität und Mobilität kollidieren mit privaten Verpflichtungen; ständige betriebliche Veränderungen erschweren den Aufbau von beruflichen Routinen und verlässlichen sozialen Kontakten im betrieblichen Umfeld.

In dem hier vorliegenden Handbuch, das aus der Fort- und Weiterbildung qualifizierter Führungskräfte, aus der Forschung und aus Unternehmensberatungen/-projekten erwachsen ist, werden die wichtigsten Führungsaufgaben anschaulich dargestellt und mit Anregungen für die Praxis verbunden. Man erfährt zum einen manches über gesellschaftliche und psychologische Grundlagen jener Verhaltensweisen, die man an Führungskräften und Mitarbeitenden beobachten kann, und wird zugleich über konkrete Techniken und Hilfen informiert, die in der Hand von Führungskräften, die verantwortungsbewusst damit umgehen, zum nützlichen Werkzeug werden können. Dabei spannt sich der Bogen inhaltlich weit und reicht von der Auswahl der für die Aufgaben geeigneten Mitarbeitenden über ihre Einarbeitung, Qualifizierung, Motivierung, Betreuung, Beurteilung hin zur Personalentwicklung und zu gesellschaftlichen Rahmenbedingungen.

Dieses Konzept ist offensichtlich auf Resonanz gestoßen. So freuen wir uns, dass dieses Handbuch inzwischen seit drei Jahrzehnten zur Standardliteratur von Führungskräften, HR-Managern und -­Managerinnen sowie Studierenden gehört und wir nunmehr die neunte überarbeitete Auflage vorlegen können. Wir wollten es nicht bei einer bloßen Durchsicht bewenden lassen. Denn nicht nur das Human Resource Management hat sich in den letzten Jahren gewandelt und ist immer professioneller und dienstleistungsorientierter geworden. Zudem zwingen wirtschaftliche Entwicklungen zu Flexibilisierungsstrategien und immer wieder zu Krisenmanagement und Veränderungsprozessen mit sowohl Personalabbau als auch Personalaufbau unter anderen Bedingungen.

Wir haben neben diesen aktuellen Entwicklungen und den fachlichen Weiterentwicklungen auch die vielfältige konstruktive Kritik, die uns schriftlich oder mündlich zuging und für die wir danken, berücksichtigt. Dies hat zum einen dazu geführt, dass die bestehenden Beiträge aktualisiert und viele grundlegend überarbeitet wurden. Zum anderen wurden insbesondere die Teile »Die Führungskraft und ihr Mitarbeiter/ihre Mitarbeiterin«, »Organisationsstrukturen und ihre Veränderung« sowie »Das gesellschaftliche Umfeld« stark überarbeitet und ergänzt, um neuen Entwicklungen und modifizierten Rahmenbedingungen gerecht zu werden.

Neu sind die Beiträge zu »Resilienz und Selbstführung für Führungskräfte«, »Führen in der Sandwichposition«, »Auslandsrekrutierung« und »Arbeitsrecht in schwierigen Arbeitsverhältnissen«. Diese Kapitel thematisieren Herausforderungen, mit denen die meisten Führungskräfte früher oder später einmal konfrontiert sind. Einen großen Raum nehmen Veränderungen und die Steuerung des Transformationsprozesses ein. Neu hinzugekommen sind deshalb Beiträge zu »Die Rolle von Kultur in globalen Transaktionen«, »KI- Transformation von Unternehmen und KI-Kompetenzentwicklung für Mitarbeitende«, »Personalabbau in der Transformation«, »New Work« und »People Analytics«. Fragen der Transformation und Flexibilisierung werden also aus verschiedenen Perspektiven aufgegriffen. Spezielle Aspekte der Führung sind Thema in weiteren neuen Beiträgen »Führen in jungen wachsenden Unternehmen« und »Umweltorientierte Personalführung«.

Bereits früher integrierte Themen wurden zum Teil von anderen Autorinnen und Autoren bearbeitet, um neue Sichtweisen und Erkenntnisse zu reflektieren und eine besondere Aktualität sicherzustellen.

Inhaltlich gliedert sich auch die neunte Auflage in sieben zentrale Themenbereiche:

Teil I: Führung ‒ Basiswissen und Perspektiven

Teil II: Führung der eigenen Person

Teil III: Die Führungskraft und ihr Mitarbeiter/ihre Mitarbeiterin

Teil IV: Führung und Arbeit in Gruppen

Teil V: Personalentwicklung und Personalpolitik

Teil VI: Organisationsstrukturen und ihre Veränderung

Teil VII: Das gesellschaftliche Umfeld

In jedem dieser Abschnitte finden sich nach einer knappen Einführung mehrere in sich abgeschlossene Beiträge zu klassischen oder innovativen Fragen des Führungshandelns. Die Beiträge thematisieren die jeweiligen Fragestellungen aus unterschiedlichen Perspektiven ‒ derjenigen der selbst Betroffenen, derjenigen der Personalpolitik und derjenigen des Managements in der Verantwortung als Gestalter.

Man erfährt ‒ von angesehenen Hochschullehrer/-innen, erfahrenen Praktiker/-innen und Berater/-innen anschaulich dargestellt ‒ zum einen etwas über »Mitarbeiterbeurteilung« und »Mitarbeitergespräch«, »Coaching«, »Arbeitgeberattraktivität«, »Konflikte in und zwischen Gruppen«, »Projektmanagement«, »Personalplanung und -entwicklung«, »internationalen Personaleinsatz« und die »Mitarbeiterführung in interkulturellen Teams«, aber zum anderen auch ‒ um die Weite der Themen exemplarisch aufzuzeigen ‒ etwas über »Transformation von Unternehmen«, »Gender Mainstreaming«, »Führung in Familienunternehmen«, »Personal- und Integrationsmanagement bei Mergers und Acquisitions« oder die »Integration von Geflüchteten«.

Es wurde in den einzelnen Beiträgen jeweils darauf geachtet, dass zum einen bewährtes Wissen nicht zu kurz kommt und dass andererseits aktuelle Entwicklungen, die sich in der Wissenschaft und in der Praxis zeigen, adäquat und kompetent dargestellt werden. Entsprechend bietet dieses Handbuch für Führungskräfte Hilfestellungen für viele Situationen im Berufsleben von Vorgesetzten, wobei die Wissenschaftler/-innen primär Hintergrundinformationen und Einblicke in Zusammenhänge bieten, während Praktiker/-innen Erfahrungen und neue Entwicklungstendenzen konkret aufzeigen. Im Wesen eines differenzierten Nachdenkens über Führung liegt es, dass hier keine »Rezepte« angeboten werden, stattdessen Anregungen, neue Sichtweisen oder innovative Perspektiven.

Damit diese Informationen noch näher an die Praxis herangeführt werden, steht zugleich eine parallel aufgebaute Fallsammlung, in der Problemfälle aus der Praxis dargestellt werden, zur Verfügung. Die dargestellten Fälle können anhand des mit diesem Buch erworbenen Wissens durchdacht und diskutiert werden. Die so erarbeiteten Lösungsalternativen bieten Ansatzpunkte zur Verbesserung der Zusammenarbeit und Führung in der jeweiligen Organisation. Gerade die zusätzliche Konkretisierung in prak­tischen Fällen vertieft die Auseinandersetzung mit den hier angesprochenen Inhalten und ermöglicht die Diskussion geeigneter Lösungsstrategien für komplexe Fragestellungen (Hrsg. Domsch, Regnet & ­v. Rosenstiel, 4. Auflage 2018, Führung von Mitarbeitern ‒ Fallstudien zum Personalmanagement, Schäffer-Poeschel Verlag, Stuttgart).

Bereits seit der ersten Auflage in den 90er-Jahren hat die Herausgeber und die Autorinnen und Autoren das Thema Chancengleichheit beschäftigt. Sprache verändert sich und ist ein Spiegelbild der gesellschaftlichen und persönlichen Weiterentwicklungen. Wir tragen dem Rechnung mit der Ausweitung des Titel auf »Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen«, um Frauen und diverse Menschen deutlich zu machen und nicht nur »implizit mitzudenken«. Den Autorinnen und Autoren haben wir freigestellt, ob sie in ihren Beiträgen »gendern«. Das mag beim Lesen manchmal irritieren, verdeutlicht aber die gesellschaftlichen Veränderungen. Auf Sonderzeichen wie Stern, Unterstrich, Doppelpunkt oder großes »I« im Wort haben wir in Absprache mit dem Verlag bewusst verzichtet und uns an den Regeln des Dudens orientiert. Führung betrifft alle ‒ als Führungskraft und als Mitarbeitende. Wir hoffen, dass sich alle in diesem Buch und seinen vielfältigen Beiträgen wiederfinden können.

Wir bedanken uns bei den Autorinnen und Autoren, die überwiegend zeitlich stark belastet sind, dass sie trotz vieler anderer Verpflichtungen in ihrer überwiegenden Mehrzahl die Manuskripte zeitgerecht bereitstellten und die notwendigen Aktualisierungen mit großer Sorgfalt vorgenommen haben. Und wir danken den Teilnehmern und Teilnehmerinnen verschiedener Beratungsprojekte und Führungsseminare, u. a. des USW Universitätsseminars der Wirtschaft in Schloss Gracht (später integriert in die European School of Management and Technology (ESMT) mit Sitz in Berlin), dass sie durch ihre kritischen Diskussionen die Qualität der Beiträge mitbestimmen.

Ein besonderer Dank gilt Herrn Baumgärtner und Frau Dreiseitel vom Schäffer-Poeschel Verlag, die diese Neuauflage kompetent begleitet haben und immer mit Rat und Tat weiterhalfen, für die anregende Zusammenarbeit und ihre große Unterstützung für unser Buchprojekt.

Lutz von Rosenstiel (verstorben 2013), der Mitherausgeber und Initiator dieses Handbuches, ist mit seinen Beiträgen und Gedanken weiter vertreten. Die Bücher entstanden aus Ideen, die wir Ende der 1980er-Jahre erstmalig in Schloss Gracht diskutiert und schließlich gemeinsam zum vorliegenden Handbuch und der parallel konzipierten Fallstudiensammlung entwickelt haben. Lutz von Rosenstiel hat seither die Neuauflagen und zahlreiche Buchbeiträge durch seine herausragende Persönlichkeit, sein Wissen und seine Erfahrungen geprägt. In Abstimmung mit seiner Familie haben mehrere Weggefährten sowie die Herausgeber die Beiträge von Lutz von Rosenstiel aktualisiert, Inhalt und Aussagen bleiben unverändert. Wir freuen uns sehr, dass seine inspirierenden Ideen dadurch weiter verfügbar und aktualisiert bleiben. Zudem sind wir dankbar, dass wir wiederholt »Rosenstiel-Schüler« als Autorinnen und Autoren gewinnen konnten.

Als Herausgeber dieses Buches hoffen wir, dass das vorliegende Handbuch im Rahmen der Fort- und Weiterbildung von Führungskräften weiterhin Anregung bietet und Führungskräften wie HR-Managerinnen und -Managern ein guter Ratgeber bei der täglichen Führungsarbeit ist.

Hamburg und München, im Frühjahr 2025

Michel E. Domsch und Erika Regnet

Teil I: Führung ‒ Basiswissen und Perspektiven

Einführung

Führung ist wichtig, seit es soziales Leben auf dieser Erde gibt. In der Praxis wie in der Wissenschaft gewinnt die Thematik der Führung inzwischen immer mehr an Gewicht. Selbstverständliches wird kaum bedacht und besprochen. Dort aber, wo Selbstverständliches zur Problemlösung nicht mehr taugt, wo Schwierigkeiten dann entstehen, wenn man alte Wege geht, wird nachgedacht und um Rat gebeten.

Führung ist ein solches Gebiet. Tradierte und »bewährte« Konzepte und Verhaltensweisen tragen nicht mehr, werden auf den Prüfstand gestellt und müssen an neue Herausforderungen angepasst werden. Führungsverhalten, das Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor zwanzig oder dreißig Jahren klaglos akzeptierten, stößt heute bei den Geführten auf Widerstand. Sie verweigern sich, erledigen Aufgaben nur halbherzig oder suchen sich gleich einen neuen Arbeitgeber (Thema der »Abstimmung mit den Füßen«). Rahmenkonzepte und konkrete Verhaltensweisen müssen überprüft, neu durchdacht und sodann konkret eingeübt werden, damit sie den aktuellen und zukünftigen Anforderungen entsprechen.

Im einführenden Beitrag klären von Rosenstiel und Nerdinger den Begriff der Führung und zeigen, was sich bei Mitarbeitenden wie zielbezogen beeinflussen lässt. Dies kann zum einen durch organisationale und technische Strukturen erfolgen, aber auch und wesentlich durch das Verhalten ‒ und insbesondere die Kommunikation ‒ der Führungskräfte. Es sind nun aber nicht die Persönlichkeitseigenschaften oder Verhaltensweisen der Vorgesetzten allein, die den Führungserfolg ‒ wie immer er bestimmt sein mag ‒ determinieren, sondern es ist stets das Zusammenspiel, die Interaktion, zwischen der Person der Führenden und den Besonderheiten der Führungssituation. Hier gilt es für die Führenden, ihr Verhalten flexibel an die Anforderungen der Situation und die Besonderheiten des angestrebten Ziels anzupassen, damit der Erfolg gesichert werden kann. Beleuchtet werden zudem schon erste ethische Fragen, wenn es um destruktives Führungsverhalten (die »dunkle Seite der Führung«) geht.

Wenn man heute Führungskräfte für ein Unternehmen gewinnen will oder sie im Zuge der Personalentwicklung »aufzubauen« sucht, so sollte man sich fragen, welche Anforderungen an die Führungskräfte in der Zukunft vermutlich gestellt werden. Wie kann Leistung ebenso erreicht werden wie die Zufriedenheit und Förderung der Mitarbeitenden? Führung wird zunehmend zu einer Koordination von Spezialistinnen und Spezialisten, die im Bereich ihres Detailwissens ihren Vorgesetzten häufig deutlich überlegen sind. Wer hier erfolgreich führen und koordinieren will, muss zur Teamarbeit befähigt sein, muss Mitarbeitende motivieren und sich flexibel und sensibel auf sie einstellen können. Ausgehend vom Status quo ‒ Frage: Wodurch zeichnen sich Topkarrieren heute aus? ‒ erläutert Regnet in ihrem Beitrag Änderungen in der Zusammenarbeit sowie in den Erwartungen der Geführten und die daraus resultierenden Konsequenzen für Führungskräfte, die auch zukünftig mit ihrem Team erfolgreich sein wollen.

Hat man erkannt, welche Anforderungen an künftige Führungskräfte gestellt werden, oder hat man diagnostiziert, wo schon angesichts heutiger Anforderungen Defizite liegen, so gilt es, gezielt Führungskräfte zu entwickeln, zu trainieren, um ihre relevante Verhaltenskompetenz zu verbessern. Neuere Metaanalysen belegen klar, dass sich Führungsverhalten durch Weiterbildung lernen und verbessern lässt. Entsprechend gehören Führungstrainings in unterschiedlichsten Formen heute zu den Aufgaben eines jeden Unternehmens, das den Faktor Führung respektiert. Von Rosenstiel und Regnet zeigen, was dabei zu bedenken ist, und weisen spezifisch auf das Transferproblem hin, d. h. auf die Problematik, dass jene im Training erworbenen Verhaltensweisen nicht oder nur unzureichend in die Praxis übertragen werden. Beispiele verdeutlichen, dass diese Übertragung erleichtert werden kann, wenn man die Entwicklungsmaßnahmen und Rahmenbedingungen entsprechend konzipiert.

Immer mehr sind das Gewinnen und das Halten von hoch qualifizierten Fach- und Führungskräften für die Unternehmen eine Herausforderung, in manchen Regionen hat sich der Fachkräftemangel schon zu einem allgemeinen Arbeitskräftemangel ausgeweitet. Organisationen müssen sich im Wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt als attraktive Arbeitgeber positionieren, um erfolgreich zu sein. Regnet und Lebrenz demonstrieren zunächst auf der Basis von eigenen empirischen Studien, welche Entscheidungskriterien die Arbeitgeberwahl beim Nachwuchs bestimmen. Anschließend wird aufgezeigt, wie durch intensives Personalmarketing und durch zufriedenstellende Gestaltung der Arbeitsbedingungen die Arbeitgeberattraktivität wesentlich gesteigert werden kann.

Unternehmenskrisen sind für die Wirtschaft zu normalen und permanenten Begleiterscheinungen unternehmerischen Handelns geworden. Ihnen kann man durch ein proaktives oder durch ein reaktives Krisenmanagement begegnen. Kaiser und Kozica befürworten in ihrem Beitrag eindeutig ein proaktives Vorgehen und ein zukunftsfähiges Personalmanagement durch Schaffung von Flexibilisierung bei der Personalausstattung. Im Mittelpunkt steht hier die numerische Flexibilität, die durch den Einsatz neuer Beschäftigungsformen geprägt ist.

Die Fragen nach der geeigneten Flexibilisierung in Arbeitsform, Arbeitsort, Arbeitszeit und Arbeitsvertragsgestaltung werden in weiteren Beiträgen vertieft ‒ hierzu sei insbesondere auf die Beiträge in Teil VI »Organisationsstrukturen und ihre Veränderung« sowie in Teil VII »Das gesellschaftliche Umfeld« verwiesen.

Selbst bei bester Planung, Qualifikation und Absichten werden Führungskräfte wiederholt, je nach Aufgaben sogar häufig, auf Dilemmata in der Führung stoßen, also auf Situationen, in denen keine der zur Entscheidung stehenden Alternativen eine befriedigende Lösung darstellt. Wie man mit solch herausfordernden Entscheidungsproblemen umgehen kann, ohne sich selbst aufzureiben, und wie man sie analysieren sollte, veranschaulicht Lebrenz im abschließenden Beitrag des ersten Teils dieses Buches.

1 Grundlagen der Führung

Lutz von Rosenstiel und Friedemann W. Nerdinger

1.1 Führung: Was ist das?

1.2 Kriterien des Führungserfolgs

1.3 Die Persönlichkeit der Führenden

1.4 Dimensionen des Führungsverhaltens

1.5 Transaktionale und transformationale Führung

1.6 Führungsverhalten und die Beziehung zu den Mitarbeitenden

1.7 Die Berücksichtigung der Situation

1.8 Führung: Die ethische Dimension

1.9 Abschluss

Jede Organisation, jedes Unternehmen bedarf der Führung, um Ziele zu erreichen. Wir wollen daher zunächst danach fragen, wie Führung umschrieben werden kann und was darunter zu verstehen ist.

1.1 Führung: Was ist das?

Jeder, der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter führt, weiß, was FührungFührung ist. Allerdings wird das Selbstverständliche häufig wenig reflektiert, da Selbstverständliches meist wenig Bedachtes ist. Es erscheint daher lohnend und nützlich, den Begriff der Führung zu klären und knapp zu durchleuchten. Führung ist zielbezogene Einflussnahme (Neuberger, 2002; Nerdinger, 2019). Die Geführten sollen dazu bewegt werden, bestimmte Ziele, die sich meist aus den Zielen des Unternehmens ableiten, zu erreichen. Konkret kann ein derartiges Ziel beispielsweise in der Erhöhung des Umsatzes, in der Verbesserung des Betriebsklimas oder in der Unterstreichung bestimmter Qualitätsstandards bestehen. Die Wege dieser Einflussnahme sind jedoch höchst unterschiedlich. Gliedert man grob, so ist auf zwei Arten besonders hinzuweisen, die in sich wiederum vielfach ausdifferenziert werden können. Es handelt sich dabei einerseits um die Führung durch Strukturen, andererseits um die Führung durch Personen.

1.1.1 Führung durch Strukturen

Das Verhalten vieler Stelleninhaber in Organisationen wird zielbezogen beeinflusst, ohne dass unmittelbar irgendeine Person diesen Einfluss ausübt. Es sind StrukturenFührung, durch Strukturen, durch die Aktivitäten gesteuert und koordiniert werden (Kühl, 2020). Solche Strukturen können ganz unterschiedliche Qualität haben: Man denke an Organigramme, Stellenbeschreibungen, Verfahrensvorschriften. Aber auch unterschiedliche AnreizsystemeAnreizsysteme, wie z. B. ein Prämien- oder Leistungslohnsystem, Personalentwicklungsprogramme oder ein ausgeklügeltes System von Statussymbolen sind Strukturen; dazu zählen zudem »weiche« Faktoren wie ungeschriebene Normen oder die Unternehmenskultur ebenso wie die konkrete Gestaltung eines Arbeitsplatzes und vieles andere mehr. Das letztgenannte Beispiel macht sogar besonders deutlich, um was es geht. Ein Fließband etwa bestimmt in sehr strenger Weise, was eine Arbeiterin zu tun hat. Durch die Struktur dieser Technik wird minutiös festgelegt, wie und zu welchem Zeitpunkt jeder Handgriff ausgeführt werden soll. Der Meister muss nur im Ausnahmefall eingreifen; er wird zum »Lückenbüßer der Organisation«.

In welchem Maße in manchen Organisationen FührungFührung, durch Strukturen durch Strukturen erfolgt, wird erkennbar, wenn man z. B. Filialen oder Zweigstellen zentral gesteuerter Warenhaus-, Restaurant- oder Hotelketten besucht. Ob man in München oder Hamburg einkauft, man wird auf sehr ähnliche Angebote und Angebotspräsentationen stoßen. Ob man in Zürich oder London zum Essen geht, der Hamburger wird identisch gewürzt sein. Ob man in Paris oder New York übernachtet, dem Hotelzimmer ist dies nicht anzusehen. Alles ‒ bis ins Detail hinein ‒ ist geregelt, festgeschrieben, geordnet. Raum für die Kreativität einzelner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter besteht kaum; die Führenden greifen nur dann ein, wenn im zentral geordneten und vorgeplanten Ablauf Störungen entstehen. Wir nähern uns hier dem »Ideal« der Organisation, bürokratischebürokratischen Organisation (Weber, 1921/1964; Nerdinger, 2019): Führung durch Strukturen, nicht durch Menschen.

1.1.2 Führung durch Menschen

Jeder, der die Praxis kennt, weiß es: Auch wenn die Vorschriften noch so eng erscheinen, Ausnahmefälle bis ins Detail durch Sondervorschriften geregelt sind, die Menschen ‒ und hier insbesondere die Führungskräfte ‒ sind dafür ausschlaggebend, wie Vorschriften in gelebte Realität umgesetzt werden. An den Führenden wird es meist liegen, ob trotz der bzw. mit den Vorschriften flexibel und kreativ gearbeitet oder »Dienst nach Vorschrift« ausgeübt wird. Das Verhalten der Vorgesetzten, ihre Art, Ziele zu verdeutlichen, Aufgaben zu koordinieren, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch Gespräche zu motivieren und Ergebnisse zu kontrollieren, wird zum zentralen Bestandteil der Führung, die dann als

zielbezogene Beeinflussung von Unterstellten,

durch Vorgesetzte,

mithilfe von Kommunikationsmitteln

definiert werden kann (v. Rosenstiel & Nerdinger, 2011).

Dabei lässt sich die Frage, wie man eine so verstandene Führung aus der Sicht der Praxis verbessern, d. h. erfolgreicher machen kann, zweifach stellen:

Wer führt erfolgreich, d. h., wen sollen wir einstellen, befördern etc. (Selektionsfrage)?

Wie führt man erfolgreich, d. h., auf welches Verhalten hin sollen wir schulen, trainieren, weiterbilden (Personalentwicklungsfrage ‒vgl. den Beitrag von v. Rosenstiel & Regnet »Entwicklung und Training von Führungskräften« (Kapitel 3) in diesem Band)?

Gewiss mag es von Fall zu Fall unterschiedlich sein, ob der größere Einfluss von den Strukturen oder von den Personen ausgeht. Zu vernachlässigen sind jedoch der Stil, die Art und Weise des Umgangs mit Menschen bei den zuständigen Führenden niemals. Es kommt (auch) auf die Menschen an.

Empirische Analysen belegen dies. Untersucht man, wie viel Prozent der Arbeitszeit Vorgesetzte mit Kommunikation verbringen, so erstaunt das Ergebnis. Meist sind dies 80 bis 95 Prozent, falls man Kommunikation weit versteht, d. h. nicht nur als Vier-Augen-Gespräche, sondern auch Aktivitäten im Rahmen von Gruppengesprächen, als Vortragende oder Teilnehmende bei Tagungen und (Video-)Konferenzen, beim Telefonieren, beim Erstellen oder Lesen von Schriftgut, elektronischen Nachrichten etc. miteinbezieht (v. Rosenstiel & Nerdinger, 2011). Die Kommunikationszeit, die dabei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gewidmet wird, ist angesichts der vielfältigen Aufgaben der Führenden knapp; sie liegt meist unter 20 Prozent.

Zudem ist zu bedenken, dass die Qualität der Kommunikation ‒ angesichts fehlender Ausbildung der meisten Fachvorgesetzten auf dem Felde kommunikativer Kompetenz ‒ gewöhnlich unzureichend ist (v. Rosenstiel & Nerdinger, 2011). Eines ist offenkundig: Für den Inhalt der Kommunikation, die Botschaft, sind Führende in der Ausbildungszeit qualifiziert worden. Sie haben Ingenieurwissenschaften, Betriebswirtschaftslehre, Jura etc. studiert. Unausgesprochen wird dabei aber vorausgesetzt, dass sie das »Wie« beherrschen, d. h. mit den jeweiligen Partnern angemessen darüber sprechen und die inhaltlichen Gedanken den Mitarbeitenden überzeugend darlegen können (vgl. die Beiträge von Regnet »Kommunikation als Führungsaufgabe« (Kapitel 15) und Neumann «Gespräche mit Mitarbeitenden effizient führen« (Kapitel 16) in diesem Band). Nicht selten liegt hier ein Irrtum vor. Untersuchungen, die festzustellen suchen, wo die Mitarbeitenden »der Schuh drückt«, kommen häufig zum Ergebnis, dass die Verhaltensweisen der Vorgesetzten Grund für Enttäuschungen, Frustrationen oder Ärger sind. Führen als Einflussnahme mithilfe der Kommunikationsmittel ‒ der verbalen und der nonverbalen ‒ wurde nicht gelehrt und gelernt.

Dies wiederum wird im besonderen Maße dann zum Problem, wenn Führung, durch MenschenFührung durch Menschen im Unternehmen wichtiger wird als Führung, durch StrukturenFührung durch Strukturen. Und dies gilt besonders dann, wenn die Umwelt des Unternehmens ‒ z. B. die zunehmende Digitalisierung, der Personalmarkt, der Beschaffungsmarkt, der Absatzmarkt in Zeiten der Globalisierung und des Wandels ‒ so dynamisch ist, dass flexible Antworten des Unternehmens sofort nötig sind. Strukturen sind viel zu starr, um in solchen dynamischen Situationen angemessen und schnell zu reagieren. Es gilt aber auch dann, wenn selbstbewusste und fachkompetente Spezialisten von einer Führungskraft koordiniert werden müssen, die von den Details weniger versteht als ihre Mitarbeitenden ‒ was heute in vielen Branchen der Fall ist.

Es gibt nun ohne Frage Vorgesetzte, die den daraus erwachsenden Anforderungen besser entsprechen als andere, die also erfolgreicher führen. Was aber heißt Führungserfolg?

1.2 Kriterien des Führungserfolgs

Wird die Organisationspsychologie aus dem Anwendungsfeld heraus dazu aufgefordert, Führungserfolg, BedingungenBedingungen des Führungserfolgs zu erforschen, so muss sie zunächst zurückfragen, was denn unter Führungserfolg zu verstehen ist. Tatsächlich lassen sich in Wissenschaft und Praxis weit über 1.000 verwendete Kriterien aufzeigen (Neuberger, 2002; Weibler, 2023). Während bei Validierungen des Assessment CenterAssessment Centers (vgl. den Beitrag von Kanning »Auswahl von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern« (Kapitel 11) in diesem Band) meist Kriterien verwendet werden, die an der Person der Führenden festgemacht und direkt oder indirekt aus der Fremdbeurteilung abgeleitet werden, wie z. B. Ergebnisse der Personalbeurteilung, erreichte hierarchische Positionen in der Zeit oder Gehaltshöhe, verwenden Forschende, die die Wirkungen spezifischen Führungsverhaltens untersuchen, meist Kriterien, die sich auf die geführte Gruppe beziehen. Diese lassen sich zum Teil einer Effizienzdimension, wie z. B. Quantität oder Qualität der erbrachten Leistung, operationalisiert über Produktions- oder Absatzdaten, Reklamationszahlen, Patentanmeldungen etc. zurechnen, zum anderen eher einer Humandimension, wie ArbeitszufriedenheitArbeitszufriedenheit, Betriebsklima, Konflikthäufigkeit in der geführten Gruppe, Identifikation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit dem Unternehmen etc. Einige der häufig verwendeten Kriterien liegen zwischen diesen beiden Dimensionen, wie z. B. Fluktuations- und Fehlzeitenrate, Qualifizierung der Mitglieder der Gruppe, Zahl der Verbesserungsvorschläge etc. Es ist letztlich eine unternehmenspolitische Entscheidung, an welchen Kriterien Vorgesetzte gemessen und beurteilt werden.

Derartige unternehmenspolitische Entscheidungen fallen in der Praxis jedoch selten explizit. Zwar nennen geschriebene Führungsgrundsätze derartige Kriterien häufig, doch erfolgt die Beurteilung ‒ geht es um Gehalts- oder Karrierechancen ‒ meist an anderen Maßstäben. Häufig muss man bei der Analyse dieses Feldes zwischen manifesten und latenten Kriterien unterscheiden. So fanden z. B. Luthans, Hodgetts und Rosenkrantz (1988; vgl. Luthans, Hodgetts, Rosenkrantz & Ashton, 2019), dass Führungskräfte, die rasch Karriere machten, besonders viel Kommunikationszeit in die »Mikropolitik« und die Netzwerkbildung investierten, jedoch sehr wenig in die Förderung und Entwicklung ihrer Mitarbeitenden. Jene Führungskräfte dagegen, deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter engagiert, loyal und zufrieden waren, investierten ihre Kommunikationszeit vor allem in deren Förderung und in die zu erledigende Aufgabe. Um MikropolitikMikropolitik kümmerten sie sich kaum. Das aber wurde vom Unternehmen weniger durch Karrierechancen belohnt.

Die Orientierung an der Nützlichkeitsperspektive hat die organisationspsychologische Führungsforschung über Jahrzehnte in einen atheoretischen Pragmatismus und damit in ein Dilemma geführt. Sie neigt in ihren »Hypothesen« zu einer monokausalen, auf die Person der Führenden fixierten Betrachtungsweise: Merkmale der Person oder ihre Führungsverhaltensweisen seien die Ursache des Führungserfolgs ‒ wie auch immer er operationalisiert ist. Zwar widerspricht diese monokausale Betrachtungsweise entschieden dem modernen Verständnis von Führung (v. Rosenstiel & Kaschube, 2014; Nerdinger, 2019), dennoch ‒ die Persönlichkeit der Führenden ist als eine Bedingung des Führungserfolgs nicht wegzudenken und soll daher nachfolgend analysiert werden.

1.3 Die Persönlichkeit der Führenden

Führung durch Personen kommt besonderes Gewicht zu, daher wollen wir uns zunächst ‒ i. S. der historischen Entwicklung des Forschungsfeldes ‒ mit den sogenannten »Führungseigenschaften« beschäftigen.

1.3.1 Die Eigenschaftstheorie der Führung

Der diese Theorie Eigenschaftstheorieleitende Grundgedanke ist auf den ersten Blick höchst plausibel und entspricht zudem den »Führungstheorien« vieler Laien (»Bismarck schuf das Deutsche Reich.« »Steve Jobs hat so geführt und war ungeheuer erfolgreich.« »Eine starke Persönlichkeit setzt sich überall durch.«).

Ausgehend von der Annahme, dass es bestimmte Eigenschaften der Person sind (z. B. »Extraversion« i. S. einer nach außen gewandten Persönlichkeit), die den Führungserfolg bedingen, verglich man derartige als bedeutsam vermutete Eigenschaften in ihrer Ausprägung entweder bei Personen, die eine Führungsposition erreicht hatten, mit entsprechenden Merkmalen von Personen, die das nicht geschafft hatten, oder aber bei Personen, die mit der von ihr geführten Gruppe erfolgreich waren, mit solchen, die keinen Erfolg hatten. Die hinter dieser Forschungsstrategie stehende praxisbezogene Programmatik ist offensichtlich:

Es soll zunächst analysiert werden, welche Eigenschaften kennzeichnend für Personen in Führungspositionen bzw. für erfolgreich Führende sind.

Testverfahren sollen entwickelt werden, die sich zur Messung der genannten Eigenschaften eignen.

Bewerberinnen und Bewerber für Führungspositionen werden mit den genannten Testverfahren untersucht; diejenigen, die die besten Testwerte erreichen, sollten künftig mit der größten Wahrscheinlichkeit Führungserfolg haben.

Die Vielzahl der empirischen Analysen zum Auffinden von FührungseigenschaftFührungseigenschaften wurde in verschiedenen Überblicksartikeln zusammengefasst (v. Rosenstiel & Kaschube, 2014; Weibler, 2023). Tatsächlich fanden sich bei sehr vielen Persönlichkeitsmerkmalen korrelative Bezüge zum Führungserfolg bzw. zum Erreichen einer Führungsposition. Die wichtigsten Merkmale lassen sich so gruppieren:

Befähigung (Intelligenz, Wachsamkeit, verbale Gewandtheit, Originalität, Urteilskraft)

Leistung (Schulleistung, Wissen, sportliche Leistung)

Verantwortlichkeit (Zuverlässigkeit, Initiative, Ausdauer, Aggressivität, Selbstvertrauen, Wunsch, sich auszuzeichnen)

Teilnahme (Aktivität, Soziabilität, Kooperationsbereitschaft, Anpassungsfähigkeit, Humor)

Status (sozioökonomische Position, Popularität)

Das klingt plausibel. Die Probleme werden jedoch dann deutlich, wenn man ins Detail geht. Das sei am Beispiel einer »Führungseigenschaft«Führungseigenschaft, der Intelligenz, gezeigt. Hier zeigt die Forschung, dass zwar Indikatoren der Intelligenz meist positiv mit dem Führungserfolg verbunden sind, jedoch ist die Streuung der Ergebnisse zwischen den verschiedenen Untersuchungen groß. Die Überprüfung von über 150 empirischen Untersuchungen mithilfe einer sogenannten Metaanalyse zeigt nur einen moderaten Zusammenhang zwischen Führungserfolg und Intelligenz des Führenden (Judge, Colbert & Ilies, 2004). Dafür können methodische Probleme verantwortlich sein: Führungskräfte werden u. a. aufgrund ihrer Intelligenz für diese Aufgabe ausgewählt, d. h., in den untersuchten Stichproben finden sich gewöhnlich Personen mit einer überdurchschnittlich hohen Intelligenz, in der sie sich nur relativ wenig unterscheiden (d. h. die Varianz ist gering). Das könnte die vergleichsweise niedrige Korrelation mit dem Führungserfolg erklären. Ursächlich dafür könnte aber auch sein, dass es in der Praxis weniger auf die absolute Höhe der Intelligenz ankommt als vielmehr darauf, dass die jeweilige Führungskraft lediglich in Bezug auf die Aufgaben intelligenter ist als die von ihr Geführten. Darauf deuten auch neuere Untersuchungen hin, die einen kurvilinearen Zusammenhang nahelegen: Demnach liegt der optimale Intelligenzquotient (IQ) der Führungskraft mit Blick auf die wahrgenommene Qualität der Führung deutlich erkennbar über dem durchschnittlichen IQ in der geführten Gruppe (genauer gesagt, um ca. 1,2 Standardabweichungen; vgl. Antonakis, House & Simonton, 2017), bei noch höherem IQ wird die Führungskraft aber schlechter beurteilt. Es zeigt sich damit ein Effekt des »zu viel des Guten« (Pierce & Aguinis, 2013): So kann z. B. die überragende Intelligenz eines Nobelpreisträgers eher hinderlich bei der Führung einer »normalen« Arbeitsgruppe sein.

Gewöhnlich werden in der Führungsforschung positive Persönlichkeitsmerkmale wie die Intelligenz untersucht und es wird versucht, damit den Führungserfolg vorherzusagen. Befragt man Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu ihren Vorgesetzten, hört man aber nicht selten Kritik an deren Person bzw. ihrem Verhalten. Negative Merkmale von Führungskräften und ihre Wirkung auf negatives Verhalten von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ‒ auch als kontraproduktives Verhalten bezeichnet (Pundt & Nerdinger, 2025) ‒ i. S. eines Führungsmisserfolgs werden erst in letzter Zeit häufiger thematisiert. Das sei am Beispiel des Persönlichkeitsmerkmals »Narzissmus« verdeutlicht. Darunter wird vereinfacht gesagt die Neigung verstanden, sich selbst als überlegen gegenüber anderen Menschen wahrzunehmen: Narzissten überschätzen ihre Fähigkeiten und bewundern ihre Erfolge. Im Umgang mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wählen narzisstische Führungskräfte v. a. »weiche« Beeinflussungsstrategien wie den Einsatz von Charme oder Schmeicheleien. In einer Metaanalyse wurden u. a. die Zusammenhänge des Narzissmus von Führungskräften mit dem Verhalten ihrer Mitarbeitenden untersucht (O’Boyle, Forsyth, Banks & McDaniel, 2010), wobei sich relativ starke Verbindungen zu deren kontraproduktiven Verhaltensweisen zeigten.

Merkmale des Narzissmus finden sich häufiger unter Führungskräften, und ebenso häufig wurde berichtet, dass sie damit den Organisationen Probleme bereiten. Blickle, Böhm und Wihler (2023) haben dagegen vermutet, dass es auch hier auf die »Dosis« ankommt: Tatsächlich konnten sie empirisch zeigen, dass ein umgekehrt U-förmiger Zusammenhang mit der Zufriedenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter besteht, d. h. zu viel Narzissmus ist dafür ebenso ungünstig wie zu wenig. Mitarbeitende scheinen demnach mit den Führungskräften am zufriedensten, die lediglich »ein wenig« narzisstisch sind ‒ d. h. letztlich mit Menschen, die ein »gesundes« Selbstbewusstsein haben.

Diese Befunde zeigen, dass man die Persönlichkeit der Führungskräfte differenziert sehen und die FührungssituationFührungssituation ‒ wie z. B. die durchschnittliche Intelligenz der Geführten bzw. die Möglichkeiten, ein gesundes Selbstbewusstsein zu zeigen ‒ mitbedenken muss. Abbildung 1 visualisiert dies. Die Führungseigenschaften bestimmen zwar das Verhalten, aber nur im Zusammenspiel mit der konkreten Führungssituation bedingen sie das Führungsverhalten. Das Führungsverhalten ‒ vermittelt über das Verhalten der Geführten ‒ hat in bestimmten Situationen Erfolg, in anderen Misserfolg zur Konsequenz.

Abb. 1:

Verknüpfung von Führungspersönlichkeit, Führungsverhalten, Geführtenverhalten, Führungssituation und Führungserfolg im theoretischen Modell

Unter spezifischen Bedingungen können sich bestimmte Eigenschaften der Person realisieren und verhaltenswirksam werden und zwar in einer solchen Weise, dass dadurch der Führungserfolg gefördert wird, in anderen dagegen haben sie kaum Einfluss auf das Verhalten. Oder das durch die Situation mitprovozierte Verhalten steht dem Führungserfolg eher im Wege. Dem versucht man heute mit sogenannten »situativen Verfahren« oder dem »biografischen Interview« (vgl. den Beitrag von Kanning »Auswahl von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern«, Kapitel 11) gerecht zu werden, indem man zum einen die konkrete künftige Führungssituation durch situative Übungen spezifisch zu simulieren trachtet und zum anderen die Eigenschaften der zu Beurteilenden eher verhaltens- als eigenschaftsbezogen erfasst. Also: Wie geht die Bewerberin mit einer konkreten komplexen Organisationsaufgabe um, statt der Beantwortung von klassischen Fragen im Intelligenztest wie: »Baum verhält sich zu Wald wie Gras zu X.«

Auf ein weiteres Problem empirischer Untersuchungen zur Fundierung der Eigenschaftentheorie sei verwiesen. Positive Korrelationen werden fast stets in dem Sinne interpretiert, dass die Eigenschaft die Führungserfolg, UrsacheUrsache des Führungserfolgs sei. Daraus ergibt sich auch die Legitimation, eigenschaftenbezogene Tests zur Führungsauslese zu verwenden. Es ist aber durchaus denkbar, dass andere Kausalitäten wirken, z. B. nach der alten Weisheit: »Wem Gott ein Amt gibt, dem gibt er auch Verstand«. In diesem Sinne ist es sehr wohl vorstellbar, dass z. B. Selbstsicherheit nicht nur Ursache von Führungserfolg, sondern Führungserfolg durchaus Ursache von Selbstsicherheit sein kann. Wissenschaftliche Analysen machen zumindest plausibel, dass beide Wirkrichtungen anzunehmen und zudem gelegentlich möglicherweise Drittvariablen (z. B. Sozialschicht) für Persönlichkeitsmerkmale einerseits und Führungserfolg andererseits verantwortlich sind (v. Rosenstiel & Nerdinger, 2011).

Die häufig durchaus berechtigte Kritik an der Eigenschaftentheorie der Führung hatte allerdings gelegentlich die Überinterpretation zur Folge, dass Persönlichkeitseigenschaften gänzlich irrelevant für den Führungserfolg seien. Dies lässt sich aus den vorliegenden Daten keinesfalls ableiten. Grob vereinfachend darf man festhalten: Wer als Führungskraft erfolgreich sein will, sollte

über eine Intelligenz verfügen, die etwas über der durchschnittlichen Intelligenz der Mitarbeitenden liegt,

zwar selbstbewusst, aber nur mäßig narzisstisch sein,

sozial kompetent sein, d. h., sich auf ganz unterschiedliche Menschen in verschiedenen Situationen einstellen können,

hohe Zielbindung unter Beweis stellen, d. h., die Motivations- und Willensstärke haben, ein für wichtig erkanntes Ziel selbst bei Widerständen zu verfolgen,

sich offen für neue Erfahrungen zeigen, also flexibel auf die Herausforderungen einer sich wandelnden Situation reagieren können,

ausgeprägte Lernfähigkeit und -bereitschaft haben, zu verstehen als Kompetenz, sich selbstorganisiert auf neue Situationen einzustellen und sich, wenn erforderlich, von alten ‒ bisher erfolgreichen ‒ Strategien handlungsorientiert zu verabschieden.

Vor darüber hinausgehenden Generalisierungen muss jedoch gewarnt werden, d. h., die Eigenschaften müssen vor dem Hintergrund der FührungssituationFührungssituation und vor dem Hintergrund anderer Persönlichkeitsmerkmale der Person interpretiert werden, mit denen sie in Interaktion stehen. Dem suchen die heute wohl besten Methoden der Führungskräfteauswahl ‒ Assessment Center, biografische Inventare, situative Tests, strukturierte Interviews ‒ gerecht zu werden.

1.3.2 Der Führungsstil

Nicht nur die Eigenschaftentheorie, auch die experimentelle Führungsstilforschung geht davon aus, dass stabile Persönlichkeitszüge den Führungserfolg bestimmen. Die Grundidee des Konzepts »Führungsstil« besagt, dass Führungskräfte ein halbwegs konsistentes Verhalten gegenüber ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zeigen. Der Führungsstil ist also ein Merkmal der Person und hat gleichzeitig unmittelbare Wirkungen auf die Mitarbeitenden, da sich dies als überdauerndes Verhalten äußert.

Ausgangspunkt dieser Forschung waren politisch motivierte Experimente (Lewin, Lippitt & White, 1939). Durch experimentelle Bedingungsvariation wurden drei Führungsstile »hergestellt«: Ein »autoritärer«, ein »demokratischer« und der »Laissez-faire-Stil«. In diesen Untersuchungen fand man bei Jugendlichen in den USA der späten 1930er-Jahre, dass

die Mehrzahl der Schüler mit dem demokratischen Führungsstil zufriedener war,

sich in den autoritär geführten Gruppen ein aggressives Klima entwickelte,

bei Anwesenheit des Führers die Leistung in den autoritär geführten Gruppen höher lag,

dagegen in demokratisch geführten Gruppen bei Abwesenheit des Führers in laissez-faire geführten Gruppen eine gewisse Orientierungslosigkeit herrschte.

Ähnliche Untersuchungen experimenteller Art wurden in der Folge vielfach durchgeführt, wobei meist zwischen autoritärem und kooperativem Führungsstil unterschieden wurde. Dabei zeigte es sich, dass die von Lewin gefundenen Ergebnisse ‒ zumindest hinsichtlich des Leistungskriteriums ‒ nicht generalisiert werden können.Auch bei diesem Konzept ist die Situation entscheidend: Bei bestimmten Aufgabenstellungen, Arbeitsgruppenstrukturen, PersönlichkeitsmerkmalePersönlichkeitsmerkmalen der Geführten, gesellschaftlichen Normsystemen etc. führt eher der autoritäre, in anderen Bedingungen eher der kooperative Führungsstil zu besseren Leistungen bzw. erfüllt die Erwartungen der Geführten und löst dort positive Einstellungen im Sinne der Zufriedenheit aus. Vor allem bei hoch qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern kann auch der Laissez-faire-Stil positive Ergebnisse zeigen, da sich so individuelle Stärken frei entfalten können ‒ das mag ein Grund sein, warum dieser Führungsstil beispielsweise in Universitäten häufiger anzutreffen ist (Schmidt & Richter, 2009).

Auf ein grundlegendes Problem der experimentellen Führungsstilforschung sei hingewiesen. Sie geht letztlich mit anderen Begriffen und anderen Operationalisierungen von gleichen Grundannahmen wie die Eigenschaftentheorie aus, da sie den Führungsstil implizit als Persönlichkeitskonstante versteht: Durch entsprechende Manipulation der Versuchsbedingungen hatten die Führenden in den Experimenten sich kooperativ, d. h. Partizipation zulassend, oder autoritär, d. h. keine Partizipation zulassend, zu verhalten und zwar ohne Rücksicht auf die Situation. Reales Führungsverhalten aber ergibt sich stets aus der Interaktion zwischen Person und Situation. Diese wurde in den Führungsstilexperimenten durch den Versuchsaufbau explizit ausgeschlossen.

Vor einer Generalisierung der experimentellen Befunde auf FührungssituationFührungssituationen in Organisationen muss also gewarnt werden. Es dürfte kaum Führungskräfte geben, die sich immer ‒ ohne Rücksicht auf die Situation ‒ autoritär oder kooperativ verhalten. Ähnlich vorschnell wäre es, in Trainingsprogrammen alle Führungskräfte ausschließlich auf den kooperativen Führungsstil »einzuschwören«, wie es in vielen Unternehmen geschieht. Es gibt nicht »den besten Führungsstil«.

1.3.3 Dennoch: Die Person ist wichtig

Wo immer Menschen gemeinsam zielbezogen handeln, finden wir bestimmte Formen von Hierarchie. In ihrer Art und Ausprägung allerdings werden sie sich unterscheiden. Personen in Führungspositionen können einerseits beispielsweise als reine Funktionsträger erlebt werden, die aufgrund ihrer fachlichen Kompetenz und/oder sie begünstigender Personalentscheidungen in eine Führungsposition versetzt wurden. In diesem Fall erscheinen sie als grundsätzlich austauschbar. Die Art ihrer Führung ‒ richtig verstanden ‒ wird von der Kompetenz der ihnen Unterstellten abhängen. Sind diese in fachlichen Belangen auch im Detail weniger qualifiziert als die Führungskraft, so wird diese vor allem durch Befehl (Ziele und Wege werden vorgegeben) oder präzisen Auftrag (das Ziel wird definiert, der Weg freigestellt) zu führen suchen. Ist dagegen, wie bei hochrangigen Spezialisten häufig, die Kompetenz der Geführten in den Detailfragen höher als die der Vorgesetzten, so wird die Führung, durch DelegationFührung durch Delegation erfolgen, d. h., es werden Aufgaben mit den dazugehörigen Rechten und Verantwortlichkeiten übertragen, innerhalb derer Stelleninhaber selbst aktiv werden, Ziele setzen und Wege finden müssen (Hersey & Blanchard, 1977). Führung wird in diesem Fall zur Koordination der Spezialisten.

All dieses stellt sich nicht selten ganz anders dar, wenn die Person der Führenden kraft ihres Charismas oder aufgrund historischer oder strukturaler Gründe erlebnismäßig »allgegenwärtig« und »nicht austauschbar« erscheint. Derartige Strukturen finden wir ‒ um ein anschauliches Beispiel zu bringen ‒ auf Schiffen vor, auf denen der Kapitän zum dominierenden Bestandteil der erlebten Organisationswirklichkeit erstarkt. Er ist allgegenwärtig; man kann sich ihm nicht entziehen, nicht nach Dienstschluss in eine von ihm nicht bestimmte Welt verschwinden, sondern man ist stets und immer im Umfeld seiner Gegenwart und lebt in der von ihm geformten und bestimmten Umgebung.

Ist ein bestimmter Stil des Umgangs miteinander, der das Unternehmen kennzeichnet, aus einer langen Tradition erwachsen und die Führenden werden mit dieser Tradition identifiziert, so wird die daraus ableitbare Zielsetzung zur persönlichen Botschaft, die ‒ über die VorbildVorbildfunktion ‒ von der Mannschaft übernommen wird. Über die Person (der Führenden) kommt es zur Identifikation vieler (Mitarbeitender) mit dem Ziel.

1.4 Dimensionen des Führungsverhaltens

Den realen Gegebenheiten in Organisationen näher als die Führungsstilforschung steht der Versuch, beobachtbares FührungsverhaltenFührungsverhalten von Vorgesetzten zu beschreiben, zu messen und in seiner Wirkung in Bezug auf bestimmte Kriterien des Erfolges zu analysieren. Besonders intensiv wurde dies im Rahmen der sogenannten Ohio-Studien betrieben (vgl. Neuberger, 2002).

Ausgangspunkt der Studien war die Überlegung, dass Geführte das Verhalten der Führenden unmittelbar erleben und damit gültiger beschreiben können als Vorgesetzte, Kolleginnen oder Experten. Entsprechend wurden mit erheblichem empirischem Aufwand verschiedene Fragebögen entwickelt, mit deren Hilfe Geführte das Führungsverhalten ihrer Vorgesetzten anonym beschreiben sollten. Faktorenanalysen dieser und ähnlicher Untersuchungen erbrachten eine Vielzahl voneinander abhebbarer FührungsverhaltensdimensionFührungsverhaltensdimensionen. Nahezu alle Untersuchungen bestätigten allerdings die beiden mit den höchsten Ladungen ausgestatteten, orthogonal zueinander stehenden Faktoren der Ohio-Untersuchungen:

»Consideration« (= praktische Besorgtheit, MitarbeiterorientierungMitarbeiterorientierung)

»Initiating Structure« (= Aufgabeninitiierung und -strukturierung, AufgabenorientierungAufgaben- oder LeistungsorientierungLeistungsorientierung)

Abb. 2:

Die Führungsverhaltensdimensionen der Ohio-Schule